Ein kurzer historischer Abriss der Biergeschichte gehört zum Pflichtprogramm für jedes Buch zum Thema Bier. Meist wird das etwas lieblos mit den immer gleichen Schnurren aus der Historie abgetan. Markus Raupachs aktuelles Buch widmet sich dagegen in Gänze und ausführlich der Aufarbeitung historischer und moderner Entwicklungen rund um das Bier.
Der zeitliche Bogen im historischen Teil wird über mehr als 12.000 Jahre vom Altertum bis zum modernen Craft Beer geschlagen. Einiges wird dem biererfahrenen Leser zwar nicht ganz unbekannt sein, aber in dieser Ausführlichkeit wird das Thema selten behandelt. Die Texte wären noch wertvoller, wenn aus ihnen heraus auch direkt in das hervorragende Literaturverzeichnis verwiesen würde.
Markus Raupach ist dabei weniger penibler Historiker als vielmehr Bierenthusiast, ‑sommelier, ‑journalist und ‑berater, der den Leser eher emotional für Bier begeistern als mit trockenen Fakten belehren will. So wird etwa jedes Kapitel mit einer kurzen fiktiven Geschichte zum Thema eingeleitet, die den Leser in die historische Zeit zurückversetzt. Die kleinen Storys passen mal mehr, mal weniger zum Gegenstand des Kapitels, machen aber die spröden geschichtlichen Tatsachen immer etwas persönlicher und so besser erlebbar.
Die prähistorischen Kapitel werden naturgemäß – der dünnen Quellenlage geschuldet – relativ kurz abgehandelt. Bei den Bierrohstoffen macht Markus immer deutlich, welche wirtschaftliche und gesellschaftliche Bedeutung sie in der Geschichte hatten und wie sie dadurch oft den Lauf der Historie beeinflussten.
Das sogenannte Reinheitsgebot darf natürlich in einem solchen Buch nicht fehlen, es wird hier aber von jeglicher Folklore und Marketing-Vernebelung befreit auf das reduziert, was es eigentlich ist: eine neuzeitliche Erfindung zur Abschottung des deutschen Biermarkts. Die zugrunde liegende Verordnung aus dem Jahr 1516 stellt Markus in den historischen Kontext einer Vielzahl von Regelungen, die am Ausgang des Mittelalters zu Rohstoffen, Herstellungsverfahren und – vor allem – Preisen und Steuern für Bier getroffen wurden.
Das dritte Kapitel dreht sich um die Entwicklungen des 15. bis 18. Jahrhunderts in Deutschland, England und den USA. Von Sauerbier über englisches Ale für Indien und europäische Brauer in Amerika bis zu Kommunbrauhäusern und Zoigl geht es etwas sprunghaft durch die Geschichte, ebenso das folgende Kapitel über die beginnende Industrialisiserung, belgisches Bier, Hopfenhandel, Prohibition und mehr.
Die Konzentration der Bierherstellung auf Großkonzerne im 20. Jahrhundert und als deren Gegenpol die Entstehung der derzeitigen Craft-Bier-Bewegung nehmen großen Raum ein. Besonders beleuchtet werden natürlich die USA, aber auch die Entwicklung in Europa und Deutschland wird in Beispielen behandelt. Die Auswahl der deutschen Vertreter, Oliver Lemke und die Weißbierbrauerei Schneider, erscheint dabei etwas willkürlich und wird der Breite, die die deutsche Bier-Kreativszene inzwischen erreicht hat, nicht ganz gerecht.
Über die Biergeschichte hinaus gibt der Anhang viele gute Hinweise auf wiederkehrende Bierwettbewerbe und ‑veranstaltungen sowie einen kurzen Überblick über deutsche und internationale Bierstile und deren Aromatik.
Das Layout des Buches ist sehr speziell. Der Umschlag, der Teile eines historischen Werbeplakats des deutschen Brauerbunds nutzt, wird mit seiner groben Optik dem Inhalt kaum gerecht. Die Farbwahl im Inneren, die wohl an helles Bier erinnern soll, setzt das leider fort: bierfarbig hinterlegte Bildtitel, Seitenzahlen und Teaser, altgolden auf schwarz bei den Kapitelüberschriften, sogar komplett gold-bräunlich umrandete oder hinterlegte Seiten – das verbessert weder die Lesbarkeit, noch schmeichelt es dem Auge. Extrem schwer lesbar sind die einleitenden Kurzgeschichten, die den Blick mit schwarzem Text auf goldenen Streifen im Flattersatz komplett verwirren. Die Auswahl der großformatigen, teils ganz- oder doppelseitigen Abbildungen ist dagegen exzellent, das Layout vom Textsatz abgesehen frisch und modern.
Die Quellensammlung für das Buch ist so umfangreich, dass sie aus Platzgründen nur zum Teil abgedruckt werden konnte. Für ein vollständiges Literaturverzeichnis muss man sich auf die Webseite zum Buch begeben, die auch Informationen über andere Publikationen des Autors enthält. Das Literaturverzeichnis versteckt sich im Seitenmenü rechts oben.
Das Buch ist für mich trotz der gewöhungsbedürftigen Optik eine Empfehlung wert, wenn man eine unterhaltsame Einführung in die ältere und jüngere Geschichte des Biers sucht.