Der schweizerische Biermarkt hat einen schlechten Ruf. Dies vor allem aufgrund des rigorosen Bierkartells der Brauereien. Ihr Motto war und ist „So einfach wie möglich, so viel wie möglich und so teuer wie möglich“. Die sogenannte Bierkultur erschöpft sich in dem Satz „Fräulein, noch eine Stange“. Helles oder etwas weniger helles Lager, mehr oder weniger filtriert, mit etwas Glück ein ziemlich dunkel gefärbtes Lager umfasst die normale Produktpalette im Restaurant. Sollte man an ein Importbier gelangt sein, handelt es sich sicher um ein Lagerbier. Der Schweizer Brauerei-Verband betreibt die offizielle Homepage www.bier.ch. Es gibt viele nützliche Information wie die gesetzlichen Grundlagen etc. etc.
Von einer Hausbrauerszene in der Schweiz kann man erst seit circa 20 Jahren sprechen. Es gab auch kaum Bezugsquellen für die notwendigen Geräte und Rohstoffe. In der Ostschweiz entwickelte sich eine aktive Szene. Ein innovativer Brauer ist Beat Rohner, der auch schon mal ein Bier aus Hühnerfutter bei einem Wettbewerb einreicht oder aus Maikäfern eine Suppe herstellt. Der erste grössere Zubehörshop war www.sios.ch, Richie Leder, Eigentümer dieses Shops, ist auch Mitglied der Ostschweizer Brauer www.o‑s-b.ch. Dieser Shop führt auch die SIOS Trophy durch, einen Bierwettbewerb für seine Kunden.
Aktuell entwickelt sich die Szene erfreulich, und die Anzahl der Zubehörlieferanten nimmt ebenfalls zu. www.brauundrauchshop.ch, www.bier-von-dir.ch, www.bierbrauzubehoer.ch sind einige dieser Lieferanten (diese Liste ist sicher nicht vollständig).
Organisatorisch sind viele der Hobbybrauer der Swiss Homebrewing Society angeschlossen (www.hausbrauer.ch). Dieser Verein führt anlässlich der jährlichen GV ebenfalls eine Bierprämierung in circa acht Kategorien durch. Dabei können die Mitglieder in der Jury mitmachen, aber nur in Kategorien, in denen sie selber keine Biere eingereicht haben. Die Qualität der Biere ist in der Regel sehr hochstehend, und in der Kategorie „Kreativ“ erlebt man Begegnungen der dritten Art.
Der SHS unterhält aktuell acht Stammtische in den verschiedenen Regionen. Dabei wird über Bier diskutiert und jeweils die neuesten Kreationen degustiert. Wertvoll für den Brauer ist natürlich das jeweilige Feedback der Brauerkollegen.
Es gibt weitere lokale Vereine wie den Thuner Homebrew Club www.t‑h-c.ch. Dieser Klub zählt um die 20 Mitglieder und ist ziemlich aktiv.
Hausbrauen bedarf in der Schweiz keinerlei Genehmigung, solange pro Haushalt nicht mehr als 400 Liter pro Jahr gebraut werden. Wenn mehr Bier für den Eigenbedarf gebraut wird, muss man sich bei der Oberzolldirektion anmelden. Dann erhält man quartalsmässig die notwendigen Deklarationsformulare mit einem Einzahlungsschein für die Biersteuerabgabe. Biersteuer wird aufgrund des Stammwürzegehalts in drei Kategorien erhoben: Leichtbier bis 10 °P, Normal- und Spezialbier von 10,1 bis 14 °P und Starkbier ab 14,1 °P. Diese Biersteuer hat aber gar nichts mit einer Bewilligung für den Verkauf von Bier zu tun! Bei dieser Gelegenheit ist folgende Tatsache sicher interessant: Wein und vergorener Apfelsaft sind absolut steuerfrei, egal welche Menge. Dazu gibt es viele seltsame Begründungen der Politiker.
Kurse für angehende Hausbrauer werden von praktisch allen Zubehörlieferanten angeboten. Auch viele Kleinbrauereien bieten Braukurse in verschiedenen Versionen an. In Internet finden Sie genügend Information.
Hausbrauerplattformen, die derart aktiv betrieben werden wie in Deutschland www.hobbybrauer.de, finden sich in der Schweiz nicht. Die wahrscheinlich einzige ist www.wirbrauen.ch, aber wirklich Aktivität herrscht dort noch nicht.
Aus dieser Hausbrauerszene haben sich auch professionelle Brauereien entwickelt – mit steigender Tendenz. Erwähnenswert ist die Brasserie BFM SA, Saignelégier, Jura, www.brasseriebfm.ch, deren spektakuläre Brauanlage aus einem riesigen Kupferkäsekessel auf einer Galerie bestand, betrieben mit zwei Gasbrennern. Sie hat aber seit ein paar Jahren ein modernes Sudhaus. Trotzdem hat sich der unverwechselbare Charakter der BFM-Biere erhalten. Zu erwähnen ist auch www.brasserie3dames.ch. Natürlich existieren viele weitere Kleinbrauereien, aber die Liste würde einfach zu lang.
Einen perfekten Überblick über die gesamte Brauerszene bietet Philippe Corbat, ein Beerhunter der Extraklasse. Seine Homepage www.bov.ch lässt keinen Wunsch offen. Praktisch jede Brauerei ist erfasst, ihre Biere sind in www.ratebeer.com bewertet, und er führt ein persönliches Ranking aller schweizerischen Brauereien.
Bierfestivals sind in der Schweiz ebenfalls am entstehen. Das grösste und bekannteste sind sicher die Solothurner Biertage www.biertage.ch. Es machen circa 35 kleine und mittlere Brauereien mit, und der Besucherstrom wächst von Jahr zu Jahr rasant. Ein anderer Event ist www.biertage-unterland.ch. Weitere Events sind ebenfalls bei www.bov.ch aufgelistet.
Die Gastroszene in der Schweiz ist ein trauriges Bierkapitel. Einige Lichtblicke sind zwar auszumachen, fallen aber prozentual nicht ins Gewicht. Positiv ist hier www.erzbierschof.ch zu erwähnen. Er betreibt vier Bierbars und einen Webshop. Jede Bierbar bietet um die 16 Taps mit abwechslungsreicher Biervielfalt an. Dazu gegen 400 Sorten Bier in Flaschen. Es gibt auch weitere kleinere Betriebe, die gewillt sind, Biere der lokalen Kleinbrauer anzubieten. Als Beispiel kann www.mylittlethai.ch in Interlaken erwähnt werden. Diese kämpfen aber oft mit der fehlenden Bereitschaft der potenziellen Kundschaft, etwas anderes als Lager hell zu probieren.
Zuletzt noch ein paar Worte zu den Angeboten in den Läden. Die Discounter mit ihren Importangeboten fördern die Bierkultur nicht wirklich. Die beiden grössten Anbieter haben zum Teil lokale Produkte im Angebot, aber auch nicht wirklich ein Highlight. Es gibt einige spezialisierte Bierläden wie Drinks of the World www.beerworld.ch. Viele der Angestellten sind Biersommeliers und können entsprechend Auskunft geben, und die Läden bieten auch ein dementsprechendes Angebot
Der Autor Ulrich Bösiger ist seit rund 16 Jahren in der Bierszene aktiv. Seinen Beruf als Netzwerk-Engineer hat er vorzeitig aufgegeben und betreibt seit acht Jahren beruflich eine Mikrobrauerei, bietet Braukurse an und betreibt eine Homepage www.uelus-homebrew.ch.
Beitragsbild oben: Дмитрий-5-Аверин, Wikimedia Commons