Oft wird behauptet, es gebe zwei Arten von Hobbybraubüchern: akademisch geprägte, mit denen ein Einsteiger hoffnungslos überfordert sei, und von Praktikern geschriebene, die einem vermeintlich unnütze Theorie ersparen. Das Buch Mastering Homebrew: The Complete Guide to Brewing Delicious Beer von Randy Mosher beweist nun eindrucksvoll, wie falsch und sinnlos solch eine Unterteilung ist. Mit beiden Gehirnhälften zu brauen – wissenschaftlich und künstlerisch – das ist das große Credo dieses Buches.
Randy Mosher ist vielen Hobbybrauern vor allem durch sein auch hierzulande Kultstatus genießendes Buch Radical Brewing bekannt, eine höchst unterhaltsam geschriebene, wunderhübsch illustrierte, vogelwilde Rezeptsammlung mit jeder Menge historischem und technischem Drumherum, um einmal ganz weit über den Tellerrand zu blicken und fernab vom Mainstream zu brauen. Als ich erfuhr, dass Mosher nun ein Grundlagenbuch geschrieben habe, fragte ich mich zunächst, ob es dessen überhaupt bedurft habe und ob da nicht der zweite Schritt vor dem ersten gemacht worden sei. Nach dem Lesen weiß ich nun, wie dringend notwendig dieses Buch war!
Im Vergleich zu Radical Brewing fallen zunächst der mit knapp 400 Seiten enorme Umfang und der vierfarbige Druck auf. Da Mosher nicht nur Braumeister, sondern unter anderem gelernter Grafikdesigner ist, ist es wieder wunderschön gestaltet, und selbst die vielen Tabellen und Diagramme sind wahre Augenweiden. Inhaltlich schafft Mosher tatsächlich den Spagat von einer leichtverständlichen Einsteiger-Anleitung für die ersten Gehversuche bis hin zu Fortgeschrittenen-Tipps, wissenschaftlichen Hintergründen und technologischen Feinheiten, aus denen selbst alte Hasen noch jede Menge lernen können. Ein Schwerpunkt dieses Buches liegt aber auf dem Verstehen von Geschmacksnuancen und dem Identifizieren der wirksamsten Stellhebel, um damit bewusst zu spielen. Fast ein Buch für ein ganzes Brauerleben!
Wie von Mosher gewohnt ist das Buch sehr flüssig und unterhaltsam zu lesen und dabei sehr klar und schlüssig strukturiert. Es besitzt überaus fundierte Teile über Rohstoffkunde, einschließlich etwa Mälzerei und Hefebiologie. Als besonders wohltuend empfinde ich im technischen Teil, dass Mosher stets unterschiedlichste Verfahren, Anlagen und Vorgehensweisen parallel darstellt und nicht nur „seinen” Weg empfiehlt. Einziger Wermutstropfen ist, dass ein paar zum Teil sinnentstellende Schreibfehler und Wortverwechslungen vorkommen, was vermutlich der Erstausgabe geschuldet ist.
Natürlich sollte man einigermaßen Englisch lesen können. Zum Glück werden aber die allermeisten Maße sowohl in amerikanischen als auch in metrischen Einheiten beziffert. Das Vorgehen ist vielfach typisch amerikanisch (zum Beispiel Einsteigen mit Extrakt und mini mash, viel Kombirast, Haupt- und secondary Gärung im carboy und anschließendes Karbonisieren), aber einerseits werden eben auch Alternativen genannt, und andererseits ist es äußerst lehrreich, einmal den typischen „american way” so eloquent erklärt zu bekommen. Etwa 30 Rezepte verschiedenster Stile, natürlich nicht derart weit gespannt und querbeet wie in Radical Brewing, runden das Ganze ab.
Für wen etwa Hubert Hanghofers Gutes Bier selbst brauen so etwas wie die Formelsammlung im Physikunterricht war – absoluter Extrakt, jede Seite hat ihre unverzichtbare Berechtigung –, der wird Mastering Homebrew lieben. Die unzähligen Tabellen, Grafiken und Nomogramme (!) gehen noch weit über Hanghofer hinaus, sind aber alles andere als Selbstzweck, sondern machen das Buch zu einem unschätzbaren Nachschlagewerk, das ich sicher noch oft in die Hand nehmen werde.
Solchermaßen wird einem erst die feinsinnige Doppeldeutigkeit des Titels Mastering Homebrew klar: Hobbybrauen zunächst einmal überhaupt zu meistern, es darin aber auch zur Meisterschaft zu bringen – dieses Buch ist alles beides!