Von der Oberbaumbrücke durch Kreuzkölln
Nachdem wir auf den bisherigen Bierwegen in Prenzl’berg und Friedrichshain unterwegs waren, geht es diesmal durch Kreuzberg und Neukölln oder kurz: Kreuzkölln.
Aber zuerst ein Tipp zur Terminwahl: Der Montagnachmittag, an dem ich für die Fotos unterwegs war, ist ein denkbar schlechter Zeitpunkt für Barbesuche. Zum einen öffnen viele Bars frühestens gegen 18, 19 Uhr, und zum anderen ist der Montag, teilweise auch noch der Dienstag, oft Schließtag. Wenn ihr also nicht wie ich Tageslicht für Fotos braucht und nicht bei der Hälfte der Stationen vor verschlossenen Türen stehen wollt, sucht euch am besten einen Termin abends in der zweiten Wochenhälfte.
Start der heutigen Tour ist an der Oberbaumbrücke (Titelbild), für mich eine der schönsten Brücken Berlins. Man erreicht sie nach etwa 500 Metern Spaziergang entweder aus Osten vom S- und U‑Bahnhof Warschauer Straße (S3, S5, S7, S9, U1) oder aus Westen vom U‑Bahnhof Schlesisches Tor (U1). Erst seit 1995 fährt hier wieder die U‑Bahn über die Spree. Von 1961 bis 1989 war die Brücke Teil der Sperranlagen um die Berliner Mauer. Aber auch schon historisch war der Oberbaum eine Sperre über die Spree als Teil der Berliner Zollmauer des 18. und 19. Jahrhunderts.
An der Kreuzung Schlesische und Skalitzer Straße kann man unter der Hochbahn eine Boulettenschrippe beim Burgermeister, Berlins einzigem Pissoir-Imbiss, essen. Der jetzige Betreiber hat die ehemalige Bedürfnisanstalt zur Fastfood-Küche umgebaut, wird aber wohl noch immer nach den gewissen Örtlichkeiten gefragt. Das muss man beim Essen ausblenden können.
Etwas abseits vom heutigen Weg liegt in der Eisenbahnstraße 42/43 die Markthalle 9 mit der großartigen Brauerei Heidenpeters. Die Öffnungszeiten (dienstags und donnerstags bis samstags nachmittags bis zur Schließung der Halle) sind zwar etwas unübersichtlich, aber der Umweg lohnt in jedem Falle. Wer nicht laufen will, kann auch eine Station mit dem 165er- oder 265er-Bus fahren.
Schon die Markthalle selbst, die in der von gusseisernen Trägern gestützten Halle aus dem 19. Jahrhundert durchweg ungewöhnliche, meist ökologisch produzierte Lebensmittel anbietet, ist den Weg wert. Den Brauereiausschank findet man etwas versteckt in einer der Hallenecken. Aus mittlerweile zehn Hähnen werden eigene und ab und zu auch Gastbiere ausgeschenkt. Wenn man Glück hat, zapft Inhaber Johannes Heidenpeters sogar selbst, wenn er nicht in der Brauerei arbeitet, die sich direkt darunter im Keller der Markthalle befindet.
Zur ersten „offiziellen” Bierbar gelangen wir über Oppelner oder Skalitzer Straße. An der Wrangel, Ecke Sorauer Straße hat Hopfenreich im Jahr 2014 als eine der ersten Craft-Beer-Bars der Stadt eröffnet. Das war eine direkte Folge des sehr erfolgreichen ersten Craft-Beer-Fests auf dem RAW-Gelände. Vom Hahn werden 22 oft wechselnde Biere angeboten. Im Innenraum sitzt man an rauen Werkbänken mit Schraubstöcken, an den Wänden und in den Ecken Maschinen aus einem anderen Jahrhundert.
Nächste Station ist der KADZ Taproom, den wir über die Oppelner an der Ecke Görlitzer Straße erreichen. Die 2 x 8 Hähne der Bar sind mit einem wechselnden Angebot aus eigenen und fremden Bieren belegt. Das eigene Bier, bisher ein Pils und ein Pale Ale, wird aber noch nicht in der geplanten Brauerei vor Ort gebraut, sondern in der Marzahner Bierfabrik. Am heutigen Montag erholt sich die Crew allerdings noch vom vergangenen St. Patrick’s Day, und auch sonst ist nur dienstags bis donntags ab etwa 18.30 Uhr geöffnet.
Über die Görlitzer Straße geht es jetzt wieder zurück zur Skalitzer, um dann am Spreewaldplatz auf Bourbon Dogs zu treffen. Der Schwerpunkt der winzigen amerikanischen Bar liegt zwar auf Bourbon Whiskey und Hot Dogs, dazu wird aber auch Craft Beer aus der Flasche serviert. Montags steht man hier allerdings ebenso vor verschlossenen Türen; geöffnet ist dienstags bis sonntags ab 17 Uhr.
Im The Pit, wohin wir über Ohlauer und Reichenberger Straße kommen, gibt es zwar ausschließlich Pilsner Urquell vom Fass, aber dafür unwiderstehliches Brisket, Pork Belly Poppers, Spare Ribs und andere im Texas Style holzgeräucherte Köstlichkeiten. Hier ist aber sogar montags und dienstags geschlossen, mittwochs bis sonntags steht die Tür von 19 bis 22 Uhr offen.
Biertechnisch interessant wird es dagegen wieder im Lager Lager, das in der Pflügerstraße auf der anderen Seite des Landwehrkanals liegt. Der Name täuscht, denn an den acht Hähnen liegen deutlich mehr Ales als Lager an. Regelmäßig gibt es hier Tastings und Tap Takeovers, außerdem ein Angebot von über 250 Sorten Flaschenbier. Sehr praktisch auch die Gegendruck-Abfüllstation für Growler, mit der man sein Lieblingsbier vom Fass in 1- oder 2‑Liter-Syphons mitnehmen kann.
Mein erstes Bier heute ist ein ungespundetes Lager von der Brauerei Knoblauch aus Schammelsdorf nahe Bamberg. Es ist kräftig gebittert und läuft durch die schwache Karbonisierung fast widerstandslos die Kehle hinunter – davon trinkt man gern ein zweites Seidla.
Kleine Geschichtsstunde unterwegs: die 1897 gegründete „C. Bechstein Pianofortefabrik” in der Ohlauer Straße, in der Bechstein noch bis 1988 produzierte. Die Firma wurde 1853 in Berlin gegründet und hatte eine sehr bewegte Geschichte, die man auf der Firmenwebseite sehr ausführlich nachlesen kann. Heute kommen die Bechstein-Flügel aus Seifhennersdorf in Sachsen, andere Marken der nach der Insolvenz 1993 neu gegründeten Aktiengesellschaft werden in Tschechien produziert.
Ganz in der Nähe, nur 150 Meter die Reuterstraße entlang, findet sich Kauz & Kiebitz, eine Kiezkneipe, die vier ständige und vier wechselnde Biere vom Fass anbietet. Das Pils wird speziell für Kauz & Kiebitz gebraut. Dienstags und freitags wird Streetfood von Gastköchen serviert. Montags steht man allerdings auch hier vor verschlossenen Türen; Öffnungszeit ist dienstags bis samstags ab 19 Uhr.
Auf dem Weg zur Schwelgerei kann man an der Lenau, Ecke Hobrechtstraße, noch das Oblomov mitnehmen. Die fünf eher wenig craftigen Biere vom Fass locken hier weniger als das Angebot an Live-Musik inklusive regelmäßiger Open Mic Sessions. Hier ist montags zwar prinzipiell geöffnet, aber erst ab 19 Uhr – an allen anderen Tagen ab 17 Uhr.
Auch in der Schwelgerei ist das Craft-Beer-Angebot eher bescheiden. Drei Flaschenbiere von Himburg, Hanscraft und Berliner Berg stehen auf der Karte; vom Fass gibt es das Quartiermeister Pils, das nur finanztechnisch wirklich mit dem Quartier zu tun hat. Der Schwerpunkt der Bar liegt eher bei Cocktails und Wein.
Anders am nächsten Stopp der Tour: der Rollberg-Brauerei. Den Weg kürzt man am besten mit der U‑Bahn ab und steigt am nahen Bahnhof Schönleinstraße in die U8, um zwei Stationen in Richtung Herrmannstraße zu fahren.
Am U‑Bahnhof Boddinstraße können wir einen kurzen Zwischenstopp im Muted Horn an der Flughafenstraße einlegen, wo uns nicht weniger als 22 Hähne besten Craft Beers und regelmäßige geführte Tastings erwarten. Da fällt die Entscheidung schwer, und ich trinke ein Hard to Explain von Fürst Wiacek, ein ordentlich bitteres NEIPA mit herrlich tropischem Duft. Der Ganställer El Dorado Doppelbock, den der Zapfer empfiehlt und mit dem er mir ein Schnapsglas zum Kosten füllt, ist da von ganz anderem Kaliber: weich und harmonisch, kaum bitter und mit einem kleinen fruchtigen Kick vom El Dorado in Nase und Abgang – aber auch ordentlich Diacetyl.
Zur Rollberg-Brauerei folgen wir der Herrmannstraße und biegen dann links in die Rollbergstraße ein. Sensationell ist schon der Anblick auf dem Wege zur Brauerei, die unterhalb des Sudhauses der ehemaligen Kindl-Brauerei auf dem Neuköllner Rollberg liegt. Die einstmals schönste Brauerei Europas stand 2009, als Brauer Wilko Bereit hier mit seiner 15-Hektoliter-Anlage im Schatten der riesigen alten Kessel zu brauen anfing, schon lange leer.
Inzwischen gibt es hier wieder fast 20 Gär- und Lagertanks, aus denen diverse Berliner Gastronomen mit Bier versorgt werden. Vor Ort trinkt man das Bier im brauereieigenen Ausschank direkt unter dem alten Kindl-Läuterbottich. Geöffnet ist hier allerdings nur freitags und samstags ab 17 Uhr.
Für eine Besichtigung der alten Kindl-Brauerei muss man sich dem Verein Berliner Unterwelten auf der Tour K anschließen; die neue Rollberger-Brauerei sieht man aber durch eine Glasfront hinter der Bar.
Die Berliner Berg Brauerei und das Bergschloss, ihr Brauereiausschank, liegen 500 Meter weiter südlich. Vor mehr als zwei Jahren begannen die Gründer, mit dem von der Münchner Crew-Republic-Brauerei gekommenen Braumeister Richard Hodges als Gipsy-Brauer, eine neue Biermarke aufzubauen.
Das extern eingebraute Kernsortiment ist inzwischen in vielen Getränke- und Supermärkten verfügbar; bis zur Insolvenz der Fluglinie sogar an Bord der Air-Berlin-Maschinen. Mithilfe einer erfolgreichen Crowdfunding-Kampagne wurde auch eine Brauerei finanziert, in der vor allem Sauerbiere und andere Sondersude gebraut werden sollten. Die Räume waren recht schnell gefunden, aber die Inbetriebnahme der Brauerei dauerte so lange, dass Richard die Firma 2017 wieder verließ.
Die Suche nach einem neuen Brauer nahm auch wieder einige Zeit in Anspruch, sodass erst in diesem Jahr der Braubetrieb vor Ort mit dem neuen Brauer Torsten Vullriede aufgenommen wird.
Im Bergschloss werden alle „normalen” Berliner-Berg-Biere ausgeschenkt, ab und zu auch Sonder- und Gemeinschaftssude oder Gastbiere. Besichtigungen und Verkostungen gibt es auf Anfrage. Geöffnet ist donnerstags bis samstags ab 19 Uhr.
Der kürzeste Weg nach Hause führt ab hier zum U‑Bahnhof Leinestraße (U8). Ist man noch nicht müde, kann man in der Nähe noch einige Bonusrunden drehen:
- Tante Frizzante in der Herrmannstraße ist eigentlich ein Getränkeladen, führt aber ein großes Craft-Beer-Sortiment und veranstaltet regelmäßig Tastings mit Bier und anderen Getränken. Das Bier findet man in fünf Kühlschränken, die zum größten Teil mit ausgesuchten deutschen und einigen belgischen Flaschen bestückt sind. Der Ausschank ist im Laden eigentlich nicht erlaubt, deswegen gibt es ab dem Frühjahr ein paar Meter weiter einen kleinen Sommergarten, in den man sich sein Getränk mitnehmen kann. Ich gönne mir eine Marlene, die klassische Berliner Weiße von Schneeeule.
- Das Brauhaus Neulich in der Selchower Straße braut sein Bier im Hinterzimmer der Bar. Zurzeit sind sechs Hähne mit Eigenkreationen belegt. Ab und zu gibt es Tastings und andere Veranstaltungen. Nach Schließung ihres Domizils bei Bierlieb treffen sich hier auch die Braufreunde Berlin zu ihren Hobbybrauer-Stammtischen und ‑Seminaren. Gleich um die Ecke übrigens die Keith Bar mit ausgewähltem Whisky, Craft Beer und Live-Musik.
In der weiteren Umgebung interessant:
- Das Brauhaus Südstern an der Hasenheide war bis vor wenigen Jahren die Stammbrauerei von Thorsten Schoppe. Seit er im Pfefferberg arbeitet, hat Helmut Kurschat hier übernommen. Neben den Standardsorten Hell und Dunkel gibt es saisonal Märzen, Bock und einige Sonderbiere, zurzeit zum Beispiel einen Winterbock und ein Stout.
- In der warmen Jahreszeit (Saisoneröffnung war dieses Jahr am 10. März) bietet Birgit & Bier in Spreenähe einen stylischen Biergarten. Unter anderem wird unpasteurisiertes Pilsner Urquell vom Tank ausgeschenkt, dazu diverse Craft-Biere aus der Flasche.
- Die Biererei bietet in ihrem Laden mehr als 500 Sorten Bier an und veranstaltet in unregelmäßigen Abständen Tastings und Bottle-Release-Partys.
Erst seit gut einer Woche gibt es außerdem die Biererei Bar schräg gegenüber. Die in warmen Brauntönen eingerichtete Bar hat neben 20 gut bestückten Zapfhähnen auch hinter dem Thresen ein Highlight: einen gekühlten Raum hinter einer wandgroßen Glasscheibe, in dem die wertvollsten Schätze der Flaschensammlung bei konstanten 12 °C reifen können, aber auch jederzeit zum Ausschank bereitstehen.
Ich gönne mir die Quetsche von Tilquin, die hier vom Fass gezapft wird. Das Bier des einzigen Gueuze-Steekers der Wallonie wird mit Pflaumen aus dem Elsass gebraut und ist durch seinen leicht fruchtigen und angenehm sauren Geschmack ein Tipp für Gueuze-Einsteiger.
Alle Adressen auf einen Blick:
- Burgermeister Schlesisches Tor
Oberbaumstraße 8
U1 Schlesisches Tor - Brauerei Heidenpeters
Markthalle 9
Eisenbahnstr. 42/42
U1 Görlitzer Bahnhof, Bus 140 Wrangelstraße,
Bus 165, 265 Eisenbahnstraße - Hopfenreich
Craft Beer Bar
Sorauer Str. 31 - KADZ Taproom
Craft Beer Bar
Görlitzer Straße 53 - Bourbon Dogs
Hotdogs, Beer & Whiskey
Spreewaldplatz 14 - The Pit
Oak Wood Smokers
Reichenberger Str. 120 - Lager Lager
Craft Bier Laden & Verkostungsraum
Pflügerstr 68 - Kauz & Kiebitz
Der kuratierte Schwips
Reuterstraße 47 - Oblomov Kreuzkoelln
Pub & Bühne
Lenaustrasse 7 - Schwelgerei
Wein – Drinks – Popcorn – Heimat
Sanderstraße 2 - Privatbrauerei am Rollberg
finest natural Bier
Am Sudhaus 3 - Muted Horn
Independent Craft Beer Bar
Flughafenstraße 49 - Berliner Berg Brauerei und Bergschloss
Moderne deutsche Braukultur aus dem Herzen der Hauptstadt
Kopfstraße 59 - Tante Frizzante
Against Average Beverage
Herrmannstr. 95 - Brauhaus Neulich
Trinken mit allen Sinnen
Selchower Straße 20 - Keith Bar
Schillerpromenade 2 - Brauhaus Südstern
Gasthausbrauerei
Hasenheide 69 - Birgit & Bier
Biergarten, Bar, Grill, Diskothek
Schleusenufer 3 - Biererei
Berlins Finest Craft Beer
Oranienstraße 19 - Biererei Bar
Oranienstraße 185