Buchtipp: Beer Pairing – Aroma und Geschmack
Ein Kochbuch, an dem neben einem Top-Küchenchef auch ein Physiker und ein Rechtswissenschaftler mitgearbeitet haben? Dass das funktionieren kann, haben der Gastronom Rolf Caviezel, der Polymerforscher Thomas A. Vilgis und der Fotograf Andreas Thumm nun schon mehrfach bewiesen. Ihre Bücher über die Molekularküche und die zugrundeliegenden Forschung über physikalische Grundlagen des Essens, seiner Zutaten und Zubereitung sorgte vor 10 Jahren für einen Megatrend in den Sterne-Küchen. „Die Kunst des Würzens” erhielt die „Goldene Feder” der Gastronomischen Akademie Deutschlands. Das vorliegende „Beer Pairing” ist die Weiterführung ihres Buchs „Foodpairing – Harmonie und Kontrast” im Bierbereich.
Nach nur 6 Seiten Einleitung, die grundlegende Informationen über Geschmack, Aromen und Mundgefühl geben und die Einteilung in die fünf Geschmacks- und acht Aromagruppen erklärt, geht es sofort an das erste Pairing. Für Leser, die die zuvor erschienenen Bücher der Autoren nicht kennen, ist das eine Herausforderung, denn auf die Grundprinzipien des Pairings – Harmonie und Kontrast – gehen die Autoren nicht mehr ein.
Stattdessen geht es sofort an das erste Paar: Brown Ale mit Biscuits. Die Paarungen werden immer in der gleichen Weise vorgestellt: Bier, Rezept, Pairing. In der Beschreibung des Biers erfährt man etwas über die Brauerei und Besonderheiten des Biers, die verwendeten Zutaten und insbesondere über die Aromen und Geschmackskomponenten. Das Rezept listet wie üblich Zutaten und Arbeitsgänge beim Kochen oder Backen der Speise auf. Die Beschreibungen sind knapp gehalten und setzen gewisse Vorkenntnisse von Standardverfahren voraus.
Der für mich wichtigste Teil jedes Pairings ist dann die Erklärung der Zusammenstellung: ein Diagramm zeigt die Aromen und Geschmäcker aller Komponenten in den jeweiligen Gruppen auf und erklärt, wie die Paarung jeweils zustande kommt und wie sich die Komponenten in den Aromagruppen ergänzen.
Manchmal ist das für den chemisch nicht speziell vorgebildeten Leser harter Tobak, wenn beispielsweise in einem Rezept (hier: Rehfilet mit Samichlaus Classic) vom Saponin Glycyrrhizinsäure, dem Phenylpropanoid Anethol, dem Amylaldehyd Pentanal, von 1‑Butanal und 3‑Methylbutyraldehyd, den Furanen 2‑Methylfuran und 2‑Ethylfuran, von Terpenen, Camphen, Dimethylsulfid, Myrcen, Geraniol, Sesquiterpenen, Benzaldehyd und heterozyklischen Lactonen als Leitsubstanzen der Aromen die Rede ist.
Der Geschmacksteil ist dagegen meist kurz abgehandelt, denn die fünf Grundgeschmacksrichtungen sauer, süß, salzig, bitter und umami bieten weniger Diskussionsstoff. Die Geschmacks-Spinnendiagramme sind trotzdem manchmal kaum erkennbar, wenn auf viel zu kleiner Fläche die Diagramme von fünf oder sechs Komponenten übereinander gezeichnet werden.
Die Auswahl der Biere, die in elf Gruppen von IPA über Lager- Bock- und fassgereifte Biere bis zu Stout und Weizenbier aufgeteilt sind, ist bis auf wenige Ausnahmen sehr interessant. Neben Klassikern wie Guiness, St. Louis Kriek und Schlenkerla sind auch viele Exoten dabei, die zumindest mir kaum bekannt waren (wer kennt zum Beispiel „Tannenbaum Effekt III”, ein Wild Ale der Blackwell Brewery aus Burgdorf?). Die Beschaffung dürfte sich in manchen Fällen als schwierig erweisen.
Die Rezepte der Speisen bewegen sich durchgängig auf sehr hohem Niveau. Edle Zutaten werden aufwändig verarbeitet und in Fotocollagen aus eingeschänktem Bier und kunstvoll angerichtetem Gericht sehr ästhetisch abgebildet. Sie sind eher in der gehobenen Gastronomie und bei ambitionierten Hobbyköchen als auf dem familiären Esstisch zu Hause.
Im letzten Teil „Vom Feld zum Bier” erfährt man viele meist gut recherchierte Informationen über Bier-Rohstoffe und einige besondere Bierstile wie Gose, Weizen‑, Rauch- und Sauerbiere. Ein kurzes Kapitel über Biersensorik erklärt mit teilweise erstaunlichen Details die physikalischen Vorgänge bei der Bier-Verkostung. Den Abschluss bildet eine Tabelle mit den typischen Aromen von Malz, Hopfen und Hefe, ihrer jeweiligen Leitsubstanz, Struktur und Herkunft.
Küchenchefs in innovativen Restaurants, anspuchsvolle Freizeitköche mit Bierbezug, Brauer und Bierliebhaber, die mehr über Harmonie von Bier und Speisen wissen wollen, sollten das Buch in ihrem Regal zu stehen haben. Etwas chemische Vorbildung hilft beim Verständnis der aromatischen Zusammenhänge ungemein. Der Schwerpunkt liegt eindeutig bei den Rezepten und Kombinationen, so dass der Gewinn für den reinen Brauer überschaubar ist. Ich hätte mir eine allgemeinere Betrachtung der Geschmacksanalyse und der Prinzipien von funktionierenden Paarungen gewünscht, damit man in der Lage ist, auch anderen Bieren die perfekten Partner zur Seite zu stellen.
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