Das vorliegende Buch ist eine Übersetzung des 2018 bei der amerikanischen MBAA (Master Brewers Assiciation of the Americas) erschienenen „Dark Lagers” [1] . Für die deutsche Ausgabe wurden nach Angaben der Autoren lediglich die Vorworte ergänzt und die Einheiten der Rezepte umgerechnet.
Zunächst muss man in diesem Buch einiges überblättern: auf den ersten 31 Seiten finden neben dem Inhaltsverzeichnis und Begriffserklärungen nicht weniger als 5 Vorworte und eine Danksagung Platz. Neben den Autoren loben auch Jim Koch (Sam Adams), Garret Oliver (Brooklin Brewery) und für die Untermauerung des seriösen Anspruchs auch die Professoren Martin Gastl (TUM-Weihenstephan) und Josef Fontaine (VLB Berlin) das Werk in den höchsten Tönen.
Den Mittelteil nimmt auf mehr als 30 Seiten der Abdruck der Weyermann®-Produktpalette mit einer kurzen Beschreibung der Eigenschaften und Verwendungsmöglichkeiten der jeweiligen Malzes und der als Aromarad® bekannten Spinnendiagramme der Malzaromen ein (man beachte die sorgfältig gesetzten Trademarks. Nach einer angedrohten Abmahnung bin ich damit sehr vorsichtig).
Immerhin bleiben damit ja noch fast 260 der 320 Seiten für das Hauptthema übrig. Aber Halt, so schnell geht es denn auch nicht, erst einmal begeben wir uns 25 Seiten lang auf eine 10.000-jährige Reise durch die Biergeschichte vom Zweistromland über Ägypten, das Mittelalter und die technische Revolution in England bis zum Einbau der ersten pneumatischen Mälzerei bei Weyermann® in Bamberg. Das ganze ist zwar recht unterhaltsam geschrieben und wir erfahren immerhin, warum dunkle und rauchige Malze nur vom Mittelalter bis ins 19. Jahrhundert so verbreitet waren, aber die restliche Historie liest man in den meisten Braubüchern ganz ähnlich. Die Konzentration auf die Entwicklung der Mälzereitechnik ist wohl dem Koautor geschuldet.
Das nächste Kapitel widmet sich auf 15 Seiten der Entwicklung der untergärigen Brauweise. Da geht es zunächst um das bayerische Reinheitsgebot, das ausschließlich aus dem üblichen offiziellen Blickwinkel des Lebensmittelschutzes gesehen wird. Nur ein Nebensatz erwähnt, dass sich 90% des Textes mit wirtschaftlichen Vorschriften befasste. Ein wenig Häme wird über das Weißbiermonopol verschüttet. Den Einfluss des bayerischen Sommerbrauverbots auf die Entwicklung der Lagerhefen kann man noch ganz gut nachvollziehen. Aber dann das:
„Damit rangiert die bayerische Bierkultur auf der gleichen Ebene wie die beiden anderen klassischen Bierkulturen der Welt, die belgische und die britische. […] Heute gesellt sich zu diesen drei Traditions-Bierkulturen auch die amerikanische Craft-Braukultur als die vierte große Weltbierkraft.” [S. 69f]
Bayern, USA und der Rest der Welt – kein weiterer Kommentar.
Jetzt nur noch weitere 20 Seiten Theorie über die Entwicklung der untergärigen Hefe, die neben interessanten Informationen aus der neueren genetischen Forschung auch einige gewagte Theorien zur Verbreitung der kälteresistenten Einzeller enthält, und schon nähern wir uns – ab Seite 98 – dem Kernthema.
Da geht es zunächst um die Beschreibung der dunklen untergärigen Biersorten: Münchner Dunkel, Thüringer und böhmisches Schwarzbier, dunkle Böcke und Doppelböcke, untergäriges Porter und Mexikanisches Dunkel. Rauch- und Kellerbier würde ich persönlich nicht unbedingt dazuzählen, obwohl es davon auch dunkle Varianten gibt. Dagegen fehlt mir noch das fränkische Rotbier, dass zumindest so gut wie die beiden vorgenannten in die Kategorie der dunklen Untergärigen passt.
Der Rezeptteil, für viele Hobbybrauer sicher das Wichtigste an diesem Buch, ist in drei Kapitel gegliedert: Der erste Teil „Klassische dunkle Lagerbiere” bringt 16 Rezepte für traditionelle Sorten wie Münchner Dunkel, Thüringer Schwarzbier oder Bamberger Rauchbier. Der zweite Teil heißt „Innovative dunkle Lagerbiere” und kombiniert in 12 Rezepten die Traditionsstile mit ungewöhnlichen Zutaten oder Brauarten, bleibt aber „rein”. Der letzte Teil „Experimentelle dunkle Lagerbiere” verlässt schließlich den Boden des deutschen vorläufigen Biergesetzes und erlaubt sich in 13 Rezepten so exorbitante Unreinheiten wie ein untergäriges Bier mit Weizenmalz – Wahnsinn!
Diese Gliederung ist der ursprünglichen Zielgruppe des Buches geschuldet: professionelle Kleinbrauer, die aus rechtlichen Gründen auf dem Boden der deutschen Lebensmittelgesetze bleiben müssen oder wollen und den dritten Rezeptteil dann einfach ignorieren können.
Alle Rezepte wurden in der Weyermann® Versuchsbrauerei oder – besonders in Teil 2 und 3 – in einer Partner-Brauerei gebraut. Sie ähneln in der üppigen Malzauswahl den Rezepten des 2010 ebenfalls in einer Kooperation von Dornbusch und Weyermann® erschienenen „Ultimate Almanac of World Beer Recipes” [2] (später auch in Deutsch als „Die Biersorten der Brauwelt” [3] ). Absolutes Minimum sind 4 verschiedene Malze, aber in den stärkeren Bieren stecken auch bis zu 10 Sorten. Fast hat man den Eindruck, als ob das primäre Ziel der Rezeptsammlung war, alle 40 Malzsorten des Weyermann®-Portfolios irgendwie unterzubringen.
Auch das hat sicher mit der Leserschaft des ursprünglich amerikanischen Buches zu tun, die öfter als europäische Brauer mit sehr einfachen Brauanlagen arbeiten, die keine komplizierten Maischverfahren erlauben. Die Spezialmalze ersetzen Dekoktion, vielfältige Rasten und überlanges Kochen, so dass auch die Pumpenbrauer a’la Braumeister, Grainfather und ihre chinesischen Plagiatoren mit den Rezepten gut auskommen. Besitzer eines traditionellen Mehrgerätesudwerks können dagegen beispielsweise bei einem Münchner Dunkel gut auf 3 bis 4 der 5 Malze verzichten.
Den Abschluss des Buches bilden 28 Kochrezepte mit Bier. Neben den Klassikern wie Biersuppe und Biergulasch finden sich auch einige raffinierte Kompositionen und allgemeine Hinweise zum Einsatz dunkler Biere in Kochrezepten und als Speisebegleiter.
Insgesamt hinterlässt das Buch – wie auch schon damals der Almanac – bei mir einen durchwachsenen Eindruck. Die historischen und technischen Informationen sind meist populärwissenschaftlich, gehen aber teils recht unmotiviert bei Einzelheiten unnötig in die Tiefe. Die Rezepte sind sehr Spezialmalz-lastig und eher auf amerikanische Verhältnisse zugeschnitten. Am interessantesten für mich waren vielleicht die Einblicke in die Mälzereitechnik und ‑historie sowie die Kochrezepte.