Kurz vor Weihnachten war ich zu Gast bei Michael Roeßgen, der sich seinen Ruhestand mit einer eigenen Mikrobrauerei versüßt. Zu finden ist diese gewerblich abgenommene Mikrobrauerei in der Kölner Nachbarstadt Pulheim. Die Brauerei ist wunderschön integriert in die denkmalgeschütze Hofanlage Heinenhof. Michael produziert hier unter anderem ein Wieß (ungefiltertes Kölsch), das als Hausmarke des angeschlossenen Hofladens unter der Marke „Heinenhofer“ auch direkt vor Ort vermarktet wird.
Die Brauanlage
Gebraut wird hier auf der Junior 500 Extra von Polsinelli, die Michael mit einigen sinnvollen Extras aufgerüstet hat.
Zum Standard-Lieferumfang der Junior 500 gehören ein 540-l-Maischekessel, ein 540-l-Sudkessel, ein 325-l-Nachgussbehälter sowie das Rührwerk, zwei Pumpen, drei Gasbrenner, ein Plattenwärmetauscher (PWT) und einiges an Kleinkram.
Um die Anlage möglichst flexibel einsetzen zu können, wurden der Nachgusskessel und der Sudkessel mit dem verstärkten Rand des Maischekessels ausgerüstet und der Nachgusskessel auch in 540 l anstelle von 325 l bestellt. Das hat den Vorteil, dass man das Rührwerk auf allen drei Kesseln nutzen kann und mit diesem Setup auch kurz hintereinander zwei Sude fahren kann.
Im Maischekessel findet sich zudem noch ein zusätzlicher 2‑Zoll-Ablass mit Schauglas. Dieser liegt einige Zentimeter über dem Läuterblech und dient dazu, Dickmaische zu ziehen, sollte einmal ein Sud in Dekoktionsweise eingebraut werden. Sämtliche Anschlüsse der Kessel sind in Milchrohrausführung.
Die drei Gasbrenner haben die Standardleistung von 2 x 26 kW und 1 x 35 kW und sind zusätzlich mit Gasfeuerungsautomaten ausgerüstet, sodass die Temperatur elektronisch gesteuert werden kann.
Heinenhofer Wieß
Kurz vor Weihnachten war es dann so weit, und Michael und ich haben zusammen 450 Liter Wieß für den angrenzenden Hofladen eingebraut. Das war erst der zweite Sud auf der nagelneuen Anlage, und wir hatten daher noch so das eine oder andere kleine Problem im Ablauf zu lösen.
Los ging es morgens um 7 Uhr mit dem Hochheizen des Hauptgusses. Dabei konnten wir schon beobachten, dass die in der Anlage verbauten analogen Thermometer Schwachstellen sind, denn es zeigten sich bereits Abweichungen von mehreren Grad gegenüber den digitalen Temperatursensoren von Temperaturecontrol.de. Das liegt aber nur zum Teil an den Thermometern selbst und eher an einer schlechten konstruktiven Umsetzung seitens Polsinelli, denn die aufsteigende Hitze der Gasbrenner beeinflusst zumindest in den Heizphasen die Thermometer enorm. Wir hatten während des Maischevorgangs Unterschiede von bis zu 5 °C, und der Sud kochte in der Kölner Bucht bei sagenhaften 115 °C.
Hektik beim Heizen
Der Gasbrenner brachte den Hauptguss innerhalb von gut 90 Minuten von 7 auf 65 °C, und wir konnten einmaischen. Nun schlug die Stunde des Gasfeuerungsautomaten, der durch die Temperaturecontrol-Steuerung (bei der man zurzeit noch manuell die einzelnen Rasttemperaturen einstellen muss) gesteuert wurde.
Hier lag auch schon die erste Crux, denn wir mussten noch den Gärtank reinigen, während das Maischeprogramm lief. Da es jedoch keine Automatik gab, mussten die Rasten manuell eingestellt werden, was zu einer ständigen Rennerei zwischen Sudwerk und Gärraum führte und die Rasten dadurch nicht immer genau eingehalten wurden.
Aufgrund der geringen Wandstärke der Kesselböden von 2 mm (die Wände sind sogar nur 1,8 mm dick) haben wir vorsichtshalber die Leistung des Gasbrenners während des Maischevorgangs reduziert, um ein Anbrennen zu verhindern. Wir hatten das Rührwerk die ganze Zeit in Betrieb, und damit gab es in keiner Weise irgendwelche Probleme.
Nach dem Maischen und der Läuterruhe ging es weiter mit Läutern. Ich war überrascht, wie gut das auf dieser Anlage funktioniert. Die Würze lief schon nach wenigen Litern klar in den Läutergrant und konnte von da aus kontinuierlich in die Sudpfanne gepumpt werden. Da der Maischekessel kein integriertes Hackwerk besitzt, haben wir abwechselnd mit einer (natürlich neuen) Edelstahl-Mistgabel ein Hackwerk simuliert. Dabei konnte man sehr schön selber spüren, wie sich die Konsistenz des Treberkuchens langsam veränderte, ohne so fest zu werden, dass das Läutern stoppte. Der Hauptguss war relativ schnell durch, und es kam zum Nachguss.
Nachguss mit Nudelsieb
Da die Anlage auch keine integrierte Anschwänzvorrichtung hat, ging ich davon aus, dass Michael das Rührwerk wieder anschmeißt und Batch Sparging betreibt. Weit gefehlt. Michael verschwand kurz und kam mit einem Nudelsieb aus Edelstahl wieder, das am Rand des Kessels mit Draht an einem der Deckelverschlüsse festgetüddelt wurde. Durch das Sieb haben wir dann den ersten Nachguss laufen lassen. Hierbei zeigte sich dann ganz deutlich, dass dies erst der zweite Sud auf der Anlage war, denn es musste ja die Pumpe für das Anschwänzwasser bedient werden, der entsprechende Schlauch musste in den Maischekessel gehalten werden (dabei auch noch auf das Nudelsieb achten), und auf der anderen Seite musste die Füllmenge des Läutergrants ständig durch Variation der Durchflussmenge der Würzepumpe koordiniert werden. Da waren manchmal vier Arme fast zu wenig. Jedoch zähle ich dies zu den Kinderkrankheiten einer jeden neue Anlage, und wir werden Lösungen finden, den Läutervorgang noch deutlich zu vereinfachen. Der gesamte Läutervorgang dauerte insgesamt nur gut 60 Minuten, da hätte ich mit wesentlich mehr Zeit gerechnet.
Dann ging es an das Hochheizen der Würze auf Kochtemperatur. Wir hätten dabei viel Zeit sparen können, wenn wir damit kurz nach dem Läuterstart schon angefangen hätten und nicht erst, als der Hauptguss durch war. Das Aufheizen bis zum Kochen hat somit gute 90 Minuten gedauert. Das Gas für die Brenner kommt hier nicht aus der Leitung, sondern aus handelsüblichen 11-kg-Gasflaschen. Da die Brenner jedoch eine Leistung von bis zu 35 kW haben, vereisen die Flaschen recht schnell, sodass nicht mehr genug Gasdruck zur Verfügung steht, um die volle Leistung des Brenners abzurufen. Wir hatten deshalb zwei Flaschen per Hochdruckschlauch verbunden (spart das ständige An- und Abschrauben der Flaschen) und haben diese dann abwechselnd betrieben, was ganz gut funktionierte. Beim nächsten Mal werden wir es mal mit drei Flaschen in Reihe versuchen, die dann alle gleichzeitig offen sind, sodass sich die Last gleichmäßig verteilt.
Pause beim Hopfenkochen
Als die Würze dann endlich kochte, konnten wir uns zum ersten Mal an diesem Brautag entspannt hinsetzen. Zu unserer großen Freude kam dann auch noch Michaels Frau Simona mit einem frisch gekochten warmen Mittagessen vorbei, und es gab ein leckeres Bier vom ersten Sud. Zwischenzeitlich hatten wir noch schön langsam den Bitterhopfen in den Sudkessel gegeben, um ein Überschäumen zu verhindern.
Dann kam es, wie es kommen musste. Leicht dösig von der Futternarkose und abgelenkt durch neuerlichen Besuch in der Brauerei wurde der Aromahopfen in einem Rutsch in den Sudkessel gekippt … schon mal was von Siedeverzug gehört? Der fällt bei fast 500 Litern kochender Würze schon ganz ordentlich aus, ein Großteil des Aromahopfens verteilte sich wild schäumend über den Kessel, den Brenner, den Gasfeuerungsautomaten und eigentlich überallhin. Schöner Mist, aber wie wir hier zu sagen pflegen: „Et es, wie et es“ und „Et kütt, wie et kütt“. Wir haben also ohne viel Gram weitergemacht. Ändern hätten wir ja eh nichts können. Nach dem Kochende hatten wir dann keine Lust mehr, die Pumpe für den Whirlpool anzuwerfen (das hätte man ja auch wieder alles sauber machen müssen), sondern haben mit einem Holzpaddel ordentlich gerührt. Das hat auch gut funktioniert.
Ab in den Tank!
Dann ging es ab durch den PWT in den Gärtank, wobei das Problem auftrat, dass wir nicht kontrollieren konnten, welche Temperatur die Anstellwürze am Ausgang des PWT hatte, bis diese den Sensor im Gärtank erreicht. „Et es, wie et es“, also kurzerhand ein an Genauigkeit kaum zu überbietendes Bratenthermometer an den Ausgang des PWT gepfriemelt, und gut war es. Es hat ein bisschen gedauert, bis wir die optimale Kombination aus Durchfluss- und Kühlwassermenge gefunden hatten, aber zum Schluss landete die Anstellwürze wie geplant mit 21 °C im Gärtank.
Die Gärtanks (Michael hat insgesamt drei) sind nicht von Polsinelli, sondern von Aseu.biz, fassen je 750 Liter, sind mit einer Mantelheizung/-kühlung ausgestattet und mit 8‑cm-Isolierung versehen. Das Mannloch ist nicht wie üblich vorne, sondern oben, damit man auch noch während der Gärung Zutaten hinzufügen kann. Michael hat sich auch noch einen zusätzlichen 25er-Anschluss einbauen lassen, der zur Aufnahme eines Sprudelsteins aus Edelstahl dienen soll.
Reinigen kann man die Tanks mit einer integrierten CIP-Düse, was ich sehr praktisch finde. Der Gärtank wird mittels eines kombinierten Heiz- und Kühlsystems gesteuert, das normalerweise Aquarien zwischen 500 und 1.000 Liter Größe auf Temperatur hält. Dieses System ist zwar ungewöhnlich, funktioniert aber einwandfrei und kommt mit minimalem Technikeinsatz aus.
Zu guter Letzt haben wir die Hefe rehydriert und angestellt. Dann musste ich Michael leider verlassen, da ich noch einen Termin hatte. Inzwischen ist das Bier nahezu ausgereift und wird von Tag zu Tag besser.
Fazit
Die Anlage gefällt mir insgesamt recht gut, wenn mich auch das dünne Material (2,0 bzw. 1,8 mm) etwas abschreckt. Der Deckel des Nachgussbehälters ist doch schon ordentlich schlabberig, und da die Kessel am Boden nur 2,0 mm stark sind, ist die Gefahr des Anbrennens der Maische durch die kräftigen Brenner nicht zu unterschätzen. Wobei wir direkt beim nächsten Thema wären: den Gasfeuerungsautomaten. Sie funktionieren zwar gut, aber eine Abdeckung würde ihnen gut zu Gesicht stehen, denn als beim Siedeverzug die Ausschlagwürze überlief, waren auch die Automaten nass und danach schwer wieder zu reinigen, da sie recht verwinkelt gebaut sind. Ein Hackwerk sowie eine Anschwänzapparatur wären sicher sinnvoll, sonst lässt sich die Anlage nicht alleine bedienen, es sei denn, man macht Batch Sparging. Auf die Temperatur-Schätzeisen gehe ich jetzt nicht weiter ein …
Gut gefallen mir die saubere Verarbeitung, das kräftige Rührwerk und der sehr gut funktionierende Läuterboden. Alle Anschlüsse sind sauber geschweißt und formiert. Die Anbauteile haben eine vernünftige Qualität, und die Sudhausausbeute lag im mittleren 70er-Bereich. Da kann man nicht meckern.
Ob ich mir persönlich die Anlage hinstellen würde, wenn ich damit meinen Lebensunterhalt verdienen müsste (was Michael nicht muss), wage ich allerdings zu bezweifeln. Da würde ich als Freund des soliden Metallhandwerks eher auf eine robuste Deutsche als auf die leichtfüßige Italienerin setzen.
Michael hat auf jeden Fall alles richtig gemacht, denn diese Anlage passt exakt auf seine Bedürfnisse, und von daher freue ich mich schon auf den nächsten Sud im Heinenhof.
Über den Autor:
Bodo Wester ist seit 2005 Hobbybrauer. Er ist Inhaber und Leiter des Hobbybrauer-Forums www.hobbybrauer.de. Er doziert an mehreren Volkshochschulen zum Thema Bier und gibt dort wie auch privat Braukurse.
Weitere Infos unter www.hausbrauerei-wester.de oder www.facebook.com/braukurse