Ein Kombinat (lat. combinatus ‚vereinigt‘, über russ. Комбинат) ist ein Zusammenschluss von produktionsmäßig eng zusammenarbeitenden Industriebetrieben zu einem Großbetrieb in sozialistischen Staaten. Im Kombinat waren Produktion, Forschung, Entwicklung und Absatz einer Branche zusammengeschlossen. Ihre Struktur sollte einer verstärkten Rationalisierung und einer verbesserten, zentralisierten Steuerung der Produktionsabläufe dienen.
(Quelle Wikipedia, leicht gekürzt)
Hier soll nun die Geschichte erzählt werden, wie sich im Großraum Wismar an der Ostseeküste durch Zufall eine Gruppe ganz unterschiedlich befähigter Leute zu einem Braukombinat zusammenfand, um regelmäßig gemeinsame Sude zu machen.
Am Anfang war das Feuer
Begonnen hat die ganze Geschichte vor einigen Jahren eigentlich damit, dass ich auf YouTube auf einen Film der „Mercury Nomaden” stieß. Eine Gruppe fröhlicher Schleswig-Holsteiner braute dort auf dem heimischen Gehöft in ziemlich ländlicher Umgebung mit einfachsten Mitteln erfolgreich 500 Liter Märzen auf dem Feuer und hatte offensichtlich ordentlich Spaß dabei.
Bisher hatte ich nur mit zwei Einkochpötten gearbeitet und mir gerade eine WM66 zum Brauen besorgt, die ich noch umbauen wollte ( –> WM66-Artikel). 500 Liter waren natürlich für den eigenen Bedarf doch etwas viel und völlig jenseits der Hausbrauer-Jahresfreigrenze, ganz abgesehen von den 1.000 Flaschen, die ich gebraucht hätte, um das abzufüllen. Allein die Aufbewahrung dieser Leergutmengen wäre wiederum wohl jenseits der Toleranzgrenze meiner lieben Ehefrau gewesen. Trotzdem hatte sich die Idee, Bier auf dem Feuer zu brauen, bei mir eingenistet, und ich schaute immer mal wieder nach geeigneten Gefäßen in der Größenordnung von 100 Litern.
Die Idee, Bier mit dem Waschkessel zu brauen, ist natürlich nicht neu und auch bei Kling, Hanghofer und Co. als Möglichkeit erwähnt. Die Waschkessel, die ich von früher kannte, waren allerdings immer aus Betonringen und so schwer, dass man sie eigentlich nicht bewegen konnte. Da mir ein Ort fehlte, an dem ich dauerhaft einen Kessel aufstellen konnte, kam so etwas für mich nicht infrage. Dann stolperte ich bei Ebay-Kleinanzeigen über einen holzbefeuerten DDR – Waschkessel von circa 100 Liter Volumen, nicht aus Beton, sondern aus emaillierten Stahlblech.
Das Ganze besteht eigentlich nur aus einer Blechröhre, in die von oben der Kesseleinsatz gehängt ist. Nimmt man den heraus, schaut man direkt in die Brennkammer. Ein paar Schamottesteine halten die Wärme.
Dieser Kessel (circa 80 Euro) wurde zwar nur für Selbstabholer, dafür aber 20 Kilometer von mir entfernt angeboten. Der Verkäufer beteuerte auf meine ängstliche Rückfrage, dass man das Teil zu zweit gut, zu dritt sehr gut bewegen könne. Es war quasi Liebe auf den ersten Blick. Ich hatte zwar keine Ahnung, wo ich den eigentlich aufstellen wollte, aber ich musste ihn haben.
Zwei kleine Brauerlein
Da mein Freund Frank auf halbem Weg zum Kessel wohnte und zudem über seine Freiwillige-Feuerwehr-Kontakte problemlos einen Pkw-Anhänger besorgen konnte, wurde er kurzerhand verpflichtet, mir zu helfen. Frank hatte noch nie Bier gebraut, war aber im Grunde höchst interessiert. Als wir den Kessel abholten und auf den Hänger wuchteten, wollte er wissen, wo das Teil eigentlich hinsollte. „Tja, also, äh, ich hoffe, es passt durch die Tür zum Hof oder in den Kleingarten”, druckste ich herum.
Nachdem wir beschlossen hatten, zusammen mal einen Sud zu versuchen, kamen wir ziemlich schnell zu der Erkenntnis, dass wir das weder bei mir noch bei ihm machen sollten, sondern bei unserem Kumpel Heiner, der über ein geeignetes Gehöft verfügte. Problem war nur, dass Heiner weder zu Hause noch erreichbar war, was uns aber herzlich wenig kümmerte. Wir redeten uns ein, dass es bestimmt in seinem Sinne wäre, wenn wir den Kessel erst mal bei ihm hinters Haus auf den Hof stellen würden. Wahrscheinlich würde er es erst mal überhaupt nicht merken, wenn wir den hinter den Schuppen stellten.
Drei kleine Brauerlein
Gehöftbesitzer Heiner, als er dann zurück war, war nicht etwa sauer, dass wir ungefragt einen Kessel hingestellt hatten, sondern hellauf begeistert von der Idee. Er war es auch, der darauf bestand, kein Leitungswasser, sondern das Wasser aus seinem Brunnen zu nehmen. Brunnenwasser?
Ich war skeptisch, bis ich den ersten Schluck probierte. Es war kein düngerverseuchter Schichtenwasser-Brunnen, sondern Oberflächenwasser, das durch den Sandboden gelaufen war. Butterweiches Wasser mit einem sehr schönen Eigengeschmack. Es schrie geradezu nach starker Hopfung.
Wir überlegten, was wir denn so machen könnten. „Pils”, sagten Frank und Heiner. Klar sagte ich, wenn ihr einen Kühlschrank habt, in den wir hundert Liter bekommen … Damit war das Thema Pils vorerst vom Tisch.
Damals war das Thema Craft-Bier bei uns im Nordosten noch nicht so wirklich angekommen. Mit viel Glück konnte man mal einen Sixpack Atlantik-Ale ergattern. Während wir an diesem „exotischen” Ale nuckelten, beschlossen wir, dass es als Pate für unseren ersten Sud dienen solle.
Der große lange Tag
Nach viel Vorplanung und einigen Vorbereitungen war der große Tag gekommen. Heiner, Frank und ich nivellierten den Kessel auf einigen Gehwegplatten aus. Der Brunnen verfügte zwar über eine formschöne Schwengel-Pumpe, nur leider war sie irreparabel kaputt. Nach umfangreichen Ausgrabungen wurde die schwere Brunnenabdeckung unter einem Sandhaufen hervorgebuddelt und aufgestemmt, Schliemann muss bei der Ausgrabung Trojas Ähnliches durchgemacht haben. Unter Ächzen und Fluchen holten wir 150 Liter Wasser mit einem Eimer aus der Tiefe. Erste Überlegungen, ob eine elektrische Tauchpumpe vielleicht nicht ganz so stilvoll, aber einfacher wäre, wurden hinter vorgehaltener Hand gemurmelt.
Das existierende Läuterequipment war auf Maische für 100 Liter Volumen erweitert worden. Hier zeigte sich dann, dass Dinge, die mit 25 Liter Einkochtopfvolumen gut funktionieren, nicht unbedingt unmodifiziert hochskaliert werden können. Allein das Gewicht von hundert Litern Maische ist in Bezug auf irgendwelche Durchbiegungen nicht zu unterschätzen.
Dem Video der „Mercury Nomaden” hatten wir schon entnommen, dass man am besten das Feuer komplett unter dem Sud herauszieht, wenn die Temperatur erreicht ist. Glücklicherweise hatte Heiner als Metallbauer alles vor Ort, um eine Art Feuerschublade aus Blech zu biegen, die exakt in die Brennkammer des Kessels passte. Das funktioniert sehr gut.
Überhaupt waren wir begeistert, mit wie wenig Holz eine so große Menge Flüssigkeit in relativ kurzer Zeit erhitzt werden kann und wie gradgenau man die Temperaturen treffen kann.
Vier kleine Brauerlein
Solange Feuer unter dem Kessel war, musste natürlich gerührt werden. Schon beim Einmaischen merkten wir, dass der lange Kochlöffel zwar gut für Einkochpötte, aber schlecht für Waschkessel zu gebrauchen war.
An dieser Stelle kommt Rainer, der im Nachbarort wohnt, ins Spiel. Rainer ist beruflich Schreibtischtäter und war zu Fuß unterwegs, um sich etwas Bewegung zu verschaffen. Beim Vorbeigehen am Haus seines Freundes Heiner bemerkte er ungewöhnliche Aktivitäten auf dem Hof und erwischte uns während der ersten Rast. Nachdem er sogleich mit einem Schwall Fachwissen über Malze, Maischen, Rasten, Läutern, Amylasen und so weiter überschüttet worden war, erkannte er sofort, dass wir trotz der eher chaotischen Anfangsschwierigkeiten die Sache ernst meinten.
Zudem sah er sofort unser Rührproblem. Als Mann der Tat schnappte er sich aus Heiners unerschöpflichem Fundus ein großes Buchenbrett, schimpfte mit uns, weil wir es gerade kleinsägen und verheizen wollten, und verschwand. Eine Stunde später war Rainer wieder da, und aus dem Brett war ein tolles Braupaddel geworden. Rainer war angefixt und würde sich den nächsten Sud auf keinen Fall entgehen lassen.
Der vergrabene Kessel
Ein Problem, das uns bei größeren Suden noch öfter verfolgen sollte, war die Bereitstellung des Nachgusses. 50 oder mehr Liter kaltes Brunnenwasser zum richtigen Zeitpunkt auf 80 Grad zu bekommen war nicht einfach. Auch eine mitgebrachte WM66 für den Nachguss war nur mäßig brauchbar. Rainer schaute sich unseren Kessel genauer an und kam zu der Erkenntnis, dass er genau so ein Teil vor ewigen Zeiten schon mal in seiner Scheune gesehen hatte. Es stellte sich heraus, dass besagter Kessel tatsächlich noch existierte und inzwischen unter einem Haufen Brennholz verschwunden war.
Trotz aller Anfangsschwierigkeiten gelang das erste Ale ganz hervorragend und schmeckte besser als alles, was wir kaufen konnten. Wir stürzten uns hochmotiviert und nun mit zwei Kesseln in die Vorbereitung für den nächsten Sud.
Das Kombinat legt los
Hat man erst einmal zwei Kessel auf einem Haufen stehen, scheint das eine Art Magneteffekt zu haben, denn schon bald darauf waren es vier Kessel, und weitere Mitbrauer gesellten sich hinzu.
Verschiedene Warm- und Kalthopfungen wurden systematisch ausprobiert, verschiedene Hefen gegeneinander laufengelassen und die Ergebnisse gegeneinander verkostet. Messe- und Kongressbesuche wurden organisiert, Zollanmeldungen getätigt, Brauhäuser besichtigt, Abfüllvarianten erprobt, verschiedene Aromahopfen angebaut, weitere Leute mit dem Braufieber infiziert und vieles andere mehr.
Mit steigender Erfahrung und Mitbrauerzahl wuchs schon bald der Wunsch, an einem Brautag mehr als einen Sud zu machen. Aus der Erfahrung der ersten Sude wussten wir, dass wir an unserer Ausrüstung noch kräftig optimieren konnten, und so fing jeder im Rahmen seiner Möglichkeiten an, Ausrüstung und Abläufe zu verbessern. Es wurde auch kräftig am Läuter- und Kühlequipment gebastelt.
Hatten die ersten Sude noch eher Eventcharakter gehabt und wurde dabei nebenbei gegrillt, getrunken, mit Kindern gezeltet und mit dem Kühlwasser Aufblaspools gefüllt, so wurde es später immer anstrengender. Mit optimiertem Equipment ist es uns dann gelungen, mehrere Sude an einem Brautag zu machen, was aber alle Beteiligten an ihre körperlichen Grenzen trieb und uns gerade beim Abfüllen vor logistische Herausforderungen stellte.
Rückschläge
Es soll nicht verschwiegen werden, dass die Sude nicht immer vollständig gelangen. Draußen auf der Wiese ohne permanente Verfügbarkeit von Heißwasser ist es sehr schwierig, im Kaltbereich der Würze die nötige Hygiene sicherzustellen. Insbesondere von März bis Oktober hat man auch mit Insekten zu kämpfen, Fruchtfliegen sind dabei besonders gefährlich. Die Abfüllung unter freiem Himmel haben wir sehr schnell wieder bleibenlassen.
Das Kombinat heute
Wir brauen nach wie vor nur für den Eigenbedarf. Solche Gewaltaktionen mit mehreren Kesselsuden gleichzeitig machen wir inzwischen nicht mehr. Wenn am Waschkessel gebraut wird, versuchen wir eher, den Eventcharakter der ersten Sude wiederaufleben zu lassen, haben Familie und Freunde dabei, machen uns drumherum einen schönen Tag und verkosten selbstgebraute Köstlichkeiten. Die meisten Kombinatsmitglieder haben inzwischen zwei oder drei umgebaute WM66-Maschinen zu Hause stehen und brauen alleine oder zusammen in wechselnden Konstellationen.
Kontakt
Andere Heimbrauer mit grundlegender Brau-Erfahrung und Leute, die Starthilfe zum Selberbrauen brauchen, sind uns stets willkommen, und wir freuen uns auf einen Austausch.
Kontakt: braukombinat@email.de
Wenn ihr Gefallen an Heiners Bericht gefunden habt und selber über eine lebendige Braugruppe berichten wollt, meldet euch bitte bei der brau!magazin Redaktion. Wir werden die Reihe brau!gruppe in lockerer Folge fortsetzen.