Wie schon kurz im Blog berichtet, bietet die Hochschule Anhalt in diesem Sommer erstmals einen Braukurs für Craft‑, Micro- und Gasthausbrauer an. Anlässlich der Ankündigung hat Professor Titze, der in Köthen im Bereich „Lebensmitteltechnologie pflanzlicher Produkte” lehrt, das brau!magazin eingeladen, seine Versuchsbrauerei zu besichtigen.
Die Hochschule Anhalt besteht zwar erst seit 1991, vereint mit ihren drei Standorten aber die schon seit dem 19. Jahrhundert bestehende Technische Hochschule Köthen und die Hochschule für Landwirtschaft und Nahrungsgüterwirtschaft Bernburg mit dem neu gegründeten Campus Dessau, wo die architektur- und designbezogenen Studienrichtungen beheimatet sind. Insgesamt hat die Hochschule knapp 8.000 Studenten, davon etwa 3.500 in Köthen. Damit gehört sie zu den eher kleinen Hochschulen mit entsprechender Nähe zwischen Studenten, Lehrkörper und Industriepartnern.
Während der Anfahrt merkt man dem ehemaligen Zentrum der Stadt, die in den letzten zweieinhalb Jahrzehnten mehr als ein Viertel ihrer Einwohner auf aktuell knapp 27.000 verloren hat, natürlich noch immer die jüngste Geschichte an. Die Luft ist inzwischen zwar sauberer als zu der Zeit, als Köthen noch unweit des mitteldeutschen Chemiezentrums lag, aber die Überreste geschlossener Fabriken säumen am Stadtrand noch immer die Straßen, und zwischen frisch renovierten Wohnhäusern blicken noch ab und zu die blinden Fenster eines verfallenden Hauses hervor. Je weiter man sich dem Stadtzentrum nähert, desto ansehnlicher werden die Gebäude. Die Stadtmitte mit den Fußgängerzonen um Marktplatz, Jakobskirche und Rathaus erstrahlt denn auch komplett in neuem Glanz.
Zum Campus der Hochschule verlässt man die Innenstadt wieder in Richtung Westen. Um das Hauptgebäude gruppieren sich auf einem parkähnlichen Gelände neben Seminargebäuden auch Bibliothek, Mensa, Studentenklub und Wohnheime. Die Gebäude sind ein Mix aus durchgängig frisch sanierten Bauten aus der Zeit des 19. bis Mitte des 20. Jahrhunderts.
Ganz am westlichen Rand des Hochschulgeländes steht die schmucklose Halle 63 mit dem Technikum der Lebensmitteltechnologie. In dessen Bürotrakt residiert auch mein Gesprächspartner, Professor Jean Titze. Er lehrt hier seit Anfang 2016 unter anderem Lebensmittelrecht und Brautechnologie und ist Herr über die Versuchsbrauerei.
Wir sehen uns zunächst in der Halle die Brauanlage an. Gebraut wird hier schon seit 1985, die jetzige Anlage stammt aber aus den 90er-Jahren. BAM aus Freising installierte ein Drei-Geräte-Sudwerk mit 1,5 Hektolitern Ausschlag. Es besteht aus Maischpfanne, Läuterbottich und einer Whirlpoolpfanne, also einer Kombination aus Würzepfanne mit integriertem Tangentialeinlauf für den Whirlpool. Das für die Anlage benötigte Heißwasser wird nebenan in speziellen Heizkesseln erzeugt.
Als wir eintreffen, wird gerade abgemaischt und dabei ein neues Refraktometer getestet, das den Extraktgehalt inline messen kann. Letzte Errungenschaft der Brautechnologen ist ein nagelneuer Maischefilter, der zusammen mit der zuvor angeschafften Hammermühle Forschungsmöglichkeiten an diesem von großen Brauereien eingesetzten Läuterverfahren ermöglichen wird.
Nächster Punkt des Rundgangs ist der „Lagerkeller” – ein abgeteilter Raum, in dem insgesamt sechs Tanks mit Mantelkühlung nebst einer Kühlanlage stehen. Der aktuelle Boom der Mikrobrauereien hat dafür gesorgt, dass die letzte Erweiterung der Lagerkapazität (im Bild am rechten Rand zu sehen) ungeahnte Schwierigkeiten machte, weil kaum ein Hersteller ob prall gefüllter Auftragsbücher einen so kleinen Auftrag annehmen wollte. Geliefert hat schließlich die Firma BrauKon, die Hobbybrauern als Mutter der Camba-Bavaria-Brauerei bekannt sein dürfte.
Eine Zwickelprobe darf natürlich nicht fehlen. Wir haben ein Bier verkostet, das die Studenten ausschließlich mit Hopfen aus dem Anbaugebiet Elbe-Saale gebraut haben. Der inzwischen zweitgrößte Hopfenanbau Deutschlands lieferte Hüll Melon und Callista für ein hopfenaromatisches Ale, das aber – laut Professor Titze (leider) dem Geschmack der jüngeren Studentengenerationen folgend – nur sehr zurückhaltend gebittert war.
Auch Randgebiete der Brautechnologie werden im Technikum abgedeckt, unter anderem mit einer Kleinmälzerei und einem Vakuumverdampfer, in dem Malzextrakt hergestellt werden kann.
Zum Schluss ging es natürlich um den neuen Braukurs der Hochschule. Professor Titze ist durch Studium und Promotion an der Brauer-Hochschule Weihenstephan immer noch bestens mit anderen Weihenstephanern vernetzt. Für den Braukurs hat er zwei Dozenten gewonnen, die fundierte Erfahrungen auf ihren Gebieten vorweisen können.
Helmut W. Huber, seit mehr als 40 Jahren als Unternehmensberater der Brau- und Getränkeindustrie tätig, hat es unter anderem verstanden, den Ausstoß des Brauhauses Tegernsee in seiner Amtszeit als Direktor zu vervielfachen. Professor Vadim Ilbergs Spezialgebiete sind Schankanlagen und vor allem die sensorische Beurteilung von Bier und anderen Getränken. Professor Titze selbst hat Brauereierfahrung in Irland gesammelt, wo er unter anderem Craft-Biere für die Elbow Lane Brewery entwickelte.
Der Kurs soll nicht nur brautechnologische Fähigkeiten vermitteln, sondern stellt gleichberechtigt auch Qualitätssicherung und Betriebswirtschaft einer Brauerei in den Mittelpunkt – Themen, die bei manchem Craft-Brauer noch zu wenig Beachtung finden, aber für den langfristigen Erfolg mindestens ebenso wichtig sind, wie tolle Biere zu brauen. Der Themenbereich Innovation schult die Sensorik, blickt ein Stück über den Gartenzaun der reinen Brauerei und beleuchtet Randgebiete wie glutenfreies Brauen und Mixgetränke.
Die Anmeldefrist für die diesjährige vierwöchige Veranstaltung, die vom 5. bis 30. August in Köthen stattfindet, endet offiziell bereits Ende März, kurz nach Erscheinen dieser Ausgabe. Sollten Restplätze frei sein, wird sie aber sicher noch um ein paar Tage verlängert. Eine Wiederholung oder gar regelmäßige Veranstaltung des Kurses ist nicht ausgeschlossen, aber zurzeit noch nicht entschieden.
- Homepage der Hochschule Anhalt und des Fachbereichs 7:
Angewandte Biowissenschaften und Prozesstechnik - Webseite zum Braukurs: brewing-course.de
- Download des Flyers zum Braukurs
- Kontakt: Prof. Dr. Jean Titze
E‑Mail jean.titze@hs-anhalt.de
Tel. 03496 67 2561
Mobil 0174 41 44 910