Buchtipp Mareike Hasenbeck: Bier Unser
Der erste Eindruck ist der entscheidende, und da kann ich nur sagen: wow! Ich habe selten ein so wunderbar gestaltetes Buch in Händen gehalten wie dieses, noch dazu über mein Lieblingsthema.
Mareike Hasenbeck ist uns Bierenthusiasten natürlich ein Begriff. Sie war vor einem Jahrzehnt eine der ersten deutschen Bier-Blogger (feinerhopfen.com) und ist heute unter den Top-Biersommelliers der Welt. Hoch dekoriert mit Sommelier-Meistertiteln sitzt sie in den Juries großer Bierwettbewerbe und ist auf fast keiner großen Bier-Veranstaltung wegzudenken.
Sie selbst nennt das Buch in ihrem Blog „ein unterhaltsames Lifestyle-Werk, das zwar am Rande auch Wissen über unser Lieblingsgetränk vermittelt, aber vor allem die kreativen Helden mit ihren Geschichten in den Vordergrund stellt”. Das ist zwar völlig richtig, verschweigt aber, das es auch seit Sylvia Kopps „Craft-Bier Buch” (siehe unsere Rezension vom Herbst 2014) eines der schönsten und aufwendigsten Bücher zum Thema Bier ist.
Gleich nach dem Vorwort finden wir statt des sonst üblichen historischen Abrisses über x‑tausend Jahre Brauen zwei Kapitel über … das Hobbybrauen (!) und Hobbybrauerwettbewerbe. Im ersteren werden die Schritte des Brauens grob umrissen. Das ist natürlich kein vollständiger Braukurs, aber der kreative Textsatz ist ein Musterbeispiel für die aufwändige grafische Gestaltung des Buches (siehe Abbildung unten).
Unter den Wettbewerben werden die bekannten Veranstaltungen bei Störtebeker/Drinktec, Maisel, Bestmalz, Leikeim und der HBCon erwähnt. Der Exkurs ins Hobbybrauen ist indes kein Zufall, waren es doch in den späten 1970er Jahren als erstes amerikanische Hobbybrauer, die die Craft-Bier-Bewegung ins Rollen brachten.
Bücher über professionelle Bierverkostungen sind in Deutschland leider rar gesät, deshalb freute mich das Kapitel darüber ganz besonders. In kompakter Form werden hier Grundlagen und Vorgehen bei einer Bierverkostung erklärt.
Dann geht es an die Brauereivorstellungen. Wie Mareike in ihrem Blog schreibt, ist es ihr sehr schwergefallen, nur 20 Brauereien für diesen Band auszuwählen. Die getroffene Auswahl ist vielfältig, reicht von bekannten Größen wie Giesinger, Schönrahm, Schlenkerla, Weihenstephan und Einbeck über fast schon ebenso bekannte kleinere und etwas „wildere” Braureien wie Hoppebräu, Kehrwieder, Schneeeule, Lemke, BRLO, Hertl und Orca bis zu solchen, von denen zumindest ich noch nichts gehört und/oder getrunken habe, darunter Pfefferlechner, Doppelleu oder Stiegl-Gut Wildshut.
Die Brauerei-Portraits sind meist die persönlichen Portraits und Geschichten ihrer Gründer – oft bis ins ganz private. Lediglich bei den ganz Großen geht’s etwas distanzierter zu.
Für uns Hobbybrauer vielleicht das Interessanteste daran: Jede Brauerei hat das Rezept eines ihrer Biere zur Verfügung gestellt – und die sind wirklich brauchbar, mit allen nötigen Angaben. Nur die alten Traditionsbrauereien Schlenkerla und Weihenstephan machen weiter ein Geheimnis aus den Rezepten, steuern aber wenigstens jeweils ein Kochrezept mit ihrem Bier bei. Bei Ulrike Genz’ Schneeeule, der Berliner-Weisse-Spezialistin, macht ein Rezept wegen der speziellen Hefe-Lacto-Brett-Kulturen wenig Sinn – dafür gibt es ein extra-Kapitel über die Geschichte der Berliner Weißen. Ganz verschlossen gibt sich lediglich die Schweizer Doppelleu. Das ist die komlette Liste:
Kehrwieder | Single Hop IPA | Hertl | Muttis Sonnenschein (Helles) |
Hoppebräu | Wuida Hund (Helles Lager) | Schönrahm | Helles |
Giesinger | Summer Ale | Kuehn Kunz Rosen | Kuehnes Blondes (Wit) |
Pfefferlechner | Pfeffer Hell | Insel-Brauerei | Black IPA |
BRLO | BRLO Porter | Schorschbräu | Weissbier mit Dinkel |
FrauGruber | New England IPA | Überquell | Palim Palim Pale Ale |
Lemke | Hopfenweisse | Einbecker | Ur-Bock Dunkel |
Stiegl-Gut Wildshut | Dunkle Kaffe-Weisse | Orca-Bräu | West Coast IPA Grapefruit Express |
Im Service Teil gibt es eine (sehr) kleine Bierstilkunde, eine Sammlung von Bierweisheiten zur Verwendung am Stammtisch, einige Überlegungen zum Reinheitsgebot, einen Überblick über Fehlaromen im Bier und kurze Absätze über Glaskunde, Hopfenforschung, Malzherstellung und Foodpairing – alles nichts umfassendes, aber immer so viel, um für das Thema zu interessieren. Den Abschluss bildet ein Adressenverzeichnis der 20 vertretenen sowie 50 weiterer empfehlenswerter Kreativbrauereien und Biermarken.
Im Dunkel bleibt bis zuletzt die Wahl des Buchtitels und die sehr düstere Einbandgestaltung. Die Autorin thematisiert das aber weder im Vorwort noch in ihrem Blog.
Insgesamt kann ich das Buch jedem wärmstens ans Herz legen, der sich für Bier, Brauen und einfach schön gestaltete Dinge interessiert. Und obendrein gibt’s auch noch 16 Originalrezepte für die Sammlung.
Alle Abbildungen: Callwey-Verlag