„Von einem verborgenen Winkel aus beobachtete er, wie der Bierbrauer den nächsten zylindrischen, liegenden Tank zur Befüllung vorbereitete und dabei in dessen Inneres sah. Der befreiende Moment war nun gekommen. Ein kurzer, effektiver Schlag mit einem der Hakenschlüssel, die überall im Lagerkeller zum Festziehen der Schlauchverbindungen hingen, und der Brauer sackte in sich zusammen. Mit äußerster Kraftanstrengung hievte er sein Opfer durch das Mannloch in den Lagertank und verschloss diesen. In Kürze würde das Bier den Tank füllen und seine Probleme für immer lösen.”
So beginnt als „Prolog in Schriftdeutsch” der Krimi „Brauerehre” von Andreas Schröfl. Und auch wenn Heimatkrimis mit lokalem Kolorit derzeit Hochkonjunktur haben, so wird bereits hier klar, dass das Buch von jemandem mit tiefster brautechnischer Fachkenntnis geschrieben ist, der zudem Vokabeln wie Flotationstank und Hefekrücke verwendet. Schröfl ist gelernter Brauer und Mälzer, hat in Weihenstephan studiert, fünf Jahre als Braumeister gearbeitet und ist jetzt Projektleiter im Brauereianlagenbau. Und gebürtiger Münchner ist er ebenfalls, so dass sowohl das Fachliche als auch die typisch münchnerischen Befindlichkeiten zu einer in jeder Zeile spürbaren, größtmöglichen Authentizität führen.
Schauplatz ist eine mehr oder weniger fiktive Großbrauerei im Münchner Westend, die Sternbrauerei. In der der „Sanktus”, Alfred Sankjohanser, seines Zeichens gelernter Brauer, gescheiterter ehemaliger Polizist und nach einem Namibia-Aufenthalt gerade wieder nach München zurückgekehrt, den oben geschilderten Mord als Maulwurf aufzuklären versucht. Hinter dem womöglich ein mysteriöser Geheimorden um (wie könnte es anders sein) das Reinheitsgebot steckt. Jeder Münchner Leser wird sich sofort in der Vielzahl vertrauter Schauplätze und Stimmungen zu Hause fühlen. Zumal gerade das Oktoberfest stattfindet: „Wiesn sowieso Droge pur. Kannst Du mit Rauchen und hartem Zeugs vergleichen. Jedes Jahr sagst du wieder, heuer bleibst du daheim – sprich guter Vorsatz an Silvester – weil Trubel zu groß, Massenansturm zu beengend, Kommerz zu erdrückend, Alkoholkonsum zu dominant, Individuen zu kaputt, inzwischen sogar Terrorgefahr!”
Etwas ganz Eigenes ist, wie man bereits an diesem Zitat erkennt, der Schreibstil, der für diejenigen, die der münchnerischen Mundart nicht kundig sind, etwas gewöhnungsbedürftig sein dürfte: Zwar schreibt Schröfl nicht im Dialekt, sondern mit hochdeutschen Vokabeln, jedoch mit einem Satzbau, der umgangssprachlicher Rede entspricht. Am besten gelingt es sich einzulesen, wenn man im Kopf laut mit dem entsprechenden Zungenschlag mitliest.
Ebenfalls ungewöhnlich und wie gesprochenes Wort wirkt es, dass der Leser immer wieder in der zweiten Person direkt angesprochen wird. Zumindest, wenn Erklärungen geliefert werden, die über die eigentliche Handlung hinausgehen: „Du musst wissen, dass ein Sudhaus im Dreischichtbetrieb läuft, weil ein Sud dauert zirka zehn Stunden, egal ob Weißbier oder Helles. Zirka alle zwei bis drei Stunden ist ein Sud fertig. Das heißt dann, er wird ausgeschlagen. (…) Jetzt wirst Du sagen: fachchinesisch, unverständlich. Also kleine Bierkunde: (…)”
Und schließlich kommen zur Verdichtung immer wieder Sätze vor, in denen das Verb fehlt: „Unwohl kein Ausdruck.” „Pietät eher Fremdbegriff.” Oder als Beispiel maximalmöglicher Kondensation, wie sie einem am ehesten in mundartlichen Wirtshausgesprächen begegnet: „Die Ramona hat alles genau wissen wollen und ständig in den Sanktus hineingeredet, Wasserfall Anfänger.” Womit gesagt werden soll, dass verglichen mit ihrem Redeschwall ein Wasserfall wie ein Anfänger wirken würde.
Neben den Vorlieben des Sanktus – ausgedehnte Trambahnfahrten und ein ausgeprägter Fetisch für weibliche Füße – kommt branchenbedingt der Rausch in all seinen Schattierungen vor: „Kennst du das Gefühl, wenn du vor lauter Bierkonsum nur noch ins Bett willst, aber es einfach nicht möglich ist? Du kannst bei den anderen nur noch bruchstückhaft zuhören und dein Gesichtsfeld ist eine Röhre, am besten mit zwei Bildern, weil man gönnt sich ja sonst nichts.”
Für die Krimiliebhaber unter den Hobbybrauern (oder umgekehrt) halte ich es für ein äußerst amüsantes und unbedingt empfehlenswertes Buch. Wobei zumindest ein gewisses Gespür für süddeutschen Sprachduktus zwar keine Voraussetzung ist, das flüssige Lesen aber deutlich vereinfachen dürfte.
„Die Zunft der Brauer musst du mögen. Es gibt wahrscheinlich keine andere Berufssparte, in der jeder jeden so gut kennt.”
Andreas Schröfl: Brauerehre
Gmeiner-Verlag, Meßkirch, 2015
Broschiert, 309 Seiten
ISBN 978–3839217542
Preis in Deutschland: 11,99 Euro