Auswirkungen auf die Bitterstoffausbeute
während der Nachisomerisierungszeit
in Abhängigkeit von Zeit, Temperatur und pH-Wert
Unter der Nachisomerisierungszeit versteht der Brauer den Zeitraum zwischen Kochende und Kühlmitte, während die heiße Ausschlagwürze noch eine Temperatur von >=80°C hat.
Klassisch fallen die Prozesse „Beruhigung der Würze“, das „Ausschlagen“, die „Whirlpoolrast“ und die „halbe Kühldauer“ in den Zeitraum der Nachisomerisierungszeit. Diesen relativ kurzen Zeitraum im Heißbereich, ca. 30-60 min, nutzt der Brauer gerne, um seiner Hopfengabe hinsichtlich Aromatisierung den letzten, und nicht zuletzt den stiltypischen, Schliff zu geben.
Im Gegensatz zur regulären Kochzeit, für die gewöhnlich eine konstante Temperatur von 98-100°C angenommen wird, kühlt die Würze während der Nachisomerisierungszeit stetig ab. Damit verbunden sind unbestimmte Abnahmen der Isomerisierungsraten von der α-Säure hin zur Iso-α-Säure, die über den Umweg der Bitterstoffausbeute einen Niederschlag für geplante Bitterwerte in Würze und Bier finden (Nachisomerisierungseffekt). Dieser Nachisomerisierungseffekt ist zumeist unerwünscht, da er vor allem eines nicht ist: planbar.
Für Brauer, die keine Analytik im Haus haben und die nicht ständig mit den gleichen Rohstoffqualitäten sich wiederholende Biersorten brauen, stellt das im Rahmen einer Rezepturentwicklung ein Riesenproblem dar. Weit verbreitet ist der Wunsch, diesen Teilprozess in seiner Wirkung entweder kalkulierbar zu machen oder ihn zumindest in seiner Wirkung einzubremsen.
Bierstile, die sich durch teils sehr hohe Hopfengaben zum Kochende, direkt nach Kochende oder in den Whirlpool auszeichnen, sind von den Auswirkungen besonders betroffen. Während man mit den ersten frühen Gaben versucht, eine gewisse, teils kräftige, Grundbittere in die Würze zu bekommen, stehen die späten und letzten Hopfengaben unter dem Vorzeichen der Aromatisierung.
Im Naturprodukt Hopfen kommen die Brauwerte, die aromatisieren und die Brauwerte, die für eine Bitterwirkung sorgen, immer nebeneinander und gleichzeitig vor. Im Sorten-, Provenienz- und Jahrgangsbezug schwanken die Konzentrationen und die Verhältnisse zueinander entlang der natürlichen Gegebenheiten. In nachfolgenden Veredlungsstufen, aus denen zumeist rieselfähige Präparate entstehen (Pellets), finden sich die ursprünglichen Verhältnisse zueinander ggf. etwas verschoben, aber im Kern bleibt es dabei, dass aus Sicht des Brauers mit jeder Gabe immer beides dosiert wird.
Während man für die Ausprägung und für die Qualität der Bittere gerne in Kauf nimmt, dass zur Erzeugung einer kräftigen Grundbittere begleitend aromatisierende Eigenschaften zudosiert werden, stellt der umgekehrte Fall, wenn ausschließlich eine Aromatisierung gewünscht wird, ein begleitend hoher Bitterstoffeintrag ein Problem dar.
Ein während der Nachisomerisierungszeit hoher Eintrag von α-Säuren in Verbindung mit kaum vorhersehbaren Bitterstoffausbeuten hat durchaus das Potential, dass es selbst dem gestandenen Brauer die geplanten Bitterwerte in Würze und Bier gründlich nach oben verhagelt.
Die gängigen Rechenmodelle zur Vorhersagbarkeit von Bitterwerten beschreiben Isomerisierungsraten bzw. Bitterstoffausbeuten zumeist als Funktion über die Zeit in Bezug auf eine Kochtemperatur von 100°C. Der Temperaturbereich zwischen 98°C und 80°C, innerhalb dessen die Isomerisierung von α-Säure hin zur Iso-α-Säure nachweislich weiter fortschreitet[LI009], findet dagegen kaum eine Berücksichtigung.
Die folgende Artikelreihe nimmt sich des Themas Nachisomerisierung in zwei Teilen an:
Der erste Teil widmet sich den Grundlagen zur Bitterstoffausbeute, gibt Einblicke in aktuelle und etablierte Forschungsarbeiten, beschäftigt sich mit der Analytik und benennt und diskutiert beachtenswerte Quellen, die im Umfeld der Recherchen zum Artikel „entdeckt“ worden sind.
Der zweite Teil erarbeitet aus bekannten und etablierten Daten ein einfaches Rechenmodell zur Vorhersage von Bitterstoffausbeuten während der Nachisomerisierungszeit und überprüft in verschiedenen Versuchsreihen Präzision und Richtigkeit des Rechenmodells.
Hinweis in eigener Sache:
Im zweiten Teil der Artikelreihe steuert das Redaktionsmitglied Andreas Ladeberger einen Artikel zum Thema „Statistik“ bei. Zum einen ist das ein interessantes Thema, das gut in das Portfolio des brau!magazins passt, zum anderen unterstützt der Artikel die Beitragsreihe zur Nachisomerisierung ganz gezielt, da der Gebrauch und die Benennung von statistischen Methoden nicht gänzlich ausbleiben kann.
Festlegungen zum Artikel:
Im Artikel werden nur die α-Säure und die Iso-α-Säure als Hopfenbitterstoffe betrachtet, obwohl per Definition die Gesamtharze inklusive der α-und β-Säuren des Hopfens die Summe aller Bitterstoffe darstellen. Die Artikelreihe erklärt und beschreibt nur Inhalte, die im Sinne des Themas erforderlich sind. Eine vollumfängliche Betrachtung aller physikalischen, chemischen und technologischen Aspekte ist im Artikelumfang leider nicht möglich.
An dieser Stelle sei auf drei Artikel im brau!magazin verwiesen, die viele dieser hier nicht behandelten Themen bereits aufarbeiten [BM001, BM002, BM003]. Eine ausführlichere Betrachtung rund um das Thema Hopfen, Hopfeneinsatz, Isomerisierung und Bitterstoffausbeute kann zusätzlich den Literaturangaben entnommen werden [JB001].
Grundlagen: Vom Hopfenpräparat über die Bitterstoffausbeute zum Bitterwert
Bei der Überführung der Hopfenbitterstoffe in das fertige Bier greifen mehrere Teilvorgänge ineinander, die entweder für einen Gewinn oder aber für einen Verlust an Bitterstoffen verantwortlich zeichnen. Sie wirken während der regulären Kochzeit, als auch während der Nachisomerisierungszeit in gleicher Weise und in gleicher Abhängigkeit:
- Extraktionsvorgänge
- Lösungsvorgänge
- Isomerisierungsvorgänge
- Adsorptionsvorgänge
Jeder Teilvorgang kennt ihm eigene Einflussgrößen, die den jeweiligen Effekt entweder verstärken oder mindern. Im Sinne von „Ausbeute“ versucht man die positiven Einflussgrößen zu unterstützen, während man bemüht ist, die negativen Einflussgrößen in ihrer Wirkung zu unterdrücken.
Neben einer individuellen Abhängigkeit von der Einflussgröße bestehen auch Abhängigkeiten untereinander, die zumeist durch eine feste Reihenfolge bestimmt sind. So wird man von einem Isomerisierungsvorgang in Richtung Iso-α-Säure wenig erwarten können, wenn für den Vorläufer, die α-Säure, nur unzureichende Extraktionsvorgänge in die Würze stattgefunden haben.
Aus diesem und aus zahlreichen anderen Gründen lohnt es sich, die jeweiligen Teilvorgänge mit ihren Einflussgrößen zunächst nur für sich und im Detail zu betrachten:
Extraktionsvorgänge
Von Hopfenextrakt einmal abgesehen handelt es bei den meisten Hopfenpräparaten um Feststoffe, die in Form von Doldenhopfen oder Pellets zugegeben werden. Nach der Dosage in eine wässrige Lösung unterliegen derartige Präparate den Gesetzmäßigkeiten einer Fest-Flüssig-Extraktion, die in ihren Parametern und Abhängigkeiten im Wesentlichen durch die Fickschen Diffusionsgesetze[QU001] beschrieben werden kann. Die Extraktion der α-Säure aus dem Hopfen in die Würze verläuft pro Zeiteinheit schneller ab, wenn:
- die Temperatur steigt
- die Austauschfläche grösser wird
- das Konzentrationsgefälle wächst
- die Kapillar- und Transportwege kürzer werden
Zusammenfassend wird die α-Säure mittels heißer Würze schneller aus dem Hopfen extrahiert, wenn das Präparat viel α-Säure enthält, feinst verteilt vorliegt und stetig von frischer Würze, in der möglichst wenig α-Säuren gelöst sind, umspült wird.
Abb. 01: Extraktionsgeschwindigkeiten von Bitterstoffen aus unterschiedlichen Hopfenpräparaten
Ein „ungewollter Nachisomerisierungseffekt“ wird immer dann in seiner Wirkung eingebremst, wenn in der Würze bereits viele α-Säuren/Iso-α-Säuren gelöst sind, das Präparat wenig α-Säure enthält, das Präparat von grober Struktur ist, wenig Durchmischung stattfindet und die Temperatur abnimmt.
Bedauerlicher Weise, und ich denke manche ahnen es bereits, wirkt das Ficksche Diffusionsgesetzt nicht selektiv auf α-Säuren. Ein gewünschter Eintrag von ätherischen Ölen unterliegt im Sinne von „Extraktionsvorgang“ ganz ähnlichen Gesetzmäßigkeiten. Es steht zu vermuten, dass im Umfeld eines gesamtheitlich unzureichenden Extraktionsvorgangs auch die Ausbeute der ätherischen Öle sinkt, was im Kontext einer „Aromagabe“ natürlich nicht Sinn und Zweck sein kann. Dazu aber später mehr. Zunächst der Blick auf den nächsten Teilvorgang.
Lösungsvorgänge
Im Sinne des Artikels stellt die Bierwürze und das vergorene Bier das Lösungsmittel dar und die α-Säuren bzw. die Iso-α-Säuren sind die Stoffe, die wir darin in Lösung bringen und in Lösung halten möchten. Iso-α-Säuren und α-Säuren weisen in Würze und Bier ganz unterschiedliche Lösungseigenschaften auf, und wie bei fast allen Lösungen ist die Löslichkeit der zu lösenden Stoffe auch durch die Eigenschaften des Lösungsmittels begrenzt. Ist eine maximale Löslichkeit erreicht (Löslichkeitsgrenze), tritt eine sog. Sättigung ein, oberhalb derer - trotz vorhandenem Stoffangebot - keine weitere Lösung des Stoffes im Lösungsmittel mehr stattfindet[QU002,QU003,QU004].
Ändern sich die Eigenschaften eines Lösungsmittels in der Art, dass dadurch die Löslichkeitsgrenze für einen Stoff sinkt, hat das zu Folge, dass bereits gelöste Stoffanteile bis auf die nun neue Sättigungsgrenze wieder ausfallen. Dieses „unlöslich werden“ zeigt sich oft in Form einer einsetzenden Trübung und/oder durch die Ausbildung eines Bodensatzes.
Sedimentierte Stoffanteile oder Stoffanteile, die sich adsorptiv an einen anderen Partner gebunden haben, stehen für einen reversiblen Lösungsvorgang nicht mehr zur Verfügung. Sie sind verloren, auch wenn sich die Eigenschaften des Lösungsmittels wieder hin zum besseren Wenden.
Bekannt ist, dass sich α-Säuren in Würze nur sehr schlecht lösen, und in Bier so gut wie überhaupt nicht. Für Iso-α-Säuren dagegen sind in Würze und Bier gute Lösungseigenschaften bekannt[LI004]. Einen Überblick verschafft Tab.1 mit Angaben zu den Löslichkeitsgrenzen von Bitterstoffen in Wasser in Abhänigkeit vom pH-Wert und bei ca.20 °C:
pH-Wert | α-Säure [mg/l] | Iso-α-Säure [mg/l] |
---|---|---|
4,2 | < 3 | > 500 |
4,8 | < 22 | > 1700 |
5,0 | 40 | 2000 |
5,2 | 84 | > 2400 |
5,9 | 480 |
Quelle: Hertel, M; Dillenburger, M.: Möglichkeiten zur Erhöhung der Bitterstoffausbeute bei der Bierbereitung. Brauwelt Nr. 14, 2009, Teil 2, S. 394ff., Tab.1
Gut zu erkennen ist, dass für die Iso-α-Säuren selbst bei niederen pH-Werten und bei Zimmertemperatur die Löslichkeitsgrenzen so weit oben angesiedelt sind, dass während der Herstellung an keiner Stelle zu befürchten steht, dass sie wieder ungewollt unlöslich werden und ein geplanter Bitterwert nach unten abrutscht. Die α-Säuren zeichnen ein ganz anderes Bild. Niedere, aber noch biertypische pH-Werte zeigen selbst bei Zimmertemperatur, dass α-Säuren in Bier so gut wie nicht löslich sind.
Bezüglichkeit Löslichkeit von α-Säuren und Iso-α-Säuren sind zwei Zeitpunkte besonders interessant: Zum einen die Kochung mit der höchsten Temperatur (98-100°C) und dem höchsten pH-Wert (5,2-5,5), zum anderen die Lagerung mit der niedersten Temperatur (0-5°C) und dem niedersten pH-Wert (4,2-4,5). Der zuerst benannte Zeitpunkt bestimmt, was maximal in Lösung gehen kann, der zuletzt benannte Zeitpunkt finalisiert und bestimmt, was in Lösung bleibt.
Die Tabelle Tab.02 zeigt, welche Löslichkeiten für α-Säuren und Iso-α-Säuren während dieser beiden Zeitpunkte in Abhänigkeit von Temperatur und pH-Wert in etwa zu erwarten sind[LI001-LI010].
Prozessschritt | pH-Bereich | Temperaturbereich °C | a-Säuren [mg/l] | Iso-a-Säuren [mg/l] |
---|---|---|---|---|
Kochung | 5,2- 5,5 | 98 -100 | 70 - 120 | > 2400 |
Lagerung | 4,2 - 4,5 | 0 - 5 | 0 - 3 | 400 - 600 |
Möchte man einen „ungewollten Nachisomerisierungseffekt“ in seiner Wirkung einbremsen, führt der Weg im Kontext Löslichkeit und Lösungvorgänge vorzugsweise über die α-Säure. Die Iso-α-Säuren zeigen sich in ihren Lösungseigenschaften ziemlich robust. Die Mengen, die selbst unter "schlechten Bedingungen" gelöst bleiben, liegen weit über dem, was man für gewöhnlich als Bitterwert für ein Fertigprodukt plant.
Auf die Löslichkeit von α-Säuren dagegen üben die Parameter Temperatur und pH-Wert einen regelrecht invasiven Einfluß aus. Im fertigen Bier sind sie faktisch unlöslich oder bereits auf dem Weg dorthin unlöslich geworden (pH-Sturz bei der Gärung + Abkühlung).
Es bietet sich an, vor einer Hopfengabe während der Nachisomerisierungszeit den pH-Wert so weit wie möglich nach unten zu korrigieren und die Temperatur abzusenken. Die α-Säure, die auf diesem Weg nicht in Lösung geht, kann in Folge nicht isomerisieren und zum Bitterwert beitragen (s.o. Löslichkeitsgrenze).
Ein Beispiel:
- Prozess: Kochung
- Temperatur: 98°C
- pH-Wert: 5,3
- Löslichkeitsgrenze α-Säure [mg/l] ca. : 80
Wird in diesem Umfeld Hopfen gegeben, wird sich keine weitere α-Säure in der Würze mehr lösen. Die Würze ist bereits "gesättigt". Ein zusätzlicher Effekt auf den Bitterwert bleibt trotz der erneuten Hopfengabe aus - in der Theorie. In der Praxis sieht das ein wenig anders aus. Die Lösungsvorgänge und die Isomerisierungsvorgänge greifen Hand in Hand.
Isomerisierungsvorgänge
Isomerisierung bezeichnet die Umwandlung eines Moleküls in ein anderes Molekül mit der selben Summenformel. Dies führt zu teilweise voneinander abweichenden chemischen, physikalischen und biologischen Eigenschaften. Die weiter oben beschriebenen unterschiedlichen Lösungseigenschaften von α-Säure und Iso-α-Säure in Würze und Bier sind das beste Beispiel dafür (Tab.1, Tab.2).
Den Brauer interessiert im Umfeld der Isomerisierung vor allem die Isomerisierungsgeschwindigkeit und die Isomerisierungsrate. Sind die Einflußgrössen bekannt, die auf die Isomerisierungsgeschwindigkeit und die Isomerisierungsrate wirken, läßt sich eine zu erwartende Iso-α-Säure-Konzentration für eine herzustellende Heißwürze ermitteln. Neben der reinen Kenntnis der Einflußgrößen muss zusätzlich bekannt sein, wie der Brauer diese Einflußgrössen beeinflussen und in seinem Sinne steuern kann.
Da sich die Nachisomerisierungszeit durch ihre Dauer und durch ihren Temperaturverlauf definiert, liegt es nahe, die Auswirkungen von Temperatur und Dauer auf die beiden Eigenschaften Isomerisierungsgeschwindigkeit und Isomerisierungsrate im Umfeld "Würze als Lösungsmittel" näher zu untersuchen.
Der Einfluß von Zeit und Temperatur auf die Isomerisierungsvorgänge
Der Einfluß von Temperatur und Zeit auf die Isomerisierung von α-Säuren in der Bierwürze wurde unzählige Male untersucht. Richtet man seinen Blick auf die Quellenverweise der entsprechenden Publikationen, tauchen die Autoren Malowicki, Shellhammer und Jaskula[LI006-LI010] in stetiger Regelmäßigkeit dort auf.
Die benannten Autoren beschreiben die Isomerisierung kinetisch als eine Reaktionen erster Ordnung, die sich als Arrhenius-Gleichung darstellen lässt. In experimentellen Setups wurden die Parameter Zeit und Temperatur isoliert und in einer wässrigen Lösung bei einem pH-Wert von 5,2 untersucht. Die Tabelle 03 zeigt einen Überblick über Isomerisierungsraten(Isomerization Yield %) in Abhänigkeit von Zeit und Temperatur:
Zeit [min] / Temp.[°C] | 5 | 10 | 15 | 20 | 30 | 45 | 60 | 90 |
---|---|---|---|---|---|---|---|---|
80 °C | 0,0 | 0,9 | 1,5 | 2,1 | 2,5 | 3,7 | 4,9 | 7,4 |
90 °C | 1,5 | 2,5 | 3,1 | 3,9 | 5,2 | 8,7 | 11,7 | 16,7 |
100 °C | 2,2 | 4,4 | 5,7 | 7,7 | 13,0 | 21,4 | 27,9 | 36,0 |
Quelle: Jaskula, B.; Goiris, K.; De Rouck, G.; Aerts, G.; De Cooman, L.: A Kinetic Study on the Isomerization of Hop a-Acids Article in Journal of Agricultural and Food ChemistryAugust 2008, 6411, Table 2.
Malowicki und Shellhamer[LI007] waren mit die ersten, die die kinetischen Zusammenhänge von Isomerisierungsraten in Form von Geschwindigkeitskonstanten und einer Aktivierungsenergie beschrieben. So stellten sie u.a. fest, dass eine Aktivierungsenergie von rund 98 kJ/mol α-Säure vorhanden sein muß, um den Vorgang der Isomerisierung überhaupt in Gang setzen zu können.
Mit Blick auf Tabelle 03 scheint die allgemeine Auffassung bestätigt, dass unterhalb von 80°C keine signifikante Isomerisierung von α-Säuren hin zu Iso-α-Säuren mehr stattfindet, da die Bierwürze nicht mehr über genügend freie Aktivierungsenergie verfügt. Über die Zeit aufgetragen wird auch der maßgebliche Einfluß der Temperatur auf die Isomerisierungsraten und die Reaktionsgeschwindigkeit deutlich. Je höher die Temperatur und je länger diese Temperatur pro Zeiteinheit wirken kann, umso vollständiger und schneller laufen die Isomerisierungsvorgänge ab.
Im Abschnitt Lösungsvorgänge wurde kurz erwähnt, dass die Lösungsvorgänge der α-Säure und die Isomerisierungsvorgänge Hand in Hand greifen. Begleitend wird durch hohe Isomerisierungsraten ständig α-Säure zu Iso-α-Säure isomerisiert, wodurch der α-Säure-Gehalt in der Würze wieder unter seine Löslichkeitsgrenze sinkt und dadurch wieder weitere α-Säure in der Würze in Lösung gehen kann. Im Ergebnis übt die Temperatur einen maßgeblichen Einfluß auf die Isomerisierungsraten und die α-Säure-Ausbeute aus.
Der Einfluß des pH-Wert auf die Isomerisierungsvorgänge
Der Einfluß des pH-Werts auf die Gesamtbitterstoffausbeute ist unbestritten, ist er doch das Zünglein an der Waage bezüglich der Löslichkeiten von α-Säure und Iso-α-Säure in der Würze und im Bier. Den alleinigen Einfluß einer pH-Wert Änderung auf die Isomerisierungsvorgänge zu ermitteln ist gar nicht mal so einfach. Die Untersuchungen können nur in einem isolierten Setup und nicht in Bierwürze stattfinden, sonst wären die Störeinflüsse der anderen Parameter viel zu groß.
Allerdings lässt sich mit Blick auf die chemische Reaktion der Isomerisierung ein erster Anfangsverdacht äussern. Bei der Isomerisierungsreaktion sind maßgeblich OH- -Ionen beteiligt. Mit steigendem pH-Wert erhöht sich die Hydroxidionen-Konzentration (OH-) in der Würze und man darf in diesem Zusammenhang einen positiven Einfluß des pH-Wertes auf die Isomerisierungsreaktion erwarten.
Jaskula et al.[LI010] erwähnt in ihrem Artikel die Autoren Verzele und McMurrough et al., die den Einfluß des pH-Wertes auf die Isomerisierungsraten näher untersucht haben. Im gesamten Werk bleibt es aber bei der Äusserung von Jaskula, Zitat:
"[...]increased the isomerization rate, and consequentely, the levels of iso-a-acids in the boiled wort"
Es scheint ein gewisser positiver Einfluß vorhanden zu sein, aber in Anbetracht der engen pH-Grenzen, die wir für gewöhnlich in einer Kochwürze als normal erachten (pH 5,1-5,6), wage ich zu behaupten, dass der Einfluß des pH-Wertes auf die Isomerisierungsvorgänge (nicht auf die Bitterstoffausbeute) eher zu vernachlässigen ist.
Wie zu erwarten üben die Parameter Temperatur und Zeit einen sehr deutlichen Einfluss auf den Nachisomerisierungseffekt aus, wobei die Temperatur derjenige Parameter ist, über den sich die Auswirkungen am wirkungsvollsten und vielleicht auch am einfachsten beeinflussen und kontrollieren lassen.
Adsorptionsvorgänge
Unter Adsorption versteht man einen physikalischen Prozess, bei dem u.a. Feststoffe aus einer Flüssigkeit auf der Oberfläche eines anderen Feststoffes haften bleiben und sich auf dessen Oberfläche ohne weitere chemische Reaktion anreichern.
Im Heißbereich ist hier vor allem das Zusammenspiel zwischen Hopfenbitterstoffen und Trubpartikeln in der Würze gemeint. Je mehr Adsorptionsmittel - hier Trubbestandteile - zur Verfügung stehen, umso mehr Bitterstoffe werden adsorptiv aus der Würze entfernt und in der Regel mit dem Trub ausgeschieden.
Die Oberfläche, an der eine Adsorption stattfinden kann, muss nicht zwangläufig durch einen Feststoff gestellt werden. Diesen Part kann auch eine Gasphase übernehmen, die in der Flüssigkeit gelöst ist. In Bier und Würze finden wir eine ganze Menge von gelösten Stoffen die hinsichtlich einer Gesamtbitterstoffausbeute adsorptiv wirken können. Die Hauptakteure aber sind:
- Trub
- Hefe
- CO2
Im Rahmen des Artikels interessiert uns vor allem der Heißtrub und die Tatsache, dass insgesamt nurmehr 10-40% der eingesetzten α-Säuren als Iso-α-Säuren im Bier wieder gefunden werden können.
In manchen Quellen werden alleine der Trubbildung während der Würzekochung bis zu 40% der Bitterstoffverluste zugeschrieben, wohingegen andere Quellen von sehr viel weniger berichten[LI011]. Einigkeit herrscht indes darüber, dass mit zunehmender Trubbildung/Trubmenge die Bitterstoffverluste zunehmen und sich im Heißtrub vorzugsweise ß-Säuren, α-Säuren und auch geringe Mengen an Iso-α-Säuren wiederfinden.
Die wesentlichen Einflußfaktoren, die die Trubbildung fördern sind:
- höherer Gehalt an Eiweiß und koagulierbarem Stickstoff
- höhere Hopfendosagen
- längere Kochdauer
- höhere Kochintensität
- höhere Stammwürzen
- höhere Trübungswerte der Läuterwürze
- niedere pH-Werte
Mit Ende Kochung und mit Beginn der Nachisomerisierungszeit lässt sich aus der Auflistung von oben nur noch der Parameter pH-Wert hinsichtlich einer Trubbildung beeinflussen. Die Hopfendosage selbst käme auch noch in Betracht, allerdings darf man annehemen, dass diese zu diesem Zeitpunkt als fester Rezepturbestandteil nicht mehr in Richtung einer Trubbildung/Adsorption ausgerichtet werden kann und soll.
Zur Einbremsung eines Nachisomerisierungseffektes bleibt nur, dass vor der Aromagabe in den Whirpool der Würze-pH abgesenkt wird.
Mit der Absenkung des pH-Wertes sinkt die Löslichkeitsgrenze der α-Säure weiter ab und es findet eine weitergehende Stickstoffausscheidung statt, die eine bereits vorhandene Trubmenge zusätzlich erhöht. Infolgedessen gehen weniger α-Säuren in Lösung und/oder α-Säuren gehen mit der gesteigerten Trubmenge adsorptiv verloren. Auswirkungen auf einen unerwünschten Nachisomerisierungseffekt werden unterdrückt.
Zugegebenermaßen lesen sich die Ausführungen sehr theoretisch, obwohl eine Berücksichtigung dieser Umstände den meisten bereits in Form von Rechenwerken zur Berechnung von IBU-Werten bzw. von Bitterstoffausbeuten bekannt sein dürfte.
Die Autoren Glenn Tinseth, Jackie Rager und Mark Garetz haben sich mit ihren IBU Formulars einen Namen gemacht und obwohl sie in ihren Werken unterschiedliche Ansätze verfolgen, ist ihnen doch gemein, dass sie durchgängig die Extraktkonzentration (Stammwürze/Original Gravity) der Würze in ihren Berechnungen berücksichtigen.
Die benannten Autoren stellten in unterschiedlicher Ausprägung und unabhänigig voneinander fest, dass mit zunehmender Extraktkonzentration die Bitterstoffausbeute sinkt. Tinseth, der mit seinen Lösungsansätzen wohl bekannteste Autor, beschreibt diese Abhängigkeit zu einer Extraktkonzentration als "bigness factor". Wie sich dieser "bigness factor" in Abhänigkeit einer Extraktkonzentration auf die Bitterstoffausbeute auswirkt zeigt Abb.02:
Abb. 02: Bitterstoffausbeuten in Kochwürzen nach Tinseth
Tinseth ist in diesem Umfeld der einzige, der schon wie die Autoren Malowicki, Shellhammer und Jaskula[LI006-LI010] die Isomerisation als eine chemische Reaktion 1.Ordnung begreift (-> siehe Isomerisierungsvorgänge).
Der besondere Charme liegt jetzt darin, dass man ganz unabhängig von der Extraktkonzentration (°P) und den jeweils zugehörigen Ausbeuten und Kochzeiten, eine allgemeine Aussage zu den in Abb.02 dargestellten Vorgängen (nicht nur nach Tinseth) formulieren kann. Zum Beispiel:
"Nach 40 min Kochdauer sind bereits über 80% der vorhandenen Bitterstoffe isomerisiert".
Anmerkung:
Die Prozentangabe "...über 80%" bezieht sich hier auf die Isomerisierungsrate, die nach 90 Minuten Kochdauer erreicht worden wäre (=100%)
In jedem Fall ein interessanter und auch offensichtlich allgemein gültiger Aspekt, der im zweiten Teil der Artikelreihe näher beleuchtet wird.
Was hat eine Extraktkonzentration in der Würze mit Adsorption und einer Bitterstoffausbeute zu tun ?
Der Extraktgehalt der Kochwürze, respektive die Massendichte der Kochwürze, wurde meiner Kenntnis nach hinsichtlich seiner Einflußnahme auf eine Bitterstoffausbeute nie isoliert untersucht. Vielmehr wurde immer nur begleitend und zumeist empirisch festgestellt, dass ein gewisser Einfluß vorhanden ist - siehe Tinseth. Die Dichte selbst wurde aber nie als eigentliche Ursache ausgemacht, sondern immer nur die Extraktkonzentration in Verbindung mit "Würze".
Es steht zu vermuten, dass hinsichtlich einer Bitterstoffausbeute 12°P in einer wässrigen Saccharoselösung nicht zu vergleichen sind mit 12°P in einer Würze.
Der Unterschied besteht darin, dass mit zunehmender Extraktkonzentration der Würze, bedingt durch den höheren Schüttungsanteil, anteilig auch mehr Eiweiß in die Würze eingetragen wird, was in der Konsequenz höhere Trubmengen zur Folge hat. In einer reinen Saccharoselösung bleibt dieser Effekt aus.
Bleibt man bei Tinseth und bei dem von ihm ausformulierten "bigness factor", darf man annehmen, dass nicht die Stammwürze selbst die Ursache für die unterschiedlichen Bitterstoffausbeuten darstellt, sondern das äquivalent damit eingetragene Trubpotential.
Gut möglich also, dass eine "eiweißreiche Schüttung", die in der Kochwürze eine Konzentration von 11°P ergibt, eine schlechtere Bitterstoffausbeute aufweist als eine Würze mit 13°P, die sich aus Schüttungsanteilen zusammensetzt, die wesentlich weniger Eiweiß in die Würze eintragen.
Dazu ins Bild passen Aussagen, dass während der Maischarbeit angewandte Dekoktionsverfahren meist bessere Bitterstoffausbeuten aufweisen als vergleichbare Würzen, die mittels Infussionsverfahren hergestellt wurden. Auch hier übernehmen resultierende Trubmengen mit ihrer adsorptiven Wirkung die Rolle des "Züngleins an der Waage[LI001,LI011,LI002]".
Zusammenfassend wirkt Adsorption "von der Rezepturentwicklung bis ins fertige Bier" und sie überlagert allgegenwertig die bislang aufgeführten Einflüsse von Extraktions-, Lösungs- und Isomerisierungsvorgängen meist unter dem Aspekt, dass Bittersoffverluste damit einher gehen.
Inwieweit sich so ein breit gefächeter Einfluß für die kurze Dauer einer Nachisomerisierungszeit überhaupt berücksichtigen lässt, arbeitet der zweite Teil der Artikelreihe auf. Zumindest liefern die Ausführungen von Malowicki, Shellhammer, Jaskula und Tinseth[LI006-LI010,QU005] einen ersten Lösungsansatz in diese Richtung.
Analytik von Hopfenbitterstoffen in Würze und Bier
Die Analytik von Bitterstoffen in Würze und Bier ist zwar kein ureigenes Thema der Nachisomerisierungszeit, allerdings ist in der Validierung von Aussagen, beim Studium von Quellen und in der Interpretation von Ergebnissen immer gut zu wissen, was von wem wie untersucht wurde und wie die Ergebnislage im jeweiligen Kontext zu bewerten ist.
MEBAK, EBC, ASBC, BE, EBU, IBU
Zur Bestimmung von Bitterstoffen in Würze und Bier existieren unterschiedliche Analysenmethoden. Verschiedene Organisationen oder Vereinigungen standardisieren diese Methoden regelmäßig und veröffentlichen die entsprechenden Analysenvorschriften in Methodensammlungen oder Bänden.
Im europäischen Raum finden die Methodensammlungen der MEBAK (Mitteleuropäische Brautechnische Analysenkommision[QU008]) und der EBC (European Brewery Convention[QU010]) eine weite Verbreitung, während im U.S. amerikanischen Raum bzw. im englischen Sprachraum, vorzugsweise die Methodensammlungen der ASBC (American Society of Brewing Chemists[QU006]) zur Anwendung kommen.
Die heutzutage international übliche Angabe IBU (International Bitterness Unit) für einen Bitterwert in Würze und Bier wurde ursprünglich von der EBC als EBU (European Bitterness Unit) festgelegt. Neben IBU und EBU (eher historisch) ist die Angabe BE für Bittereinheiten gebräuchlich. So findet sich in der entsprechenden Analysenvorschrift des MEBAK-Bandes für Würze und Bier, dass die Angabe der Ergebnisse in der Einheit Bittereinheiten[BE] zu erfolgen hat[LI012].
Folgende Entsprechung ist für die benannten Einheiten als Bitterwert festgelegt:
1 IBU/BE = 1 mg/l Iso-α-Säure
IBU und Hopfenbegleitbitterstoffe
Nachweislich übt der Gehalt an Iso-α-Säuren die grösste bitternde Wirkung auf das Bier aus. Mit der Wiederbelebung der Kalthopfung, teils in Verbindung mit sehr hohen Hopfengaben zum Ende der Kochung, während der Nachisomerisierungszeit oder beim Hopfenstopfen selbst, kamen zunehmend Zweifel auf, ob die alleinige Angabe der Konzentration von Iso-α-Säuren (IBU) genügt, um einen sensorisch wahrgenommenen Bitterwert zu beschreiben oder gar vorherzusagen[LI014],[LI015],[BM002].
Die Entsprechung 1 IBU/BE = 1 mg/l Iso-α-Säure musste auf den Prüfstand, denn in Worte gefasst sagt die Beziehung zwischen 1 IBU und 1 mg/l Iso-α-Säure folgendes aus:
1 IBU/BE entspricht der senorischen Bittere von 1 mg/l Iso-α-Säure
Aktuelle Publikationen und Forschungsarbeiten[LI014],[LI015],[LI016],[LI017] berichten z.B. von "Hopfenbegleitbitterstoffen" und/oder von "Nicht-Iso-α-IBU". Sie arbeiten diesbezüglich Zusammenhänge heraus, die von der Auswahl der Hopfensorte über das Hopfenpräparat bis hin zum Gabezeitpunkt reichen.
Ein kurzer Blick hinter die Kulissen dieser Begrifflichkeiten:
Unter den Hopfenbegleitbitterstoffe versteht man ganz allgemein alle nicht Iso-α-Säuren, die direkt aus Hopfen löslich sind oder sich beim Würzekochen aus z.B. a- und ß-Säuren bilden. Dazu gehören u.a. unisomerisierte α-Säuren, ß-Säuren, Hulupone (entstehen aus ß-Säuren) und Humulinonen (oxidierte α-Säuren).
Diese Begleitbitterstoffe weisen ganz unterschiedliche Löslichkeiten im Bier auf und sie unterscheiden sich in der Wirkung auf das Bitterempfinden.
Dieser bunte Mix aus Hopfenbittersäuren, mit jeweils unterschiedlichen Löslichkeiten und differenter Wirkung auf die Bierbittere, lässt komplexe Anforderungen an die Analytik vermuten. Man unterscheidet hier zwischen spezifischen und unspezifischen Methoden.
Unspezifische Methode: IBU Bestimmung, Bittereinheiten (EBC 9.8, MEBAK Band II, 2.17.1[LI012])
Aus einer angesäuerten Probe werden die in Iso-Octan löslichen Substanzen extrahiert und ihre Konzentration spektralphotometrisch bei 275 nm bestimmt. Die Ergebnisse werden in Bittereinheiten[BE/IBU] ohne Dezimale angegeben.
Die Methode kommt in vielen (größeren) Betriebslaboren zum Einsatz, da sich die Ergebnisse mit überschaubarem Aufwand und relativ kostengünstig ermitteln lassen. Der Nachteil der Methode besteht darin, dass sich im Iso-Octan nicht nur Iso-α-Säuren lösen, sondern auch Begleitbitterstoffe, die bei einer Wellenlänge von 275 nm ebenfalls eine Absorption aufweisen.
Diese Unschärfe wird dem Ergebniswert IBU bei der Bestimmung zugeschlagen, was je nach Bitterniveau und Gabenaufteilung ganz unterschiedliche Auswirkungen auf den Messwert selbst als auch auf die sensorische Wirkung haben kann.
Inwieweit eine oder mehrere Aromagaben in den Whirlpool oder allgemein zur Nachisomerisierungszeit ausreichen, um mit der hier beschriebenen unspezifischen Methode deutlich höhere Bittereinheiten (IBU) als Iso-α-Säuren zu messen, muss an dieser Stelle offen bleiben. Es herrscht aber Einigkeit darüber, dass dieser Effekt durchaus durch hohe Stopfmengen ausgelöst werden kann und ein Teil der gemessenen Bittereinheiten (IBU) sich aus den Begleitbitterstoffen speist[BM002],[LI015],[LI018].
Eine besondere Bedeutung kommt hierbei den während der Herstellung oxidierten α-Säuren, den Humulinonen zu.
Während sich α-Säuren, ß-Säuren und Hulupone kaum auf die wahrgenommene Bittere des fertigen Biers auswirken, zeichnen die Humulinonen ein anderes Bild. Sie sind zum einen gut wasserlöslich und zum anderen weisen sie eine bitternde Wirkung auf, die ca. 60-70% der von Iso-α-Säure entspricht.
Für eine weitere Unschärfe zwischen Bitterwert (IBU) und Bitterempfinden sorgt die Tatsache, dass Humulinonen bei 275 nm eine vergleichbare Absortion aufweisen wie die Iso-α-Säuren[LI018].
Spezifische Methode: Hochleistungsflüssigkeitschromatographie HPLC (EBC 7.7/7.9/9.47, MEBAK Band II, 2.17.3[LI014])
Die einzelnen Bittersäuren werden chromatografisch getrennt und im Anschluß über Standards identifiziert und quantifiziert. Die Angabe der Ergebnisse erfolgt, je nach Konzentrationsniveau, z.B. in mg/l, ppm oder ppb.
HPLC(eng. High Performance Liquid Chromatography) ist die Methode der Wahl zur Einzelbestimmung von Hopfenbitterstoffen und Hopfenbegleitbitterstoffen in Würze und Bier und sie gilt u.a. als Referenzmethode für die Bitterwertbestimmung mittels Iso-Octan(IBU[LI012]).
Die HPLC-Methode ist teuer, sie ist aufwendig und sie setzt geschultes Personal voraus. So bleibt die spezifische Analytik der Bittersäuren zumeist Forschungsinstituten, Universitäten, der Hopfenindustrie und Auftragslaboratorien vorbehalten. In der alltäglichen Praxis ist sie, von wenigen Ausnahmen abgesehen, kaum zu finden.
Abb.03 zeigt eine HPLC-Spur eines handeslüblichen IPA:
Die Möglichkeit mit der HPLC-Analytik einzelne Bittersäuren quantitativ zu bestimmen, hat in letzter Zeit einige Forscher auf den Plan gerufen. Zum einen wurde versucht, Erklärungen für solche Effekte, wie sie Jan im Brau!magazin beschreibt[BM002], zu finden, zum anderen konnte man mit dem gewonnenen Zahlenmaterial versuchen, weitere Abhänigkeiten zu beschreiben, z.B. im Kontext einer Bitterqualität oder einer Bitterintensität.
Die Motivation, genau an dieser Stelle etwas genauer hinzusehen, ist auch den Craftbrauern zu verdanken, die zumeist unabhänig voneinander feststellen, dass ihre hopfengestopften Biere keineswegs so bitter schmecken, wie es eine IBU-Bestimmung vermuten ließe. Unter anderem Forster, A. et al.[LI014] haben diesbezüglich interessante Zusammenhänge festgestellt. So ermitteln sie einen hoch signifikanten Zusammenhang zwischen Harmonie bzw. Qualität der Bittere und dem Verhältnis zwischen IBU und Iso-α-Säuren (IBU:Iso-α-Säure). Abbildung 04 zeigt diesen Zusammenhang auf.
Abb. 04: Harmonie/Qualität der Bittere in 16 reinsortigen Bieren über das Verhältnis IBU:Iso-α-Säuren aufgetragen
Je größer das Verhältnis zwischen IBU:Iso-α-Säuren, umso positiver wird die Bittere bewertet und umso höher ist der Anteil der Begleitbitterstoffe im Bier.
An dieser Stelle ist es natürlich interessant zu wissen, mit welchen technologischen Einflussfaktoren sich die Menge der Begleitbitterstoffe im Bier positiv beeinflussen lässt.
Ebenfalls Forster, A. et al.[LI014] benennen einige davon:
- Die Verwendung von Hopfen mit einem höheren β:α-Verhältnis führt zu höheren Werten. Das sind im wesentlichen Aromahopfen. Die traditionellen Landsorten wie Saazer, Spalter, Tettnanger, Hallertauer mfr. und Hersbrucker eignen sich besonders. Saphir sticht besonders hervor.
- Das Potential von Hochalphahopfen für relevante Mengen an Begleitbitterstoffen ist begrenzt.
- Kurze Kochzeiten erhöhen das Verhältnis IBU:Iso-α-Säuren. Viele der Begleitbitterstoffe lösen sich aus Hopfen und bedürfen keiner langen Kochzeit. Dem steht eine geringere Bildung von Iso-α-Säuren gegenüber, was zu einer Betonung der Begleitbitterstoffe führt.
- Beim Hopfenstopfen gehen Bittersubstanzen ins Bier über, ohne dass Iso-α-Säuren entstehen. Die Begleitbitterstoffe nehmen zu.
Bezüglich der Nachisomerisierungszeit und späten Hopfengaben sind vor allem die Aussagen bzgl. der kurzen Kochzeiten, zum Stopfen und zur Auswahl der Hopfensorten interessant. Lässt sich doch davon ableiten, dass die Nachisomerisierungszeit nicht nur den Schrecken einer "unerwünschten und unkontrollierten Nachbitterung" im Bauch hat, sondern sie ganz im Gegenteil auch dazu verwendet werden kann, um seinem Produkt in einem beherrschbaren Umfeld den letzten Schliff zu geben.
Zusammenfassung
Die Nachisomerisierungszeit, die als Zeitfenster zwischen "Kochende" und "Kühlmitte" beschrieben werden kann, eignet sich besonders zur Aromatisierung von Würzen mit Hopfenaromen.
Mit einer gewählten Dosage von Aromahopfen während der Nachisomerisierungszeit wird - maßgeblich durch den α-Säure-Gehalt der eingesetzten Hopfenprodukte bestimmt - ein zusätzliches Potential von Bitterwerten in die Würze eingetragen.
Die Rezeptur, der Anlagenkontext und das Verfahren entscheiden, in welcher Ausprägung sich dieses Potential entfaltet. Nicht selten sind ungeplante IBU-Werte in Würze und Bier die Folge.
Der Artikel arbeitet die Teilaspekte
- Extraktionsvorgänge
- Lösungsvorgänge
- Isomerisierungsvorgänge
- Adsorptionsvorgänge
ganz allgemein und bezüglich Isomerisierungsraten und Bitterstoffausbeuten während der Nachisomerisierungszeit auf.
Es hat sich gezeigt, dass während der Nachisomerisierungszeit vor allem das Zusammenspiel aus Temperatur und Temperaturverlauf eine maßgebliche Rolle spielt. Sowohl resultierende IBU-Werte als auch Ausprägungen hinsichtlich einer Bitterqualität reagieren auf diesen Zweiklang.
Im Rahmen der Begrifflichkeit Begleitbitterstoffe erscheint selbst der ursprünglich negativ behaftete Begriff "Nachisomerisierungseffekt" in einem positiven Licht.
Der zweite Teil der Artikelreihe, der im Frühjahr 2020 erscheint, wendet sich den Zahlen zu. Der "Nachisomerisierungseffekt" bekommt eine Formel 🙂
Quellen:
Onlineressourcen
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[BM001] https://braumagazin.de/article/bierfehler-des-quartals-unangenehme-bittere
[BM002] https://braumagazin.de/article/der-grosse-ibu-schwindel
[BM003] https://braumagazin.de/article/der-heilige-gral-der-hopfenindustrie
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[QU004] https://de.wikipedia.org/wiki/L%C3%B6sung_(Chemie)
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[AB002] Autor
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