Mein Einstieg in die Eigenproduktion ist gewissermaßen dem Sterben vieler Bierarten zu verdanken. Das von mir bevorzugte Bier war stets das „Schierlinger Roggen“, eine Art dunkles Weißbier mit kernigem Geschmack gerösteten Roggenbrotes. Mit der Schließung des Schierlinger Brauhauses Anfang der 90er-Jahre verschwand die Traditionsmarke und wurde durch eine vermeintlich gleichlautende Biersorte einer sehr großen Brauereikette ersetzt. Jeglicher weiterer Kommentar hierzu ist überflüssig.
Der Legende nach soll ja der Roggen jahrhundertelang der Ausgangsstoff für Bier gewesen sein, allerdings haben zahlreiche Missernten und ähnliche Kalamitäten dazu geführt, dass die vermeintlich wertvolleren Getreidesorten (zum Beispiel Roggen und Weizen) durch die anspruchslose Gerste (sie eignet sich übrigens sehr schlecht zum Backen) ersetzt wurde. Das Ergebnis mündete einigen Legenden nach im sogenannten Reinheitsgebot.
Roggen ist ein reichlich hinterhältiges Getreide, insbesondere wenn Wasser ins Spiel gelangt. Nicht nur die fehlenden Spelzen, sondern auch der hohe Gehalt an Schleimstoffen (auch Pentosane genannt) treiben den geneigten Brauer schier zur Verzweiflung. Und hat sich die aromatisch duftende Maische erst in eine Art dickflüssigen Kleister verwandelt, so wird es sehr umständlich werden, dieser Pampe die wertvolle Würze abzuringen. Primär kann man dem überschüssigen Kleister mit Xylanase in Pulverform begegnen. Damit werden die langen Molekülketten entsprechend geknackt, und die Maische bleibt relativ dünn. Allerdings kommt nun der nicht ganz unberechtigte Einwand, dass man wieder mit Chemie hantiere, und ebendiese hat im Bier nichts verloren. So auch meine Ansicht.
Ebendiese Neigung zur Kleisterbildung aber ist es, die dem Roggenbier seine unvergleichliche Struktur und ein samtiges Mundgefühl verleiht. Genau an dieser Stelle beginnt das Thema Roggenbier interessant zu werden. Ebenso ist das Ausgangsmalz, genauer gesagt die für das spätere Bier entscheidende Schüttung, nicht annähernd so anspruchsvoll wie zum Beispiel bei Pilsner-Bieren. Um ein Bier nach Pilsner Brauart zu brauen, bedarf es vieler Grundfaktoren, nicht nur hoher Ansprüche an das Brauwasser. Roggen ist meiner Meinung nach diesbezüglich erheblich einfacher zu handhaben, da er im Vergleich zu anderen Malzen von Haus aus mehr Säure mit ins Spiel bringt. So wird eine Maische durchaus auch mit karbonathartem Wasser scheinbar mühelos fertig. Die Art der Vergärung für den Hobbybrauer ist grundsätzlich vollkommen gleichgültig, es macht keinen Unterschied, ob ober- oder untergärig. Die Reinheitsgebot-Fans werden jetzt natürlich aufschreien, denn ein untergäriges Bier mit Roggenbestandteilen widerstrebt dem Erlass Wilhelms IV. von 1516. Ob der gute Willi seinerzeit überhaupt eine Ahnung von Hefe hatte, geschweige denn von den primären Sorten UG und OG ?
Allerdings sei darauf hingewiesen, dass Roggenbiere über einen angenehmen fruchtigen Charakter verfügen, der sich mit entsprechender obergäriger Weißbierhefe durchaus noch anheben lässt. Dies ist jedoch Geschmackssache und sei daher jedem Brauer selbst überlassen. Es macht nämlich im Endeffekt überhaupt keinen Unterschied, ob man das Bier nun UG oder OG vergärt. Ebenso ist ein Verschnitt von Weißbier- und Roggenwürze ein aufregendes Geschmackserlebnis. Doch hierzu später.
Der Brauvorgang per se unterscheidet sich auch nicht maßgeblich von anderen Bierstilen. Ich gestatte mir daher vorab den Hinweis, weder gelernter Brauer/Mälzer zu sein noch das Brauwesen studiert zu haben. Demnach lasse ich jegliche Theorieausführungen und Berechnungen zu Kolbachzahlen, Isomerisierungszeiten und Sonstigem einfach außen vor. Setzen wir einfach voraus, dass es das gibt und dass der Herrgott hierfür irgendetwas Passendes gefunden hat. Entscheidend ist, was später im Glas ist.
Wie bereits erwähnt, ist auch die Roggenbierherstellung kein großes Geheimnis und in gewisser Weise auch keine Wissenschaft. Vielmehr liegt hier eine Aneinanderreihung von streng definierten Arbeitsschritten vor, an die sich der Brauer zum Teil einfach halten sollte, um später das gewünschte Ergebnis zu erhalten. Ebenso existiert ein Fundus an Erfahrungswerten, die Berücksichtigung finden sollten.
Obwohl Roggen keine Spelzen hat, sollte auch hier eine gewisse Konditionierung in Betracht gezogen werden. Durch das Anfeuchten des Roggenmalzes wird die Staubbildung beim Schroten erheblich vermindert. Ich habe die unangenehme Erfahrung gemacht, dass staubartiges Roggenmehl sehr aggressiv auf die Atemwege wirkt. Daher empfehle ich während des Schrotens das Tragen einer Staubmaske. Es ist auf jeden Fall größte Sorge zu tragen, das Roggenmalz nicht zu fein zu schroten. Ist es zu fein oder gar zu Vollkornmehl vermahlen, verwandelt sich die Maische in einen absolut kompakten Brotteig, aus dem man garantiert kein vernünftiges Bier brauen kann.
Der ideale Schrotungsgrad sieht so aus, dass das Korn in kleine Stücke zerbrochen wird. Beim Roggen sollte man auf eine eher gröbere Schrotung achten.
Wie bei anderen Malzen sind auch Spezialroggenmalze erhältlich, wenn auch in gewisser Weise schwieriger. Mit diesen Komponenten sollte sehr bedacht umgegangen werden, denn auch hier gilt der alte Wahlspruch „Viel hilft viel“ nur sehr bedingt. So sollte den Spezialmalzen stets der Charakter eines Gewürzes beigemessen werden. Gewürze sind niemals Hauptbestandteile eines Gerichts, zudem sollen sie nicht zudecken, sondern bereits Vorhandenes hervorheben und unterstreichen.
So kann zum Beispiel das vielfach diskutierte und zu Recht gelobte vorfermentierte rote Roggenmalz aus Litauen den bereits vorhandenen Aromen einen unglaublichen Vortrieb leisten, bei zu hoher Dosierung allerdings das Bier sich brachial entwickeln lassen. Und nicht jeder trinkt gerne schwere Stouts.
Ist das Malz geschrotet, kann das Maischen beginnen. Wie bei allen anderen Bieren ist der Brauer relativ frei in der Wahl der Zusammensetzung seiner Schüttung. Häufige Fehler sind allerdings dergestalt, dass manche Hobbyisten meinen, gerade bei Roggenbieren der Aussage folgen zu müssen, das erwünschte brotige Aroma würde mit der Erhöhung der Spezialmalzanteile einhergehen. Denn das ist falsch.
Ausgiebige Experimente mit verschiedenen Roggenmalzsorten haben gezeigt, dass sich die erhoffte Roggenbrotgeschmacksexplosion gerade nicht zwangsläufig durch eine drastische Erhöhung von Schüttungsanteilen herbeiführen lässt. Vielmehr macht es die Kombination aus den einzelnen Malzen.
Für mein Geschmacksempfinden ist das ideale Roggenbier von schwerem Körper, zurückhaltender Hopfenbittere, süßlich (Grenzdextrine) und samtig im Mundgefühl. Überhöhte Roggenmalzanteile führen nach meinem Geschmacksempfinden regelrecht zu einer Übersäuerung des Bieres, was die Trinkbarkeit sehr stark herabsetzt. Zudem erzeugt es in zu hoher Dosierung ein reichlich kratziges und unangenehmes Mundgefühl.
Roggenmalz bringt im Vergleich zu anderen Malzen erheblich mehr Säure mit ins Spiel, so ist es wenig verwunderlich, dass eine wohldosierte Schüttung ohne externe Milchsäuregabe auch mit sehr karbonatreichem Wasser jenseits der 20 °dH spielend fertig wird. Die Einstellung der Maische auf pH 5,3 bis 5,5 lässt sich relativ problemlos erreichen.
Man beachte, dass sich eine Gummi- oder Pentosanrast in der Regel erübrigt, wenn der Roggenmalzanteil weniger als 40 Prozent der Gesamtschüttung beträgt. Das in der Schüttung enthaltene Pilsner Malz und die beigefügten Spezialmalze werden ein ausreichendes Filterbett erzeugen können, ohne dass man sich auf dem besten Weg zur Läuterkatastrophe bewegt. Und wer jetzt glaubt, Roggenbiere müssten immer dunkel sein, der irrt gewaltig. Roggenmalz ist ebenso wie Pilsner Malz ein Allrounder, denn auch helle Biere mit Roggenbestandteilen haben durchaus Geschmack und Charakter.
Folgende Rasten haben sich sozusagen bewährt und können als Standardrezept angewandt werden:
- Einmaischen bei 35 bis 40 °C
- Eiweißrast zwischen 15 und 30 Minuten bei 55 °C, bei Roggen fast unerlässlich
- Maltoserast 30 Minuten bei 65 °C
- Erste Verzuckerung 30 Minuten bei 72 °C
- Zweite Verzuckerung 30 Minuten bei 78 °C
Durch Verlängerung oder Verkürzung der Rastzeiten bei Maltose- und zweiter Verzuckerungsrast kann man die Vollmundigkeit des späteren Bieres nach Belieben steuern.
Um die Verzuckerung zügiger und vollständiger voranzutreiben, erhöhe ich den Amylaseanteil in der Maische, indem ein Kaltauszug aus etwa einer Tasse Pilsner Malz und einem Liter Wasser (im Kühlschrank über Nacht angesetzt) zugegeben wird. Es handelt sich hierbei ausdrücklich nicht um einen Milchsäurestarter.
Nach dem Nachweis der Jodnormalität kann dann auf 78 Grad hochgeheizt werden, um der Maische die letzte Rast zu ermöglichen. Vielfach wurde und wird über die Sinnhaltigkeit der zweiten Verzuckerungsrast diskutiert. Durch das Einhalten der Läuterrast würde diese redundant und könnte somit weggelassen werden. Hierzu kann ich nur sagen, dass es durchaus einen Unterschied macht, ob man vor dem Abläutern bei 78 Grad rastet oder nicht. Die zweite Verzuckerung bei Roggenbieren dient in großem Maße der Vollmundigkeit.
Anschließend wird die Maische in den Läuterbottich umgefüllt. Nunmehr sollte eine Läuterrast von etwa 20 bis 30 Minuten eingehalten werden, um die Ausbildung eines brauchbaren Treberbettes zu ermöglichen.
Wie man nun abläutert, ob nach Klarlauf die einzelnen Nachgüsse schwallweise zugegeben oder nach dem Ablauf der kompletten Vorderwürze in einem Zug aufgebracht werden (das von mir bevorzugte Single-Batch-Sparging), bleibt jedem selber überlassen. Allerdings sollte die beim Abläutern entstehende Schleimschicht – sie erinnert vom Aussehen her an Schokoladenpudding – sofort abgenommen und entfernt werden. Ein Umgraben oder Aufhacken des Trebers sollte anschließend erfolgen.
Der Vorteil des Single-Batch-Sparging liegt auf der Hand, denn das Nachgusswasser kann den Treber vollständiger umspülen, und man holt meines Erachtens sogar mehr Extrakt aus den Körnern. Der Nachteil allerdings besteht darin, dass man erneut Läuterruhe einhalten muss.
Zur Erleichterung des Läutervorgangs habe ich einige interessante Beobachtungen machen können, die im Folgenden dargestellt werden sollen.
Will man auf eine sehr roggenlastige Schüttung absolut nicht verzichten, empfiehlt sich in jedem Falle die Gabe von Dinkelspelzen. Letztere sind relativ problemlos erhältlich, preiswert und können eine Läuterkatastrophe verhindern. Um eine gleichmäßige Durchmengung zu gewährleisten, wird hierzu gewichtsmäßig etwa ein Drittel des Roggenmalzanteils an Spelzen zunächst für rund 30 bis 60 Minuten in reichlich heißem Wasser eingeweicht oder, noch besser, dieselbe Zeit gekocht. Das Einweich- oder Kochwasser sollte in jedem Fall verworfen werden, es schmeckt nämlich nicht unbedingt gut und würde den Biergeschmack negativ beeinflussen.
Die auf diese Weise konditionierten Spelzen werden der Maische unmittelbar vor dem Abläutern zugegeben und alles gut miteinander vermengt.
Der Läutervorgang kann dann wie gewohnt vorgenommen werden.
Stehen keine Dinkelspelzen zur Verfügung, kann man sich mit einem anderen Trick sehr leicht helfen, indem man ausgelaugten Treber einer reinen Pilsner-Malz-Schüttung verwendet. Oftmals befinden sich im Treber noch reichlich verfälschende Geschmackskomponenten, weswegen man vorab eine Spülung mit kochendem Wasser vornehmen sollte. Hierzu wird der in einem feinen Küchensieb befindliche Treber (etwa 1 kg) mit reichlich kochendem Wasser überbrüht. Nach dem Abtropfen kann dies dann der Roggenmaische zugesetzt werden. Als Faustregel fährt man mit der Vermischung 50:50 am besten. Allerdings sollte man bei dieser Methode das Fassungsvermögen des eigenen Läuterbottichs stets im Hinterkopf behalten. Das auf diesem Wege erdachte und positiv erprobte Verfahren wurde von Holger Pohl im Großversuch erst kürzlich bestätigt.
Nicht unterschätzt werden darf auch die Partikelwirkung in der Würze. Roggenmalz neigt dazu, die Maische püreeartig anzuteigen. Diese feinen Körnchen in Verbindung mit den bereits angesprochenen Pentosanen sehen nicht nur aus wie Zement, sie haben auch die gleiche Wirkung. Ein nicht unerheblicher Anteil dieser Schwebstoffe passiert auch ungehemmt den Läutervorgang und findet sich in der Pfannevollwürze wieder. Was man vielleicht von anderen Bieren nicht kennt, so aber beim Roggenbier, denn die sprudelnd kochende Würze kann durchaus anbrennen. Muss nicht sein, soll aber bereits vorgekommen sein.
Ungeachtet der Konvektionen und sonstiger Bewegungen in der kochenden Würze beginnen die Roggenpartikelchen gewissermaßen zu sedimentieren. Sie sammeln sich am Topfboden an und können nach dem Leeren der Würzepfanne als kleisterartige, durchschimmernd braunweißliche Schleimschicht vom Boden geschabt werden. Um einem derartigen Anlegen vorzubeugen, empfiehlt es sich, die Würze während der Kochung öfters herzhaft umzurühren. Sehenswert sind bei diesem Vorgang die mit einem schmatzenden Laut hochschießenden Würzefontänen.
Würzekochung, Hopfung und Ausschlagen unterscheiden sich definitiv nicht von anderen Biersorten, höchstens was den Anteil an abzuschöpfendem Eiweiß betrifft. Ich persönlich hopfe meine Biere zurückhaltender (zwischen 15 und 25 IBU), da für meinen Geschmack eher der Malzcharakter in den Vordergrund treten soll. Ebenso verfahre ich bei der Hefegabe.
Roggenbiere vergären nach meiner Erfahrung gewissermaßen aggressiver als andere Biere, oftmals hat man den Eindruck, die Würze sei regelrecht am Kochen. Obergäriges Roggenbier hat die angenehme Eigenschaft, bei Temperaturen um die 18 Grad zu gären. Nach drei oder vier Tagen ist die Hauptgärung in der Regel abgeschlossen, und die Anstellwürze hat sich in ein aromatisches Jungbier verwandelt, das mit Speise vereinigt sofort auf die Nachgärung bei Zimmertemperatur wartet. Auch in diesem Punkt sei jedem freigestellt, ob und wie er abfüllt, aufspeist oder spundet.
Ein kleines Schmankerl habe ich dennoch zu bieten, und zwar das Zuführen von sogenanntem Kwass, einem Auszug aus Brot. In unserem Fall wird Brot aus geschrotetem Malz, Pfannevollwürze und Bierhefe hergestellt, ausgebacken und anschließend regelrecht ausgekocht. Dieser Extrakt wird dann der gärenden Würze gewissermaßen als „Extra“ zugegeben und erzeugt den von vielen gewünschten Geschmack von frisch geröstetem Roggenbrot.
Für das Roggenbrot nimmt man – in Relation zur verwendeten Schüttung – etwa ein Drittel Roggenmalz, schrotet es verhältnismäßig fein und vermengt es mit so viel ungehopfter Pfannevollwürze, dass sich ein geschmeidiger Brotteig herstellen lässt. Der Teig wird denn mit circa fünf Gramm Trockenhefe (in einer Tasse auf 20 Grad abgekühlter Pfannevollwürze aufgelöst) vermengt und etwa 30 Minuten zum Gehen gebracht.
Danach wird ein flacher Laib geformt, den man erneut rund 30 Minuten gehen lässt.
Das Brot wird nun bei rund 200 Grad bis zu einer appetitlichen Bräune (tiefschokoladenbraun) ausgebacken. Um die Röstigkeit ein klein wenig zu erhöhen, kann man den Brotlaib hin und wieder mit ungehopfter Pfannevollwürze bestreichen. Ist das Brot kross ausgebacken, so wird es in nicht zu dünne Scheiben geschnitten und mit zwei bis drei Litern Wasser aufgekocht. Auf Jodnormalität dieser Speise ist nicht zu achten, ein eventueller Stärkegehalt ist vernachlässigbar. Das Gemenge lässt man nun gut abtropfen, aber nicht auspressen!
Diese Speise wird nun sofort kühl gestellt und je nach Geschmack entweder mit vorher abgezweigter Roggenwürze oder auch Haushaltszuckerlösung auf die Karbonisierung von 7 bis 8 g/l eingestellt. Hierzu sei angeführt, dass das Aufspeisen mit unvergorener dunkler Weißbierwürze (der Stammwürzegehalt sollte in etwa dem des Roggenbieres entsprechen) in Verbindung mit dem Kwass das Tüpfelchen auf dem i darstellt. Hierbei werden eine Reihe unbeschreiblicher Aromen hervorgebracht.
Alternativ kann auf die Herstellung von Kwass auch verzichtet werden, indem man den Brotlaib in Scheiben schneidet, erneut im Backofen sehr trocken röstet und damit dann das Bier während der Gärung „stopft“, das heißt, die Scheiben einfach der gärenden Würze zugibt. Das Brot sollte jedoch nicht zu lange mitvergoren werden, da sich eine übermäßige Auslaugung eher negativ auf den Biergeschmack auswirkt. Allerdings bin ich zu dem Ergebnis gelangt, dass die Geschmacksintensität und auch das Mundgefühl des mit Kwass versetzten Bieres dem gestopften Bier um Längen voraus sind.
Will man weder Kwass herstellen noch Weißbierspeise oder Stopfen, so kann man das Jungbier auch mit folgendem überaus leckerem Bestandteil aufpeppen:
Man errechne die für die gewünschte Karbonisierung erforderliche Menge an Haushaltszucker und gebe sie in einen verhältnismäßig großen Topf. Bei mittlerer Hitze wird der Zucker geschmolzen und mit einem flachen Schneebesen ständig geschlagen. Der Zucker wird, wenn erst einmal die Temperatur von 120 °C überschritten ist, sehr schnell zu bräunen beginnen. Sobald ein bernsteinfarbener Ton erreicht ist, wird mit einer Tasse Wasser abgelöscht. Auf Spritzer ist zu achten, dabei unbedingt weiterschlagen. Die Masse wird jetzt sprudelnd kochen und sich weiter verfärben. Dies kann unterdrückt werden, indem ständig etwas Wasser zugegeben wird. Nach einigen Minuten Kochzeit ist ein wohlschmeckender Karamellsirup entstanden, den man unter dauerndem Rühren mit etwa zwei Liter Wasser verdünnt. Nach dem Abkühlen kann diese Speise dem Jungbier zugegeben werden. Hierdurch erzeugt man eine leckere Toffeenote im Bier. Ganz gewitzte Brauer können hier ja etwas echten Vanillezucker zufügen, dann wird’s noch aufregender!
Die Reifezeiten sind sehr individuell, dennoch kann man sagen, dass sehr tiefe Temperaturen sehr nützlich sind. Das Bier ist bereits nach wenigen Tagen gut trinkbar, der Reifehöhepunkt kann daher schon nach wenigen Wochen erreicht sein.
Fakt ist: Ein Roggenbier sollte – ähnlich einem Weißbier – ziemlich bald getrunken werden, zu lange Reifezeiten schaden eher mehr, als sie nützen. Ebenso ist ein Roggen verhältnismäßig trüb, also bitte nicht auf ein wasserklares Bier hoffen.
Kommt man bei Roggenbieren langsam auf den Geschmack, so beginnt man, an den Schrauben des Rezeptes zu drehen, und man beginnt mit dem Experimentieren. Hier sei gesagt: Weniger ist manchmal mehr! Hat man erst einmal zu viel Roggen in der Maische, kann das Vorhaben entweder zum Abenteuer werden oder gar in eine Katastrophe ausarten. Ich erinnere an die bereits angesprochenen Pentosane, die jedem Brauer gerne das Leben schwermachen wollen. Aber so weit lassen wir es nicht kommen.
Allen Interessierten wünsche ich ein herzliches „Allzeit Gut Sud!“ und viel Erfolg beim Einstieg in die Welt der Roggenbiere.
Der Rezeptteil soll einen kleinen Einblick in meine kleine Welt der Roggenbiere geben.
Über den Autor: Jürgen Pangerl ist 40 Jahre alt und seit mehr als zehn Jahren Hobbybrauer mit Spezialisierung auf Roggenbiere.
Hallo Jürgen, vielleicht liest du das noch obwohl der Artikel schon älter ist:
In welchem Zustand ist das Kwass bei der Zugabe zur Gärung im Bier? Weil du anfangs schreibst, dass man das Brot auskocht und dem Sud zugibt.
Warum wird kwass mit Speise versetzt? Es wird ja eh dann bei Roggenbiergärung mitvergoren.
Oder vergärst du es vorher mit Weißbierwürze und gibst es dann dazu?
Danke für deine Antwort!