Wie man auch mit Extrakten hervorragende Biere braut
International weit verbreitet, fristet das Extraktbrauen in Deutschland immer noch ein trauriges Dasein. Es wird gern als Tütensuppen- oder Instant-Brauen verunglimpft, dabei ist doch die überwiegende Mehrheit der Hobbybrauer über das Extraktbrauen zu ihrem Hobby gekommen. Aber es ist nicht nur die „Einstiegsdroge” des Heimbrauens, sondern bietet durchaus auch große Gestaltungsmöglichkeiten. Dieser Artikel soll etwas mit den Vorurteilen gegen die Malzextrakte aufräumen und aufzeigen, was mit guten Extrakten möglich ist.
Bierkits
Bierkits sind sicher die einfachste und für den Einsteiger verlockendste Art, mit dem Brauen anzufangen. Sie enthalten am Allgemeinen mit einer Dose gehopftem Malzextrakt und einem Päckchen Trockenhefe alle Zutaten, die man für das Selbstgebraute benötigt. Nur noch Wasser und Zucker dazu, Hefe aufstreuen, eine Woche warten, in Flaschen füllen und schon ist das erste Bier fertig – so zumindest suggeriert die meist sehr kurz gehaltene Brauanweisung.
Befolgt man das so, führt das leider meist in die erste große Enttäuschung. Das Bier ist trübe, schmeckt hefig und säuerlich, schießt beim Öffnen aus der Flasche, ist im Glas schal und hat nicht den erhofften vollmundigen Geschmack. Für viele ist diese Erfahrung sicher die erste und letzte, die sie mit dem Heimbrauen machen. Dabei wäre Abhilfe ganz einfach.
Zucker?
Günstige Braukits enthalten oft nur um die 1,5kg Malzextrakt für 20 Liter Fertigbier. Bei 12°P Stammwürze braucht man aber pro Liter Würze 12%, also 120g Extrakt, das macht inklusive einer kleinen Zugabe für Verluste bei Gärung und Abfüllung bei 20 Litern Bier also 2,5kg Extrakt. Woher kommt das fehlende Kilogramm?
Bei billigen Bierkits wird es einfach durch Zucker ersetzt. Es gibt zwar Bierstile wie z.B. einige belgische Ales, in denen Zucker durchaus positiv wirkt, bei den meisten anderen führt Zucker aber zu einer verringerten Vollmundigkeit: es schmeckt dünn, weinig und säuerlich.
Um diesen Fehler zu umgehen, kann man entweder direkt ein hochwertigeres Bierkit mit z.B. 3kg Extrakt für 23 Liter Bier kaufen, oder statt des Zuckers ein Flüssig- oder Trockenmalzextrakt zusetzen.
Trockenmalz kann man einfach 1:1 gegen Zucker austauschen. Bei flüssigem Extrakt muss man bedenken, dass er nur etwa 80% Extrakt enthält, man also statt 1kg Zucker etwa 1,25kg Flüssigmalzextrakt zugeben muss.
Die Alternative, einfach weniger Bier mit dem vorhandenen Malzextrakt ohne Zuckerzusatz zu brauen, ist übrigens keine gute Idee, denn die Bitterung des gehopften Malzextrakts ist für die gesamte Zielmenge, also z.B. 20 Liter, berechnet. Braut man damit nur 10 Liter, steigt der Bitterwert dann auf das Doppelte.
Hefe…
…wird in den günstigen Bierkits zumeist stark vernachlässigt. Oft wird sie nicht einmal als Zutat genannt. Meist legen die Hersteller die billigste verfügbare Trockenhefe des eigenen Sortiments bei.
Zwar hat sich allgemein die Situation bei Trockenhefen in den letzten Jahren stark verbessert, nur hat sich das leider bei den günstigen Bierkits kaum ausgewirkt. Tauscht man die Standardhefe gegen eine ausgewählte Trockenhefe oder eine geeignete Flüssighefe aus, kann man die Qualität des Kits meist wesentlich verbessern.
Etwas Erfahrung gehört bei der Hefeauswahl allerdings dazu. Die Übersicht über Biertypen [6] und Die Liste der verfügbaren Hefen [7] können dabei hilfreich sein.
Geduld!
Das ist der billigste, wenn auch am schwersten umzusetzende Tipp. Bier braucht Zeit, egal ob man aufwändig maischt oder mit Extrakt braut. Die Hauptgärung dauert je nach Würzequalität, Stammwürze, Hefetyp und Temperaturführung unterschiedlich lang. Ist ein Weizenbier bei 21°C oft schon in 3–4 Tagen durchgegoren, braucht ein untergäriger Doppelbock mit 18°P bei unter 10°C meist mehrere Wochen, bis der Zielvergärgrad erreicht ist. Man muss einfach die Geduld aufbringen, diese Zeit abzuwarten, und das Jungbier lieber einige Tage zu lang im Gärbottich belassen, als sich durch eine zu frühe Abfüllung Probleme zu bereiten.
Eine vorzeitige Abfüllung wirkt sich in mehrerer Hinsicht negativ aus. Zum einen ist um so mehr Hefe in Schwebe, je früher man abfüllt. Diese Hefe bildet einen dicken Bodenbelag in der Flasche und sorgt beim Einschänken möglicherweise für Brocken und Schleier im Glas, die nicht nur ästhetisch unschön sind, sonden auch geschmacklich. Besser ist es, das Jungbier nach Ende der Hauptgärung noch einige Tage stehen zu lassen, damit sich die Hefe absetzen kann. Ideal ist es, das Bier in dieser Zeit noch zu kühlen, damit sich das Absetzen beschleunigt.
Noch mehr Geduld erfordert die Reifung des Biers. Wie lange das dauert, hängt wieder vom Biertyp und den Lagerbedingungen ab. Obergärige und leichte Biere brauchen weniger Lagerung als untergärige und starke; kühle Temperaturen wirken sich positiv aus. Einige Hausnummern für die Reifungsdauer: Weizen 3–4 Wochen, Pils 4–8 Wochen, Barley Wine mehrere Monate, Lambic mehrere Jahre.
Doch Zucker!
Das oben zu Zucker gesagte bezieht sich nur auf den Ersatz größerer Mengen Malzextrakts durch Haushaltszucker. Bei der Karbonisierung dagegen ist Zucker das Mittel der Wahl. Die geschmacklichen Auswirkungen der bei der Karbonisierung nötigen geringen Zuckermengen sind nicht spürbar und die Handhabung extrem einfach.
Zwar erfüllen Flüssig- oder Trockenextrakt ebenso ihren Zweck, sind aber in der Handhabung komplizierter und nicht so gut lagerfähig wie einfacher Haushaltszucker: Flüssigextrakt beginnt leicht zu schimmeln, und Trockenextrakt ist stark hygroskopisch, verklumpt also und bildet nach einiger Zeit einen einzigen, steinharten Brocken.
Die Benutzung von Speise, also vor der Gärung zurückbehaltener Würze, mach beim Extraktbrauen keinen Sinn – man könnte sie in der gleichen Qualität just in time aus Extrakt herstellen und muss sie nicht der Gefahr einer Infektion während der Lagerung aussetzen.
Wichtig ist, das Bier vor der Abfüllung wirklich komplett ausgären zu lassen. Nur dann kann man mit einem der gängigen Karbonisierungsrechner ([3], [4], [5]) die korrekte Zuckermenge berechnen lassen. So bewahrt man sich vor Flaschenbomben, Bierfontänen oder schalem Gerstensaft.
Vielfalt
Das Angebot an Bierkits ist heute so vielfältig wie nie. Es werden nicht nur extrem viele verschiedene Biertypen angeboten, sondern die Bierkits sind auch oft in verschiedenen Qualitäten am Markt. Die Qualität misst sich vor allem an der enthaltenen Menge an Malzextrakt, aber auch an der Qualität der Hefe oder den verwendeten Hopfenmengen und ‑Sorten.
Die Malzextrakt-Marktübersicht in dieser Ausgabe versucht im ersten Teil, alle am deutschen Markt verfügbaren Bierkits mit allen bekannten Daten aufzulisten.
Malzextrakte
Außer in fertig gehopften Bierkits wird Malzextrakt auch separat angeboten. Diese Extrakte sind im Allgemeinen nicht gehopft. Damit hergestellte Würze muss also noch mit Hopfen gekocht werden. Das erhöht zwar den Arbeitsaufwand, vergrößert aber gleichzeitig die Freiheitsgrade, die man bei der Gestaltung hat. Es lassen sich spezielle Hopfensorten einsetzen und durch Wahl der Zeitpunkte der Hopfengaben ihre Wirkung variieren.
Flüssig oder Trocken
Grundsätzlich werden flüssige und Trockenextrakte (im englischen Spraymalt oder DME (dried malt extract) genannt) unterschieden. Bei Flüssigextrakten wird der Würze nach dem Maischen etwa 80% des Wassers entzogen, so dass ein dickflüssiger Sirup entsteht. Der Extraktgehalt der Flüssigextrakte liegt somit bei etwa 70–80%. Trockenextrakte werden noch weiter getrocknet, so dass sie am Ende nur noch 2–4% Wasser enthalten.
Unabhängig von ihrer Form werden Extrakte meist in drei bis fünf verschiedenen Farben, von extra hell (ab ca. 7 EBC) bis extra dunkel (bis ca. 600 EBC), angeboten. Die genauen EBC-Werte werden nicht immer genannt. Wenn sie bekannt sind, beziehen sie sich meist auf eine bestimmte Stammwürze, z.B. bei Weyermann auf 13°P. Weicht das Bier davon nach unten oder oben ab, wird es entsprechend heller oder dunkler werden.
Flüssigextrakte sind aufgrund der weniger aufwändigen Herstellung etwas günstiger als Trockenextrakte. Einige Typen werden auch nur als Flüssigextrakt angeboten, wie etwa der Rauchmalzextrakt bei Weyermann. Sie lassen sich in großen Mengen auch einfacher verarbeiten, weil sie nicht erst klumpenfrei aufgelöst werden müssen. Somit bieten sie sich an, wenn Malzextrakt in größeren Mengen verarbeitet werden soll. Trockenextrakte lassen sich dagegen auch in kleinen Mengen einfach dosieren, sind aber etwas teurer.
Angebrochene Packungen müssen bei beiden Malzextrakttypen möglichst vermieden und ansonsten luftdicht abgeschlossen und innerhalb kurzer Zeit verbraucht werden. Um Flüssigmalzextrakt vor Keimen zu schützen, die ihn sonst leicht durch Schimmel verderben lassen, kann im Kanister eine dünne Alkoholschicht aufgebracht werden, etwa ein Schnapsglas Korn. Trockenmalzextrakt muss vor allem luftdicht und wasserfrei lagern – ist erst einmal ein großer, steinharter Malzklumpen entstanden, lässt er sich kaum wieder auflösen.
Hopfung
Oben wurde schon erwähnt, dass ungehopften Malzextrakten noch Hopfen zugegeben werden muss. Zur Isomerisierung des Hopfens muss dieser mit der Würze gekocht werden. Legt man nicht auf das letzte Prozent Ausbeute wert, kann man dabei an verschiedenen Stellen optimieren.
Da die aus Extrakt bereitete Würze bereits gekocht und somit das Eiweiß schon ausgefällt und das DMS ausgetrieben ist, dient das Kochen nur noch der Bitterung. Die Kochzeit muss daher nicht mehr so lang sein. Sieht man sich die Bitterstoff-Ausbeute in Abhängigkeit von der Kochzeit nach Tinseth [1] an, erkannt man, dass nach etwa 30 Minuten schon 20% Ausbeute erreicht sind, während die folgenden 70 Minuten nur noch knapp 8 Prozent bringen. 30 Minuten Kochzeit sollten also ausreichend sein.
Zweite Optimierungsmöglichkeit wäre das Kochen des Hopfens nur in einer Teilmenge der Würze, was den Energieeinsatz weiter erheblich verringern würde. Das restliche Wasser und der verbleibende Malzextrakt wird erst zum Ende des Kochens zugegeben.
Steeping
Steeping, in’s Deutsche vielleicht am besten mit Einweichen oder Eintauchen übersetzt, ist eine Technik zur Zugabe von Spezialmalzen zu Malzextrakt-Suden. Das erweitert die Gestaltungsmöglichkeiten des Extraktbrauens nochmals ganz erheblich.
Das Steeping erfolgt in reines Wasser. Es sind also keine Enzyme vorhanden, die Stärke aus den Malzen abbauen könnten. Daher macht nur die Zugabe von Malzen Sinn, bei denen die Umwandlung der Stärke schon während des Mälzens stattgefunden hat. Das sind im Wesentlichen Karamellmalze, bei denen die Stärke bereits verzuckert wurde, und Farb- oder Röstmalze, deren Stärke in Röststoffe umgewandelt wurde.
Karamellmalze erhöhen die Vollmundigkeit des Biers und bringen, je nach Darrtemperatur, Honig‑, Biskuit‑, Toast‑, Dörrobst‑, Brot‑, Toffee‑, Schoko‑, Kaffee- oder Röstaromen ein. Farb- oder Röstmalze sind vor allem für die Farbanpassung verantwortlich und färben das Bier bei kleinen Mengen rötlich, bei größeren Mengen braun bis tiefschwarz. Zudem erzeugen sie Schoko‑, Kaffee- oder Röstaromen. Nähere Informationen findet man in den Malzbeschreibungen der Hersteller und in [8].
Für das Steeping müssen die Malze geschrotet und in einen Maischesack gefüllt werden. Je feiner das Schrot, desto einfacher lassen sich die Inhaltsstoffe lösen. Es darf aber andererseits nicht so fein sein, dass es durch die Maschen des Maischesacks entweichen kann. Dieser Sack, eigentlich ein gigantischer Teebeutel, wird dann für etwa 30 Minuten in Wasser von etwa 70°C eingetaucht. Währen der Zeit wird der Sack öfter bewegt; das erleichtert die Lösung des Malzes.
Nach Ablauf der Zeit entnimmt man den Maischesack wieder und nutzt das Wasser (das jetzt eigentlich schon Würze ist) zum Auflösen des Malzextrakts. Wieviel Extrakt beim Steeping in Lösung gegangen ist, hängt neben der Dauer und Temperatur auch vom Malztyp ab. John Palmer hat in [2] diese Lösungsrate experimentell für einige Malztypen ermittelt. Dabei gingen je nach Typ etwa zwischen 25 und 50% des Malzes in Lösung. Nachmessen mit der Spindel ist in jedem Falle angebracht.
Der „schnelle” Extrakt
Man muss Malzextrakte nicht immer nur zum Herstellen der Betriebswürze nutzen. Sie sind auch eine gute Wahl, wenn es darauf ankommt, „mal schnell” etwas Würze zu haben. Typische Fälle sind zum Beispiel Hefestarter und Nährböden für die Hefezucht und ‑Lagerung. Wenn man unbedingt Zucker vermeiden will, lässt sich auch das Aufspeisen des Jungbiers zur Karbonisierung recht einfach mit Malzextrakt bewerkstelligen.
Auch kleinere Brauexperimente wie Versuche mit unterschiedlichen Hopfensorten und Hefen lassen sich sehr einfach mit Extrakten durchführen – wer will schon für wenige Liter Bier stundenlang maischen und läutern?
Fazit
Es ist Zeit, Extrakt aus der Fast-Food-Schmuddelecke zu holen. Moderne Braukits liefern auf einfache Weise eine erstaunliche Biervielfalt, und wenn man einige Regeln beachtet, auch ordentliche Qualität. Ungehopfte Flüssig- oder Trockenextrakte sind noch vielseitiger durch die zusätzlichen Freiheitsgrade bei der Hopfung. Die Würze lässt sich durch Steeping auch mit Spezialmalzen aufpeppen. Und auch auf vielen Nebenschauplätzen spielen Extrakte ihre Vorteile aus, wenn man mal eben einen halben Liter Würze braucht.
Für alle, denen der Artikel Anregung für eigene Versuche ist, habe ich in der „Marktübersicht Malzextrakte” die aktuell erhältlichen Malzextrakte und Kits zusammengestellt.
Als Beispiel für einen Extraktsud mit Steeping seht euch bitte mein Rezept „Kupfer-Saison” an. Viel Spaß beim Nachbrauen!
Quellen:
- Glenn Tinseth: Glenn’s Hop Utilization Numbers
- John Palmer: How to Brew, Kapitel 13.2: „Mechanics of Steeping” und 13.3: „Example Batch”
- Maische Malz und Mehr: Speise- und Spunddruckrechner
- Fabier: Speise-/Zuckerberechnung zur Nachgärung
- Müggelland-Brauerei: Karbonisierung
- Müggelland-Brauerei: Das BJCP System der Biertypen
- Müggelland-Brauerei: Zutaten – Hefe
- Müggelland-Brauerei: Zutaten – Malz
Ich habe bei meinem allerersten Extrakt Sud tatsächlich sämtliche hier empfohlenen Braufehler befolgt! Das billige Extrakt Kit gab’s zur Grundausstattung gratis dazu… Viel Zucker statt Malz, mistige Hefe, 25 Grad Gärtemperatur, ungenügende warme Lagerung, Übercarbonisierung… Das Ergebnis war entsprechend ungenießbar und hat mir die Lust auf das Extraktbrauen nachhaltig verdorben. Seit dem hab ich nur noch Maische Sude gemacht.