Die Geschichte des Hopfenanbaus in den USA
Es gibt einige archäologische Hinweise, dass die Ureinwohner des Nordamerikanischen Kontinents bereits Bier gebraut haben, bevor die Europäer nach Amerika kamen. Es gibt aber keinerlei Hinweise darauf, dass sie auch Hopfen verwendet haben, obwohl dieser als Wildhopfen auch in den USA zwischen dem 55. und 35. Grad nördlicher Breite wächst.
Aus alten Aufzeichnungen lässt sich rekonstruieren, dass die ersten Siedler vor allem auf wilden Hopfen zurück gegriffen haben und dass es auch gelegentliche Hopfenlieferungen aus Europa gab. Es ist davon auszugehen, dass auch die Siedler auf dem amerikanischen Kontinent Wildhopfen nach Ertrag und Brauwert selektiert und kultiviert haben. Überliefert ist auch, dass ab 1629 kommerziell Hopfen in Nordamerika angebaut wurde und zwar von der Massachusetts Company, die ursprünglich Hopfen aus Europa importiert hat. Leider ist nicht mehr nachvollziehbar welcher Hopfen angebaut wurde, nur, dass es sich um Europäischen Hopfen handelte, der aus importierten Rhizomen gezogen wurde.
Da der Boden in den weiter westlich gelegenen Territorien weitaus fruchtbarer war als an der Atlantikküste Neuenglands und die Felder in den Ebenen leichter bearbeitet werden konnten, verlagerte sich der Getreideanbau von der Küste weiter nach Westen, zunächst dem Ohio-River folgend. Dafür eigneten sich die Böden Neuenglands und die kleineren Felder nach wie vor hervorragend für den Hopfenanbau, und so waren die Neuengland- Staaten, allen voran New York, Pennsylvania und Massachusetts, bis in die 1850er die führenden Hopfenproduzenten in den USA. Im Rekordjahr 1836 wurden ca. 650.000 kg geerntet, was damals hieß, mit der Hand gezupft. Im Vergleich: im Jahr 1840 wurde die gesamte bayrische Ernte auf etwa 17.450 kg geschätzt .
Nachdem einige Ernten in England so dürftig ausfielen, dass gar kein Hopfen mehr in die neue Welt exportiert wurde, stellte die amerikanische Bierindustrie Mitte des 19. Jahrhundert komplett auf US-Hopfen um. Dabei darf man nicht vergessen, dass alleine zwischen 1820 und 1900 fast 20 Millionen Einwanderer in der neuen Welt ankamen. Zum Vergleich: der deutsche Zollverein zählte 1834 insgesamt nur 3 Millionen Einwohner mehr. Um 1900 gab es in den USA etwa 2000 Brauereien, die zusammen etwa 46,5 Millionen Hektoliter produzierten. Das hatte zur Folge, dass die Preise für Hopfen stiegen und der Hopfenanbau sehr rentabel wurde. Da sich das Land und die Einwanderer immer weiter nach Westen ausbreiteten und die Aussicht auf ein lukratives Geschäft bestand, breitete sich auch der Hopfenanbau nach Westen aus und erreichte damit die fruchtbaren Ebenen des Mittleren Westens.
Zum Vergleich: für das Jahr 1867 wird von einem Ertrag von 3250 kg je Hektar in Wisconsin berichtet, während im selben Jahr in Hersbruck 1000 kg je Hektar geerntet wurden. Während der Hopfenpreis in Bayern sehr stark schwankte – zwischen 10 und 350 Mark je Zentner – konnte ein bayrischer Pflanzer in guten Jahren sein eingesetztes Kapital verdoppeln oder gar verdreifachen, während er in schlechten Jahren herbe Verluste einfuhr. In Amerika hingegen kannte der Hopfenpreis durch die starke Nachfrage nur eine Richtung: nach oben. So konnten amerikanische Pflanzer in der selben Zeit ihr Kapital im Schnitt vervierfachen.
Der Siegeszug des Hopfens westwärts wurde durch eine Blattlausplage in den 1850ern, die die Ernte in den Neuenglandstaaten stark dezimierte, weiter angetrieben. Jetzt war es vor allem Wisconsin, das den Hunger nach Hopfen stillte. Im ertragreichsten Jahr 1867 wurden etwa 5 Millionen Kilogramm Hopfen in Wisconsin geerntet. Das waren 75% der gesamten US-Ernte. Vom Mittleren Westen verlagerte sich die Hopfenproduktion weiter nach Westen, und so wurden 1900 nur noch etwa 6.800 kg geerntet, während in Kalifornien die Erntemenge von 1880 bis 1900 um fast 5 Millionen Kilogramm, in Oregon um 15 Millionen Kilogramm und in Washington um 8 Millionen Kilogramm anwuchs .
Dann kam das Jahr 1920 und mit ihm kam der Volstead Act und der 18. Zusatzartikel zur amerikanischen Verfassung, besser bekannt als die Prohibition. Die folgenden 13 Jahre Prohibition bis zu deren Aufhebung durch den 21. Zusatzartikel und einige Jahrgängen mit Mehltau und Spinnmilben ließen die Hopfenproduktion im Nordosten und in Neuengland vollständig verschwinden. Nach dem Ende der Prohibition hatten noch Washington, Oregon, Idaho und Kalifornien ernstzunehmende Anbauflächen. 1990 schloss die letzte Hopfenfarm in Kalifornien. Bis 2019 stellt sich die Erntesituation in den USA wie folgt dar:
Bundesstaat | 2017 | 2018 | 2019 | 2020 |
---|---|---|---|---|
Washington | 35,871,808 | 35,256,692 | 37,201,333 | 33,634,555 |
Idaho | 6,380,820 | 7,367,610 | 7,712,476 | 7,797,298 |
Oregon | 5,656,478 | 5,867,762 | 5,907,224 | 5,655,707 |
Andere | 850,486 | 680,389 | 453,592 | 453,592 |
Total | 48,759,592 | 49,172,452 | 51,274,626 | 47,541,152 |
Das war sozusagen „the big picture“. Ich lebe seit nunmehr acht Jahren in Ohio und Ohio hat eine sehr reiche „Biergeschichte“. Die großen Städte Ohios, Cincinnati, Columbus und Cleveland wurden sozusagen auf Bier gebaut. In den 1850ern brauten zum Beispiel 36 Brauereien in Cincinnati jährlich etwa 41 Millionen Hektoliter Bier. Und wo Bier gebraut wird, da braucht man Hopfen, der auch lokal produziert wurde. Die oben angesprochenen Entwicklungen haben aber auch in Ohio dazu geführt, dass der Hopfenanbau nach der Prohibition praktisch vollkommen verschwunden war.
Derzeit gibt es in Ohio um die 300 aktive Craft-Brauereien, die etwa 1,6 Millionen Hektoliter Bier produzieren. Dazu werden etwa 2,9 Millionen Kilogramm Hopfen benötigt. Der Hopfen alleine ist ein Business, das jährlich etwa 45 Millionen US-Dollar umsetzt. Kein Wunder also, dass auch Farmer aus Ohio davon wieder ein Stück abhaben wollen, und so wächst die Zahl der Hopfenpflanzer auch bei uns wieder langsam aber stetig, unter anderem auch von der Idee beflügelt, lokale Produkte herzustellen.
Im Jahr 2014 hat sich die Ohio Hop Grower Guild (OHGG) gegründet, um den Hopfenanbau in Ohio zu fördern. Derzeit sind etwa 50 Hopfenpflanzer in der OHGG organisiert, die zusammen über 30 verschiedene Hopfensorten auf etwa 80 Hektar anbauen – Tendenz steigend.
Midwest/Northcoast/Flyover IPA
Jetzt aber genug über Hopfen geredet. Hier ein Rezept für ein Midwest IPA. Northcoast bezeichnet ebenfalls den mittleren Westen, allerdings den Bereich um die großen Seen, also zum Beispiel Cleveland in Ohio, wo ich wohne. Flyover States ist eine etwas herablassende Bezeichnung für den Mittleren Westen, die darauf abzielt, dass es zwischen Ost- und Westküste nichts wirklich Spannendes gibt. Man fliegt über die Staaten auf dem Weg von einer Küste zur Anderen. Natürlich absoluter Nonsens.
Der mittlere Westen ist ausgeglichener. Nicht jedem Trend wird sofort hinterhergeeifert, und das spiegelt sich auch im Bier wider. Hier treffen Old-World- Traditionen auf neue, wilde amerikanische Braukunst. Während der Hopfen die erste Geige spielt, bildet das Malz trotzdem ein stabiles Rückgrat.
Einige IPAs aus dem mittleren Westen mischen in der absoluten Spitzenklasse mit, wie zum Beispiel das Bell’s Two Hearted Ale, das Founder’s Centennial IPA oder das Goose Island IPA.
Doppel- Herz
Das Rezept ist auf 20 Liter bei einer Sudhausausbeute von etwa 65% ausgelegt
Specs
- StW: 15,5°P
- Alkohol: 6,7 %vol
- Farbe: 14 EBC
- Bittere: 56 IBU
Schüttung
- 3,675 kg Pilsner Malz hell 3 EBC (wenn verfügbar, ist Two-row noch besser geeignet)
- 1,030 kg Pale Ale Malz 7 EBC
- 0,200 kg Münchner Karamell Malz 100 EBC
Hopfen
- 195 g Centennial Pellets Typ 90 mit 8,0% α‑Säure
Hefe
- California Ale, z.B. White Labs WLP001 oder Omega Yeast OYL-004
Wasser
- Restalkalität: ‑3 bis 0°dH
- Calcium: 75–150 mg/l
- Magnesium: max. 20 mg/l
- Sulfat: 150–400 mg/l
- Chlorid: max. 100 mg/l
Maischplan
- Das Malz in 18l Brauwasser einrühren, so dass sich eine Temperatur von 66°C ergibt. Für 45 Minuten rasten.
- Auf 77°C heizen und, je nach System, eine Läuterrast halten. Abmaischen. Nachgießen, bis sich die entsprechende Pfanne-Voll-Extraktkonzentration ergibt, um nach dem Kochen eine Stammwürze von 15,5°P zu erhalten
Kochen
- 75 Minuten Gesamtkochzeit
- Erste Hopfengabe: 30g 5 Minuten nach Kochbeginn
- Zweite Hopfengabe: 50g 60 Minuten nach Kochbeginn
Anstellen und Gärführung
Auf 18°C kühlen, gut belüften und anstellen. Bei 16–18°C vergären. Hopfenharze abheben. Nach den Hochkräusen mit dem restlichen Hopfen stopfen. Nach 5 Tagen umschlauchen und für 2 Tage auf 0–1°C kühlen. Mit Zucker auf 5,0 g/l Kohlendioxidgehalt karbonisieren.
Über den Autor
Jan Brücklmeier hat Anfang der 1990er sein erstes Bier mit einem Extrakt gebraut. Obwohl der Geschmack eher fraglich war, stand er 1998 in den ehrwürdigen Hallen Weihenstephans, um Brauwesen und Getränketechnologie zu studieren. Danach wurde es erstmal ruhig ums Brauen. Nach einigen Jahren im Bereich der weltweiten Inbetriebnahme von Getränkeanlagen verschlug ihn sein Beruf das erste mal für drei Jahre in die USA, wo er das erste mal mit „Craft Beer“ in Berührung kam. Fasziniert von den neuen Eindrücken fing er auch wieder zu brauen an. Nach einem dreieinhalbjährigen Gastspiel in Deutschland, in dem er auch mit Freunden als Headless Brewing Company Craft im großen Stil machte, ist er seit 2015 wieder zurück in den USA. 2018 ist sein erstes Buch „Bier Brauen” im Ulmer Verlag erschienen.
Quellen
Abbildungen
- Titelbild: Jaroslaw B., CHINOOK HOPS 02, CC BY-SA 4.0
- Alle anderen Bilder: Autor