Klas­sen­ge­sell­schaft

Stim­mi­ge Aus­le­gung von Hobbybrauanlagen

comic03

In Ulrich Plenz­dorfs „Neu­en Lei­den des jun­gen W.” erklärt sich die Haupt­fi­gur für unfä­hig, Gips anzu­rüh­ren: Er neh­me immer abwech­selnd ent­we­der zu viel Gips oder zu viel Was­ser, bis irgend­wann der Eimer voll sei. So ähn­lich mag es man­chem Hob­by­brau­er bei Erwei­te­run­gen sei­ner selbst zusam­men­ge­stell­ten Anla­ge gehen, und so geht es auch unse­rem tra­gi­schen Comic-​Helden in der­sel­ben Ausgabe:

Irgend­wo ist immer das volu­men­mä­ßi­ge Nadel­öhr. Hat man end­lich den lang ersehn­ten grö­ße­ren Läu­ter­bot­tich, ist jetzt die Pfan­ne zu klein. Hat man eine neue, zwickt es am Gär­bot­tich. Passt der, ist die Kühl­ka­pa­zi­tät zu gering. So geht es immer fort. Das ist wohl das Los des Hob­by­brau­ers und das Leit­mo­tiv aller Erwei­te­run­gen. Es kommt wahr­schein­lich auch etwas auf den eige­nen Cha­rak­ter an, ob man sich bei einem etwas über­di­men­sio­nier­ten Läu­ter­bot­tich freut, dass er noch Reser­ven hat, oder ob man sich statt­des­sen ärgert, dass dann Pfan­ne und Gär­ge­fä­ße zu klein sind.

Nicht gerade hübsch, aber hier passt alles zusammen: 60 l-Pfanne, 38 l-Thermoport zum Läutern und 28 –Einkochtopf für die Nachgüsse (v.l.). Darunter ein 60 l-Mostfass als Gärbottich.

Nicht gerade hübsch, aber hier passt alles zusammen: 60-l-Pfanne, 38-l-Thermoport zum Läutern und 28-l-Einkochtopf für die Nachgüsse (v. l.). Darunter ein 60-l-Mostfass als Gärbottich.

Aller­dings haben sich nicht von unge­fähr gewis­se Volu­men­klas­sen herauskristallisiert:

  • Die häu­figs­te Grö­ße für vie­le Anfän­ger ist die „20-​Liter-​Klasse”: Hier kann man mit gerin­gen Inves­ti­tio­nen noch in einer nor­ma­len Küche oder sogar in der Stu­den­ten­bu­de arbei­ten. Geeig­ne­te Ein­koch­töp­fe und Eimer sind pro­blem­los erhält­lich, und gut 20 Liter Wür­ze las­sen sich pro­blem­los auch allei­ne durchs Haus tra­gen. Nicht zufäl­lig gibt es in der Hob­by­li­te­ra­tur unzäh­li­ge Brau­re­zep­te für cir­ca 20 Liter bezie­hungs­wei­se 5 Gallonen.
  • Die nächs­te sinn­vol­le Grö­ße bewegt sich zwi­schen 40 und 50 Litern Aus­schlag. Hier kommt man meist noch ohne Pum­pen und bau­li­che Ver­än­de­run­gen zurecht, auch wenn sich dafür bes­ser ein Hob­by­raum als die häus­li­che Küche anbie­tet und man sol­che Men­gen bes­ser zu meh­re­ren oder mit Fla­schen­zü­gen oder Hub­ti­schen bewe­gen soll­te, wenn man sei­ne Band­schei­ben scho­nen möchte.
  • Die wahr­schein­lich letz­te Hob­by­klas­se unter­halb gewerb­li­cher Gast­haus­sud­wer­ke bewegt sich um die 100 Liter. Hier sind schon oft Pum­pen und fes­te Ver­roh­rung eben­so anzu­tref­fen wie bau­li­che Anpas­sun­gen hin­sicht­lich Ener­gie­ver­sor­gung, Dunstab­sau­gung und Kühlung.

Anla­gen über 100 Liter wer­den meis­tens eher gewerb­lich als Hob­by sein. Weni­ger als 20 Liter zu brau­en ist auch kaum sinn­voll, allen­falls für abso­lu­te Kleinst­ver­suchs­su­de. Denn der Zeit­auf­wand ist in allen Fäl­len fast der­sel­be, die Roh­stoff­kos­ten sind im Ver­gleich zur auf­ge­wen­de­ten Zeit nahe­zu ver­nach­läs­sig­bar, und soll­te ein Ver­such wider Erwar­ten gut gelun­gen sein, wird man sich bald ärgern, dass man doch nicht mehr gemacht hat. Da außer­dem bei Kleinst­su­den die Ober­flä­chen (Oxi­da­ti­on und Aus­küh­lung!) im Ver­hält­nis zum Volu­men viel stär­ker ins Gewicht fal­len, ist ohne­hin frag­lich, ob sich deren Ergeb­nis­se auf grö­ße­re Anla­gen über­tra­gen lassen.

Und noch ein Grund, war­um 20-​Liter-​Sude bei vie­len so beliebt sind: Wenn man inner­halb der für Deutsch­land gül­ti­gen steu­er­li­chen Frei­men­ge von 200 Litern jähr­lich blei­ben will, kann man fast jeden Monat brau­en und hat damit reich­lich Gele­gen­heit, neue Sti­le und Rezep­te aus­zu­pro­bie­ren. Und man kann zum Bei­spiel immer einen Sud gera­de in der Rei­fung und einen noch frisch im Aus­schank haben. Schon bei 50 Litern könn­te man, will man in der Frei­men­ge blei­ben oder nur den eige­nen Tisch mit Bier ver­sor­gen, nur noch quar­tals­wei­se brau­en, was, ich mer­ke es schmerz­lich an mir sel­ber, unbe­wusst mit einer Abnah­me der Expe­ri­men­tier­freu­de ein­her­ge­hen kann.

Wie aber legt man nun eine Brau­an­la­ge hin­sicht­lich der Grö­ßen von Pfan­ne, Läu­ter­bot­tich und Gär­bot­tich sinn­voll aus?

Schüt­tung und Haupt­guss legen das Volu­men der Mai­sche und damit des Läu­ter­bot­tichs fest: Pro Kilo­gramm Malz kom­men cir­ca 0,75 Liter zum Volu­men des Haupt­gus­ses hin­zu. Beim Läu­tern bleibt dann vom Gesamt­guss pro Kilo­gramm Schüt­tung cir­ca 1 Liter in den Tre­bern hän­gen, was die Pfan­ne­voll­wür­ze bestimmt. Die Pfan­ne soll­te aber noch zusätz­li­chen Frei­bord haben, um beim ers­ten Auf­ko­chen kein Über­schäu­men zu ris­kie­ren, um die Wür­ze beim Kochen gege­be­nen­falls noch ver­dün­nen zu kön­nen und um einen schwung­vol­len Whirl­pool andre­hen zu kön­nen. Auch das Gär­fass soll­te noch reich­lich Steig­raum für die Hoch­kräu­sen besit­zen, vor allem bei ober­gä­ri­gen Bie­ren im Bereich von etwa einem Drit­tel des Volumens.

Volumen-Auslegung

Die Tabel­le stellt die­se Zusam­men­hän­ge für die genann­ten Volu­men­klas­sen dar, wobei von einem hel­len Voll­bier mit einem Haupt­guss vom Vier­fa­chen und Nach­guss vom Drei­fa­chen der Schüt­tung aus­ge­gan­gen wird. Die Zel­len 1–4 sind die varia­blen Ein­ga­be­wer­te, der Rest die Rechen­er­geb­nis­se. Die vier Behäl­ter­vo­lu­mi­na sind fett und gelb mar­kiert. Mit einem dicke­ren Ein­maisch­ver­hält­nis wäre damit genau­so ein Stark­bier mög­lich, was die zwei­te Spal­te zeigt. Das ist frei­lich alles kei­ne exak­te Wis­sen­schaft, son­dern eine rei­ne Abschät­zung anhand von Erfah­rungs­wer­ten. Je nach Guss­füh­rung und Aus­beu­te kön­nen indi­vi­du­el­le Ergeb­nis­se herauskommen:

Soll­te jemand bei­spiels­wei­se NUR Vor­der­wür­ze­bie­re brau­en wol­len oder NUR High Gra­vi­ty machen, kann frei­lich eine ande­re, indi­vi­du­el­le Aus­le­gung sinn­voll sein. Hier ist jeder ein­ge­la­den, sel­ber mit den For­meln zu spie­len und ande­re Schüt­tun­gen, Guss­füh­run­gen und Aus­beu­ten aus­zu­pro­bie­ren: Geraete-Dimensionierung.xlsx. Es ist aber sicher kei­ne schlech­te Idee, wenn sich die Dimen­sio­nie­rung der Anla­ge ent­we­der an eta­blier­te Stan­dard­re­zep­te oder die eige­nen Lieb­lings­re­zep­te anlehnt, sodass alle Behäl­ter eini­ger­ma­ßen gut aus­ge­nutzt wer­den. Es liegt aber auf der Hand, dass ein und die­sel­be Anla­ge nicht glei­cher­ma­ßen für alle Bie­re zwi­schen 6 und 28 °Pla­to geeig­net sein kann.

In den genann­ten Volu­men­klas­sen hat sich die Ver­wen­dung eini­ger bestimm­ter markt­üb­li­cher Behäl­ter bei vie­len Hob­byb­brau­ern durchgesetzt:

  • In der ver­brei­te­ten 20-​l-​Einsteigerklasse spielt ein Ein­ko­cher (typisch 28 Liter) gut mit einem 30-​l-​Hobbock oder einem 25-​l-​Thermoport als Läu­ter­bot­tich und einem 30-​l-​Gärbehälter zusammen.
  • Der ver­brei­te­te 38-​l-​Thermoport passt gut zu einer Pfan­ne von 50 oder bes­ser 60 Litern. Nach dem Hop­fen­sei­hen hat man dann viel­leicht noch gut 40 Liter Wür­ze, und dafür sind die 60-​l-​Kunststoffmostfässer ide­al zum Ver­gä­ren. Dann hat man noch etwa ein Drit­tel Steig­raum für die Kräusen.
  • Ein 70-​l-​Thermoport passt dage­gen gut zu einer 100-l-Pfanne.

Erwei­tert man von einer Klas­se auf die nächst­grö­ße­re, kann die bis­he­ri­ge Koch­pfan­ne statt­des­sen gut zur Nach­guss­be­rei­tung dienen.

Volumen-Empfehlungen

Bewährte Kombinationen von verbreiteten Komponenten

Man kann sich natür­lich vie­les schön­re­den, und um man­che Ein­schrän­kung kann man sich zumin­dest tem­po­rär auch her­um­wurs­teln – zum Bei­spiel durch High Gra­vi­ty bei zu klei­ner Pfan­ne oder indem man bei zu klei­nem Läu­ter­bot­tich einen Rest Mai­sche erst nach­schöpft, wenn Platz dafür ist. Ide­al ist das natür­lich alles nicht, und man soll­te sich in sei­nem Maisch­ver­fah­ren auch nicht dau­er­haft zum Skla­ven einer sub­op­ti­ma­len Anla­gen­pla­nung machen las­sen. Aber eines glau­be ich inzwi­schen auf alle Fäl­le gelernt zu haben:

Der jewei­li­ge Eng­pass soll­te mög­lichst nicht in der Kühl- bezie­hungs­wei­se Lager­ka­pa­zi­tät lie­gen! Oder, anders gesagt: Man soll­te erst die Kühl­ka­pa­zi­tät ent­spre­chend erwei­tern, bevor man die Sud­men­ge aus­baut. Es war doch ein gewal­ti­ger Komfort- und Qua­li­täts­sprung, das Bier end­lich ver­nünf­tig kalt­la­gern zu kön­nen, auch im Som­mer kon­trol­liert unter­gä­rig brau­en zu kön­nen oder auch ein­mal ein paar Fla­schen mona­te­lang zurück­le­gen und rei­fen las­sen zu kön­nen und nicht immer aus Kapa­zi­täts­grün­den alles schon leer­ge­trun­ken haben zu müs­sen, bevor es rich­tig gut wurde …

So teu­er sind gebrauch­te Kühl­schrän­ke und ‑tru­hen nun auch wie­der nicht, dass man sich die­sen Luxus nicht leis­ten soll­te. Und wenn ich über­le­ge, wie viel Auf­wand, Kos­ten und Zeit man­che Hob­by­brau­er in ihr Sud­werk und in die Her­stel­lung der Wür­ze ste­cken, um die­se dann bei Raum­tem­pe­ra­tur völ­lig unkon­trol­liert ver­gä­ren zu las­sen, dann ist das Geld für eine Gär­bot­tich­tem­pe­rie­rung sicher­lich viel bes­ser ange­legt als für die nächs­te Sudhauserweiterung!

10 Kommentare zu “Klas­sen­ge­sell­schaft

  1. kpmbrewing

    Sind die­se Grö­ßen­ord­nun­gen vor­wie­gend aus den Erfah­run­gen mit Infu­si­ons­ver­fah­ren ent­stan­den, oder kann man die Grö­ßen auch bei Dekok­ti­ons­ver­fah­ren so anneh­men? Danke!

    1. Moritz Gretzschel Post author

      Da gibt es kei­nen Unter­schied. Für die Grö­ße des Läu­ter­bot­tichs etwa ist die Men­ge der Gesamt­mai­sche ent­schei­dend, und da ist egal, ob oder wie die vor­her auf­ge­teilt wurde.

  2. not

    Dan­ke Moritz auch für die­sen Artikel! 

    Ein 70-​l-​Thermoport passt dage­gen gut zu einer 100-​l-​Pfanne.” Als ich das gele­sen habe, dach­te ich mir kurz: hm, habe ich wohl über­di­men­sio­niert (73l Sud­pfan­ne, 70er Thermoport).

    Jetzt am Wochen­en­de waren 70Liter Ther­mo­port für gut 60l Aus­schlag nicht überdimensioniert:
    Sin­g­lestep infu­si­on mash, 16°P: der 70er Ther­mo­port hat es gera­de noch ver­kraf­tet und war bei die­sem Brau­gang das Nadelöhr.
    Klar, wenn im Ther­mo­port aus­schliess­lich geläu­tert wird pas­sen die 38l bes­ser (Höhe d. Tre­ber­betts), für die o.g. Kon­fi­gu­ra­ti­on hät­te ichs anders nicht haben wollen!

    Vie­le Grüße,
    Sönke

  3. Thomas

    Vie­len Dank für den Arti­kel. Obwohl die­ser bereits ein paar Jah­re exis­tiert, habe ich hier­zu Fragen:

    - Müss­te zur Berech­nung des Volu­mens „Pfan­ne­voll” nicht ein Anteil des Nach­gus­ses berück­sich­tigt wer­den, der im Tre­ber verbleibt?
    – Der Fak­tor 1,2 zur Ermitt­lung des Pfan­nen­vo­lu­mens ist ein Sicher­heits­auf­schlag um eine Über­ko­chen zu ver­mei­den oder? War­um wird hier zur Volu­men­be­rech­nung der Aus­schlag als Grund­la­ge ver­wen­det und nicht das Volu­men „Pfan­ne­voll”?

    Über eine Ant­wort wür­de ich mich freuen
    Gruß,
    Thomas

    1. Moritz Gretzschel Post author

      >Müss­te zur Berech­nung des Volu­mens „Pfan­ne­voll” nicht ein Anteil des Nach­gus­ses berück­sich­tigt wer­den, der im Tre­ber verbleibt?

      Genau dies geschieht doch, indem von der Sum­me aus Haupt- und Nach­guss das Schüt­tungs­ge­wicht abge­zo­gen wird. Denn erfah­rungs­ge­mäß blei­ben in 1 kg Schüt­tung unge­fähr 1 l Was­ser hängen.

      >Der Fak­tor 1,2 zur Ermitt­lung des Pfan­nen­vo­lu­mens ist ein Sicher­heits­auf­schlag um eine Über­ko­chen zu ver­mei­den oder? War­um wird hier zur Volu­men­be­rech­nung der Aus­schlag als Grund­la­ge ver­wen­det und nicht das Volu­men „Pfan­ne­voll”?

      Du hast voll­kom­men recht. Aber ob ich jetzt auf Pfan­ne­voll ca. 10% oder auf den Aus­schlag ca. 20% als Sicher­heit drauf­ge­be, bleibt sich letzt­lich gleich. Ohne­hin ist das alles nicht all­zu skla­visch zu sehen, schließ­lich han­delt es sich eh nur um ganz gro­be Abschät­zun­gen über einen ziem­lich brei­ten Daumen. 

      Gruß, Moritz

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