Wir schreiben das Jahr 1551. Die fünfte Welle einer gefürchteten Krankheit rollt über England. Vorherige Wellen haben von England aus auch Mitteleuropa erfasst, während Schottland, Irland, Frankreich, Italien u.a. verschont blieben. Wegen des typischen, plötzlich einsetzenden Schwitzens wird die Krankheit der Englische Schweiß genannt. Weil die Erkrankten meistens innerhalb eines Tages sterben, wird auch der Name Ephemera (Eintagsfieber) gebraucht. Der Auslöser bis heute nicht abschließend identifiziert, es ist aber möglich, dass wir den Nachfahren des Erregers noch in Form von Erkältungsviren begegnen.
Eine zeitgenössische Beschreibung des Krankheitsbildes einschließlich Behandlungsvorschlägen verdanken wir John Caius (1510-1573) aus Cambridge. Neben medizinischen Themen publizierte der mitteilungsfreudige Arzt auch zu englischen Hunderassen, der Aussprache des Latein und des Griechischen, zur Geschichte der Universität Cambridge u.a.m. Der englischen Version mit dem Titel “A Boke or Counseill against the Disease Called the Sweate or Sweatyng Sicknesse” ließ er bald eine noch umfangreichere, an ein abendländisches Fachpublikum gerichtete, lateinische Version “De ephemera Britannica” folgen.
Nun sind Epidemien nicht unbedingt ein Thema, das der geneigte Leser im brau!magazin erwartet, aber zu einiger Überraschung findet sich in der lateinischen Version auch die älteste schriftliche Dokumentation des Ale-Brauverfahrens. Ale stand damals ausschließlich für ungehopftes Bier. Der Beschreibung voraus gehen Aussagen zur Ursache der Schweißkrankheit. Offenbar wurde vermutet, dass Hopfen-Bier der Grund sei, warum die Krankheit Kontinentaleuropa aussparte, was übrigens nur für die ersten beiden Wellen zutraf. Das ungehopfte Bier aber sei gar nicht der Grund, warum England immer wieder heimgesucht wurde, sondern nach Caius Einschätzung sind die Ursachen immoderatio et intemperentia : Übermaß und Ausschweifung.
Der Text ist in der Forschung zum Brauwesen weitgehend unbekannt. In Fritz Schoellhorns Bibliographie fehlt er. Gedruckt ist er nur in wenigen lateinischen Ausgaben und in einer englischen Übersetzung . Im folgenden der Wortlaut der lateinischen Ausgaben mit einer möglichst wortgetreuen Übersetzung sowie einer interpretierenden Paraphrase auf Deutsch.
Latein | Deutsch | Paraphrase |
Hordeum aqua perfunditur, atque ad aliquot dies maceratur, donec intumescat, et altero suo fine fatiscat germinetque. | Gerste wird mit Wasser übergossen und für ein paar Tage eingeweicht, bis sie angeschwollen ist und schließlich aufgeht und keimt. | Gerste wird ein paar Tage lang in Wasser eingeweicht, bis sie aufgeht und keimt. |
Tum emissa omni aqua per cisternae fundum, ut inutili, eximitur hordeum. | Dann, nachdem das Wasser durch den Boden des Beckens abgelassen wurde, weil es [nun] unbrauchbar ist, wird die Gerste herausgenommen. | Dann wird zunächst das Wasser aus dem Becken abgelassen, weil es nicht mehr benötigt wird. Danach wird die Gerste aus dem Becken genommen |
Id per solum tenuiter spargitur, et bis die vertitur, ita et omnis humor elabitur, nec acervo putredo concipitur, nec mucorem hordeum contrahit; | Sie wird auf den Boden dünn ausgestreut und wird zwei Tage gewendet, damit auch alle Feuchtigkeit entweicht und sie nicht wegen der Aufhäufung von Fäulnis erfasst wird oder die Gerste Schimmel anzieht. | und auf dem Boden ausgebreitet. Zwei Tage lang wird sie immer wieder gewendet, damit sie trocknet und nicht fault oder schimmelt, weil sie aufgehäuft liegt. |
posito jam omni humore (quod paucis fit diebus) paratur concameratus fornax (bunarium dici potest, qua ratione et analogia dicimus calcarium et sulphurarium, pro locis ubi calx et sulphur coquuntur) qui ignem admittit, sed non reddit nisi qua recipit. | Nachdem schon alle Feuchtigkeit entfernt ist (was innerhalb weniger Tage geschieht) wird ein überwölbter [Back-]Ofen gerüstet (ein Bunarium könnte man sagen, in welcher Weise und Analogie wir Kalkarium und Sulphurarium sagen zu Orten, wo Kalk und Schwefel zusammengekocht werden), der Hitze hinzufügt, aber nur abgibt, was er auffnimmt. | Sobald sie nicht mehr feucht ist - was wenige Tage dauert - wird ein Ofen vorbereitet. Man könnte ihn Bunarium nennen, wie man Kalkarium und Sulphurarium sagt, wenn man Öfen meint, in denen Kalk und Schwefel gebrannt wird. Der Ofen gibt Hitze des Feuers nur indirekt ab. |
Spiramenta tamen quaedam undique per sua latera ita habet certis intervallis disposita, ut ad superiora calor facile possit commeare. | Freilich hat er etliche Luftlöcher rundum über alle Seiten in bestimmten Abständen verteilt, damit die Wärme zum oberen Teil leicht ziehen kann. | Allerdings hat er rundherum viele Löcher, damit warme Luft zum oberen Teil ziehen kann. |
Fornax ille ut est rotundus, ita pariete in quadratum extructo undique, et duos pedes altiori quam est fornax, cingitur. | Zwar ist der Ofen rund, so umgibt ihn doch eine im Quadrat und zwei Fuß höher als der Ofen herumgemauerte Wand. | Der Ofen ist zwar rund, ist aber von Mauern mit quadratischem Grundriß umgeben, die zwei Fuß höher sind als der Ofen. |
Per ejus ambitum tenduntur crates ligneae et super eas cilicium. | Über deren Rand ist ein hölzernes Gitter und darauf ein Sackgewebe gespannt. | Über den Mauern spannt sich ein hölzernes Gitter, das mit Sackgewebe bedeckt ist. |
id hordeum tenuiter sparsum, quo calor per spiramenta erumpens ad singula grana pertingat, accipit. | Es nimmt die dünn verteilte Gerste auf, damit die durch die Luftlöcher hervorquellende Wärme zu allen einzelnen Körnern reicht. | Darauf wird die Gerste dünn ausgebreitet, so dass die warme Luft durch die Gerste hindurchzieht. |
Istis rite peractis, in fornace focus lentus et aequalis incenditur, et donec ad plenum siccatum fuerit hordeum, perennis alitur. | Auf dass dies auf rechte Weise ausgeführt wird, wird im Ofen ein ruhiges und gleichmäßiges Feuer entfacht, und solange bis sie (i.e. die Gerste) vollständig ausgetrocknet ist, fortdauernd aufrechterhalten. | Dazu wird ein mäßiges und gleichmäßiges Feuer im Ofen angezündet und unterhalten, bis die Gerste ganz getrocknet ist. |
Interea hordeum saepius die vertitur, quo aequabiliter siccetur. | Unterdessen wird die Gerste öfter am Tag gewendet, damit sie gleichmäßig trocknet. | Mehrmals am Tag wird die Gerste gewendet, damit sie gleichmäßig trocknet. |
Cum siccatum probe fuerit, durum est, et gustui dulce, tum seponitur in tabulatis, ad usus necessarios, et Aëtio βύνη, nostris patria lingua Maltum dicitur. | Wenn sie ordentlich getrocknet wurde, ist sie hart und süß im Geschmack, dann wird sie vom Gestell entfernt, zum nützlichen Gebrauch, und von Aëtius [von Amida] wird sie βύνη, in der Sprache unseres Vaterlandes Malz genannt. | Sie ist trocken genug, wenn sie hart und süß geworden ist. Dann wird sie vom Gestell genommen und kann für das Bierbrauen genutzt werden. Aëtio von Amida (505-575) nennt sie Bynä, in unserer Landessprache spricht man jetzt von Malz. |
Cum usus vocat, mola teritur, et in tinam grandem mittitur; illi aqua ferventissima, quae aliquot ante horas in cortina seorsum ebullierit, affunditur. | Wie es der Brauch verlangt, wird es in der Mühle zerrieben, und in einen großen Bottich geschüttet werden, in ihm wird siedendstes Wasser, welches zuvor ein paar Stunden in einem Kessel abgesondert wall(end koch)te, eingegossen wird. | Jetzt muß das Malz in der Mühle geschrotet werden. Das Schrot wird in einen Bottich geschüttet. Dazu kommt sehr heißes Wasser, das zuvor in einem Kessel ein paar Stunden lang wallend gekocht wurde. |
Modus utrisque est pro potestate futuri vini. | Das Maß für beide bestimmt die Stärke der zukünftigen Weine: | Je nachdem in welchem Verhältnis die Beidem eingesetzt werden, ergibt sich die Stärke des Getränks. |
Nam si potentius placet, plus de buna, sin tenuius, plus de aqua, quam pro justo alioqui utriusque modo admiscendum est. | Denn wenn es kräftiger gefällt, mehr vom Malz, wenn aber schwächer, mehr vom Wasser, welches im rechten Mass für beide ohnehin beizumischen ist. | Wenn es stärker werden soll, nimmt man mehr Malz, wenn es schwächer werden soll, mehr Wasser. |
In ea aqua ferventissima madescit horas tres aut quatuor: ubi omnis ejus vis in aquam transfusa est, aperitur foramen quoddam in tinae fundo, circumvallatum clathro colatorio, seu secerniculo vimineo, ne buna fresa, inanesque scapi quibus ea vestiebatur (inutiles nisi jumentis alendis) una cum liquore elabantur, aut foramen repleant, et liquori exitum praepediant. | In diesem kochendstem Wasser wird es drei oder vier Stunden eingeweicht. Sobald all die Kraft in das Wasser übergegangen ist, wird die Öffnung am Boden des Bottichs geöffnet, nachdem sie von einem hölzernen Sieb oder Gitter aus Flechtwerk eingefasst wurde, damit nicht zermalmtes Malz oder nutzlose Stängel, welche sie [die Öffnung] bedecken (nutzlos, es sei denn um die Lasttiere zu füttern) zusammen mit der Flüssigkeit entrinnen und die Öffnung wieder füllen und den Ausfluss der Flüssigkeit aufhalten. | In diesem sehr heißen Wasser wird es drei bis vier Stunden eingeweicht. Wenn sich alles gut gelöst hat, wird der Stopfen am Boden des Bottichs gezogen. Zuvor wird der Abfluss mit einem hölzernen Sieb oder einem Gitter aus Flechtwerk umgeben, damit nicht Malzschrot oder Stroh die Öffnung verstopfen oder mit der Würze ablaufen. Das Malzschrot oder Stroh wird nun für die Bierherstellung nicht mehr gebraucht und kann an (Last-)Tiere verfüttert werden. |
Ita qua viam repperit, humor dulcis fluit, colore rutilo. | Auf dem so gefundenen Weg, fließt eine süße Flüssigkeit von rötlicher Farbe. | Die abfließende Flüssigkeit ist süß und rötlich gefärbt. |
Exceptus ille liquor, in aliam tinam inanem funditur, atque ad dimidias coquitur. | Diese Flüssigkeit wird in einem leeren Bottich aufgefangen und bis zur Hälfte [ein-]gekocht. | Die Flüssigkeit wird in einem leeren Bottich aufgefangen und im Kessel eingekocht, bis zur Hälfte des Volumens eingekocht. |
Interim omnis spuma tollitur & abiicitur. | Zwischenzeitlich wird aller Schaum entfernt und weggeworfen. | Währenddessen wird der Schaum vollständig entfernt und entsorgt. |
Dein in vasa quaedam lignea, quae minus fundi sed plus lati habeant, ex cortina refunditur, refrigerii causa. | Danach wird sie sich in hölzerne Gefäße, die weniger hoch sind, aber eine größere Weite haben, aus dem Kessel zurückgegossen, der Abkühlung wegen. | Nach dem Kochen wird die Flüssigkeit in flache, weite Bottiche gegossen, damit sie sich abkühlt. |
Ante tamen quam omnem posuit calorem superestque modicus, ex iis vasis latis in aliam tinam & eam inanem delabitur, confunditur grota, adiicitur alterius compositionis recens alae flos, perturbantur, & magna agitatione conquassantur omnia & commiscentur. | Doch bevor sie (die Flüssigkeit) die gesamte Wärme abgegeben hat und ein wenig davon übrig ist, läuft sie aus jenen weiten Gefäßen in einen anderen ebenfalls leeren Bottich ab, die Würze wird vermischt, hinzugetan wird die Blume einer vorherigen Ale-Zubereitung, völlig durcheinandergebracht und mit großer Bewegung erschüttert und ganz vermischt. | Sie sollte jedoch nicht ganz kalt sein, wenn man sie aus den weiten Bottichen in wiederum andere leere Bottiche umfüllt. Die Würze wird darin mit den Kräusen eines vorigen Sudes gemischt und kräftig aufgerührt. |
Quo fit, ut vinum id aerea levitate floris in duplum rarescat, & virtute grotae se excellenter purget. | So geschieht es, dass der Wein durch die luftige Leichtigkeit der Blume locker wird bis zum doppelten [Volumen] und er reinigt sich vortrefflich durch die Kraft der Würze. | Das Bier kann sich durch Wirkung der Kräusen um das doppelte ausdehnen. Durch die Kraft der Würze reinigt sich das Bier hervorragend. |
Est autem grota, apozema ex bunae fresae crassamento (unde nomen habet) & liquore iam ante e buna, aqua fervente perfusa, defluente, ad spissitudinem excoctis. | Die Würze aber ist das Apozema (i.e. die Abkochung) aus der Dicke des zermalmten Malzes (woher sie ihren Namen hat [grota > grossus=dick]) und aus der Flüssigkeit, die schon zuvor aus dem Malz, das mit siedendem Wasser übergossen wurde, abgelassen wurde, [und] zur Dichte verkocht wurde. | Die Würze ist der Extrakt, der aus dem Malzschrot (daher der Name Würze [grota]) gewonnen wurde, indem es mit dem heißen Wasser übergossen wurde und die Flüssigkeit abgelassen schließlich eingekocht wurde. |
Dulcedinem id habet defruti, & animam praebet Alae. | Sie hat die Süßigkeit eingekochten Mostes und sorgt für den Lebenshauch [oder Seele] des Ales. | Sie ist süß wie eingedickter Most und gibt dem Ale die Seele. |
Ita ad horas 24, cum in motu naturali Ala fuerit, agitante calore, potentia bunae, & vi floris atque grotae, in cupas, seu cados ligneos circulis cinctos, antequam faex residat, refunditur, & in cellis vinariis subterraneis (quod frigore melius conservatur) reconditur; sed sapore iam suavi, non, ut ante, dulci: ita libet cum Macrobio inter haec distinguere. | Wenn so das Ale bis zu 24 Stunden in natürlicher Gärung [wörtl.: Bewegung] gewesen ist, angetrieben von der Hitze, der Stärke des Malzes und der Kraft der Blume und der Würze, wird es ehe sich die Hefe setzt in hölzerne, mit Reifen eingefasste Tonnen oder Fässer gegossen und in unterirdischen Weinkellern gelagert (welche es durch Kälte besser haltbar machen). Aber der Geschmack ist jetzt lieblich, nicht wie zuvor süß, wenn man mit Macrobius [Saturnalia Liber VII, cap. VII, 15f] zwischen beiden [lieblich und süß] unterscheiden möchte. | Nach 24 Stunden Gärung, die von der Hitze angetrieben und von der Kraft des Malzes und der Kräusen verursacht wurde, wird das Bier in hölzerne mit Reifen eingefasste Tonnen oder Fässer gefüllt, noch bevor sich die Hefe gesetzt hat. Gelagert wird es in unterirdischen Weinkellern. Die Kälte lässt es länger halten. Der Geschmack ist jetzt lieblich, nicht mehr süß wie zuvor. So könnte man es mit Macrobius Ambrosius Theodosius [Saturnalia Liber VII, cap. VII, 15f] sagen. |
In iis cupis apertis ubi aliquamdiu quieverit, secretio partium fit, ut in vino ampelite, et faex ima, flos summa petit, innatatque ut spuma, et superfluit, Ala in medio pura consistit. Quod superfluit, vase excipitur, et ad compositiones alae similes, atque ad conciliandam panibus levitatem, ciborumque apparatum accommodatur. | In den offenen Bottichen, worin es eine Weile lang ruht, vollzieht sich eine Trennung der Bestandteile, wie beim Wein mit Ampelitis, und die Hefe strebt zum Boden, die Blume nach oben, und schwimmt auf als Schaum und läuft über. Das reine Ale findet sich in der Mitte ein. Was überläuft, wird in einem Behälter aufgefangen und für ähnliche Ale-Zubereitungen, zur Erzeugung der Luftigkeit der Brote und als Zutat von Speisen verwendet. | Schon in den offenen Bottichen, wo es eine Zeit lang ruht, trennt sich Hefe, reines Ale und Kräusen. Der Bodensatz setzt sich ab, die Kräusen laufen als Schaum über und das reine Ale bleibt in der Mitte zurück. Was überläuft, wird aufgefangen und als Triebmittel für Brot oder als Zutat von Speisen verwendet. |
Quod spumae a motu superest, incumbitque Alae iam quietae, id eam conservando est, dum ab externis iniuriis defendit, & innatam vim atque animam continet. Indicio est, quod cui detractus flos ille est, statim emoritur & vapescit : contra, illo superstite, ni aestas oberit, ad extremum senium (quod tempus est aliae menstruum, aliae bimestre, aliae trimestre, aliae annuum, prout plus minusve excoquatur) perdurat sapida. Rursum si florem addas, cui prius demptus fuit, videtur ea reviviscere, & novas vires acquirere. | Was an Schaum von der Gärung [wörtl.: Bewegung] übrig ist und schon auf dem stillen Ale ruht, das ist zu belassen - solange es vor Schaden von außen bewahrt wird - und bewahrt seine innewohnende Kraft und Seele. Ein Anzeichen ist, dass, wenn diese Blume entfernt worden ist, es sofort abstirbt und schal wird. Umgekehrt, wo sie überlebt, wird der Sommer nicht schaden, bis ins höchste Alter [des Biers] (was mal einen Monat, mal zwei Monate, mal drei Monate, mal ein Jahr sein kann, je nachdem, ob es mehr oder weniger gekocht ist) hält es sich wohlschmeckend. Wenn du wiederum Blume hinzufügst, dem es zuvor entnommen wurde, erscheint es wieder lebendig zu werden und neue Kräfte zu erlangen. | Der Schaum, der auf dem Ale schwimmt, muß belassen werden und bewahrt innere Kraft und Seele des Ales, solange er vor schädlichem Einwirkungen geschützt wird. Wenn nämlich der Schaum entfernt worden ist, stirbt das Ale ab und wird schal. Wenn er bleibt, schaden auch höhere Temperaturen nicht und das Bier bleibt lange schmackhaft, mal einen, mal zwei oder drei Monate oder auch ein Jahr sein kann, je nachdem wie lange das Bier gekocht wurde. Wenn man dem Bier wieder Schaum zugibt, wo er vorher entfernt wurde, erscheint es wieder frisch zu werden und zu Kräften zu kommen. |
Cupae statim ut infunditur Ala, non obturantur, quod nondum sedatus motus est, quodque alioquin iniquo loco rarescente Ala, cupae rumperentur. | Die Fässer werden nicht sofort verschlossen, sobald das Ale eingefüllt ist, sie würden bersten, weil die Gärung [wörtl.: Bewegung] noch nicht beendet ist und weil andernfalls das Ale sich an einem unpassenden Ort ausdehnen würde. | Würden man die Fässer gleich nach dem Füllen verschließen, würden sie bersten, weil die Gärung noch nicht abgeschlossen ist und das Ale keinen Raum für die Ausdehnung hätte. |
Ita Ala fit. Bera eisdem fere modis componitur, nisi quod lupus salictarius cum primo bunae liquore sine grota decoquitur. Quod si quis paulum tritici et ejus crudi, potentiae colorisque gratia (quod fere fit) admiscet, id praeter legitimum necessariumque conficiendi modum est nostrae Alae atque Berae, et commendandi causa adhibitum; ... | So wird also Ale gemacht. Bier wird fast genauso zubereitet, nur dass Hopfen mit der ersten Flüssigkeit des Malzes ohne Würze gekocht wird. Wenn jemand etwas Weizen wegen seiner Frische, Kraft und Farbe hinzufügt (was fast immer so ist), ist es kein vorgeschriebener noch nötiger Teil der Zubereitung, weder für unser Ale noch für Bier und wird [lediglich] noch hinzugefügt, um es lobenswert zu machen. ... | Soweit die Herstellung von Ale. Bier wird genauso gemacht mit dem Unterschied, dass Hopfen in der ersten Malzflüssigkeit (nicht in der Würze) gekocht wird. Wenn man Weizen hinzufügt, was üblich ist, macht man das wegen seiner Frische, Kraft und Farbe. Weizen ist jedoch nicht unbedingt notwendig, aber er macht das Bier wohlschmeckender. ... |
Als Rezept lässt sich die Beschreibung noch weniger verwenden, als das Pendent bei Hagecius , denn es fehlt jede absolute Mengenangabe. Das wurde als nicht nötig angesehen, weil die Malz- bzw. Wassermenge nur die Stärke und den Preis des Bieres bestimmten, das Verfahren aber bei jeweils unterschiedlichem Mengenverhältnis gleich angewendet wurde. Hagecius mag Caius' Traktat vorgelegen haben, eine literarische Abhängigkeit zeigt sich jedoch an keiner Stelle. Zum größten Teil ist das Fachvokabular nicht deckungsgleich. Dort wo es sich deckt, wird dasselbe Wort z.T. in verschiedenen Schreibweisen, Genera oder Numeri verwendet (z.B. buna vs. bynum für Malz).
Deutsch | Hagecius | Caius |
---|---|---|
Pfanne | ahenus, caldarium | cortina |
Würze | cremor (polentaceus) | grota |
Mälzerei | maltarium | bunarium |
Malz | polenta, bynum | buna |
Ein zentrales Wort ist grota unzweifelhaft das Wort für das, was deutschsprachige Brauer Würze nennen. grota kommt sonst in der Literatur nicht vor und wird Caius möglicherweise mit Anlehnung an ein ihn bekanntes nicht-lateinisches Wort eingeführt. In Frage kommt dafür, englisch groat oder groats , sowie das niederdeutsche grut (vgl. die Artikel zu Grut-Bier in dieser Ausgabe). groat oder groats ist auch mit englisch grit und mit deutsch Grieß verwandt. Sie alle können auf die indogermanischen Wurzel *ghreu- zurückgeführt werden. Zwar wird Grut oft mit Kräutern in Verbindung gebracht, Kraut hat jedoch etymologisch keine Verbindung zu all diesen Wörtern. Verwandt ist vielmehr das heute noch gebrauchte Grütze. Zunächst ist das "geschältes oder grob gemahlenes Getreide", dann auch ein daraus hergestellter Brei. .
Im letzten Absatz wird betont, dass der Hopfen nicht mit der grota, sondern mit der "ersten Malzflüssigkeit" cum primo bunae liquore gekocht wird. Es liegt nahe, dass damit der Guss gemeint ist. Eindeutig ist der Text in dieser Hinsicht nicht, denn Caius redet beim Guss an den anderen Stellen immer von aqua, von liquor zuerst im Läuterprozess. Es könnte also auch die Vorstellung zugrunde liegen, dass der Hopfen mit (Dünn-)Maische gekocht wurde.
Caius findet, was die Wirkung auf den Menschen angeht, keinen Unterschied zwischen ungehopftem Ale und gehopftem Bier. Anders Hagecius, er sieht im ungehopften Bier keinerlei Nutzen für die menschliche Physis, mit einer Ausnahme: In summa nemini amicam illam ceruisiam esse, nisi Veneri. (Alles in allem ist dieses Bier für nichts gut außer für die Venus [i.e. zur Steigerung der Libido also als Aphrodisiakum]). Allerdings hat Hagecius offenbar nie selbst ein ungehopftes getrunken, denn er beruft sich auf seinen Kollegen Manuel Brudo (De victu 2,18,96) . Ihm zufolge bedienen sich des Ales die Engländer, die von schwächerer Konstitution sind. Es entbehre des Hopfens und sei aus diesem Grund nicht zu empfehlen. Offensichtlich gab es auf beiden Seiten des Kanals einen ausgeprägten Bier-Ale-Dualismus, wobei das jeweils andere Getränk auf beiden Seiten verdächtig war. Caius schloss sich dieser Beurteilung nicht an und stellte Bier und Ale in medizinischer Hinsicht gleich. Immerhin kann Brudus einräumen, dass, wenn jemand bei guter Gesundheit ständig Ale getrunken hat, es auch für die Dauer einer Krankheit nicht aufgeben soll.
Bis heute wird Ale noch auf annähernd dieselbe Weise gebraut: Seit dem 18. Jahrhundert werden unter dem Begriff "Ale" jedoch auch gehopfte Biere verstanden. Das Gegenstück zum Ale ist nun nicht mehr Bier, sondern (untergäriges) Lager, denn Ale bezeichnet nun obergärige Biere. Der Englische Schweiß verschwand nach der fünften Welle.
Hallo Dirk,
ich habe mich gerade an diesen Artikel erinnert, weil ich zur Zeit das Buch „Wolf Hall” von Hilary Mantel lese, das sich als historischer Roman im Rahmen der Handlung der Heirat Henry VIII. mit Anne Boleyn und die Lossagung von der römisch-katholischen Kirche im 16. Jh. annimmt.
Die Schweißkrankheit ist im Roman auch Thema. Ich bin noch nicht so weit (1529÷30, erstes Drittel des Buches), aber soeben hat der Hauptprotagonist des Buches, Thomas Cromwell, sowohl seine Frau als auch zwei Töchter an die Krankheit verloren. Interessanterweise war der Vater von Thomas Cromwell ebenfalls Brauer (und Schmied), und an einem Punkt sinniert Thomas über die Gerüche seiner Kindheit, u.a. „Hopfen [sic!] und Malz”. Ob all diese Fakten historisch akkurat sind, weiß ich nicht, aber ich habe beim Lesen des Wortes „Hopfen” zumindest eine Augenbraue hochgezogen!
Die Verbreitung des Hopfens durch Europa ist ja eine sehr spannende Geschichte. Ausgehend von Bayern und Böhmen haben sich gehopfte Biere ja wohl vor allem im 14./15. Jh. nach und nach in Deutschland durchgesetzt (es gab sie schon früher), u.a. entlang des Rheins und auch durch die Hansestädte, die durch die Hopfung des Bieres einen klaren Haltbarkeits- und Handelsvorteil erlangen konnten. Durch letztere kamen dann die Biere bzw. der Hopfen nach Flandern und von dort m.W. erst relativ spät nach England.
Einiges zum Thema steht in „Das Bier – Eine Geschichte von Hopfen und Malz” von Meußdoerffer/Zankow (S. 61 ff.), aber auch in I. Hornseys „A History of Beer and Brewing” (S. 303ff.), der sich der britischen Braugeschichte sehr ausführlich annimmt. Offenbar waren es sogar holländische Brauer, die anfingen, gehopfte Biere in England zu produzieren – begleitet von enormer Skepsis bis hin zu offener Fremdenfeindlichkeit der Einheimischen inkl. sogar regionaler Verbote um 1500 herum, Hopfen zu verwenden. Auch von Southwark ist die Rede als Sammelpunkt „ausländischer” Brauer. 1530 soll sogar Henry VIII. die Nutzung von Hopfen komplett verboten haben, was erst 1552 zurückgenommen wurde. Von der Schweißkrankheit kann ich im Moment bei Hornsey nichts finden, aber der Zusammenhang ist auf jeden Fall ein sehr wichtiges Detail. Ich bin gespannt, ob in „Wolf Hall” nochmal auf diese Verbindung eingegangen wird. In jedem Fall scheint sich der Konflikt zwischen „Ale” und „Beer” in Großbritannien sehr lange hingezogen zu haben.
Viele Grüße
Tilo
Vielen Dank für Deinen Kommentar und die Verknüpfung zum historischen Roman! Die Gerüche von „Hopfen und Malz” werden tatsächlich entweder ein Anachronismus sein oder es steckt darin doch möglicherweise ungewollt historische Wahrheit.
Der Umstieg auf Hopfen dürfte nie in einem Zuge abgelaufen sein und auch nicht überall gleichzeitig. Beides ungehopftes, wie gehopftes Bier, standen über Jahrzehnte oder länger nebeneinander. In einigen Landstrichen gab es länger das alte Bier. Unterschiede dürfte es auch in Stadt und Land gegeben haben. Auch Akzeptanz und Vermögen in unterschiedlichen Schichten dürfte sich ausgewirkt haben. Auch ging der Umstieg mit Rückschlägen, wie Verboten einher.
Meine Sicht auf den verbotenen Hopfen in England ist die: Verbote werden ausgesprochen, damit etwas unterbleibt. Es wurde also vor dem Verbot Hopfen verwendet. Verbote werden aber – nachdem sie erlassen worden sind – auch weiter gebrochen. Die Frage ist also nicht so sehr, ob Bier mit Hopfen während des Verbots gebraut wurde, sondern wieviel. Wir schauen ja auf eine Zeit, wo sich Zentralgewalt und Verwaltung gerade erst entfalteten, können das also nicht mit heutigen Verhältnissen vergleichen, wo fast jede Lebensmittelherstellung einem Maß an flächendeckender amtlicher Kontrolle unterliegt.
Unterstützt werden die Forderungen nach dem Bann des Hopfens hier wohl von wirtschaftlichen Interessen (Alteingesessene Unternehmer vs. Neukommer vom Festland). Man konnte dabei auf die Abneigung gegen alles Fremde und Neue bauen, die fest verankert im gesellschaftlichen Diskurs war. Siehe dazu auch die Einlassung von Funk http://www.breweryhistory.com/journal/archive/165/Caius.pdf S.19 über den Hopfen als „protestant plant” und „wicked and pernicious weed”. Das war keineswegs ironisches Frotzelei. Die Argumentation bewegt sich auf das Feld moralischer und theologischer Kategorien.
Inwieweit das Hopfenverbot wieder aufgehoben wurde, weil es den Wünschen von Konsumenten und Brauern entgegenstand oder inwieweit es möglicherweise zunehmend ignoriert wurde, wäre zu klären.
Nochmals vielen Dank und Grüße zurück,
Dirk
Hallo Dirk,
vielen Dank für Deine Anmerkungen und Erläuterungen!
Die Geschichte oder, um genau zu sein, die historische Abschnitt der Biergeschichte scheint mir sehr spannend zu sein. Ich sehe da im Moment drei mögliche geschichtliche Hauptstränge, die für sich genommen eigentlich nichts miteinander zu tun haben bzw. völlig separate Ursachen haben, sich aber vermutlich doch stark gegenseitig beeinflusst haben:
1) Der politisch-religiöse Konflikt Katholizismus vs. Protestantismus
Da hat man zum einen das, was Du schon ansprichst: man scheint sich ziemlich gewehrt zu haben gegen den steigenden Einfluss des zunächst (?) kontinentalen Protestantismus (Hopfen als „protestant plant” und „wicked and pernicious weed”). Gleichzeitig bzw. etwas später hat man aber die Gründung der anglikanischen Kirche durch Heinrich VIII., was ja auch Stoff des von mit angesprochenen Romans ist („Wolf Hall” von Hilary Mantel).
2) Die Verbreitung des Hopfens und gehopfter Biere
Wie angesprochen verlief das vermutlich zunächst in Bayern/Böhmen und von dort ausgehend nach Norddeutschland, schließlich nach Flamen und dann erst relativ spät nach England
3) Die Schweißkrankheit-Epidemie
Offenbar hat diese hauptsächlich (oder sogar fast ausschließlich?) England heimgesucht.
Wie sich diese drei verschiedenen Stränge konkret gegenseitig beeinflussen, ist mir noch nicht so ganz klar, ist aber gleichzeitig hochspannend! Da hat man zum einen Abwertung des Hopfen als „protestant plant” und „wicked and pernicious weed” – gleichzeitig hat aber Heinrich VIII. als effektiv Gründer der anglikanischen (protestantischen) Kirche ebendiesen „protestantischen” Hopfen dann 1530 verboten! Das verstehe ich (noch) nicht. Oder wollte Heinrich VIII. durch das Hopfenverbot landesintern bei konservativen katholischen Kräften punkten und sie auf seine Seite ziehen? Was Du oben schreibst, legt vielleicht auch diese Vermutung nahe?
Ich erhoffe mir mit etwas Glück mehr Aufklärung durch „Wolf Hall”, wobei man bei einem historischen Roman (obwohl der Roman m.W. in GB mit Auszeichnungen überschüttet wurde) immer ein wenig vorsichtig sein muss, was die historische Faktentreue betrifft.
War das Hopfenverbot 1530 also möglicherweise also eine rein protektionistische Maßnahme, um die englischen Brauer gegen holländischen bzw. kontinentalen Einfluss zu schützen? Gleichzeitig wurde m.W. zu diesem Zeitpunkt aber schon Hopfen angebaut in GB, allerdings weiß ich nicht, in welchem Ausmaß.
Oder hat es sogar mit der Schweißkrankheit zu tun? Bei einem Online-Stammtisch gestern kam der Gedanke auf, dass ja alter Hopfen irgendwann auch beginnt, nach (Fuß)Schweiß zu stinken (Isovaleriansäure). Ist möglichweise nur ein wilder Gedanke gewesen gestern, aber hat man etwa entlang dieser Linie gedacht und gehandelt: „böser” kontinentaler Hopfen als Verursacher der Schweißkrankheit? Dem steht aber gegenüber, was Du schreibst: „Manuel Brudo […] zufolge bedienen sich des Ales die Engländer, die von schwächerer Konstitution sind. Es entbehre des Hopfens und sei aus diesem Grund nicht zu empfehlen.” Hopfen also als gesundheitsfördernde Pflanze (was ja auch zu Hildegard v. Bingens Erkenntnissen einige Jahrhunderte vorher passt) – wobei mir auch nicht klar ist, ob das Brudo-Zitat im zeitlichen Kontext zur Schweißkrankheit-Epidemie zu lesen ist.
Leider lese ich so langsam, sonst wäre ich sicher schon weiter mit dem Roman. Sehr spannend finde ich diese Zusammenhänge aber auf jeden Fall – und einmal mehr scheint Bier eine wichtige Rolle zu spielen bei einem bedeutenden historischen oder technologischen Ereignis!
Viele Grüße
Tilo
Nachtrag zum Zusammenhang Hopfen/Schweißkrankheit/Hopfenverbot.
Du bis ja recht klar in Deiner Aussage:
„Der Beschreibung voraus gehen Aussagen zur Ursache der Schweißkrankheit. Offenbar wurde vermutet, dass Hopfen-Bier der Grund sei, warum die Krankheit Kontinentaleuropa aussparte, was übrigens nur für die ersten beiden Wellen zutraf. Das ungehopfte Bier aber sei gar nicht der Grund, warum England immer wieder heimgesucht wurde, sondern nach Caius Einschätzung sind die Ursachen immoderatio et intemperentia [4, Seite 78]: Übermaß und Ausschweifung.”
Wahrscheinlich hat also die Schweißkrankheit keinen kausalen Einfluss gehabt auf das Hopfenverbot, und wir haben hier nur eine zeitliche Korrelation! Oder vielleicht insofern indirekt, als dass man mit dem Hopfenverbot wenigstens einen Teil der „immoderatio et intemperentia” zurückdrängen wollte? Aber da hätte es doch sicher effektivere Maßnahmen gegeben (vor allem Steuern)?
Mit der Schweißkrankheit wurde das Hopfenverbot nicht begründet. Die angeführten Argumente, die Caius zitiert, sprachen ja gerade für das gehopfte Bier. Auf der Suche nach Quellen und Untersuchungen zum Hopfenverbot in England, bin ich auf diesen Artikel gestoßen: https://zythophile.co.uk/false-ale-quotes/myth-two-hops-were-forbidden-by-henry-vi/
Martyn Cornell kommt angesichts der Quellenlage zu dem Schluss, dass das Hopfenverbot nur für Ale-Brauer, nicht aber für die Bier-Brauer galt, was die Verbreitung des Hopfenbieres während des Verbots erklärt. Das Ziel war es, die beiden Berufsgruppen und ihre Produkte weiterhin getrennt zu halten, weil Ale seines Ale-Charakters beraubt würde, wenn man es mit Hopfen brauen würde. Heinrich VIII. hatte beide Arten von Brauern in seinen Diensten. Erst spätere Autoren reklamieren eine Polarisierung, die zum vollständigen Verbot führte. Wobei es eine Polarisierung gegeben haben mag, aber kein umfassendes Verbot von Hopfen beim Brauen.
Beste Grüße
Dirk
Ein exzellenter Fund, vielen Dank!
Ein nicht wirklich existierendes Hopfenverbot ergibt für mich auch mehr Sinn vor dem politischen Hintergrund bzw. den anderen vorliegenden Umständen: warum sollte ein regierender „Protestant” ein „protestantisches” Kraut verbieten?
Interessant, dass Cornell ganz explizit auch Ian Hornsey widerspricht, in dessen Buch ich auch das bereits erwähnte Hopfenverbot von 1530 gefunden hatte. Schade, dass Hornseys Informationen bzw. Interpretationen nicht korrekt zu sein scheinen, denn er hat mit viel Fleiß ein Riesenwerk verfasst, in dem sich wirklich viele Perlen finden.
Hornsey kommt in einem anderen Teil dieses Kapitels sogar kurz auf Thomas Cromwell zu sprechen, den bereits erwähnten Hauptprotagonisten in „Wolf Hall” – dieser soll als eine Art „Secretary” bzw. „Visitor-General of the Monasteries” von Heinrich VIII. eine tragende Rolle beim Auflösen von Klosterländereien gespielt haben mit Konsequenzen auch für das Brauwesen. Als Folge sind dann die kommerziellen Brauer, die „Brew-pubs” und die Bildungseinrichtungen übrig geblieben als Bier-Anbieter. Tja, jetzt hoffe ich natürlich, dass das auch stimmt… und ich sollte jetzt wirklich mit meinem Roman weiterkommen. Falls sich daraus neue Erkenntnisse zum Thema ergeben, melde ich mich nochmal!
Viele Grüße
Tilo
Wie protestantisch Heinrich VIII. war ist noch mal eine Frage, die hier aber zu weit führt. Aber ich müsste noch mal schauen, aus welcher Zeit die Titulierung „protestant plant” für den Hopfen stammt. Denn das deutsche Wort „protestantisch” geht auf die Protestation von Speyer (1529) zurück und ist für Englisch erstmals 1539 belegt (https://www.etymonline.com/word/Protestant). Funk zitiert nach Corran „A history of brewing”, das ich aber nicht zur Hand habe.
Bei Funke wird das Hopfenverbot erwähnt, er hat aber Zweifel an der Durchsetzung desselben und führt dazu Manuel Brudo an, der drei gehopfte Biere in England beschrieb. Cornells Sicht löst das Problem plausibel. Die Auswirkung der über 2000 aufgelösten Klöster auf die Braulandschaft ist natürlich auch ein interessanter Aspekt. Lass uns wissen, wenn der Roman dazu etwas ausführt.
Dirk
Ich kann leider auch nicht weiterhelfen mit dem Ursprung der „protestant plant”. Hornsey führt das Zitat auch auf, aber leider ohne präzise Quellenangabe. Ebenso das „wicked and pernicious weed”. Er hat in seinem Buch am Ende jedes Kapitels die Einzelquellen aufgelistet, aber, wie gesagt, die Zuordnung im Text fehlt. Corrans Buch befindet sich auch unter den Quellen zu diesem Kapitel.
Es scheint aber durchaus nachvollziehbar, dass die Bezeichnung „protestant plant” möglicherweise aus einer späteren Zeit stammt. Der Konflikt bzw. Wettstreit zwischen „Beer” und „Ale” zog sich ja lange hin, ebenso wie die politisch-religiösen Vorgänge. Auch beim Bierimport und ‑export von bzw. nach Holland scheint es schwerpunktmäßig über lange Zeit munter hin- und hergegangen zu sein: mal war die eine Richtung stärker, mal die andere! Hornsey führt auch drei lokale Hopfenverbote über einen recht ausgedehnten Zeitraum auf (Norwich 1471, Shrewsbury 1519 und Leicester 1523), allerdings ohne weiteren Kontext.
Viele Grüße
Tilo