Weihnachten gilt in Deutschland heute als ein Fest der Ruhe, des Friedens und Besinnlichkeit, das man im kleinsten Kreis der Familie unter dem Weihnachtsbaum und vor dem Fernseher verbringt. Bei uns ist das etwas anders, denn zumindest an einem Tag veranstalten wir in großem Kreis quasi unseren privaten Weihnachtsmarkt. Dabei kommen die vier Generationen der Großfamilie möglichst vollständig zusammen und frönen aller Leckereien, die so ein Weihnachtsmarkt zu bieten hat. Am Abend spielt dabei der Glühwein eine Hauptrolle und wird oft in Unmengen vertilgt.
Diese Jahr steigt das Fest bei uns und da ich nun einmal Brauer und kein Winzer bin, will ich den Abend heuer mit Glühbier statt ‑wein bestreiten. Die meisten werden dieses heiße, gewürzte Bier zumindest schon einmal auf einem Weihnachtsmarkt zu sehen bekommen haben. Die Qualität ist dort aber oft zweifelhaft. Wie so oft, gilt auch hier: wenn es gut werden soll, mach’s selbst.
Welche Rolle Glühbier historisch spielte, ist nicht ganz klar. Warmes Bier wird zwar schon seit Jahrhunderten getrunken und auch als mehr oder minder angenehme Medizin zur Linderung verschiedenster Leiden benutzt. Gewürze haben in der Hochzeit des Gruitbiers eine Rolle gespielt, als statt Hopfen eine Mischung aus Kräutern und Gewürzen zur Bitterung, Aromatisierung und Konservierung des Biers benutzt wurde. Das waren in der Regel aber einheimische Zutaten; die heute üblichen exotischen Gewürze wie Zimt, Kardamom, Ingwer, Vanille und Muskat waren unbekannt oder unerschwinglich.
Das moderne Glühbier wurde von der belgischen Brauerei Liefmans erst in den 1990er Jahren „erfunden” [1]. Basis war ihr St. Louis Kriek, ein (für meinen Geschmack zu stark) gesüßtes Kirschbier auf Basis eines Lambic. Die Herstellung ist relativ aufwändig, denn die Kirschen werden erst zugegeben, wenn das Lambic schon ein Jahr gereift ist. Danach steht das Bier nochmals ein knappes Jahr auf den Kirschen [4]. Für das Glühbier wird am Ende noch eine streng gehütete Gewürzmischung zugesetzt.
Eine andere Interpretation des Glühbiers braut die Stralsunder Störtebeker Brauerei [2]. Hier wird zu einem Lager neben winterlichen Gewürzen wie Zimt und Nelken auch Holundersaft zugesetzt, der für die kräftig rote Farbe und den fruchtigen Geschmack des Biers sorgt.
Ein dritter Vertreter der Glühbier-Garde wird in Detmold bei der Privat-Brauerei Strate gebraut. Hier ist es allerdings die Industrie-Variante: nach eigenen Angaben [3] wird ihr Pilsner mit Kirschsaft, Aromen und Vitamin C versetzt.
Die meisten Rezepte für hausgemachtes Glühbier gehen von einem dunklen Bier aus. Wichtig ist, dass es nicht zu bitter und trocken ist. Ein malziges Münchner Dunkel eignet sich ebenso wie ein dunkler Bock und ein dunkles Weizen oder Weizenbock. Der Alkoholgehalt des Glühbiers wird vor allem vom Basisbier bestimmt; hier sollte man also eher nicht zur Bock- oder Doppelbock-Variante greifen, wenn man mehr als ein oder zwei Gläser trinken will.
In den meisten Rezepten wird zwischen 10 und 40 Prozent Kirsch- oder Orangensaft zugesetzt, um ein säuerlich-fruchtiges Aroma ins Glühbier zu bringen. Kirschsaft hat dabei nicht nur die interessantere Farbe, er passt für mich auch geschmacklich mit seinem leichten Mandel-Aroma besser in die weihnachtliche Grundstimmung.
Zucker und/oder Honig ist ebenso Pflicht. Er sorgt insbesondere im warmen Getränk für Vollmundigkeit und mildert die Fruchtsäure aus dem zugesetzten Saft. Die Menge ist Geschmackssache; ich habe Angaben von 10 bis über 100 Gramm Zucker pro Liter gefunden (Durchschnitt: 40g/l). Schwächere, trockenere Basisbiere und säurestarke Säfte verlangen nach mehr Zucker als ohnehin meist schon relativ süßliche Starkbiere. Fehlt Säure, kann auch etwas Zitronensaft zugegeben werden; in den untersuchten Rezepten waren das gegebenenfalls 2 bis 20 Milliliter pro Liter.
Die Gewürzmischung ist ebenso individuell. Zimt (A, eine halbe bis 2 Stangen pro Liter), Sternanis (B, 1 bis zwei Stück pro Liter) und Nelken (K, 2 bis 8 Stück pro Liter) waren Zutaten bei den meisten Rezepten. Dazu können sich geringe Mengen von Kardamom (F), Muskat (M), Piment (L), frischer Ingwer © und das Mark einer Vanilleschote gesellen. Wem die Herstellung dieser Gewürzmischung zu aufwändig ist, kann sich mit etwa 2 Tütchen fertig gemischtem Glühweingewürz (Glühfix) pro Liter behelfen.
Nur zur Vollständigkeit: Macis (D), Fenchel (E), Koriander (G) oder Anis (H) werden in den vorliegenden Glübierrezepten nicht verwendet.
Wenn die Mischung nun noch nicht alkoholhaltig genug ist, kann man etwas Rum zusetzen. Das war in etwa einem Drittel der Rezepte angegeben. Die Menge schwankte dabei zwischen 10 und 140 (!) Milliliter Rum pro Liter Glühbier. Für meinen Geschmack ist das selbst bei einem leichten Basisbier unnötig.
Für mich hat sich aus dem Studium der verschiedenen Rezepte folgendes als optimale Variante herausgestellt:
- 2 Flaschen malzig-vollmundiges Dunkles Bier,
z.B. Weltenburger Barock Dunkel oder Ayinger Altbairisch Dunkel - 0,5 Liter Sauerkirschsaft
- 50g Zucker oder 60g Honig
- 1 Zimtstange
- 2 Nelken
- 1 Sternanis
- 2 Esslöffel Zitronensaft
Ingwer ist nicht jedermanns Sache. Neben dem typischen Aroma bringt er auch Schärfe in das Getränk, die leicht übertrieben werden kann. Wer es mag, kann ½‑1 Teelöffel frisch geschnittenen Ingwer zusetzen. Eine Prise Muskat und das Mark eineer Vanilleschote sind ebenso optional.
Das ergibt gut 1 ½ Liter Glühbier. Die Zubereitung ist denkbar einfach: alle Zutaten in einen Topf geben und das Ganze vorsichtig bis auf etwa 70°C erwärmen. Keinesfalls aufkochen, da der Alkohol dann verdampft und nur Kinderpunsch entsteht.
Jetzt kann noch abgeschmeckt und je nach Vorliebe zusätzlicher Zucker oder Zitrone zugegeben werden. Das Glühbier etwa 15–20 Minuten abgedeckt stehen lassen und dann servieren. Schänkt man nicht sofort die ganze Menge aus, sollten die Gewürze wieder entfernt werden. Das funktioniert einfacher, wenn man sie zuvor in ein Säckchen oder Teeei gegeben hat.
Prosit und Frohe Weihnacht!
Quellen:
- Liefmans Glühkriek: http://www.gluehbier.de/
- Störtebeker Glühbier:
https://www.stoertebeker.com/brauhandwerk/brauspezialitaten?id=Gluh-Bier - Detmolder Glühbier:
http://www.brauerei-strate.de/index.php?id=00000055&SID=272fd5eb4349feed - Biersommerlier Stephan Butz im METRO Genussblog:
http://www.metro-genussblog.de/gastbeitrag-von-biersommerlier-stephan-butz-gluehbier-was-ist-das-denn/
Bildnachweis:
- Titelbild (Zimt): Simon A. Eugster über Wikimedia Commons
- Weihnachtliche Gewürze: SKopp über Wikimedia Commons
- Liefmans Glühkriek: Brauerei Liefmans
- Weltenburger Barock Dunkel: Klosterbrauerei Weltenburger
Sehr schöner Artikel, vielen Dank. Da ich zufällig genau heute die UG-Saison einläute und ein dunkles Lagerbier brauen werde, werde ich in jedem Fall ein paar Flaschen für das Rezept reservieren.
Pingback: Glühwein selber machen - Mit diesen Tipps zum unwiederstehlichen Heißgetränk - Die Fotobrauer
Danke für diesen ausgezeichneten Artikel den ich gerade rechtzeitig vor dem Advent 2017 entdeckt habe.
Natürlich gleich einmal zu Hause ausprobiert bevor ich ein Glühbier auf der Weihnachtsfeier auf die KollegInnen loslasse, nach folgendem Rezept (ein wenig experimentiert):
1 Weltenburger Barock dunkel
1/8 l kräftiger Rotwein
1/8 Wasser
Zucker und Honig nach Geschmack, 1 Schluck Rum
Vanillezucker, Zimtstangen, Gewürznelken, Orangenschlaen (getrocknet)
Danke für den Tipp mit „vorsichtig auf 70° erwärmen und dann ziehen lassen!”.
Das Ergebnis war umwerfend (zumindest nach meinem Geschmack).
Freut mich, dass das Glühbier auch ein Jahr nach dem Artikel noch seine Freunde findet. Ich halte es auch immer noch für eine vollundigere, geschmackvollere Alternative zum weihnachtlichen Glühwein.
Eine Cousine hat mir neulich für einen gemeinsamen Abend aufgetragen, bitte „für heute Abend” (!!) die nötigen Zutaten zu besorgen und diese mitzubringen, sie würde das gerne mal probieren! Ups!
Zum Glück habe ich dann recht schnell diesen Artikel samt Rezept gefunden und dabei auch zu meiner Überraschung festgestellt, dass ich kurz nach Erscheinen vor sechs Jahren schon mal einen Kommentar druntergeschrieben, das Rezept aber nie ausprobiert hatte 😉
In jedem Fall war alles sehr schnell umgesetzt, und das Ergebnis war für alle Beteiligten sehr zufriedenstellend: leicht aber wärmend, durchaus komplex und lecker! Wie so oft beim Kochen steht und fällt vieles mit der Qualität der Zutaten, aber vor allem die nicht ganz billige ganze Vanilleschote hat sich voll gelohnt. Von allen oben genannten Zutaten haben wir nur den Muskat weggelassen. Beim Ingwer waren wir vorsichtig (ca. 1 ccm), und erst zuletzt haben wir mit Zitronensaft die Säure angepasst.
Im Kopf muss man sich ein wenig umstellen, da das Glühbier doch deutlich leichter ist als ein Glühwein, aber man kann bei ca. 3% Alkohol auch mehr davon trinken und wird des schweren, süßen Getränks nicht überdrüssig!
Ich würde es also definitiv wieder tun, und zwar genau so!