“Omnia vincit amor” heißt es bei Vergil in der 10. Ekloge. Amor (die Liebe) besiegt alles. Deshalb ist Widerstand zwecklos und man kann sich der Leidenschaft (die öfter auch mal Leiden schafft) hingeben. Neu im Ulmer Verlag erschienen ist ein Titel der Braumeisterin Toni Nottebohm. Darin geht es im Gegensatz zur 10. Ekloge natürlich nicht um die zwischenmenschliche sondern ausschließlich um die Liebe zum Hopfen, vorwiegend natürlich um den Hopfen im Bier, was davon für das Bier interessant ist und wie er bzw. seine Wirkstoffe dorthin gelangen und bleiben.
Im ersten Teil wird dies alles in vielen Aspekten betrachtet (chemische Hintergründe, Anbau, Verarbeitung, Lagerung, Grundsätze für die Wahrnehmung von Aromen), mit vielen Details und ansprechend bebildert. Ein weiterer Teil des Buches der Anpflanzung von Hopfen im eigenen Garten und sogar der Zucht eigener Sorten. Dazwischengeschoben eine Beschreibung der gängigsten Hopfensorten mit Angabe des Typs, der Abstammung, Geschmacks-Charakteristik, möglichen Ersatzsorten und typischen Bierstilen.
Das letzte Drittel des Buches bildet ein Rezeptteil. Den Rezepten ist jeweils ein Interview mit dem jeweiligen Brauer zur Seite gestellt. Darin werden Fragen zur grundsätzlicher Herangehensweise oder für dieses Rezept besonderen besprochen. In den Rezepten gibt es jeweils eine Reprise auf das lokale Brauwasser, welches dessen Werte dann selbst zu recherchieren sind. Die Ansätze der Brauer was die Interpretation der Bierstile angeht, treffen zum Teil konträr aufeinander. Das sollte jedoch keine Überraschung sein. Leider war es nicht möglich oder gewollt, alle Geheimnisse preiszugeben (etwa woher der Aromaextrakt aus dem Rezept auf S. 238 stammt).
Abgerundet wird die Publikation mit Begriffserklärungen, einem Register, aktuellen Verweisen auf Händler und Informationen über die Autorin.
Das Vorwort kann man ohne Verlust überspringen. Es sei denn man möchte erfahren, dass „der Hopfen durch die Nennung im Bayerischem Reinheitsgebot von 1516 zur ausschließlichen Gewürzzutat im Bier wurde”. Es wird wohl noch einige Zeit dauern, bis es Druckwerke mit Bezug zum Brauen ohne solche Sätze in die Buchregale schaffen.
Gedruckt wurde dankenswerterweise schwarz auf weiß, was banal klingt, aber keineswegs selbstverständlich ist. Kleiner Wermutstropfen: Die Druckerschwärze ist so glatt, dass sie starken Lichteinfall reflektiert und man den Blickwinkel auf das Buch ändern muß. Der Spaltensatz ist leicht gewöhnungsbedürftig, weil nach einem Absatz umgebrochen wird und nicht am Seitenende. Textfehler sind an einer Hand abzuzählen.
Der Duktus ist angenehm trocken und unprätentiös. Was die Informationsdichte und ‑qualität angeht, kann es die Autorin mit akademischen Publikationen aufnehmen, die Gestaltung geht in Richtung der Coffee Table Books. In seiner Eigenschaft als Nachschlagewerk sollte es seinen Platz in der Handbibliothek vielleicht nicht im Brauraum aber am Schreibtisch finden und bei der Planung der Sude stets zur Hand sein.
Dem Ulmer Verlag gelingt es erneut, die Bedürfnisse anspruchsvoller Hobbyenthusiasten mit denen der interessierten Profis in einem Buch zu bedienen. Für 40 EUR bezieht man ein inhaltlich faktenfestes, schön gestaltetes und wertiges Buch – 252 Seiten – gleichsam für eine Liebe auf den ersten Blick mit besten Aussichten für eine dauerhafte Beziehung. Omnia vincit Amor: et nos cedamus Amori (… so wollen auch wir uns Amor hingeben).