Buchtipp John Palmer: Erfolgreich Bier brauen
John J. Palmers Hobbybrauer-Standardwerk erstmals in deutscher Übersetzung.
John Palmer dürfte vielen, vor allem nicht mehr ganz jungen Hobbybrauern noch ein Begriff sein. Sein Buch „How to Brew” schrieb er schon Ende der 1990er Jahre. Es erschien erstmals auf seiner Webseite howtobrew.com und ist dort noch immer frei verfügbar (wenn auch manchmal schwer erreichbar). Es war eine der ersten umfassenden Hobbybrau-Anleitungen überhaupt und für manchen deutschen Hobbybrauer der ersten Stunde eine der wenigen Quellen von Hobbybrauer-Literatur, an die man einfach (und kostenlos!) herankommen konnte – so auch für mich. Die gedruckte Version veröffentlichte Palmer 2001 im Selbstverlag in den USA. Der Nachteil: sowohl die erste als auch die folgenden drei immer wieder verbesserten und erweiterten Auflagen gab es nur in Englisch.
Das hat sich mit diesem Buch geändert: die vierte Auflage von 2017 wurde jetzt auf deutsch übersetzt und ist bereits seit 2019 beim Mobiwell-Verlag erhältlich. Dort wird aber scheinbar nur wenig Werbung dafür betrieben, denn ich stieß nur zufällig darauf, als ich es als Dreingabe bei der Bestellung eines anderen Rezensionsexemplars erhielt.
Ein wenig nostalgische Gefühle kamen da schon auf: die typische Print-on-demand-Qualität mit einem recht hemdsärmeligen Satz und den Laserdrucker-artigen Schwarz-weiß-Fotos ist komplett erhalten geblieben. Darin unterscheidet sich das Buch von moderneren Werken, die oft mehr Augenmerk auf Design und hochwertigen Druck legen, ohne inhaltlich immer überlegen zu sein.
Durch die mehrfache Überarbeitung und Erweiterung ist das Werk inzwischen auf satte 721 Seiten angewachsen – und das ohne mit wertlosen Listen Seiten zu schinden. Die Informationen gehen sogar weit über das eigentliche Brauen hinaus: wo findet man sonst einen Anhang mit „Metallurgie für Hobbybrauer”? Oder Konstruktionsanleitungen für jeweils mehrere Varianten von Würzekühlern und Läuterbottichen?
Dabei geht Palmer sofort praktisch ans Werk: ohne die obligatorische historische Übersicht über tausende Jahre an Braugeschichte befasst sich der erste Teil mit dem Brauen mit Bierkits. Bereits auf Seite 26 wird das erste Bier ausgeschenkt! Insgesamt merkt man dem Buch deutlich an, das es von einem Praktiker für Hobbybrauer geschrieben wurde. Tiefere theoretische Abhandlungen gibt es höchsten als Randnotiz der Anleitungen, im Kern geht es immer um reale Probleme, die der Heimbrauer bewältigen muss.
Nachdem im ersten Teil alle Schritte des Extraktbrauens erklärt wurden und auch Randthemen wie Reinigung, Hefemanagement und Abfüllung nicht zu kurz kamen, geht es in Teil 2 um das Maischen und Läutern inklusive Wasseraufbereitung. Er endet in einem ausführlichen Rezeptteil mit Erläuterung der zugrunde liegenden Bierstile. Besonders hier sieht man dem Buch die amerikanischen Herkunft an, denn einige Größen werden ausschließlich in US-Einheiten angegeben (Stammwürze/Extraktgehalt in SG-Points statt %w oder Grad Plato, Wasserzusammensetzung in ppm). Immerhin sind alle Massen, Temperaturen, Bitter- und Farbwerte auch in metrische Einheiten umgerechnet worden.
Im dritten Teil geht es um die Rezepterstellung und die Lösung typischer Brau-Probleme in FAQ-Manier, während sich die Anhänge in Teil 4 zum Beispiel mit der Bierfarbe und ‑Klärung sowie verschiedenen Bauanleitungen für Ausrüstung beschäftigen.
Manchmal wirken die Kapitel in ihrer Reihenfolge etwas willkürlich – sicher eine Folge der langen Historie der Texte und der vielfachen Änderungen und Hinzufügungen. Der umfangreiche Index (36 Seiten!) hilft dann dabei, sein Thema zu finden. Auch die 6‑seitige Bibliographie ist sicher interessant, wenn auch außer Kunzes „Technologie Brauer und Mälzer” ausschließlich englisch/amerikanische Literatur erwähnt wird.
Es gibt sicher inzwischen eine Menge deutscher Hobbybrau-Bücher, die schöner aufgemacht sind und insbesondere jüngere Leser optisch mehr ansprechen werden. Wenn man aber in erster Linie von den Erfahrungen eines gestandenen Hobbybrauers profitieren will und auch Nebenaspekte des Brauens ausgeleuchtet werden sollen, ist dieses Buch genau das Richtige.