Bei meinem letzten Sud habe ich erstmalig mein Nachgusswasser mit Milchsäure angesäuert. Vor dem Einsatz in der Praxis hat mich zunächst einmal die Theorie interessiert: Wie kann ich die Menge an Milchsäure vorausberechnen die notwendig ist, um das Nachgusswasser auf einen Ziel-pH-Wert von pH 5,4 einzustellen?
Berechnung der Carbonatalkalinität des Brauwassers
Dazu benötigst Du die Wasseranalyse Deines lokalen Wasserversorgers – die findest Du wahrscheinlich im Netz. Dort entnimmst Du den Wert „Säurekapazität pH 4,3“. Bei meinem Wasserversorger (Gelsenwasser, Wasserwerk Essen-Horst) sieht das so aus [1]:
Bezeichnung | Einheit | Jahres-Mittel 2014 | Min-Wert 2014 | Max-Wert 2014 | Quartals-Mittel 3/2015 |
---|---|---|---|---|---|
Säurekapazität pH 4,3 | mmol/l | 2.07 | 1.64 | 2.36 | 2.18 |
Mein aktueller Wert liegt also bei 2,18 mmol(eq)/l.
Für die Säurekapazität pH 4,3 findest Du in der Literatur auch viele andere Namen – Alkalinität, Säurebindungsvermögen, Carbonathärte und Temporäre Härte sind allesamt Synonyme. Die Säurekapazität ist dabei ein Maß für die „Pufferkapazität“ des Wassers – je höher der Wert, umso größer die Pufferwirkung. Ein Beispiel für eine „ungepufferte“ Flüssigkeit ist destilliertes Wasser. Gibst Du eine Säure hinzu, so wird der pH-Wert unmittelbar entsprechend der Konzentration der zugegebenen Säure sinken. Enthält das Wasser dagegen gelöste Carbonate, so wird der pH-Wert bei Zugabe einer Säure viel weniger stark reduziert, weil die Carbonatsalze freie Wasserstoffprotonen der Säure binden.
In der Natur ist dieser „Carbonatpuffer“ ein sehr wichtiges Regelsystem, um die Schwankung des pH-Wertes in Gewässern, aber auch im menschlichen Blutkreislauf zu begrenzen. Für den Maischeprozess ist der Puffer aber schädlich, denn er hemmt die in der Maische ausdrücklich gewünschte Absenkung des pH-Wertes, optimaler Weise in einen Bereich von pH 5,2−5,6 [2a]. Und wenn die Treber beim Läutern durch das Nachgusswasser ausgewaschen werden ist es wichtig, dass ein Ansteigen den pH-Wertes vermieden wird. Ansonsten können unerwünschte Gerbstoffe (Tannine) extrahiert werden, die eine unangenehme Bitterkeit erzeugen.
Für mein Wasser benötige ich also eine Konzentration von 2,18 mmol(eq)/l Säure, um den pH-Wert auf 4,3 abzusenken. Aber ich möchte ja nicht runter bis auf pH 4,3 – mein Zielwert ist pH 5,4. Also werde ich weniger Säure benötigen, und die Frage ist nun: wie viel weniger?
Aus den Gleichgewichtsreaktionen der Kohlensäure kann ein entsprechender Korrekturfaktor für die Säurekapazität pH 4,3 berechnet werden. Dieser ist in der folgenden Abbildung für Ziel pH-Werte von 5,2 bis 5,8 sowie anfängliche pH-Werte des Wassers von 6,5 – 9,5 aufgetragen, das ist der zulässige Bereich nach der deutschen Trinkwasserverordnung.
Zur Bestimmung des Faktors legst Du eine Senkrechte durch den anfänglichen pH-Wert des Wassers, der auf der horizontalen Achse aufgetragen ist. Beim Schnittpunt dieser Senkrechten mit der Kurve des gewünschten Ziel pH-Wertes liest Du den Faktor auf der Funktionsachse ab.
Für mein Wasser habe ich einen anfänglichen pH-Wert von 7,8 gemessen, und ich möchte einen Zielwert von pH 5,4 einstellen. Der Faktor ist dann 91%.
Berechnung der Acidität und der Säuremenge
Das Gleichgewicht wird sich dann bei dem Zielwert pH 5,4 stabilisieren, wenn genau diese Menge an Alkalinität durch entsprechende Zugabe einer Säure neutralisiert wird.
Zur Neutralisation der Alkalinität des Nachgusswassers kannst Du prinzipiell jede Säure in Lebensmittelqualität verwenden. Milchsäure ist bei Hobbybrauern besonders beliebt, denn milchsäureproduzierende Bakterien kommen ohnehin auf der Oberfläche eines Malzkorns vor, zudem wird Milchsäure von der Hefe als Nebenprodukt der Gärung produziert. Allerdings verbietet das Reinheitsgebot die Neutralisation des Brauwassers und auch das Ansäuern der Maische mit Milchsäure oder jeder anderen Säure. Aber als Hobbybrauer bin ich ja nicht an das Reinheitsgebot gebunden, und weil Milchsäure eben keine „bierfremde Zutat“ ist verwende ich sie ohne schlechtes Gewissen.
Für Milchsäure mit 80% Gewichtsanteil – das ist die übliche Verkaufsform – ist die Acidität über dem Ziel pH-Wert in folgender Abbildung aufgetragen.
Ablesewert aus Abbildung 2: Die Acidität bei pH 5,4 beträgt 10,53 mmol/l.
Die Menge an Milchsäure kannst Du nun wie folgt berechnen:
Geschmackliche Beeinflussung
Ein möglicher Nachteil der Zugabe von Milchsäure ist eine potenzielle geschmackliche Beeinträchtigung des Bieres.
Der Schwellenwert für die Wahrnehmung eines milchsauren Geschmacks wird in der Literatur mit etwa 400 mg/l [2c] angegeben, wobei zu berücksichtigen ist, dass als Nebenprodukt der Gärung zwischen 50 mg/l und 300 mg/l Milchsäure entstehen können [2c].
Die Massenkonzentration der zugegebenen 80%-igen Milchsäure im Brauwasser kannst Du wie folgt berechnen:
Berechnung mit Werten aus vorherigen Beispielen:
Anwendung in der Praxis
Da nur eine sehr kleine Menge an Milchsäure zugegeben wird dosierst Du am besten mittels einer Messpipette und einem Peleusball als Pipettierhilfe.
Die Berechnung solltest Du als Anhaltspunkt verstehen, um die notwendige Menge an Milchsäure vorab näherungsweise zu bestimmen. Du solltest immer den pH-Wert des Wassers und insbesondere den gewünschten Ziel pH-Wert nachmessen und ggf. durch Zugabe von Wasser oder weiterer Milchsäure korrigieren. Mögliche Fehlerquellen sind:
- Die Säurekapazität pH 4,3 aus der Trinkwasseranalyse ist ein Mittelwert, von dem der aktuelle Wert abweichen kann.
- Die für Abbildung 1 berechneten Gleichgewichte stellen sich nicht spontan ein.
- Mein pH-Messgerät ist ein „Billigmodell“ der 20 EUR-Klasse, das ich allerdings vor jeder Verwendung mit entsprechenden Eichflüssigkeiten kalibriere.
Letztlich kannst Du mit diesem Verfahren natürlich auch das Wasser für den Hauptguss auf einen gewünschten pH-Wert einstellen. Hierbei musst Du aber berücksichtigen, dass der pH Wert der Maische niedriger sein wird als der pH Wert des Wassers, ausgelöst durch chemische Reaktionen von malzeigenen Phosphaten mit Calcium-Ionen und bei dunklen Malzen zusätzlich durch saure Reaktionsprodukte aus Maillardreaktionen.
Quellen: [1] Wasserwerk Essen-Horst: Trinkwasseranalyse, November 2015
[2] John Palmer and Colin Kaminski, Water, brewers publications, 2013, S. 60 [a], S. 63 [b], S. 117 [c]
[3] Otto Fischar GmbH: Sicherheitsdatenblatt Milchsäure 80% (2015)