2020 jährte sich der Geburtstag Heinrich Knausts zum 500sten Mal. Mit einem Spätwerk ist der Pädagoge, Dramatiker, neulateinische Dichter und katholische Theologe auch in die Biergeschichte eingetreten. Doch nach der Durchsicht der “Fünff Bücher Von der Göttlichen und Edlen Gabe der Philosophischen, hochthewren und wunderbaren Kunst, Bier zu brawen.” muss man konstatieren: “Oft kopiert, aber doch meist übertroffen”. Denn der Erkenntnisgewinn bei der Lektüre ist überschaubar. Im ganzen dritten Buch kümmert er sich jedoch darum, alle ihm bekannten Biere ihrer Herkunft nach aufzulisten und zu beschreiben. Und darin ist er zumindest dem Umfang nach der erste. Auch wenn er Verzeichnisse von Vorgängern wie Johannes Placotomus möglicherweise in seinem Bierführer verarbeitet hat, war sein Werk mit Abstand das größte und wohl auch erfolgreichste in seiner Zeit. Lesenswert sind seine Beschreibungen der bekanntesten Biere allemal auch heute noch.
Jetzt hat der Kieler Hobbybrauer und Historiker Torge Ulke Knausts Brauereiverzeichnis in Google Maps visualisiert. So wird augenfällig, wo die Schwerpunkte der Wirkungsstätten Knausts lagen: um Hamburg, Wittenberg, Cölln (Berlins Schwesterstadt auf der Spreeinsel), Stendal, Mecklenburg, Demmin, Hamburg, Lübeck, Bremen und zuletzt Erfurt, wo das Werk wohl auch entstand. Der geographische Schwerpunkt liegt in Norddeutschland, genauer im Harzumland.
Dank der Gruppierung in Regionen lassen sich die meisten Orte trotz der alten Schreibweisen gut identifizieren. Einzig Linckquitz, einem der “Dörffer Bier in Düringen”, haften Zweifel an. Möglicherweise ist es gar kein Dorf (die Aufzählung enthält übrigens Städte und Dörfer), sondern wurde nach einem Brauherren und Gutsverwalter benannt. Möglich wäre auch Lengwitz, eine Vorstadt von Arnstadt. Schwierigkeiten bereitet dann nur der lautliche Übergang vom i zum e in der Knaust’schen Schreibweise und dass der Ort von den anderen in der Gruppe der „Dorfbiere” weit entfernt liegt.
Die Detailkenntnis bestimmter Landschaften verraten persönliche Bezüge, die auch als Quelle für Knausts Biographie dienen können. Andere sind wohl Reisen (nach Hamburg, Lübeck, Magdeburg, Danzig und Kopenhagen) und Informanten zu verdanken, nicht zuletzt dem schon genannten Vorläufer Placotomus. Außerhalb des biographischen Fußabdrucks (also Nord‑, Ostsee, Harzraum, Thüringen und Sachsen) werden die Angaben auch gern unscharf (z.B. mit „England”, „Polen”, „Livland”). Auffällig für moderne Leser ist die Leere südlich der Linie Mainz-Würzburg-Bamberg-Prag- Breslau. (Alt-) Bayern und große Teile Böhmens – ein weißer Fleck auf der Bierlandkarte!
Neben der geographischen Ordnung gibt uns Knausts drittes Buch auch Ansatz einer Stilkunde: Er unterscheidet die Biere zunächst nach ihrer Herkunft, dann auch nach ihrer Brauart. Grundsätzlich kennt er Weißbiere und Rotbiere und unterscheidet diese auch noch weiter namentlich: Gose, Broihan als Weißbiere oder Mumme als Rotbier. Hier kann man also schon eigentlich von Bierstilen sprechen. Denn die Gose z.B. wird zwar ihrem Ursprung nach zwar Goslar zugeordnet, darüberhinaus aber auch noch an verschiedenen anderen Orten in unterschiedlichen Qualitäten gebraut (Aschersleben, Blankenburg etc.)
Insgesamt werden 116 Orte aufgeführt. Brauereien, die ihre lokale Brautradition nachspüren wollen, werden in vielen Fällen in Knaust einen Zeugen für ihre Zunftvorfahren finden. Die Google Map von Torge Ulke erleichtert die Prüfung und gibt erste Hinweise. Die vollständige Beschreibung wird man im Originaltext begutachten können.
Über eine grobe Charakterisierung und Bewertung geht es aber auch dort meist nicht hinaus. Ausnahmen sind z.B. das Bier aus Hamburg (Knausts Geburtsort) und das aus Danzig, die ausführlich beschrieben werden. Kein Zufall dürfte es sein, dass die Brauerzunft genau in diesen beiden Städten als Widmungsnehmer (Mäzenen) auftreten. Andere Orte werden teils nur mit dem Namen erwähnt. Im besten Fall gibt es einen Hinweis auf die Zutaten (Rotbier aus Gerste vs. Weißbier aus Weizen). Der Beschreibung eines Brauprozesses widmet Knaust gerade mal eine Seite. Der Titel der fünf Bücher “… von der … Kunst Bier zu brauen” kann also kaum wörtlich genommen werden, und eine Hilfe zur Rekonstruktion der historischen Biere ist er nicht. Denn, so Knaust, wer daran interessiert ist, “kann leicht die Brauer befragen”.