1516 und kein Ende – Der Dauerjubel um das Reinheitsgebot geht weiter
Wie langweilig: Kaum hat man sich vom Reinheitsgebots-Jubiläums-Taumel erholt und hofft, dass nach den großen Feiern vielleicht endlich einmal begonnen würde, inhaltlich an der deutschen Biergesetzgebung zu arbeiten, legt der Bayerische Brauerbund mit der nächsten historischen „Getränkeverordnung” nach und wiederholt ein weiteres Mal die altbekannte Leier vom ältesten Lebensmittelgesetz der Welt.
Vorläufer des 1516er Erlasses sind ja zu Hauf bekannt: 1156 in Augsburg, in Nürnberg 1303, im Jahre 1319 im Hochstift Eichstätt, 1348 in der Stadt Weimar, 1363, 1447 und 1487 in München und 1434 in Weißensee (Thüringen) – das sind nur die schriftlich belegbaren [5].
Und genau im Jubeljahr 2016 entdeckte der Bad Reichenhaller Stadtheimatpfleger Dr. Johannes Lang eine Urkunde des Stadtrats von Regensburg aus dem Jahre 1469, in der er Anordnungen über „Im- und Exportbedingungen, steuerliche Gefälle, Kontrollinstanzen, Herstellungsverfahren und Strafmaße” von „Wein, Met und Bier” traf [2]. Nur in exakt einem der insgesamt 43 Paragraphen umfassenden Verordnung werden auch die Rohstoffe genannt, aus denen Bier hergestellt werden soll – wie 1516 also eher eine macht- und wirtschaftspolitische Verordnung als ein Lebensmittelgesetz.
Nicht nur der Name „Reichenhaller Reinheitsgebot“, den der Historiker dem Schriftstück verlieh, war dem Bayrischen Brauerbund die Verleihung der Auszeichnung „Goldene Bieridee” wert. In seiner Laudatio zur Verleihung greift er sich die passenden Teile heraus und betont „dass sich die Inhalte des Reichenhaller Reinheitsgebots von 1493 mit der modernen Deutung des Bayerischen Reinheitsgebots von 1516 decken” und sie auch wegen der Erwähnung der Hefe „eine sehr fortschrittliche und bis zum heutigen Tag aktuelle Verordnung” wäre [1].
Nun wissen wir als Brauer ja ziemlich genau, dass die „moderne Deutung des Bayerischen Reinheitsgebots” mit seinem historischen Ursprung nur wenig gemein hat, und wie falsch die Behauptung von der ungebrochenen der Gültigkeit „bis zum heutigen Tag” ist [3, 4]. Trotzdem bemüht der Brauerbund gern historische Belege, um sie so zurechtzubiegen, dass sie in sein Marketingkonzept der sauberen, heilen deutschen Brauwelt passen.
Die Arbeit von Dr. Lang ist sicher jede Anerkennung wert. Deren Verwertung durch den Brauerbund hinterlässt aber einen schalen Geschmack. Man kann nur hoffen, dass das wirklich der letzte Nachhall der Feiern war und sich die Fachleute jetzt endlich um eine echte Reform der deutschen Biergesetze und ‑Verordnungen kümmern, die die Tradition der Braukultur mit der kreativen Freiheit der Brauer und der gesundheitlich einwandfreien Beschaffenheit der Produkte vereint.
Ihr könnt hier die leicht gekürzte Pressemitteilung zur Verleihung der Auszeichnung „Goldene Bieridee 2017” und die Informationen zur Reichenhaller Urkunde des Historikers Dr. Johannes Lang lesen.
Das aktuelle brau!magazin befasst sich ansonsten – passend zur Jahreszeit und der aktuell laufenden Hopfenernte – hauptsächlich mit dem Thema Hopfen. Brian gibt in „Der heilige Gral der Hopfenindustrie” eine Übersicht über die Inhaltsstoffe des Hopfens. Jan beschäftigt sich in „Der große IBU-Schwindel” mit dem Problem, dass vermeintliche IBU-Bomben oft nicht so bitter sind wie vorausberechnet. Marc berichtet in „Flavour-Hopfen aus den USA, Deutschland und Australien” über neue Entwicklungen auf dem Hopfenmarkt. Und schließlich habe ich in meiner Gartenbrauerei das diesjährige Hopfenerntebier gebraut und zusammen mit ein paar Tipps zur Ernte in „Frischer Hopfen – direkt in die Würze” dokumentiert.
Im Juli fand das zweite Hobbybrauertreffen mit Wettbewerb bei Störtebeker in Stralsund statt. Das Braukombinat Wismar war natürlich dabei. Heiner fasst die Eindrücke in „Zu Gast bei Freunden – Ein Stralsunder Sommermärchen” zusammen.
Ebenfalls aus den Reihen des Braukombinats stammt der Artikel „Der Hobbybrauer und sein erstes eigenes Rezept” von Stefan, dem glorreichen Störtebeker-Sieger des Vorjahrs. Er stellt darin seine Vorgehensweise beim Entwerfen eines Bierrezepts vor.
Die Datenlage über den Broyhan – ein historischer Hannoveraner Bierstil – war bisher recht wage. Rainer hat die verfügbaren Quellen studiert und mit den gewonnenen Informationen ein Rezept entworfen und gebraut. In „Der Broyhan” lest ihr über die Ergebnisse.
Die Reihe über Bierwanderungen wird mit zwei Artikeln fortgesetzt. Moritz war auf einer zweitägigen Wanderung um Staffelstein unterwegs und teilt uns in „Brauereiwanderung: Bad Staffelstein” seine fast durchweg positiven Erfahrungen mit. Die Reihe über Berliner Brauereien und Bierbars wird mit „Berliner Bierwege Teil 2″ und der Tour vom RAW zum Ostkreuz fortgesetzt.
Das „Projekt Eichelbier” wird diesmal im Teil 3 mit dem Brauen des „Eiche Rustikal” – einem Dunkel mit selbstgemälztem Eichel- und Karamellmalz – weitergeführt.
Die Schwalenberger Brauzunft möchte die Traditionen des bürgerschaftlichen Gemeinschaftsbrauens, die insbesondere noch in den niederdeutschen Brauämtern und den thüringischen und fränkischen Kommunbrauereien gelebt werden, von der Unesco zum immateriellen Kulturgut erklären lassen. Dazu ist eure Mitarbeit gefragt. Lest in „Gemeinschaftsbrauen soll immaterielles Kulturgut werden” worum es dabei geht.
Die Mainzer Craft Beer Messe findet im November schon zum dritten mal statt. Noch könnt ihr euch zum Hobbybrauerwettbewerb dort anmelden. Die Einzelheiten nennt die Pressemitteilung „3. Mainzer Craft-Beer-Messe in der Halle 45″.
Zwei Bücher erreichten im Sommer unseren Redaktionstisch: „Noch’n Bier?” über alte Berliner Kneipen und „Craft Bier einfach selber brauen” als Brauanleitung für Einsteiger. Ich habe beide gelesen und sage euch, für wen sie sich lohnen. Die Rezensionsexemplare könnt ihr wieder gewinnen – Einzelheiten am Ende der Artikel.
Quellen:
- „Goldene BierIdee 2017“ für die Entdeckung des „Reichenhaller Reinheitsgebots“ für Bier
Presseinformation der Privaten Alpenbrauerei Bürgerbräu Bad Reichenhall - Dr. Johannes Lang: „Informationen zum Reichenhaller Reinheitsgebot von 1493”
u.a. im brau!magazin Herbst 2017 - Moritz Gretzschel: „Das Reinheitsgebot ist tot – lang lebe das Reinheitsgebot”
brau!magazin Frühjahr 2015 - Volker Quante: „Das Reinheitsgebot”
blog.brunnenbraeu.eu - Wikipedia: Reinheitsgebot