Kri­se der Brau­wirt­schaft – Wirklich?

Jedes Jahr zu Beginn des Win­ters errei­chen uns in einer Pres­se­mit­tei­lung des Braue­rei­ver­ban­des die glei­chen Hiobs­bot­schaf­ten: Der Absatz geht zurück, der Pro-​Kopf-​Verbrauch sinkt ohne­hin, und die gesam­te Brau­in­dus­trie steckt in der Kri­se. Wirk­lich die gesam­te Braubranche?

Sehen wir zunächst ein­mal auf den pro-​Kopf-​Verbrauch: da haben die Sta­tis­ti­ker vom Brau­er­bund wirk­lich Recht. Der Bier­kon­sum je Ein­woh­ner sinkt in Deutsch­land seit sei­nem Allzeit-​Hoch von fast 146 Litern im Jahr 1980 bestän­dig. Der vor­läu­fi­ge Wert für 2022 liegt nur noch bei 79 Litern pro Ein­woh­ner. Ver­läss­li­che Jah­res­zah­len gibt es vom Brau­er­bund für 2004 bis 2021 (könnt ihr die WM-​Peaks erkennen?).

Die Grün­de dafür sind sicher viel­fäl­tig, und grund­sätz­lich ist dar­an auch nichts Bedenk­li­ches. Die Umsät­ze der Brau­in­dus­trie sind näm­lich bis auf einen 10%igen Ein­bruch in den Corona-​Jahren fast sta­bil um die 8 Mil­li­ar­den Euro geblie­ben. Der Bier­trin­ker gibt also nach wie vor die glei­che Men­ge an Geld pro Jahr für Bier aus, trinkt dafür aber weni­ger – und viel­leicht auch bes­se­res Bier?

In Deutsch­land wer­den sol­che Zah­len lei­der nicht erho­ben (oder nicht ver­öf­fent­licht), aber der Trend in den USA zeigt schon seit Jah­ren, dass der Gesamt­um­satz der Brauerei-​Industrie zwar sta­gniert, der Anteil der klei­nen, unab­hän­gi­gen Craft-​Brauereien dar­an aber ste­tig wächst.

Dabei neh­men die Craft-​Brauereien den Groß­braue­rei­en nicht nur Umsatz­an­tei­le, son­dern erzie­len pro Liter Bier auch weit höhe­re Prei­se: bei einer Absatz­stei­ge­rung der Craft-​Brauereien von 7,9% nach Men­ge stieg der Umsatz um 27% über­pro­por­tio­nal. Ange­sichts sta­bi­ler Umsät­ze bei sin­ken­dem Kon­sum ist das auch in Deutsch­land eine plau­si­ble Erklä­rung: Die Kon­su­men­ten trin­ken weni­ger, aber hoch­wer­ti­ge­res Bier.

Zur Unter­maue­rung die­ser The­se sehen wir uns noch zwei wei­te­re Aus­wer­tun­gen der Zah­len des deut­schen Brau­er­bunds an. Die ers­te zeigt die Anzahl der Braue­rei­en grup­piert nach ihrer Grö­ße, wobei ich im Inter­es­se der Über­sicht­lich­keit eini­ge Grup­pen zusam­men­ge­fasst habe. Die Grup­pe mit dem gerings­ten Jah­res­aus­stoß – bis 5.000 Hek­to­li­ter – umfasst dabei vor allem typi­sche Gasthaus- und Mikro­braue­rei­en. Ihre Anzahl wächst ste­tig, kurz vor Coro­na sogar extrem. Die pan­de­mie­be­ding­ten Schlie­ßun­gen und ihre Nach­wir­kun­gen haben die­sem star­ken Wachs­tum zwar einen gehö­ri­gen Dämp­fer ver­passt, der lang­fris­ti­ge Trend zeigt aber für die­se Grup­pe immer noch aufwärts.

Ledig­lich die Strei­fen der grö­ße­ren Brau­rei­en (über 5.000 Hek­to­li­ter pro Jahr) wer­den ste­tig schma­ler; ihre Anzahl hat über die gesam­te Zeit von 639 auf 414 Betrie­be, also um rund ein Drit­tel abgenommen.

Noch deut­li­cher zeigt sich das Pro­blem, wenn wir die Aus­stoß­men­gen der glei­chen Grö­ßen­grup­pen von Braue­rei­en betrachten:

Fast alle Grö­ßen­klas­sen haben ihren Aus­stoß nahe­zu Kon­stant hal­ten oder sogar leicht erhö­hen kön­nen; die 2020 und 2021 durch die Corona-​Lockdowns ver­ur­sach­te Del­le scheint bereits über­wun­den zu sein. Im Gegen­satz dazu sinkt der Aus­stoß der Groß­braue­rei­en mit einer Bier­pro­duk­ti­on ober­halb einer Mil­li­on Hek­to­li­ter im Jahr über den gesam­ten betrach­te­ten Zeit­raum ste­tig. Von über 62,5 Mil­lio­nen Hek­to­li­tern 2006 ging der Aus­stoß der Gro­ßen bis 2021 auf unter 46 Mil­lio­nen Hek­to­li­ter oder um fast 27% herunter.

Als Ursa­chen macht der Brau­er­bund die Lock­downs und die Fol­gen des Ukrai­ne­kriegs aus. Nur wir­ken Pro­ble­me wie der Anstieg der Energie- und Roh­stoff­prei­se nicht nur auf alle Markt­teil­neh­mer, son­dern auf klei­ne­re Braue­rei­en meist sogar stär­ker, weil sie oft die weni­ger ener­gie­ef­fi­zi­en­ten Anla­gen und schlech­te­re Bedin­gun­gen beim Ein­kauf haben. Wie schaf­fen es die „Klei­nen” trotz­dem, ihre Umsät­ze sta­bil zu hal­ten? Hat Qua­li­tät, Kun­den­nä­he, Tra­di­ti­on und Hei­mat­ver­bun­den­heit viel­leicht doch mehr Ein­fluss als Image­wer­bung im TV?

Was heißt es also, wenn uns der Brau­er­bund weis­ma­chen will, das die gesam­te Brau­in­dus­trie glei­cher­ma­ßen in ihrer Exis­tenz bedroht ist, wäh­rend die rea­len Rück­gän­ge fast nur die ganz Gro­ßen betref­fen? Die Braue­rei­en, die jedes Jahr voll­mun­dig Preis­er­hö­hun­gen aus objek­ti­ven Grün­den ankün­di­gen, um sie dann doch immer weni­ge Wochen spä­ter in den Rabatt­schlach­ten der Fern­seh­bie­re wie­der kas­sie­ren zu müs­sen, weil sie es nicht schaf­fen, ihre Kapa­zi­tä­ten der gesun­ke­nen Nach­fra­ge nach ihren Mas­sen­pro­duk­ten anzupassen?

In mei­nen Augen macht das nur ein­mal mehr deut­lich, dass der Brau­er­bund im Wesen ein Lob­by­ver­band der Groß­braue­rei­en ist und sich um die Belan­ge der klei­nen, unab­hän­gi­gen und krea­ti­ven Brau­er nicht schert. Wie seht ihr das?


Gra­fik zum Craft-​Bier-​Trend in USA: Bre­wers Asso­cia­ti­on
Alle ande­ren Gra­fi­ken: Autor auf Basis von Sta­tis­ti­ken des Deut­schen Brauerbunds


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