Eine Geschichte von Hopfen und Malz
So viel vorab: Dieses Büchlein enthält keine Braurezepte. Auch keine Anlagen-Bauanleitungen, keine Biertypenkunde und keine Verkostungsberichte. Was es hingegen in denkbar kompakter und konzentrierter Form leistet: Es bietet auf 128 Seiten die vollständige kulturhistorische Entwicklung des Biers von prähistorischen Zeiten bis zur Craft-Beer-Bewegung der Gegenwart.
Was die beiden Weihenstephaner Professoren Franz Meußdoerffer und Martin Zarnkow – der eine lehrt Brauwesen, der andere Geschichte des Bierbrauens – hier äußerst kompetent schreiben, ist zwar sehr faktenreich geballt, lässt sich aber noch flüssig lesen; ich habe es an einem Abend verschlungen, und manches ist so unterhaltsam, dass ich laut lachen musste.
Obwohl ich dachte, die Geschichte des Biers schon oft gehört zu haben, barg das Buch für mich etliche Aha-Erlebnisse, die ich vorher noch nicht in Zusammenhang gebracht hatte. Ein paar wahllose, unsortierte Beispiele, aus der Erinnerung zitiert:
- Selbst bei prähistorischen und antiken Bieren wurde schon mit Starterkulturen gearbeitet, zum Beispiel mit Honig, Datteln oder Braubroten zum Aufbewahren der Kulturen. Und Hefe ist praktisch schon ewig bekannt.
- Bis in die frühe Neuzeit waren sämtliche Biere mit Hefe und Laktobazillen mischvergoren; ein sterilisierendes Würzekochen und rein hefevergorene Biere (sowie untergäriges Bier) gibt es wohl erst seit dem 16. Jahrhundert.
- Der Hopfen kam im Frühmittelalter mit den Slawen und brauchte mehrere hundert Jahre zur Durchsetzung, weil er sich weder mit einer konservierenden milchsauren Gärung noch mit dem vielfach gebräuchlichen Hafermalz so recht vertrug.
- Die Grut war wohl nicht (nur) eine Mischung von würzenden Kräutern, sondern (auch) eine Starterkultur und Farbebier. Also fast schon so etwas wie Beerkit-Brauen …
- Bier diente bis in die Neuzeit nicht nur als mikrobiologisch sicheres und vergleichsweise haltbares Getränk, sondern auch als Nahrungs- und Nahrungsergänzungsmittel; sein Konsum ist immer auch im Zusammenhang mit den jeweiligen Ernährungsbedingungen im historischen, klimatischen und regionalen Kontext zu sehen.
- In Barock und Biedermeier nahm mit veränderten Lebens- und Ernährungsbedingungen seine Bedeutung ab; erst die Industrielle Revolution führte mit Porter und bayerischem Lagerbier zu einem Revival als Massengetränk.
Das alles wird in vielen Beispielen recht unterhaltsam belegt. Besonders wohltuend fand ich auch, dass das Reinheitsgebot von 1516 eher nur am Rande erwähnt wird und als das, was es wirklich war: als eine politisch motivierte, lokale Vorschrift unter vielen, nicht etwa als Urknall des Verbraucherschutzes.
Wer sich also für die Kulturgeschichte des Biers interessiert und vor allem ein paar überraschende Zusammenhänge erfahren will, dem kann dieses kleine Büchlein uneingeschränkt empfohlen werden.
Franz Meußdoerffer, Martin Zarnkow
Das Bier
Eine Geschichte von Hopfen und Malz
C. H. Beck Reihe Wissen 2014
ISBN 978 3 406 66667 4
8,95 (D)/9,20 Euro (A/CH)
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