DMS: drei Buchstaben, die selbst bei Großbrauereien hin und wieder für Probleme sorgen. Der Hobbybrauer ist daher beim Würzekochen und der Verwendung hellster Malze erst recht verunsichert. Der Bierfehler des Quartals zum unfreiwilligen "Maisbier".
Steckbrief
- Beschreibung: gekochtes Gemüse (Mais, Kohl, Sellerie)
- Typische Werte: 10–200 µg/l
- Schwellenwert: 30–100 µg/l (teilweise geringer)
1. Bedeutung im Bier
Dimethylsulfid ist normaler Bierbestandteil und kann bei untergärigen Biersorten in geringen Konzentrationen zu deren typischem Aroma beitragen [And75]. Wahrgenommen wird es bereits in sehr geringen Konzentrationen ab ca. 30 bis 100 µg/l, gelegentlich auch weniger. In höheren Konzentrationen, ab etwa Faktor 2–3 über dem individuellen Schwellenwert, ergeben sich zunehmend unangenehme Aromen nach gekochtem Gemüse wie Kohl oder Dosenmais.
2. Bildungswege
Es lassen sich im Wesentlichen zwei Quellen für DMS im fertigen Bier unterscheiden. Zum einen die Spaltung aus S-Methylmethionin durch Hitzeeinwirkung beim Mälzen und Würzekochen, zum anderen durch enzymatische Reduktion aus Dimethylsulfoxid im Kaltbereich.
2.1 Mälzen
Dimethylsulfid (DMS) entsteht aus S‑Methylmethionin (SMM) und Dimethylsulfoxid (DMSO), die über das Malz eingetragen werden.
Die Vorläufersubstanz SMM, unter Brauern daher auch als DMS-Precursor (DMS-P) bezeichnet, wird durch Hitzeeinwirkung zu DMS abgebaut. Diese Reaktion findet bereits bei der Vermälzung statt, wo SMM mit steigender Schwelk- und Abdarrtemperatur verstärkt zu DMS abgebaut und aufgrund dessen niedrigen Dampfdrucks zugleich ausgetrieben wird.
Auf Gerstenpartien mit hohem SMM-Gehalt kann der Mälzer daher durch die Variation des Darrschemas reagieren. Besonders dunkle Malze weisen aufgrund ihrer intensiveren Darrung somit niedrigere Gehalte an SMM und freiem DMS auf. Gleichzeitig steigt bei intensiverer Darrung jedoch tendenziell der Gehalt an DMSO, das durch Oxidation aus DMS entsteht und als schwerflüchtige Substanz bis ins fertige Bier gelangen kann. [Nar12]
2.2 Würzekochen
Die Umwandlung von SMM zu DMS wird beim Maischen und vor allem beim Würzekochen analog fortgesetzt. Die Abbaurate von SMM ist in erster Linie temperaturabhängig. Während bei 100 °C bereits nach ca. 30–40 min die Hälfte an SMM abgebaut sein kann (entsprend 60–80 min bis zu 75 %), steigt die Dauer zum Abbau bei niedrigeren Temperaturen stark an, vgl. Tabelle 1.
Ein vollständiger Abbau von SMM ist innerhalb der üblichen Würzekochzeiten von unter 90 min daher selten möglich, auch weil 100 °C in der Praxis selten erreicht werden (Bsp.: Siedetemperatur in München bei 519 m NHN ca. 98,3 °C). Die Umwandlungsrate wird ferner durch hohe pH-Werte der Würze beschleunigt, weshalb die finale Einstellung des Würze-pH im Zuge der Würzesäuerung in der Regel erst gegen Kochende vorgenommen wird.
Tabelle 1: Temperaturabhängige Halbwertszeit von SMM
Temperatur (°C) | Halbwertszeit bei pH 5.2 (min) | Halbwertszeit bei pH 5.5 (min) |
---|---|---|
100 | 38 | 32,5 |
94 | 76 | 65 |
88 | 152 | 130 |
82 | 304 | 260 |
76 | 608 | 520 |
70 | 1216 | 1040 |
2.3 Kaltbereich
DMSO kann im Kaltbereich von Würzebakterien und wilden Hefen sowie in geringem Umfang auch von Kulturhefen zu DMS reduziert werden. Die Umwandlung durch Kulturhefen bewegt sich üblicherweise in einem Bereich von < 10 µg/l [Nar17] und ist damit selten der ausschlaggebende Faktor für eine erkennbare DMS-Problematik.
Schwerwiegender kann die Transformation durch Wildhefen und Würzebakterien ausfallen. Würzebakterien stellen keine einzelne Gattung dar, sondern fassen solche Bakterien zusammen, die in Bierwürze, nicht jedoch dem (angegorenen) Bier wachsen können. Besonders relevant darunter sind die Thermobakterien, die hohen Temperaturen trotzen und damit zwischen Sudhaus und Gärkeller gute Wachstumsbedingungen vorfinden. Kontaminationen aus dieser Gruppe deuten daher häufig auf eine ungünstige Temperaturführung und zu große Zeitabstände zwischen Ausschlagen der Würze und deren Angärung hin. [Nar09] [Vri12]
3. Vermeidung
3.1 Würzekochen
SMM ist geschmacklich unauffällig, weshalb nur das thermische Abbauprodukt DMS relevant ist. Ziel des Würzekochens in Bezug auf den DMS-Gehalt ist daher, ein Gleichgewicht zwischen thermischer Bildung aus SMM und Ausdampfung von freiem DMS zu erreichen.
Da die thermische Bildung durch die Siedetemperatur fixiert ist, gilt es, die Verdampfung von DMS zu fördern. Während man sich hierzu in industriellen Anlagen einiger physikalisch-chemischer Tricks bedienen kann, erfordert es im Hobbyumfeld vor allem eine hohe Verdampfungsziffer. Diese wird durch eine hohe Kochintensität und effektive Abführung der Brüden erreicht. Durch einen hohen Energieeintrag und die damit verbundene intensive Konvektion der Würze ("wallendes Kochen") wird die Oberfläche der Würze vergrößert und damit das gebildete DMS effektiv ausgetrieben.
Als Indikator für die Austreibung von DMS kann die Gesamtverdampfung herangezogen werden. Diese beschreibt das insgesamt verdampfte Flüssigkeitsvolumen. Unter optimalen Bedingungen können bei atmosphärischer Kochung bereits ca. 5 % Gesamtverdampfung genügen. Als praxisnäher gelten jedoch 10 % Gesamtverdampfung.
Die dafür erforderliche Zeit orientiert sich vorrangig an der Pfannenleistung. Wie Abb. 3 zeigt, kann das freie DMS in der Regel bereits nach 15 min unter Wahrnehmungsschwelle reduziert werden. Ca. 20–30 min nach Kochbeginn pendelt sich dann der Gehalt im gewünschten Gleichgewicht zwischen Bildung und Verdampfung ein. Hier kann demnach das Würzekochen aus Perspektive des DMS-Abbaus jederzeit beendet werden.
Aus den genannten Gründen ist die Kochzeit alleine keine aussagekräftige Kennzahl bei der Beherrschung von DMS. Tatsächlich kann sie in falscher Sicherheit wiegen, wenn die verlängerte Kochung – zum Beispiel im Interesse der Rezepttreue – zulasten der Verdampfungsziffer, das heißt der Verdampfung pro Stunde geht.
So sorgt die verlängerte Würzekochzeit in dargestellter Weise zunächst nur für eine vollständigere Umwandlung zu DMS, während die Kochintensität ungünstig verringert wurde. Neben schlecht abschätzbaren Folgen für den DMS-Gehalt stellt dies auch eine zusätzliche thermische Belastung der Würze dar.
3.2 Übergang vom Heiß- in den Kaltbereich
Nach den üblichen Würzekochzeiten ist üblicherweise noch ausreichend SMM und Wärmeenergie in der Würze vorhanden, um durch thermische Nachbildung wieder einen kritischen Wert an DMS zu überschreiten. Die wirksamste Gegenmaßnahme stellt eine zügige und weitgehende Würzekühlung von mindestens unter 80 °C dar, um die Umwandlungsrate von SMM zu bremsen [vgl. Tab1].
Begleitend hilft analog den Prinzipien aus der Würzekochung wiederum eine Vergrößerung der Würzeoberfläche, wie das etwa ein traditionelles Kühlschiff oder ein bald angedrehter Whirlpool leisten.
Zur schnellen Kühlung haben sich auch Eintauchkühler und das Einleiten von kaltem/gefrorenem und entgastem Brauwasser bewährt.
3.3 Bedeutung der Gärung
Der Verlauf des DMS-Gehalts unterliegt bei der Gärung weiteren Veränderungen.
Der unerwünschte Bildungsweg über DMSO durch Würzebakterien und Wildhefen kann durch Hygiene und zügige Angärung kontrolliert werden. Eine erhöhte Transformation durch Kulturhefen steht meist in Bezug zu einer mangelhaften Hefequalität und sehr nährstoffarmen Würzen, etwa solchen mit hohen Rohfruchtanteilen.
Eine zügig einsetzende und vitale Gärung nimmt damit bei der Kontrolle von DMS eine entscheidende Rolle ein. Neben der unterdrückten Bildung aus DMSO trägt eine intensive Gärung nämlich auch zu einer effektiven CO2-Wäsche des Jungbiers bei. So kann DMS besonders in warmen Obergärungen selbst bei ungünstigem Gehalt in der Ausschlagwürze häufig noch unter den Schwellenwert reduziert werden. Das ist mitunter der Grund, warum untergärige Lagerbiere tendenziell höhere DMS-Restgehalte aufweisen und damit vorgelagerte Probleme bei der Verdampfung des freien DMS häufiger offenbaren.
4. Zusammenfassung
Dimethylsulfid (DMS) ist Bestandteil aller Biere, kann aber bei zu hohen Restgehalten zu gemüseartigen Fehlaromen führen. Die Vorläufersubstanz S-Methylmethionin (SMM) wird vor allem über hellste Darrmalze eingetragen.
Der Abbau von SMM zu DMS beim Maischen und Würzekochen ist nicht vollständig, weshalb DMS durch intensive Kochung unter den Geschmacksschwellenwert ausgetrieben und dort gehalten werden sollte. Dieses niedrige Niveau an DMS gilt es durch rasche Würzekühlung nach Kochende bis in den Kaltbereich zu retten.
Eine intensive Gärung treibt weiteres DMS aus – auch solches, das durch mikrobielle Kontamination aus Dimethylsulfoxid gebildet wurde.
- Quellen:
- [Nar09] Narziß. Die Bierbrauerei: Band 2 – Die Technologie der Würzebereitung. 2009
- [Nar12] Narziß. Die Bierbrauerei: Band 1 … Die Technologie der Malzbereitung. 2012
- [Vri12] Vriesekoop, F., Krahl, M., Hucker, B. and Menz, G. (2012), 125th Anniversary Review: Bacteria in brewing: The good, the bad and the ugly. J. Inst. Brew., 118: 335–345. doi:10.1002/jib.49
- [Nar17] Narziß. Abriss der Bierbrauerei. 8. Auflage. 2017
- [And75] Anderson et al. Dimethyl sulphide as a feature of lager flavour. Journal of the Institute of Brewing, 81: 208–213. 1975
- [Bam14] Bamforth, Charlie. Dimethyl Sulfide – Significance, Origins, and Control. J. Am. Soc. Brew. Chem. 72(3): 165-168. 2014
Bildnachweis:
- Titelbild "Maiskörner": https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Maisk%C3%B6rner.jpg
Pingback: Top 6 - Hobbybrauer Anfängerfehler