Ein halbes Jahr nach der letzten Ausgabe hat sich manches getan an der Krisenfront, aber Entwarnung will immer noch niemand geben. Veranstalter und Wirte dürfen die Anzahl der Gs wählen – 2 oder 3, natürlich in jedem Bundesland unterschiedlich. Sie können sich also – wenn die Landesregierung es ihnen nicht ohnehin vorschreibt – entscheiden, ob sie einen Teil der Kundschaft aussperren und womöglich ganz verlieren, oder ob sie ihren Umsatz per Abstandsregeln bei einem Bruchteil des Üblichen belassen – also Pest oder Cholera? Ich möchte jedenfalls nicht in der Haut der Wirte stecken.
Die Brauereien stehen in der Kette hinter den Wirten. Die „Großen” haben sich mit der Verschiebung hin zum Flaschenabsatz wohl ganz gut arrangieren können, stieg doch der gesamte Bierabsatz in Deutschland vom Tiefpunkt im Januar 2021 mit nur 3,8 Millionen Hektolitern bis zum Juni 2021 auf immerhin wieder 7,5 Millionen Hektoliter an, und erreichte damit fast wieder den Wert vom Juli 2019 (etwa 7,8 Mio hl) .
Die „Kleineren”, insbesondere die ohne eigene Flaschenabfüllung, können aber ihr Flaschenbier nicht zu am Markt realisierbaren Kosten produzieren. Sie sind auf Direktvermarktung und Fassbierabsatz angewiesen, um ihre überproportionalen Kosten erwirtschaften zu können. Das dürfte ihnen aber immer noch schwer fallen, so lange die Gastronomie nicht wieder auf vollen Touren läuft. Die Schwierigkeiten kann man unter anderen daran ablesen, dass der positive Trend zur Gründung kleinerer Brauereien 2020 erstmals seit mindestens 8 Jahren gebrochen wurde. Die Zahl der Brauereien in Deutschland fiel im Jahr 2020 von 1552 auf nur noch 1528 Braustätten, ebenso ging die Anzahl der in der Brauwirtschaft beschäftigten um fast 1.000 Mitarbeiter oder fast 3% zurück .
Die Gefahr für die geliebten Kleinbrauereien ist also noch lange nicht gebannt.
Mancher mag sich angesichts des Titelbildes fragen, ob wir jetzt unter die Gärtner oder Naturschützer gegangen sind. Wenn man aber (sehr) genau hinsieht, kann man im Vordergrund den Gagel erkennen, ein Sumpfpflanze, die im Mittelalter zusammen mit anderen Kräutern und Hopfen die Grundlage für die Grutbiere bildeten. Zu dem Thema haben wir gleich zwei Artikel in diesem Heft: Carl Pause, Historiker beim Clemens Sels Museum Neuss, gibt in seinem Artikel einen Überblick über „Das Grutbier” am Niederrhein, und Philipp Overberg vom Gruthaus Münster vertieft das Thema in „Grutbier und Grutkultur in Münster”.
Zum historischen Leitthema passt auch sehr gut der Artikel von Prof. Dr. Ingo Heidbrink über „Natureis aus Norwegen für deutsche Brauereien”. Wer wusste, dass die deutsche Brauindustrie im 19. Jahrhundert, vor Erfindung und Verbreitung der Kältemaschinen, Eis zur Bierkühlung aus Skandinavien importiert hat? Das Forschungsprojekt „Die letzte Eiszeit /Den siste istid“ hat die Geschichte dieser ungewöhnlichen Geschäftsidee untersucht.
Eine andere historische Biergeschichte hat Jan Brücklmeier mit der „Satzbrauerei” ausgegraben. Dieses Brauverfahren – eine Art extremen Enzymauszugs – war bis ins 19. Jahrhundert neben dem „Bayrischen Maischverfahren” durchaus üblich, um mangelhafte Malzqualitäten aufzufangen.
Ebenso in die Historie geht Markus Häggbergs Artikel „Das Bier aus Feuer geboren” über die Entstehung des Leikeim Steinbier. Wir werden die Geschichte eventuell in der nächsten Ausgabe mit Tipps für das Nachbrauen fortsetzen.
Noch mehr Geschichte: Weitra, die älteste Braustadt Österreichs, feiert in diesem Jahr das 700. Jubiläum der Verleihung des Braurechts. In „700 Jahre Braustadt Weitra” bekommt ihr Tipps, wie ihr noch einige der verbliebenen Termine wahrnehmen könnt. Außerdem hat Ernest Zederbauer zum Jubiläum seine Heimatstadt den historischen Krimi „Hopfen Malz Mord” geschrieben, den ich euch in einem unserer Buchtipps wärmstens ans Herz lege.
Und schließlich hat auch Dirk wieder in alten, kaum bekannten Quellen gegraben und die Geschichte über „Das Ale und die englische Schweißkrankheit” zu Tage gebracht. Parallelen zum aktuellen Virus sind wahrscheinlich nicht ganz zufällig.
Moderner geht es bei den BierBot Bricks zu. Moritz Scheerer und Bernhard Schlegel, vielleicht noch bekannt vom „BierBot Mini”, haben ein neues Baby in Form einer Cloud-basierten Brausteuerung aus der Taufe gehoben, die mit sehr geringen Hardwarekosten eine vollwertige und erweiterbare Regelung und Steuerung im Sudhaus und Gärkeller ermöglicht. Am kostengünstigsten ist es, die „Bricks” nicht fertig zu beziehen, sondern aus preiswerten Einzelteilen selbst zusammenzustellen und mit Software zu versorgen. Wie das funktioniert, erklären sie in der „Bauanleitung BierBot Brick”. Den dort zusammengabauten „Brick” verlosen die beiden übrigens an einen brau!magazin Leser – Einzelheiten im Artikel. In „BierBot Brick im Test” könnt ihr die Ergebnisse eines ersten Tests in der brau!magazin Redaktion nachlesen.
Lotte Peplow von der amerikanischen Brewers Association steuert einen Artikel über die Nutzung von Hopfen in amerikanischen Craft-Brauereien bei. Sie fordert: „Hopfen über den Teich!” Interessant finde ich, wie eng die amerikanischen Brauer mit „ihren” Hopfenbauern zusammenarbeiten. Diesen Artikel könnt ihr auch gern im engischen Original lesen.
Zwei weitere Bücher fanden den Weg auf unseren Redaktionsschreibtisch: „Die Bierkönigin von Minnesota”, eine Familiensaga im amerikanischen Brauermilieu, und „Pfaffensud”, ein neuer Krimi aus Andreas Schröfls „Saktus ermittelt”-Reihe. Lest nach, ob sich das Lesen lohnt.
Wir fanden wir auch zwei Agenturartikel interessant genug, um sie im brau!magazin abzudrucken: die Brauerei Bachs bringt mit einem Werbepartner ein Exit-Game heraus, das die Bierdeckel und ‑Flaschen zu Spieluntensilien macht, die im online-Abenteuer zur Lösung der Rätsel führen: Flüssiges Brot & Spiele.
Die Bamberger Rauchbierbrauerei Schlenkerla kündigt in „Neuer Rauchbier-Feiertag am 23. Juli” an, künftig am 23. Juli den offiziellen Tag der Rauchbierbewahrung begehen zu wollen.
Viel Spaß mit dem neuen brau!magazin!
Quellen