Endspurt vor der Adventszeit
Der November scheint der Biermonat schlechthin zu sein. Wenn man in den diesjährigen Braukalender sieht, findet man im November fast jeden Tag mehrere Veranstaltungen, vom Tap-Takeover über Meet-the-Brewer- und Open-Bottle-Events bis zu Neueröffnungen von Bars oder Brauereien. Alle Bier-Termine müssen scheinbar noch vor den Adventstagen über die Bühne gehen, in denen dann wohl wieder der Glühwein die Oberhand gewinnt. Ich habe längst aufgegeben zu versuchen, wenigstens alle Bier-Termine in Berlin wahrzunehmen – man schafft es einfach nicht mehr.
Die Craft-Bier-Welle schein jetzt immer stärker ins Laufen zu kommen. Überall im Lande öffnen neue kreative Brauereien. Bierläden mit breitem Craft-Bier-Angebot tauchen in jeder größeren Stadt auf. Auch die Zahl der Bier-Festivals nimmt stetig zu. Supermärkte und Discounter nehmen kreative Biere in ihr Sortiment auf. Selbst seriöse Blätter berichten zunehmend über Craft-Bier, ‑Brauereien und ‑Brauer.
Schon fangen die heißesten Trendjäger an, den Trend nicht mehr so heiß zu finden, weil er beginnt, an Exklusivität zu verlieren. Während manche immer noch über die Definition von Craft-Bier diskutieren, gibt es bereits die ersten, die ihren Craftbierfestival-Stand mit „Kein Craft-Bier” bewerben.
Hobbybrauer sollten ein Ruhepol in dieser Bewegung sein. Wir teilen zwar die Begeisterung für gutes und ungewöhnliches Bier, müssen aber nicht ständig nach neuen Superlativen suchen. Wir sind doch eigentlich die einzig wahren Craft-Brauer: klein, handwerklich, innovativ und wirklich unabhängig – vor allem unabhängig von jenem wirtschaftlichen Zwang, der zu den permanenten Marketing-Offensiven führt, an deren Ende sich der vormals Interessierte nur noch genervt abwendet.
Lasst uns also das Primat der BWLer abwenden, die in neuen Brauereien und Bieren nur wirtschaftliche Fingerübungen sehen. Widerstehen wir der vermeintlichen Macht der Trendscouts und PR-Gurus. Feiern wir wieder die eigentlichen Stars: Biere, die uns begeistern, weil sie gut gebraut sind! Bewundern wir den Brauer für seine Kunst, aber erklären wir ihn nicht zum neuen Messias. Für uns war Bier schon vor dem Craft-Hype ein Trend, und wird es auch bleiben, wenn sich die PR-Maschine wieder anderen Themen zuwendet.
Mein absolutes Highlight im November war natürlich die BrauBeviale in Nürnberg. Nicht nur wegen der vielen riesigen Anlagen, des üppigen Edelstahls und Kupfers, sondern auch und vor allem wegen der vielen Treffen mit Freunden aus der Brauszene, die sich die Messe ebenso nicht entgehen lassen wollten. Nach anfänglicher Verwirrung habe ich mir die für Hobbybrauer interessanten Aussteller herausgesucht und sie gezielt besucht – lest den Bericht im Artikel BrauBeviale 2015.
Auf der Messe werden auch traditionell die Sieger des European Beer Star ausgezeichnet. Dieser Wettbewerb entwickelte sich in den vergangenen mehr als zehn Jahren zu einem der bedeutendsten Termine der internationalen Brauszene. Eine kleine Nachlese findet ihr im Artikel European Beer Star 2015.
Schwerpunkt des aktuellen Hefts ist das Extraktbrauen. Ich bin der Meinung, dass das Brauen mit Malzextrakten etwas zu Unrecht unterschätzt wird. Das liegt vielleicht daran, dass man als Hobbybrauer wohl meist am Anfang seiner Karriere mit dem Thema in Berührung kommt, und sich davon wieder abwendet, wenn das Ergebnis nicht wie gewünscht ausfällt. Welche Gründe das haben kann und wie man mit Extrakten doch hervorragende Biere brauen kann, wollen wir mit unseren Artikeln aufzeigen. Grundlagen findet ihr in „Wege zum Bier: Extraktbrauen”, Tipps für das bessere Extraktbrauen in „Die Top 5 Tipps zum Extraktkochen”.
Bierfehler des Quartals ist das Diacethyl. Andy zeigt Ursachen und Maßnahmen zur Vermeidung des Butter-Aromas, das in manchen Bieren in gewissem Maße sogar erwünscht ist, aber im Übermaß den Biergenuss verderben kann. Ich empfehle den Artikel vor allem auch Betreibern von Gasthausbrauereien, bevor im Sommer der Diacethylgehalt in ihren Bieren wieder ungeahnte Ausmaße annimmt.
Die aktuelle Ausgabe des brau!magazin erscheint recht spät und ist im Umfang etwas schmaler als die letzten Hefte. Das liegt daran, dass einige Autoren sich nach dem Sommer eine Auszeit genommen haben und nicht zum Inhalt beitragen konnten. Für die nächste Ausgabe hoffe ich wieder auf mehr Beteiligung – einige neue Autoren haben sich schon bei mir gemeldet. Wenn ihr auch einen Beitrag für das brau!magazin schreiben wollt, meldet euch bitte über die Kontaktseite oder direkt bei mir.
Danke für die vielen interessanten Artikel!
Ulrich