Oder: Wie ich lernte, mein Brauwasser zu lieben
Als ich vor über 6 Jahren mit dem Hobbybrauen begonnen habe, hätte ich es damals beinahe ziemlich schnell wieder aufgegeben, da mir hier in Oberschwaben sehr ungeeignetes Leistungswasser zur Verfügung steht. Daher blieb mir also nichts anderes übrig, als mich mit dem Thema Wasseraufbereitung zu beschäftigen, oder es eben bleiben zu lassen.
Da Letzteres keine Option war, habe ich mir jede Menge Halbwissen angeeignet, das ich auch gerne im Forum weitergebe. Als ich gebeten wurde, für dieses Magazin einen Artikel zu schreiben, habe ich das zuerst abgelehnt, denn mein Wissen ist alles andere als ausreichend fundiert für einen Fachartikel, und wer will schon falsche Dinge veröffentlichen?
Einen Erfahrungsbericht, wie es mir damals gelungen ist, mein Brauwasser in den Griff zu bekommen, schreibe ich dagegen sehr gerne. Mittlerweile macht mir die Wasseraufbereitung regelrecht Spaß, und ich rühre auch gerne mal für Braukollegen den einen oder anderen Hektoliter an.
Allzu tief möchte ich nicht in die Chemie einsteigen, sehr viele gut recherchierte Informationen und einen sehr guten Wasserrechner findet man zum Beispiel hier: http://maischemalzundmehr.de/index.php?inhaltmitte=toolswasser
Die Gesamthärte:
Der erste Brautag mit den Kumpels war eine Vollkatastrophe, alles, was wir hatten, war das Hagen-Rudolph-Buch, dazu keine Ahnung von Whirlpool und Läutertechnik, aber jede Menge Euphorie.
Doch zurück zum Thema Wasser: Gebraut wurde extra bei einem Kumpel, der eine hauseigene Wasserenthärtungsanlage hatte. Irgendwie wussten wir, dass man weiches Wasser braucht, und diese Anlage senkt die Härte von 19° auf 6° deutsche Härte. Also alles prima, oder?
Das Bier war nicht nur aufgrund verschiedener Braufehler gallig bitter, seifig und fast untrinkbar (wir haben es natürlich trotzdem getrunken). Was war los?
Erstens sind die Hopfenmengen in dem Buch viel zu hoch, 35 Bittereinheiten sind einfach zu viel für ein Hefeweizen. Dann noch die WB-06-Trockenhefe, die meiner Meinung nach von sich aus eine seltsame Bittere erzeugt. Und letztendlich das Wasser, das nach der Aufbereitung noch viel ungeeigneter war als davor, was wir aber damals noch nicht wussten.
Als ich kurz darauf krank wurde, hatte ich jede Menge Zeit, mich mit dem Thema Brauwasser zu beschäftigen.
Erste große Erkenntnis war, dass die Gesamthärte (in unserem Fall 19 °dH) erst einmal keine allzu große Rolle spielt. Sie gibt lediglich die Konzentration der Erdalkalimetalle an (vor allem Magnesium, Calcium). Natürlich wirken sich alle Ionen irgendwie auf den Geschmack aus, aber es gibt auch sehr gute Biere mit sehr hartem Wasser.
Die Wasseraufbereitungsanlage tauscht lediglich Calcium- und Magnesiumionen gegen Natriumionen aus. Das senkt zwar die Gesamthärte, da diese sich aus dem Gehalt an Calcium- und Magnesiumionen berechnet, alle pH-erhöhenden Hydrogencarbonate bleiben aber enthalten. Die Hausfrau freut sich, da es mangels Calciumionen beim Kochen keine Kalkflecken mehr gibt und man Waschmittel spart, der Hobbybrauer ärgert sich aber, sind doch Calciumionen für den Brauvorgang förderlich und Hydrogencarbonate unerwünscht.
Die Restalkalität
Worauf kommt es dann aber beim Brauwasser an? Das Zauberwort lautet „Restalkalität“. Primitiv ausgedrückt ist es die Fähigkeit des Wassers, Säure zu neutralisieren.
Das geschieht über gelöste Hydrogencarbonate. Diese entstehen, wenn Wasser, in dem CO2 gelöst ist, durch kalkhaltiges Gestein fließt. Dabei wird unlösliches Calciumcarbonat in lösliches Calciumhydrogencarbonat umgewandelt.
CaCO3 + CO2 + H2O→ Ca(HCO3)2
Das Ganze ist ein reversibles Gleichgewicht, man kann also, wenn man CO2 zum Beispiel durch Kochen austreibt, wieder Calciumcarbonat, also Kalk, ausfällen. Das ist auch der Grund, warum man Calciumhydrogencarbonat nicht isolieren kann. Man kann das CO2 aber auch chemisch binden, siehe weiter unten mit Kalkmilch.
Was passiert jetzt, wenn man Malz in Wasser einmaischt?
Jedes Malz enthält mehr oder weniger saure Bestandteile, die in entmineralisiertem Wasser automatisch einen Maische-pH von circa 5,4 ergeben, was das Optimum für die Enzyme darstellt. Hat man jetzt aber Hydrogencarbonate, dann neutralisieren sie die sauren Bestandteile, und der Maische-pH erhöht sich. Das hat verschiedene Auswirkungen: Die Enzyme arbeiten nicht mehr richtig, die Spelzen werden ausgelaugt (Gerbstoffe lösen sich), und die Bitterstoffausbeute des Hopfens erhöht sich, wobei allerdings auch die Qualität der Bittere sehr leidet.
Dann reagieren aber auch noch Calcium- und Magnesiumionen mit Phosphaten des Malzes und setzen weitere Säuren frei, die dem Effekt entgegenwirken.
Man hat es also mit drei Effekten zu tun:
- Je nach Malzsorte wird der pH-Wert mehr oder weniger stark gesenkt.
- Die Hydrogencarbonate erhöhen den pH-Wert wieder.
- Calcium und Magnesium senken den pH-Wert.
Die letzten beiden Effekte kann man analytisch erfassen und berechnen. Für den Effekt des Malzes gibt es ebenfalls Tabellen, und gute Wasserrechner berücksichtigen auch die Schüttung.
Wenn man jetzt wissen will, wie in welchem Umfang das Wasser den pH-Wert beeinflusst, so berechnet man die sogenannte Restalkalität. Diese berechnet sich aus den Konzentrationen an Hydrogencarbonat, Magnesium- und Calciumionen und berücksichtigt, in welchem Umfang die einzelnen Komponenten säurefördernd sind:
Restalkalität, Karbonathärte, Kalziumhärte und Magnesiumhärte in °dH
In meinem Fall habe ich eine Restalkalität von 12 °dH, was deutlich zu hoch ist. Für dunkle Biere und Hefeweizen sollte man auf jeden Fall unter 10 °dH liegen, für helle Biere unter 5°dH und für sehr helle und hopfenbetonte Biere bei 0 °dH oder sogar darunter.
Was tun bei zu hoher Restalkalität?
Man kann zweierlei tun: Hydrogencarbonate neutralisieren (am besten mit Milchsäure) oder ausfällen (mit Kalkmilch) oder eben die Calciumkonzentration erhöhen (aufsalzen).
Also habe ich 80-prozentige Milchsäure besorgt und das Brauwasser mit einer berechneten Menge behandelt. Der Vorteil von Milchsäure gegenüber Sauermalz ist, dass man sowohl Haupt- als auch Nachguss behandeln kann und sie viel einfacher zu dosieren ist.
Magnesium, Chlorid und Sulfat
Mit dem so behandelten Wasser wurde das Bier schon einmal viel besser. Allerdings gab es bei sehr hopfenbetonten Bieren immer noch einen ordentlichen Kratzer hintenraus, vor allem bei Whirlpoolgaben und bei gestopften Bieren. Eine Offenbarung war dann jedoch ein Hefeweizen, das nur leicht gebittert wurde und absolut rund und ohne Kratzer war.
Was war also nur los mit meinem Wasser? Kurz vor der Verzweiflung kam dann der Hinweis aus dem Forum, dass es ab einer Magnesiumhärte von 3 °dH zu genau den Problemen kommen kann, die mich beinahe zur Verzweiflung getrieben haben.
Ein kurzer Blick in die Wasseranalyse ergab eine stolze Magnesiumhärte von 5 °dH. Was genau das Magnesium anstellt, kann ich nicht sagen, es gibt aber genügend Hinweise in der Literatur. Wie in aller Welt bekommt man aber Magnesium aus dem Wasser?
Auch hier gibt es ein Zauberwort: Split-Treatment-Verfahren mit Kalkmilch. Hierbei setzt man dem Brauwasser Calciumoxid oder Calciumhydroxid zu. Ersteres reagiert unter starker Wärmeentwicklung zu Zweiterem, und beide reagieren mit Wasser stark alkalisch.
Hierbei wird CO2 chemisch gebunden, und alle Hydrogencarbonate werden in Carbonate umgewandelt:
Ca(HCO3)2 + CaO → 2CaCO3 + H2O
Im Falle von Calcium ist man jetzt fein raus, es fällt nämlich aus, und das Hydrogencarbonat wird ebenfalls entfernt. Bei Magnesium bildet sich aber das wasserlösliche Magnesiumcarbonat. Der Trick ist jetzt, dass man nur circa zwei Drittel des Brauwassers mit der gesamten Menge Kalkmilch behandelt, wobei man in den stark alkalischen Bereich kommt. Hierbei wird das Magnesiumcarbonat zu Magnesiumhydroxid hydrolisiert, das ebenfalls ausfällt. Dadurch kann man den Magnesiumgehalt ungefähr halbieren. Danach kann man das restliche Wasser zugeben und eventuell noch mit Milchsäure die Restalkalität vollends senken.
Die Gefahr ist, dass man zu viel Kalkmilch einsetzt und dann im stark alkalischen Bereich landet, was für den Maische-pH fatal ist. Daher berechne ich die Kalkmilchmenge nur bis zu einer Restalkalität von 3 °dH und neutralisiere den Rest mit Milchsäure.
Mit einem derart behandelten Wasser kann ich problemlos Hopfenorgien feiern, wie es mir gerade beliebt, da kratzt nichts, und es hängt nichts nach.
Das i‑Tüpfelchen ist dann noch das Aufsalzen mit Calciumchlorid und Calciumsulfat. Zum einen werden hierbei dem Wasser wieder Calciumionen zugeführt, die wichtig für die Enzyme und die Hefe sind und die Restalkalität zusätzlich senken, zum anderen kann man den Chlorid- und Sulfatgehalt manipulieren.
Wie viel Chlorid und wie viel Sulfat, ist ein ziemlich heiß diskutiertes Thema. Allgemein kann man sagen, dass Sulfat eher den Hopfencharakter und Chlorid eher den Malzcharakter des Bieres fördert. Man sollte es mit Chlorid aber nicht übertreiben, ab 75 mg/l kann es zu Korrosion am Braugerät führen. Bei Sulfat findet man vor allem bei IPAs teilweise sehr extreme Werte von 200 mg/l und darüber, normalerweise sind es aber nicht mehr als 100 mg/l.
Meine aktuelle Vorgehensweise:
Mittlerweile habe ich eine Art Standardverfahren für mein Brauwasser entwickelt, mit dem die meisten Biere sehr gut werden. Bei sehr dunklen Bieren und solchen mit sehr wenig Hopfen säuere ich lediglich mit Milchsäure an, ansonsten kommt die gesamte Breitseite mit Kalkmilch, Ansäuern und Aufsalzen zum Einsatz.
Zuallererst noch eine kleine Warnung zum Umgang mit Calciumoxid beziehungsweise Calciumhydroxid:
Es muss unbedingt trocken und luftdicht aufbewahrt werden, da es CO2 aus der Luft bindet und unbrauchbar wird. Außerdem ist es stark ätzend, und man sollte es auf gar keinen Fall in die Augen bekommen, da die Hornhaut dauerhaft trüb werden kann. Ob man Calciumoxid oder Calciumhydroxid einsetzt, ist eigentlich egal, Calciumoxid entwickelt allerdings beim Lösen sehr viel Wärme, und man braucht die 0,75-fache Menge im Vergleich zu Calciumhydroxid.
Zuerst einmal die Ausgangssituation. Ich habe folgende relevanten Wasserwerte:
Calcium: 106 mg/l, Magnesium: 21,6 mg/l, Chlorid: 22 mg/l, Sulfat: 20 mg/l und eine Säurekapazität bis pH 4,3 von 5,94 mmol/l.
Das sind knapp 12 °dH Restalkalität und 5 °dH Magnesiumhärte. Angenehm ist der niedrige Chlorid– und Sulfatgehalt, dadurch hat man viel „Luft“ nach oben zum Aufsalzen.
Da durch die Kalkmilch viel Calcium entfernt wird, Calcium aber für den Brauprozess wichtig ist (vom Maischen bis zur Gärung), salze ich immer zusätzlich auf, zumal die Biere dadurch voller im Geschmack werden.
Für 100 Liter Brauwasser mache ich Folgendes:
60 Liter kaltes Leitungswasser vorlegen und 15 g Calciumoxid (entspricht 20 g Calciumhydroxid) zugeben und gut umrühren. Es entsteht eine milchige dünne Suspension. Der pH-Wert liegt dann nach einigen Minuten bei pH 11. Zusätzlich gebe ich noch 10 g Calciumchlorid-Dihydrat zu, Calciumsulfat noch nicht, da ich die Bildung des Bittersalzes Magnesiumsulfat verhindern will. Dann warte ich meist über Nacht, und der ausgefallene Kalk hat sich sehr kompakt auf dem Boden abgesetzt, der pH-Wert liegt jetzt bei 10. Dann kommen die restlichen 40 Liter Wasser dazu, und es wird noch einmal umgerührt, der pH liegt dann bei pH 8,5. Nach ein paar Stunden haben sich die ausgefallenen Salze wieder abgesetzt, und man kann circa 95 Liter Wasser abziehen. Den Bodensatz entsorgt man natürlich und freut sich über die vielen Salze, die man dem Wasser entzogen hat.
Dann kommen noch 8 g Calciumsulfat und 5 ml 90-prozentige Milchsäure dazu, wodurch man ziemlich genau bei pH 7,0 landet.
Die Restalkalität liegt nun laut den meisten Rechnern im leicht negativen Bereich. Da aber nicht berücksichtigt wird, dass für das Ausfällen des Magnesiums im Vergleich zu Calcium doppelt so viel CaO verbraucht wird, sollte sie eher etwas höher liegen. Chlorid und Sulfat liegen bei circa 70 mg/l, was meiner Meinung nach ein guter Mittelwert ist.
Das hört sich alles furchtbar kompliziert an, wenn man es aber ein paar Mal gemacht hat, ist es ein Kinderspiel, und man verbessert die Bierqualität um Welten.
So viel zu meinen Erfahrungen im Umgang mit meinem Brauwasser, vielleicht ist es ja dem einen oder anderen eine kleine Anregung.
Genaue Wasserwerte bekommt man vom Wasserversorger, meist stehen sie irgendwo im Netz, ansonsten einfach nachfragen. Elementar sind die Calcium- und Magnesiumwerte sowie die Säurekapazität beziehungsweise die Carbonathärte.
Stefan, ganz herzlichen Dank für deinen wunderbaren Artikel mitten aus dem Hobbybrauerleben.
Ich habe mich, mit den gleichen Problemen, sofort wieder erkannt. Und seit ich mein stark Carbonat-haltiges süddeutsches Wasser nach deiner Methode behandele, gelingt sogar das Münchner Hell ganz hervorragend.