Bier aus Dosen, Glas-Mehrweg oder doch besser direkt vom Fass?
Ein Versuch der (ökologischen) Aufklärung.
Inhaltsverzeichnis
Einführung
Craftbier ist nun schon vor einiger Zeit in Europa angekommen, und mit ihm sind auch die Bierdosen wieder zurück. Wer sich noch an die Debatten in Deutschland um die Jahrtausendwende erinnern kann, weiß aber, dass Dosen keinen guten Ruf im deutschsprachigen Raum haben, weder in puncto Geschmack noch Ökologie. In Deutschland sind Bierdosen nach der Einführung des Dosenpfands fast komplett vom Markt verschwunden, aber in letzter Zeit erleben sie wieder ein Revival.
Zeit also, sich die Sache etwas genauer anzuschauen. Gleich vorweg: die Sache ist kompliziert, und es wird auch in diesem Artikel keine einfache Antwort geben. Dennoch soll an dieser Stelle der Versuch unternommen werden, ein wenig Licht ins Dunkel zu bringen, gerade im Hinblick auf ökologische Fragen. Anhand der in diesem Artikel aufgeführten Informationen kann der einzelne Verbraucher hoffentlich selbst besser abwägen und eine mündige Entscheidung beim Bierkonsum treffen.
Der Schwerpunkt dieses Artikels soll auf dem Vergleich von Glas-Mehrweg (MW) mit Aluminiumdosen liegen, weil hier der vermutlich größte Diskussionsbedarf bzgl. ökologischer Fragen besteht, aber andere Verpackungsformen sollen auch betrachtet werden. Des Weiteren werden geschmackliche und toxikologische Fragen erörtert. Der Schwerpunkt der Erörterungen liegt auf Deutschland, da hier das meiste Datenmaterial vorliegt, aber für Österreich dürften zumindest einige der Schlussfolgerungen ebenso zutreffen.
Da die Untersuchung des Themas recht komplex und umfassend ausgefallen ist, wird dem eigentlichen Artikel ein Fazit mit Empfehlungen vorangestellt. Für eine vertiefte Beschäftigung mit dem Thema sollen dann der Artikel selbst sowie die darin aufgeführten Quellen dienen.
Der Artikel wurde bereits im Mai 2019 auf Gutes-Bier.info veröffentlicht.
Fazit
Hinsichtlich des ökologischen Profils anhand diverser Ökobilanz-Studien und zahlreichen anderen Quellen können die folgenden Feststellungen und Empfehlungen getroffen werden:
- Glas-Einweg(EW) hat die schlechteste Ökobilanz aller untersuchten Gebindeformen. Hier schlägt besonders das hohe Gewicht und der hohe Energiebedarf zum Einschmelzen (T ca. 1500°C) negativ zu Buche
- Weißblech-Dosen schneiden auch recht schlecht ab. Hier wirken sich niedrige Recyclingquoten und das auf Aluminium bezogen relativ hohe Gewicht negativ aus
- Der Vergleich Glas-Mehrweg(MW) mit Aluminiumdosen fällt komplex aus:
- Glas-MW hat durch Veränderungen im Konsumentenverhalten, die steigende Anzahl an individuellen Flaschen, deutlich gesunkene Umlaufzahlen (ULZ) und gestiegene Distributionsentfernungen seinen deutlichen ökologischen Vorsprung aus den frühen 2000ern zu großen Teilen eingebüßt. Es ist sehr bedauerlich, dass ein aus ökologischen und logistischen Gesichtspunkten hervorragendes und gleichzeitig einfaches System sich nun aufgrund von Überkomplexität in einer Krise befindet und die Wiederbeherrschbarkeit des Systems von Marktteilnehmern als immense Herausforderung angesehen wird.
- Aluminium kann ökologisch punkten durch hohe Recyclingquoten und niedriges Transportgewicht, negativ schlagen dagegen hohe Umweltbelastungen (u.a. Rotschlamm-Abfälle) und hoher Energiebedarf bei der Herstellung zu Buche, sowie mit Abstrichen auch beim Recycling.
- Bei lokal hergestelltem Bier und der Verwendung von Standardgebinden mit immer noch hohen ULZ ist Glas-MW immer noch die bei weitem ökologisch vorteilhafteste Verpackungsform
- Bei größeren Entfernungen (ca. 200–400 km, je nach Studie) oder niedrigeren ULZ (<25) gleichen sich die Ökobilanzen von Glas-MW und Aluminium immer weiter an, und es hängt stark von weiteren Rahmenbedingungen ab, welchem Verpackungssystem aus Sicht der Studien der ökologische Vorzug zu geben ist
- International gehandelte Biere wurden im Rahmen der vorliegenden Studien nicht untersucht, aber es liegt auf der Hand, dass mit weiter steigender Distributionsentfernung der ökologische Vorteil des niedrigeren Gewichts stärker zum Tragen kommen dürfte, gerade auch weil aus dem europäischen Ausland und Übersee sowieso kein Glas-MW eingeführt wird, sondern nur das aus ökologischer Sicht äußerst nachteilige Glas-EW
- Qualitativ (Hopfenaroma, negativer Einfluss von Luftsauerstoff und Licht) ist damit zu rechnen, dass Aluminium einen Frischevorteil ggü. Glas-MW hat. Studien, die das belegen, liegen dem Autor allerdings nicht vor.
- Fassbier weist von allen Gebindeformen die günstigste Ökobilanz auf – bei lokaler Verfügbarkeit sollte also (auch aus qualitativen Gründen) nach Möglichkeit auf gut gezapfte Fassware zurückgegriffen werden, allerdings mit der Einschränkung, dass beim Zapfen höhere Bierverluste (Schaum, unvollständige Entleerung) auftreten und lt. einer Studie schon bei ca. 8% Verlust der ökologische Vorteil wieder dahin ist
- PET-Flaschen besitzen ebenfalls eine sehr günstige Ökobilanz, aufgrund der hohen Komplexität des Recyclings und der verwendeten Systeme sowie evtl. qualitativer Nachteile (Sauerstoffdurchlässigkeit) soll in diesem Artikel auf die Verwendung von PET nicht näher eingegangen werden
- Der weitaus größte ökologische Einfluss kommt durch das Bier selbst, und es gibt Hinweise darauf und gute Gründe anzunehmen, dass eine handwerkliche Craftbierbrauerei energetisch gesehen weitaus ungünstiger arbeitet als eine hochtechnisierte und hochmoderne Großbrauerei. Ohne Vorliegen einer Studie mit vollständiger Ökobilanz sollte man hier aber mit zu eindeutigen Festlegungen vorsichtig sein. Dies kann aber dennoch einen entscheidenden Unterschied ausmachen.
- Toxikologisch gesehen gibt es seit einiger Zeit Bedenken hinsichtlich des Umgangs mit Aluminium, eindeutig belegte Nachweise für oft in den Medien erwähnte Krankheiten fehlen aber bislang. Aus präventivmedizinischer Sicht wird zu Vorsicht im Umgang mit dem Material geraten. Die Verwendung von gesundheitlich bedenklichem BPA als Weichmacher in Innenbeschichtungen von Alu-Dosen ist glücklicherweise auf dem Rückzug, im Vergleich zu den toxischen Effekten von Alkohol scheinen die individuellen Belastungen aber gering zu sein.
Studien zur Ökobilanz von Bierverpackungen
Eine gängige und umfassende Methode zum Vergleich des ökologischen Einflusses von Produkten und Systemen ist heute die sogenannte Ökobilanz. Hier wird der Untersuchungsgegenstand „von der Wiege bis an die Bahre” auf seine Auswirkungen auf die Umwelt untersucht.
Im Bereich Getränkeverpackungen gibt es bereits mehrere Studien zum Thema. Das Umweltbundesamt Deutschland (UBA) hat bereits im Jahre 1995 eine erste Ökobilanz für die Marktsegmente Bier und Frischmilch veröffentlicht [UBA1], eine weitere stammt aus dem Jahr 2000 [UBA2]. Diese Studien werden von Zeit zu Zeit erneuert oder erweitert. Die letzte umfassende Studie in Deutschland stammt aus dem Jahr 2010 und wurde durch das IFEU-Institut in Heidelberg durchgeführt [IFEU1]. In Auftrag gegeben wurde die Studie durch die European Beverage Can Manufactors (BCME). Die aktuellste Bewertung der vorigen Studien durch das UBA stammt aus dem Jahre 2016 [UBA3].
Erneuerungen und Erweiterungen solcher Studien sind notwendig, da z.B. Herstellungs- und Wiederverwertungsmethoden, logistische Faktoren und Verbraucherverhalten stetem Wandel unterliegen und immer wieder neu bewertet werden müssen.
Neben den bereits benannten Studien in Deutschland gibt es auch eine weitere Studie aus der Schweiz aus dem Jahre 2014 [CARB1], in Auftrag gegeben vom Bundesamt für Umwelt Schweiz (BAFU) und durchgeführt durch die Beraterfirma Carbotech AG, die eine vieljährige und beeindruckende Expertise im Bereich Erstellung von Ökobilanzen und Umweltberatung vorweisen kann.
Während hier in den frühen Studien des UBA eindeutige Vorteile für Glas-Mehrweg festgestellt wurde, werden die Aussagen in den späteren und vor allem der letzten Studie aus dem Jahr 2010 zusehends differenzierter, und es wird explizit auf die Rahmenbedingungen bzw. die durchgeführten Sensitivitätsanalysen verwiesen. Ähnlich differenziert und nicht ganz eindeutig, gerade im Hinblick auf den Vergleich Aluminium mit Glas-Mehrweg, fallen die Beurteilungen der Carbotech-Studie aus. Die Ergebnisse der beiden neuesten Studien sollen auch den Schwerpunkt dieses Artikels bilden.
Zusammenfassend sei die folgende Schlussfolgerung zitiert [IFEU3, S.2]:
„Die Studien lassen sehr klar erkennen, dass bei gleichen Flaschenvolumina (z.B. 0,5L Mehrweg-Glasflasche im Vergleich zu 0,5L Dosen […]) die Glas-Mehrwegflaschen den Einwegverpackungen ökologisch überlegen sind.
Voraussetzung: Der Transport von den Abfüllern zum Handel erfolgt regional, und nicht quer durch die Republik. Denn: Bei sehr großen Distributionsstrecken gleichen sich die Ökobilanzergebnisse von Getränkedosen und Glas-Mehrwegflaschen zunehmend an.”
Auf einige der wichtigsten Parameter bzw. Rahmenbedingungen soll an dieser Stelle näher eingegangen werden:
Recyclingquote Aluminium
Sowohl die IFEU- als auch die Carbotech-Studie gehen von einer Recyclingquote von >90% (95 bzw. 91%) für Aluminium aus. Beide beziehen die Daten bzw. Ökoprofile von der European Aluminium Association (EAA). In einer älteren Quelle [KOPY] aus dem Jahre 2005 wurde noch explizit bezweifelt, dass eine „echte Wiederverwertung von Getränkedosen aus Aluminium […] möglich” ist.
Zum Recyling direkt aus der IFEU-Studie [IFEU1, S.48]:
„Im in dieser Studie betrachteten Aluminiumdosenmodell wird der gesamte anfallende post-consumer Aluminiumschrott eingeschmolzen und dem System als Primäraluminium gutgeschrieben. Die durch Rücknahme, Sortierung, Kompaktierung und Einschmelzung anfallenden Umweltlasten und Energieaufwendungen werden ebenfalls im Modell berücksichtigt.”
In der IFEU-Studie wurde weiterhin eine Sensitivitätsanalyse durchgeführt, wobei hier mit einer 100:0 und einer 50:50 Allokation gerechnet wurde, d.h. im ersten Szenario werden 100% des gesammelten und rezyklierten Aluminium als quasi-neu betrachtet, im zweiten nur 50%, wobei die verbleibenden 50% als „minderwertiger” Werkstoff betrachtet werden. Über Energiegutschriften werden die Energieeinsparungen durch Recycling dann ins System zurückgeführt, wobei im zweiten Szenario ein „worst case” angenommen wurde und die Aluminiumdose sogar über Gebühr belastet wurde.
Dies wirkt glaubwürdig, wobei dazugesagt werden muss, dass zum Zeitpunkt der Studie der Rezyklateinsatz erst bei 40% stand, allerdings eher aufgrund fehlender Sammelmöglichkeiten denn technischer Machbarkeit. Ebenso muss erwähnt werden, dass die 50:50 Allokation dem Standardverfahren im UBA entspricht, während die für Al günstigere 100:0 Allokation auf Betreiben der Auftraggeber zustande kam.
Die Allokation hatte großen Einfluss auf das Ergebnis. Bei 100:0 ergaben sich bei überregionalen Distributionszahlen schon bei leicht erniedrigten Umlaufzahlen (<25) Vorteile für Aluminium ggü. Glas-MW, die bei 50:50 kaum auftraten.
Umlaufzahlen Mehrwegflaschen
Hier gehen beide Studien von einer Umlaufzahl (ULZ) von 25 aus. Da bei der Herstellung einer Glas-MW-Flasche ein recht hoher Energiebetrag anfällt und beim Einschmelzen nach Verwendung wiederum sehr hohe Temperaturen (ca. 1600°C) erforderlich sind, liegt es auf der Hand, dass die Umweltbelastungen durch eine möglichst hohe Anzahl an Verwendungen reduziert werden sollten.
Seit den 70er Jahren ist man lange von einer ULZ von >50 ausgegangen und auch die früheren Studien zum Thema rechnen mit dieser Zahl. Aus verschiedenen Gründen muss man aber heute von einer deutlich reduzierten Umlaufzahl ausgehen. Dies hängt mit der steigenden Anzahl an unterschiedlichen Flaschenprofilen und ‑größen zusammen. Auch hier sind die Zahlen stark kontextabhängig (Trendbiere etc.), und die zunehmende Anzahl an individuellen Reliefflaschen oder Sonderformen drückt die Zahl, da bei älteren Formen (z.B. NRW oder Euro-Form) mehr Verschleißspuren akzeptiert werden. Über Paulaner wurde bereits in der Presse berichtet [SPIE2], deren Glas-MW-Flaschen seien auf nur mehr etwa acht Umläufe ausgelegt.
Auch aus diesem Grund wurden in der IFEU-Studie verschiedene Szenarien durchgerechnet mit ULZ von 25, 10, 5 und 1. Für dieses Vorgehen gab es auch Kritik, wobei die Annahme unterschiedlicher Szenarien durchaus schlüssig erscheint.
Distributionsentfernungen
Auch dies ist ein offenkundig wichtiger Faktor und großer Streitpunkt, da hier mit steigender Entfernung bei höherem Gewicht der Verpackungsform größere ökologische Nachteile entstehen.
Die IFEU-Studie hat hier unterschiedliche Szenarien durchgerechnet (100 km, 400 km), in der Carbotech-Studie ist die gewählte Entfernung nicht schlüssig.
Auch hier macht sich deutlich bemerkbar, dass sich das Konsumverhalten in den vergangenen Jahrzehnten stark gewandelt hat.
Da Distributionsentfernungen als entscheidend angesehen werden, sind genaue Informationen darüber sehr wichtig. Es gibt dazu sogar eine eigene Studie der GVM (Gesellschaft für Verpackungsmarktforschung) [GVM], die auf einen Durchschnittswert von etwa 200km Entfernung über alle untersuchten Gebindegrößen (0,5l, 0,33l) sowie Bier und Biermischgetränke kommt. In dieser Studie wurde ermittelt, dass 17,6% aller 0,5l Flaschen im Fernabsatz Distributionsentfernungen von 400km und mehr aufweisen (Grafik 1). Da dieser Flaschenanteil durchschnittlich >500 km unterwegs ist, liegt der Flaschenanteil mit durchschnittlichen 400 km Distributionsentfernung vermutlich eher bei 20–30%. Von daher erscheint das zweite Szenario in der IFEU-Studie mit 400 km durchaus plausibel.
Im ersten Szenario (100 km) schneidet Glas-MW mehr oder weniger unabhängig von allen weiteren Parametern durchweg besser als die Al-Dose ab, im zweiten Szenario jedoch gleichen sich die Unterschiede immer mehr an, und nur bei hohen ULZ (d.h. Standardgebinden) und der für Al ungünstigen Allokationsmethode von 50:50 stellt sich Glas-MW „gerade noch“ vorteilhaft dar [IFEU3, S. 15].
Weiterhin haben durch die Craftbierbewegung auch internationale Biere und deren Konsum an Bedeutung gewonnen. Auch hier kann davon ausgegangen werden, dass durch den willkommenen Genuss internationaler Bierspezialitäten der Umwelt eher weniger ein Gefallen getan wird. Vor diesem Hintergrund ist auch interessant, dass Brewdog wohl bisher deutsches Leergut (0,33l Longneck) nach Ellon in Schottland zur Abfüllung der eigenen Biere transportiert hat. Die Entfernung von Ellon zur ungefähren Mitte Deutschlands beträgt ca. 1000km!
Sortieraufwand Glas-MW
Ein weiterer Faktor, der in den vorliegenden Studien nur am Rande bzw. anhand einzelner Szenarien aufgegriffen wurde, ist der zusätzliche Sortieraufwand der Leergebinde durch u.a. die immer größere Individualisierung verschiedener Flaschenformen im Bereich Glas-MW. Sind oder werden die leeren Flaschen bei der Rückgabe nicht akkurat auf die zugehörigen brauereispezifischen Kästen aufgeteilt, so werden diese zunächst zur falschen Brauerei transportiert, wo sie nun umständlich aussortiert und oft noch weiter gefahren werden müssen zu speziellen Sortieranlagen, bevor sie tatsächlich wieder in der Herkunftsbrauerei eingesetzt werden können. Darüber wurde bereits mehrfach in der Presse berichtet. [SPIE1, SPIE2]. Der Einfluss kann hier nicht abgeschätzt werden, aber gerade in Szenarien, bei denen die Unterschiede zwischen Al und Glas-MW gering sind, dürfte dieser Umstand eher für die Al-Dose sprechen.
Die immer weiter zunehmende oder vielleicht sogar nicht mehr beherrschbare (?) Komplexität (stellvertretend abgebildet in Grafik 2) in der Pfandflaschenlogistik ist natürlich ein bekanntes Thema in der Getränkeindustrie. Auch die Fachliteratur [BRAU1] behandelt das Thema und wird mittlerweile auch entsprechend deutlich („aktuelle Krise des Mehrwegsystems”, „das System wieder beherrschbar machen”). Konkrete Lösungsansätze scheint es aber noch nicht zu geben! Dies ist ein weiterer Hinweis darauf, dass man ein eigentlich sehr effektives und gleichzeitig einfaches Pfandsystem durch stetige Differenzierung und Verkomplizierung in Bezug auf logistische und auch ökologische Aspekte kontinuierlich verschlimmbessert hat.
In [BRAU1] wird dazu ein Marktteilnehmer zitiert:
„Die GS1 Germany hat festgestellt, dass es 1500 verschiedene Mehrwegflaschentypen, also im Prinzip eigene Pools, in Deutschland gibt. Wenn dann immer noch neue entstehen, z. B. die 0,33-l-Euroflasche in zwei verschiedenen Varianten, ist das ein Wahnsinn, der zu immensen Kosten führt, weil alles sortiert und zur Ursprungsbrauerei zurückgeführt werden muss. Kosten, die in der Supply Chain gar nicht drin sind.”
Kühlungseffekte
Manche Craftbierspezialität wird auch in geschlossener Kühlkette transportiert (oder sollte das zumindest) [GETR1]. Auch dies dürfte einen bedeutenden energetischen und damit ökologischen Einfluss haben, der aber in den vorliegenden Studien nicht aufgegriffen wurde.
Vor dem Hintergrund des Aufwands für die Kühlung ergibt eine sehr simple Rechnung auf dem Rücken eines Bierdeckels, dass die Kühlung einer vollen 0,5l-Glas-MW-Flasche etwa 14% mehr Energie für die Kühlleistung erfordert als die Kühlung einer vollen 0,5l-Aluminiumdose. Dies ist ein Effekt der unterschiedlichen Masse (Glas-MW: ca. 300g, Alu: 16g, bei ähnlichen spez. Wärmekapazitäten). Ob dies auf die Gesamtökobilanz signifikanten Einfluss hat, oder ob sogar im Gesamteffekt durch die niedrigere thermische Leitfähigkeit von Glas eine höhere Trägheit des Systems erzielt wird (d.h. die einmal gekühlte Flasche hält die Wärme besser), kann aber an dieser Stelle nicht gesagt werden. Mehrfache Erwärmung-Kühlungs-Zyklen bei Einkauf und Lagerung dürften aufgrund der höheren thermischen Masse aber auf jeden Fall eher gegen die Glasflasche sprechen.
Andere Gebindeformen
Wie bereits einführend erwähnt, sollen in diesem Artikel auch andere Gebindeformen, die für Bier verwendet werden, diskutiert werden.
Hinsichtlich Ihres ökologischen Einflusses kommen die beiden erwähnten Studien [IFEU3, CARB1] zu vergleichbaren Ergebnissen, die stellvertretend anhand Grafik 3 diskutiert werden sollen:
Die Umweltbelastung wird hier in sog. UBPs (Umweltbelastungspunkten) angegeben. Man sieht deutlich, dass Glas-Einweg(EW)-Flaschen die höchste ökologische Belastung aufweisen. Dies liegt an der Kombination von hohem Gewicht und hohem energetischem Aufwand für das Einschmelzen.
Dahinter liegt die Weißblech-Dose, die im Vergleich zur Aludose ein höheres Gewicht und eine niedrigere Recyclingquote aufweist. Besser als Glas-EW und Blechdose schneiden Glas-MW und die Aluminiumdose ab.
Besonders gut schneidet auch die PET-Flasche ab. Leider fällt es sehr schwer, die zusätzlichen Komplexitäten des Flaschenmaterials (Single Layer, Multi Layer) und die unterschiedlichen Recyclingszenarien und ‑modelle zu erfassen. Dem Leser seien zur Vertiefung hier die einschlägige Fachliteratur und die Studien [CARB1, IFEU3] selbst empfohlen.
Am besten von allen Verpackungsformen schneidet Fassware ab. Wie in Grafik 4 gesehen werden kann, weist das 50l-Fass im Vergleich zu allen anderen Verpackungsformen die geringste Umweltbelastung auf (grüne Balkenbereiche). Allerdings besteht hier die Einschränkung, dass bei der Verwendung von Fässern mit höheren Verlusten zu rechnen ist: Fässer werden oft nicht vollständig leergezapft, und außerdem entstehen beim Zapfen Schaumverluste. In [CARB1] wurde errechnet, dass bei etwa 7,7% Verlust der ökologische Vorteil des Fasses gegenüber Glas-MW nicht mehr gegeben ist.
Aus Grafik 4 ergibt sich ein weiterer interessanter Aspekt in der Debatte, der im Rahmen dieses Artikels leider nicht erschöpfend behandelt werden kann: der weitaus größte ökologische Effekt kommt durch den Inhalt des Gebindes selbst (türkisfarbene Balkenbereiche) zustande. Hier kann man z.B. davon ausgehen, dass eine hochtechnisierte Großbrauerei mit Wärmetauschern, CO2-Rückgewinnung, schonender Würzekochung und Brüdenkondensation energetisch gesehen weitaus besser abschneidet als eine handwerklich arbeitende Kleinbrauerei. Eher anekdotisch kann der Autor hier den Hinweis beisteuern, dass bei einem energetischen Vergleich der Anlage eines persönlich bekannten Hobbybrauerkollegen mit den Energiedaten einer Großbrauerei ein achtfacher Energieverbrauch (!!) des Hobbybrauers errechnet wurde!!
Zur Vertiefung des Themas Energierückgewinnung in Brauereien sei auf ein Schriftstück der Fa. Krones verwiesen [KRON], und der Technologievergleich zwischen industrieller Großbrauerei und handwerklichem Craftbrauer mutet ein wenig an wie der Vergleich eines Ford T „Tin Lizzy” mit einem Mercedes SLK. Allerdings sollte man ohne das Vorliegen einer Gesamtökobilanz verschiedener Brauereien, die auch den Einfluss der verwendeten Ausrüstung abschätzt, hier mit zu eindeutigen Formulierungen vorsichtig sein.
Eine Erklärung der in [CARB1] verwendeten UBPs findet sich übrigens hier [CARB2].
Toxikologische bzw. medizinische Aspekte
Aluminium ist in den letzten Jahren ein wenig ins Gerede gekommen. Dabei wird in den Medien oft von einer neurotoxischen oder sogar krebserregenden Wirkung gesprochen. In diesem Zusammenhang wurden mittlerweile auch einige Arbeiten durchgeführt. Zum gegenwärtigen Forschungsstand sei hier u.a. auf eine Zusammenfassung im deutschen Ärzteblatt von 2017 [DEAE1] und auf eine Studie des österreichischen Bundesministeriums für Gesundheit von 2014 [BGAT1] hingewiesen. Ebenso zu empfehlen ist ein Artikel in Spektrum der Wissenschaft von 2014 [SPEK].
Bislang fehlen für immer wieder in den Medien aufgegriffene Krankheitsbilder wie z.B. Alzheimer-Demenz oder Krebs eindeutige toxikologische oder epidemiologische Beweise („Ein Zusammenhang von Aluminiumbelastung und der Entstehung von Brustkrebs oder Morbus Alzheimer ist derzeit nicht belegt”, [DEAE1]).
Es gilt aber als gesichert, dass die Aufnahme von Aluminium in den Körper aus diversen Quellen erfolgen kann, und dass dadurch auch die von der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) festgelegte tolerierbare wöchentliche Aufnahmemenge überschritten werden kann.
In Bezug auf die Aufnahme von Aluminium über Lebensmittel wird deshalb z.B. präventiv empfohlen, saure oder salzhaltige Lebensmittel nicht längere Zeit in Kontakt mit Aluminium zu belassen. Zu ersteren gehört in weiterem Sinne auch Bier.
[BGAT1] formuliert die allgemeine präventive Empfehlung wie folgt:
„Im Sinne des Vorsorgeprinzips ist es deshalb ratsam, Aluminiumexpositionen der VerbraucherInnen aus körpernahen Anwendungen so weit wie möglich zu reduzieren.”
Beide Studien sprechen von weiterem Forschungsbedarf und regen zur Weiterarbeit an.
Unter anderem aus dem Grund der Löslichkeit von Aluminium in sauren oder salzigen Lebensmitteln werden Getränkedosen auf der Innenseite mit Epoxidharz beschichtet. Dies wirft eine weitere Frage auf, denn bisher wird in Epoxidharzen die Substanz Bisphenol‑A (BPA) als Weichmacher verwendet. BPA gilt als gesundheitsgefährdend und wird mit Fettleibigkeit, Diabetes oder auch Zeugungsunfähigkeit in Verbindung gebracht. In Deutschland ist die Verwendung von BPA in Babyflaschen bereits verboten. Die tolerierbare tägliche Einnahmemenge (TDI) wurde von 50 µg/kg präventiv auf 4 µg/kg gesenkt.
Im Rahmen einer Studie der AKNÖ und des Umweltbundesamts von Österreich aus dem Jahre 2012 [AKUB] wurden einige Getränke in Dosen analysiert, und es wurde nachgewiesen, dass sich geringe Mengen an BPA lösen. Bezogen auf die Studie und die darin analysierten Biere müsste ein ca. 70 kg schwerer Mensch allerdings sehr viel trinken, um sogar den mittlerweile verschärften Grenzwert von 4 µg/kg/Tag zu überschreiten: 1272 l Schwechater Bier oder 3182 l Stiegl Goldbräu. Andere toxikologische Effekte dürften in diesem Fall deutlich vorher zum Tragen kommen!
In Bezug auf sämtliche toxikologischen Erwägungen in Bezug auf Bier sollte allerdings nie vergessen werden, dass Bier immer signifikante Mengen einer anderen gefährlichen und dazu gut erforschten Chemikalie enthält: das gefährliche Ethanol!! Ein durchschnittliches Bier enthält ca. 5 Vol.% davon, und die Substanz wird mit Suchterkrankungen, neurologischen Symptomen und zahlreichen anderen Krankheiten des gesamten Verdauungstraktes bis hin zu Diabetes sowie schweren Krebs- und Lebererkrankungen in Verbindung gebracht! Die gesundheitlichen Empfehlungen werden hier übrigens sehr schnell überschritten. In Deutschland wird für einen risikoarmen Konsum empfohlen, als Mann nicht mehr als 30 ml reinen Alkohol (entspricht ca. 0,6l Bier mit 5 Vol.%) täglich zu sich zu nehmen (für Frauen gilt sogar nur die Hälfte), und darüber hinaus jede Woche an mindestens zwei bis drei Tagen auf Alkohol zu verzichten [DHS1]. Kein Vergleich also zu den astronomischen Mengen, die man für eine Überschreitung der BPA-Grenzwerte trinken müsste.
Qualitative Aspekte
Hier weist Glas im Vergleich zu Aluminium einige Nachteile auf:
- Die Lichtdurchlässigkeit
Licht kann das Bier schädigen und für die Entstehung des sog. Lichtgeschmacks („Skunk” – „Stinktier”, 3‑methyl-2-butene-1-thiol) sorgen. Dies ist insbesondere ein Problem bei der Verwendung von Weiß- und Grünflaschen, aber auch Braunflaschen sind nicht komplett lichtdicht, während Aluminium kein Licht durchlässt. - Die Alterung durch Luftsauerstoff
Kronkorken bzw. die darin enthaltenen Dichtungen sind nicht 100%ig luftdicht. Mit zunehmender Lagerdauer migriert nun Luftsauerstoff in die Flasche und sorgt dort für Alterungsaromen, beginnend mit „ribes”, später dann „Pappdeckel” und andere Aromen (z.B. Cracker, süßlich, Sherry, Honig).
Ein weiteres Problem in diesem Zusammenhang stellt der Kopfraum in der Flasche dar! Großbrauereien bzw. Abfüllanlagenhersteller betreiben immensen Aufwand, um über Evakuierung, CO2-Vorspannung (teilweise mehrfach) den Luftsauerstoff vor dem Abfüllen so vollständig wie möglich zu entfernen. Dies kann ein Craftbierbrauer oft nicht leisten, und einmalige Vorspannung mit CO2 ist da oft das höchste der Gefühle bzw. an verfügbarer Technik.
Dies ist gerade im Craftbierbereich besonders kritisch zu sehen, da über die häufig angewandte Kalthopfung bestimmte für Nachdunklung verantwortliche Enzyme (sog. Polyphenoloxidasen) ins Bier eingebracht werden. Da diese nicht durch Kochung zerstört werden, bleiben sie aktiv und können nun in Zusammenhang mit Spuren von Sauerstoff für eine unerwünschte Nachdunklung [HUSS] und möglicherweise auch schnelleres Verschwinden des frischen Kalthopfenaromas führen.
Es gibt auch eine Veröffentlichung zum Thema geschmacklicher Vergleich Aluminium – Glasflasche. Hier wurden in einem direkten Blindvergleich keine Unterschiede zwischen Glas und Aluminiumdose festgestellt [BARN]. Bei Kenntnis der Verpackung wurde das Bier aus der Flasche allerdings besser bewertet – für die Autoren des Artikels ein Hinweis auf den psychologischen Einfluss der Verpackung auf die Wahrnehmung. Weitere Studien zum Thema sind nicht bekannt.
Referenzen
[AKUB] „Weichmacher in Alu-Dosen”
http://www.umweltbundesamt.at/aktuell/presse/lastnews/newsarchiv_2012/news_121207/
[BARN] Barnett, A., Velasco, C., & Spence, C. (2016). Bottled versus canned beer: Do they really taste different? Beverages 2016, 2(4), 25
[BGAT1] „Aluminium – Toxikologie und gesundheitliche Aspekte körpernaher Anwendungen”, ISBN 978−3−902611−79−6, Juni 2014, Wien
[BRAU1] BRAUWELT 15–16, 2019, S. 426–429, „Wie haltet ihr es mit dem Leergut?”
https://www.brauwelt.com/de/themen/logistik/621308-„wie-haltet-ihr-es-mit-dem-leergut“?c=76
[CARB1] Carbotech-Studie 2014, „Ökobilanz von 60 Getränkeverpackungen”
https://carbotech.ch/cms/wp-content/uploads/Carbotech-LCA-Getraenkeverpackung-2014.pdf
[CARB2] Erklärung UBPs Carbotech
https://carbotech.ch/projekte/bedeutung-von-100-ubp-umweltbelastungspunkte/
[DEAE1] Dtsch Arztebl Int 2017; 114(39): 653–9, ” Gesundheitliche Auswirkungen einer Aluminiumexposition”
https://www.aerzteblatt.de/archiv/193510/Gesundheitliche-Auswirkungen-einer-Aluminiumexposition
[DHS1] Basisinformationen Alkohol 2017, Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen, 14. Auflage, 2017
https://www.dhs.de/fileadmin/user_upload/pdf/Broschueren/2017_Basisinfo_Alkohol.pdf
[GETR1] GETRÄNKEFACHGROSSHANDEL 4/2016, S. 16, „Was macht Craftbier so interessant?”
http://bodenberger.com/dateien/Getraenkefachgrosshandel%202016–4.pdf
[GVM] GVM-Distributionsstudie, 2011, „Distributionsentfernung von Bier und Biermischgetränken in Mehrweg-Flaschen von Brauereien zu privaten Haushalten”:
https://gvmonline.de/files/oekobilanz/2012_03_Distributionsentfernung_von_Bier_und_Biermischgetraenken_in_Mehrweg-Flaschen_von_Brauereien_zu_privaten_Haushalten.pdf
[HUSS] J Food Sci Technol. 2015 Jun; 52(6): 3651–3659, „Browning inhibition mechanisms by cysteine, ascorbic acid and citric acid, and identifying PPO-catechol-cysteine reaction products”
[IFEU1] Krüger, M., Theis, S., Kunze, S., Detzel, A.: Ökobilanzielle Untersuchung verschiedener Verpackungssysteme für Bier. Endbericht, Im Auftrag des europäischen Verbands der Dosenhersteller BCME (Beverage Can Makers Europe), Brüssel. IFEU-Heidelberg, April 2010
https://docplayer.org/53789233-Oekobilanzielle-untersuchung-verschiedener-verpackungssysteme-fuer-bier-endbericht-ifeu-institut-fuer-energieund-umweltforschung-heidelberg-gmbh.html
[IFEU2] Ergebnisübersicht IFEU Vergleich Glas-MW vs. Aluminium 2010
http://www.ifeu.de/oekobilanzen/pdf/BCME_LCA_resultsummary_s.pdf
[IFEU3] Nachreichung IFEU 2010:
http://www.ifeu.de/oekobilanzen/pdf/IFEU%20Handreichung%20zur%20Einweg-Mehrweg-Diskussion%20(13Juli2010).pdf
[KOPY] Norbert Kopytziok: Lohnt sich Alu-/Weißblech-Recycling? In: Handbuch für die Umwelt- und Abfallberatung. 19. Erg.-Lfg. Juli 2005, 2.11
http://www.kopytziok.de/texte/58-metallverwertung.pdf
[KRON] Fa. Krones, „Energierückgewinnung – Würzekochung und Ressourcenschonung im Einklang”
https://www.krones.com/media/downloads/energierueckgewinnung_de.pdf
[SPEK] Spektrum – Die Woche, 29. KW 2014, „Wie gefährlich ist Aluminium? – 5 Fakten”
https://www.spektrum.de/wissen/wie-gefaehrlich-ist-aluminium-5-fakten/1300812
[SPIE1] DER SPIEGEL 49/2011, S. 90, „Brauereien – Die Hölle der Hülle”
https://www.spiegel.de/spiegel/print/d‑82612682.html
[SPIE2] DER SPIEGEL 16/2013 S.77, „Umwelt – Bier ohne Heimat”
https://www.spiegel.de/spiegel/print/d‑92079482.html
[UBA1] Schmitz, S., Oels, H.-J., Tiedemann, A: Ökobilanz für Getränkeverpackungen, Teil B: Vergleichende Untersuchung der durch Verpackungssysteme für Frischmilch und Bier hervorgerufenen Umweltbeeinflussungen. UBA Texte 52/95. Berlin, 1995
[UBA2] Umweltbundesamt, Berlin (Hrsg.): Ökobilanz für Getränkeverpackungen II, Hauptteil. UBA-Texte 37/00, Berlin, 2000
[UBA3] Umweltbundesamt, Berlin (Hrsg.),: Prüfung und Aktualisierung der Ökobilanzen für Getränkeverpackungen, UBA Texte 19/2016, Berlin, 2016
https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/378/publikationen/texte_19_2016_pruefung_und_aktualisierung_der_oekobilanzen_fuer_gertaenkeverpackungen_0.pdf
Nachtrag vom Autor:
Eine weitere Maßnahme, die das Pfandflaschen-Mehrwegsystem in Deutschland untergräbt: Poolflaschen sollen ihren steuerlichen Vorteil gegenüber Individualflaschen verlieren. Damit werden gerade den zumeist kleineren Brauereien, die den ökologisch vorteilhaften Flaschenpool pflegen, zusätzliche Steuerlasten aufgebürdet.
Ich zitiere dazu Holger Eichele aus dem unten verlinkten Artikel:
„„Als Kollateralschaden trifft es jetzt die Brauer“, sagt Holger Eichele, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Brauerbunds. […] Falls die Pläne tatsächlich umgesetzt werden, hätte das „fatale Auswirkungen für unser Mehrwegsystem“, sagt Eichele.
[…]
Der Brauerverband rechnet mit Kosten für die Branche im deutlich zweistelligen Millionenbereich. „Das werden manche kleine und mittelständische Brauereien nicht überleben“, warnt Eichele.”
https://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/leergut-im-steuerrecht-ein-schlag-gegen-das-pfandsystem-16517138.html
Dies bestärkt meine Schlussfolgerungen bzgl. des Pfandflaschensystems in Deutschland, die ich bereits im Rahmen des Artikels gezogen hatte: es ist in einer Krise und wird zusehends weiter geschwächt!
Gruß, Tilo (aka Johnny H)
Und noch ein Nachtrag zur Pfandflaschenproblematik:
https://youtu.be/mwbHBZ8HB28
Die Ergebnisse dieses kurzen Berichts decken sich voll mit meinem Eindruck, dass das deutsche Pfandflaschensystem eigentlich schon kaputt ist!
Ein paar Bemerkungen, die ich unter den Youtube-Clip gestellt habe:
1) Nach meinen Infos und einem Artikel in der Brauwelt („Wie haltet ihr es mit dem Leergut?”, 2019, leider mittlerweile hinter der Bezahlschranke) sind es nicht nur 120 verschiedene Pfandflaschenformate, sondern über 1500! Ich habe gerade nochmal nachgelesen: möglicherweise meint man aber mit der Zahl 1500 im Brauwelt-Artikel alle Getränkeflaschenformate in Deutschland, nicht nur Bier. Es sollte aber trotzdem jedem einleuchten, wenn man darüber nachdenkt, dass hier unglaublicher Sortieraufwand und damit Kosten verursacht werden.
Das Problem mit dem Sortieraufwand wurde übrigens auch schon mal vom Spiegel aufgegriffen, 2011 und 2013:
https://www.spiegel.de/spiegel/print/d‑82612682.html
https://www.spiegel.de/spiegel/print/d‑92079482.html
2) Die Information, dass ein kleiner Brauer wie z.B. Mahrs 4,80€ für die Rücknahme seiner Kästen bezahlen muss (aber bei Verkauf nur 3,10€ Pfand bekommt), wenn sie von einem Sortierbetrieb kommen, ist neu für mich, ist aber ein weiteres interessantes Mosaiksteinchen. Ich habe auch gehört, dass diese Sortierbetriebe von den „Großen” finanziert werden, und die bestimmen dann natürlich auch, welche „Kleinen” wann (oder überhaupt!!) ihre Kästen zurückbekommen.
3) Dass der Deutsche Brauerbund e.V. zu der Angelegenheit eigentlich nichts bzw. nur zu sagen hat, dass es „kompliziert” sei, deckt sich mit meinem Eindruck, dass man es sich, wie z.B. beim Reinheitsgebot oder auch bei zulässigen Klär- und Schönungsmitteln, auf keinen Fall mit den „Großen” verscherzen will. Da passiert nämlich auch seit Jahren überhaupt nichts!!
4) Es gäbe m.E. eine ganz einfache Lösung: zum Stichtag X wird nur noch eine kleine und vor allem radikal verkleinerte Anzahl an Flaschenformaten zugelassen. Alles, was darüber hinausgeht, wird bis dahin ausgeschlichen. Da wäre aus meiner Sicht der Gesetzgeber gefordert. Beim Zeitpunkt kann man ja die Großbrauereien mit einbeziehen, denn diese kennen ja vermutlich ihre Umlaufzahlen. Auch aus ökologischen Gründen würde eine radikale Verkleinerung Sinn ergeben, denn das aufwändige Herumgefahre und Sortieren von leeren Flaschen wirkt sich natürlich auch auf deren Ökobilanz aus. Das einzige, was daran „kompliziert” ist, ist die Interessenlage der „Großen”, die das (m.E. größtenteils aus Marketinggründen) nicht wollen!
5) Das Flaschenpfand zu erhöhen ergibt m.E. nur bis zu einem bestimmten Punkt Sinn! Wenn nämlich das Flaschenpfand über den Preis von Neuflaschen gehoben wird, wird sich keine Brauerei das Theater mehr antun, dreckige und zusehends abgenutzte Flaschen aus dem Pfandsystem „zurückzukaufen” und aufwändig zu reinigen, sondern wird Neuware beziehen. Leider habe ich keine Infos, wie viel Brauereien heute für Neuflaschen bezahlen, und das kommt ja auch auf die Stückzahlen an, aber mit Sicherheit weniger als 0,25€.
Und noch ein Update zum Pfandflaschensortierdilemma vom 9.06.2022:
Der folgende Artikel greift das Problem erneut auf und berichtet auch über neuere Versuche, einen bzw. mittlerweile zwei geregelte Flaschenpools zu etablieren – die aber leider bereits wieder ins Stocken geraten sind mit unklarem Ausgang!
Ich persönlich finde den Artikel wohltuend und erfrischend ehrlich. Es wird nicht um den heißen Brei herumgeredet, sondern die Überkomplexität des Systems wird klar und deutlich thematisiert.
https://app.handelsblatt.com/unternehmen/mehrweg-pfand-lange-wege-fuer-bierflaschen-wie-brauereien-ihr-eigenes-mehrwegsystem-untergraben/28405654.html