Das schwar­ze Huhn

Das Dorf, der Fluss und sein Bier
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Das Bier, der Fluss und sein Dorf

Das Dorf Gras­dorf ist seit jeher eng mit dem Fluss Inners­te ver­bun­den – nicht nur, dass die ört­li­che Müh­le von der immer­wäh­ren­den Kraft des Was­sers lebt, die Lau­nen der Inners­te haben hier immer schon einen prä­gen­den Ein­fluss hin­ter­las­sen und an ihren male­ri­schen Ufern und auch im Was­ser hat jede Gene­ra­ti­on der Gras­dor­fer Bevöl­ke­rung einen wich­ti­gen Teil ihrer Jugend und Frei­zeit verbracht.

Die land­schaft­li­che Ein­bet­tung der Ort­schaft im Innerst­e­tal, ein­ge­rahmt von Ohe­berg und Baren­berg inmit­ten von Wäl­dern ist unge­mein reiz­voll und schön. Die Bewoh­ner lie­ben ihren Ort und schät­zen die Dorf­ge­mein­schaft. Damit das auch so bleibt, wur­de 2007 ein Pro­jekt mit aus­wär­ti­ger Mode­ra­ti­on gestar­tet, wo sich alles um die zen­tra­le Fra­ge dreh­te: was muss Gras­dorf, was müs­sen sei­ne Bewoh­ner tun, damit auch in 25 Jah­ren alle Bewoh­ner, jun­ge und alte, ger­ne und in Frie­den mit­ein­an­der leben mögen.

Es wur­den vie­le Vor­ha­ben begrün­det, und als zeit­lich nahe lie­gen­des Pro­jekt ent­stand der Wunsch, wie­der mal ein schö­nes Dorf­fest zu fei­ern. Der Fest­aus­schuss, der mit der Vor­be­rei­tung beauf­tragt wur­de, grü­bel­te lan­ge dar­über, was es denn Beson­de­res und Aus­ge­fal­le­nes zu essen oder trin­ken geben könn­te. Dann war da die Idee, ein eige­nes Gras­dor­fer Bier zu brau­en. Eine Grup­pe von ent­schlos­se­nen Män­nern fand sich erstaun­lich fix und begann Anfang 2008 unter Anlei­tung eines Brau­meis­ters mit einer ers­ten Klein­men­ge von 20 Litern.

Nach zwei wei­te­ren Ver­su­chen wur­de dann für das Dorf­fest die ers­te Groß­men­ge von 300 Litern gebraut – in der zu gro­ßen Tei­len selbst gebau­ten Brau­an­la­ge. Es wur­de ein vol­ler Erfolg. Das Brau­en und auch die Vor­be­rei­tun­gen dazu waren span­nend und vol­ler krea­ti­ver tech­ni­scher Pro­blem­lö­sun­gen. Auf der Suche nach einem wür­di­gen Namen für die­ses beson­de­re Bier stie­ßen die Brau­er auf den Hei­mat­dich­ter und Schrift­stel­ler Wil­helm Raa­be und sei­ne Novel­le „Die Inners­te“ . Hier wird die Legen­de vom schwar­zen Huhn erzählt, und die­ses Huhn wur­de zum Namens­ge­ber des Bie­res gemacht – aus gutem Grund:

Die Legen­de vom „Schwar­zen Huhn“

Von alters her stammt die Legen­de vom gel­ben Fluss – der Inners­te – die im Wür­ge­griff der gift ́gen Pocher­san­de gequäl­te Schreie ausstößt.
Wenn das Was­ser, die Inners­te, geschrie­en hat, so will sie ihren Wil­len haben, und wehe! wenn sie den nicht kriegt. Ein leben­di­ges Land­tier for­dert sie für ihren gie­ri­gen Hun­ger, und am liebs­ten ist ihr ein schwar­zes Huhn; wes­halb, das weiß man nicht. Bekommt sie ihren Wil­len nicht in Zeit von vier­und­zwan­zig Stun­den, wird ihr das Huhn nicht mit gebun­de­nen Füßen und Flü­geln in den Rachen gewor­fen, so hilft sie sich selbst. Sie ver­steht es, sich sel­ber zu hel­fen, und holt sich einen Men­schen – ohne Gna­de und Gegen­wehr einen Men­schen – und zwar noch in dem näm­li­chen Jah­re. Manch­mal war­tet sie heim­tü­ckisch bos­haft bis in die letz­te Stun­de; aber sie erhascht ihr Opfer, und soll­te es auch erst in der letz­ten Minu­te des letz­ten Dezem­ber­ta­ges geschehen.

(Wil­helm Raa­be: „Die Inners­te”, 1874)

Soweit die Legen­de und jetzt kom­men wir mit unse­rem Bier….

So wur­de die­ses Bier gebraut, um den Bestand an schwar­zen Hüh­nern im Innerst­e­tal zu scho­nen, denn ein Maß davon ver­mag die Inners­te zu besänf­ti­gen – ein zwei­tes gereicht uns zum Wohle.

Schon beim Dorf­fest wur­de die Tra­di­ti­on begrün­det, der Inners­te das gewünsch­te Opfer zu brin­gen. So gibt es bei jedem Bier­fest den Marsch der Brau­er mit Musik zur Inner­s­te­brü­cke, wo ger­ne mit pro­mi­nen­ter Betei­li­gung und unter gro­ßer Anteil­nah­me der Bevöl­ke­rung der Inners­te das Opfer nach Dekla­ma­ti­on der Legen­de dar­ge­bracht wird. Und es ist „heim­lich“ fest­zu­stel­len, dass Gras­dorf von Hoch­was­ser­schä­den durch die Inners­te seit mehr als 10 Jah­ren ver­schont geblie­ben ist … in ande­ren Orten, die an der Inners­te lie­gen, war sie nicht so gnädig.

Die Braugruppe bei der Deklamation der Legende (in der Mitte der Landrat des Landkreises Hildesheim als prominenter Gast) Foto: Michael Vollmer

In einer langen Prozession ging es unter großer Beteiligung der Bevölkerung mit dem schwarzen Huhn „Luna“ zur Innerste. Foto: Michael Vollmer

Und dann das Opfer: auf der Innerste-Brücke kippen Hans-Adolf Knopp und Landrat Olaf Levonen jeweils einen Liter Bier in die Fluten. Doppelt hält besser. Foto: Michael Vollmer

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