Georg Tscheuschner braut das stärkste Bier der Welt
Oberasbach Der „Schorsch” ist 47 Jahre alt. Er bestreitet seinen Lebensunterhalt damit, Biere mit einem Alkoholgehalt zwischen 13 und 57,7 Vol.-% zu brauen. Seine Bandbreite beginnt also da, wo die anderen aufhören. Dabei hatte der Diplom-Braumeister eigentlich einmal ganz normal angefangen. 1996 öffnete seine „Schorschbräu” in Oberasbach ihre Pforten und bot klassisch ein helles und ein dunkles Bier an. Später folgten auch ein Weizen und 1998 der erste Bock. Der kam bei den Kunden prächtig an. 8.000 Flaschen waren in drei Monaten verkauft – und der Schorsch hatte sein Steckenpferd gefunden.
Die Grenzen der Braukunst
Dazu kam eine Wette. Beim Treffen mit einem Weihenstephaner Braumeister-Kollegen fachsimpelten die beiden darüber, wo wohl das Ende der alkoholischen Fahnenstange bei den Bockbieren sei. Die Kulmbacher Brauerei (EKU) hatte zu diesem Zeitpunkt ihren Kulminator, auch EKU 28 genannt, auf dem Markt, mit 11 % Alkohol. Dieses Bier galt als stärkstes der Welt und die 11 % Alkohol als absolutes Maximum – innerhalb der Grenzen des Reinheitsgebotes. Doch Georg Tscheuschner beschloss, auch diese Grenzen auszuloten, und machte sich ans Werk. Im Jahr 2000 war es geschafft, ein kleines Fässchen Bockbier mit 12 % Alkohol stand in der Schorschbräu. Ein Jahr später legte er noch ein Prozent drauf. Der Schorschbock mit 13 % eroberte den Titel „stärkstes Bier Deutschlands”, natürlich zum Missfallen der Kulmbacher Braumeisterkollegen.
Die Essenz des Bieres
Mit akribischer Arbeit im Sudhaus konnte Tscheuschner die Grenzen noch weiter ausdehnen und schaffte es 2004, sowohl ein Lager- als auch ein Weißbier mit je 16 % Alkohol zu brauen. Damit war endgültig die Aufmerksamkeit der Medien geweckt. Die fanden allerdings heraus, dass der junge Braumeister Thorsten Schoppe mittlerweile in Berlin ein Bier mit 27 % Alkohol auf seiner Liste hatte. Auf der Suche nach dem Unterschied war schnell klar, dass Schoppe seinen hohen Prozentsatz nicht mehr über den normalen Weg der Bierherstellung erreicht, sondern auf die Eisbock-Methode zurückgegriffen hatte. Dabei wird das Starkbier bei mindestens minus 20 Grad eingefroren. Das Wasser wird zu Eis, übrig bleiben der Alkohol und die Aromen, quasi die Essenz des Bieres. Das faszinierte den Franken, und der Schorsch baute sich einen Eiskeller. Kurz darauf hielt er eine Probe Eisbock mit 31 % Alkohol in der Hand – das offiziell stärkste Bier der Welt.
Die Schotten auf den Plan gerufen
2007 verkaufte Tscheuschner den letzten Liter normales Bier und stellte ausschließlich auf Starkbier um. Seine Geschichte machte in der weltweiten Bierszene die Runde, und die kreativen Punkbrauer von BrewDog aus Schottland sahen sich herausgefordert, die „britische Brauerehre” zu verteidigen. 2009 lancierten sie mit „Tactical Nuclear Penguin” ein Bier mit 32 % Alkohol und drehten dazu ein Video mit einer Kampfansage an den fränkischen Extrembrauer. Der ließ sich nicht lumpen und schlug zurück, mit dem Schorschbock 40 %. Die geschockten Schotten brauten abermals zurück und schufen ein 41-%iges Bier namens „Sink the Bismarck”. Auch hier gab es ein entsprechendes Video mit eindeutigen Reminiszenzen an den Zweiten Weltkrieg. Der unaufgeregte Franke nahm diesen Ball jedoch nicht auf: „Ich bin ein friedliebender Mensch, auf so eine Thematik würde ich mich nie einlassen.” Dennoch kreierte er den Schorschbock 43 % und holte sich die Krone zurück. BrewDog konterte mit einem echten Hammer: „End of History” wies stolze 55 % Alkohol auf – und war in ausgestopften Eichhörnchen verpackt, was die Tierschützer auf den Plan rief.
Wer zuletzt lacht …
„Es ist aber erst vorbei, wenn der Schorschi das sagt”, sagt Georg Tscheuschner. „Dann habe ich eben einen Schorschbock mit 57,7 % gemacht.” Das war 2012, und die Schotten haben seitdem anscheinend die Lust an dem Wettkampf verloren. Selbst ihr 55-%iges Bier brauen sie nicht mehr, weswegen Schorschbock 57 % und Schorschbock 41 % nun die ersten beiden Plätze in der inoffiziellen Bier-Weltrangliste innehaben. „Seitdem hat sich keiner mehr seriös dem Wettkampf gestellt”, bedauert der Schorsch, „ich würde mich freuen, wenn es weiterginge. Ich glaube, die Grenze ist noch nicht ganz erreicht.” Mit den Schotten könnte er sich sogar einen „Collaboration Brew” vorstellen, also ein gemeinsames Bier, aber ein Treffen kam bisher nicht zustande. Sicherlich hat es auch viel damit zu tun, welcher Aufwand hinter den monströsen Eisböcken steckt. 20-mal muss Georg Tscheuschner sein 13-%iges Bier bei minus 40 Grad einfrieren, bis er am Ende den Bock mit 57,7 % in Händen halten kann. Dabei braucht er 50 Liter Bockbier für einen Liter Endergebnis. Das begründet auch den Preis: 0,33 Liter des stärksten Biers der Welt kosten schlappe 200 Euro.
Noch viel zu tun
Mangels Konkurrenz hat sich der Schorsch noch eine weitere Spielwiese zugelegt: Er experimentiert damit, seine Biere in Holzfässern zu lagern oder über Kalthopfung eine intensive Hopfenaromatik hineinzubringen. Von diesen limitierten Bieren gibt es meistens nur weniger als 1.000 Flaschen, und sie werden als „hidden batches”, versteckte Sude, von den Sammlern heiß begehrt. Außerdem gibt es Nachwuchs beim Schorsch. Vor sechs Monaten wurde er zum zweiten Mal Vater, und auch das ältere Geschwisterchen ist gerade einmal vier Jahre alt. „Da muss ich noch eine Zeit lang arbeiten, bis hier ein neuer Braumeister heranwächst”, konstatiert der Schorsch. Wir wünschen ihm viel Erfolg und sind gespannt, ob Tscheuschner in den nächsten Jahren die magische 60-%-Grenze noch anpeilen wird. Zuzutrauen ist es ihm.
Markus Raupach ist Biersommelier und mit seiner GuideMedia-Werbeagentur auch Verleger einiger seiner vielfältigen kulinarischen, bier- und weinaffinen Führer. Er hat bis heute etwa 20 Bücher veröffentlicht, darunter mehrere Brauereiführer für Franken und Bayern. 2012 wurde er in seiner Heimatstadt mit dem Bamberger Bierorden ausgezeichnet (Foto). Mit seiner Deutschen Bierakademie organisiert er Bierseminare und ‑touren in ganz Deutschland, Österreich und der Schweiz.