Die Übernahme des Craft Zentrum Berlin durch BRLO war für mich Anlass, einmal in Spandau vorbeizuschauen und nach dem Stand der Dinge zu sehen. Für mich ist das, obwohl sich sowohl meine Heimat als auch das Craft Zentrum noch in Berlin befinden, wohl der weiteste Weg, den man noch innerhalb der Stadtgrenzen zurücklegen kann. Nicht umsonst pochen nicht nur die Spandauer, sondern auch die Köpenicker auf ihre lange, unabhängige Geschichte, und sehen die Eingemeindung nach Berlin in den 1920er Jahren eher als einen historischen Unfall.
Von Berlin kommend biegt man aber schon kurz vor Spandau von der Nonnendammallee ab und fährt durch eines der letzten lebendigen Industriegebiete der Stadt. Vorbei an den BMW-Motorradwerken geht es den Telegrafenweg entlang, bis man denkt, er führt nicht mehr weiter. Das Fahrverbot auf dem letzten Wegteil kann man getrost ignorieren, denn als Anlieger hat man freie Fahrt bis zum letzten Werktor.
Das Craft Zentrum befindet sich auf dem über 60.000 Quadratmeter großen Gelände der Havelwerke, in denen noch bis 1993 Kabel produziert wurden. Heute sind die ehemaligen Produktionshallen renoviert und beherbergen viele kleinere Betriebe wie eine Oldtimer-Werkstatt, einen Möbelbauer und eine kleine Bootswerft.
Eine der gut 100 Meter langen Hallen ist zum größten Teil vom Craft Zentrum belegt. Als ich gegen Mittag ankomme, steht vor dem Lieferantentor neben einer beeindruckenden Menge an leeren Bierkisten gerade ein Sattelzug, der auf seine Beladung wartet. Am anderen Tor wird ein zweiter LKW beladen. Ich muss aufpassen, dass ich nicht unter die Räder des Gabelstaplers komme.
Rechts vom Eingang sehe ich die Flaschenfüllanlage, und unter den etwa ein Dutzend beschäftigt herumwuselnden Gestalten erkenne ich Braumeister Michael Lembke. Er hat nur Zeit für einen kurzen Plausch, bevor er mich zum zweiten Braumeister Mario Eschenberg bringt, den ich von seinem Mittagessen abhalte, damit er mir die Anlagen zeigt.
Auf dem Weg durch die Halle, vorbei an riesigen Stapeln leerer und voller Bierkisten und Fässer, erzählt er mir, dass neben BRLO zu Zeit etwa zehn weitere Kunden im Craft Zentrum brauen. Neben weithin bekannten Namen aus der Berliner Gipsy-Brauer-Szene ist das seit kurzem auch die kanadische Steamworks Brauerei.
Die Kooperation zwischen BRLO und Steamworks soll dafür sorgen, dass die Brauereien gegenseitig ihr Bier auf dem jeweils anderen Markt anbieten können. Steamworks wird ihre bekannten Bestseller wie das Flagship IPA im Craft Zentrum Berlin brauen und in optimaler Frische an die deutschen und europäischen Kunden bringen. Im Gegenzug liefert BRLO unter anderem seine Berliner Weiße und eine Gose nach Kanada.
Die Vorbereitungen für den Deal sind in vollem Gange. In der Halle sind einige Schweißer damit beschäftigt, vier neue 40hl Tanks für die Gärung und Lagerung der Steamworks-Biere zu installieren. Auch Brauversuche laufen schon seit Wochen. Ich konnte kurz am Jasmine IPA nippen, das sein herrlich vielschichtiges Aroma unter anderem aus der Zugabe von Jasmin-Blüten erhält.
BRLO konnte mit dem Einzug in das Craft Zentrum sein Gipsybrauer-Dasein beenden. Alle BRLO-Biere werden jetzt in Berlin gebraut. Nur für das Alkoholfreie Naked muss man noch auf eine sächsische Brauerei zurückgreifen, weil in Spandau im Moment noch keine Pasteurisationsanlage zur Verfügung steht.
Etwas verblüfft hat mich die relativ kleine Brauanlage, die völlig unspektakulär in einer Hallenecke steht. Die Behälter der Anlage fassen, genau wie die BrauKon-Anlage im BRLO BRWHOUSE am Gleisdreieck, „nur” 20 Hektoliter. Allein der Whirlpool ist mit 30hl auf Zuwachs und großzügige Whirlpool-Hopfungen ausgelegt.
Allerdings läuft die Anlage im Zweischichtbetrieb und erzeugt so täglich 3 bis 4 Sude. Wenn die Kapazität nicht ausreicht, soll aber statt einer größeren Brauanlage eher eine zweite 20er Anlage angeschafft werden, um auch weiterhin flexibel auf die Bedürfnisse der eher in diesem kleineren Maßstab produzierenden Kuckucksbrauer reagieren zu können.
Wenn nach der Erweiterung dann 6 bis 8 Sude täglich anstehen, muss sicher auch wieder in Lagerkapazität investiert werden. Die heutigen Tanks mit 20, 40 und 80hl werden dann wohl um 160hl-ZKGs ergänzt, die mit je 4 Suden auf beiden Anlagen an einem Tage gefüllt werden könnten.
Auch jetzt ist die Tankkapazität aber schon beeindruckend. In Summe stehen im Moment knapp 1.000 Hektoliter zur Verfügung, bei denen die vier neuen Tanks für Steamworks noch nicht einmal eingerechnet sind. Dazu kommen noch einmal eine Handvoll 20hl-Tanks, die zur Zwischenlagerung vor der Abfüllung genutzt werden.
Die im Craft Zentrum produzierten Biere werden nicht filtriert. Um trotzdem möglichst klare Biere in die Flasche zu bekommen, durchlaufen die meisten vor der Abfüllung einen Separator, der in einer Zentrifuge große Teile der Hefe abtrennt.
Die beiden Berliner BRLO-Brauereien haben sich die Arbeit so aufgeteilt, dass am Gleisdreieck für den direkten Ausschank, die Fassabfüllung und den Export produziert wird, während sich das Craft Zentrum auf das Brauen für die Flaschenabfüllung konzentriert. Beim Siegerbier des letzten Störtebeker-Publikumspreises, das die Jungs von Tandembräu am Gleisdreieck eingebraut haben, wurde diese Arbeitsteilung allerdings durchbrochen, denn das fertige Irish Red Ale musste per Tank zur Flaschenabfüllung nach Spandau gebracht werden.
Braumeister Mario hat ausdrücklich betont, dass das Craft Zentrum jedem Brauer offensteht. Auch Hobbybrauer können hier ihren Traum vom großen Sud verwirklichen, wenn sie die Mindestmenge von 20 Hektolitern brauen wollen und die allerdings schon recht gut ausgelasteten Kapazitäten es hergeben. Die Unterstützung durch Braumeister und Mannschaft vor Ort kann dabei genau auf die Bedürfnisse der Kunden zugeschnitten werden; von minimalem Support beim Brauen des eigenen Rezepts bis zur kompletten Konzeption und Produktion einer Biermarke.
Verantwortlich für die Kundenbeziehungen ist der ehemalige Eigentümer und jetzige Vertriebsleiter Ivan Semikin. Er kann auch alle praktischen Fragen per Telefon oder Mail beantworten – siehe unten.
Theoretisch kann man auch kleine Mengen auf Flaschen abfüllen. Allerdings muss man mit Verlusten bei der Abfüllung von ca. 2hl rechnen. Dazu kommen Verluste bei Gärung, Lagerung und Transport, die sich durchaus nochmals auf 2–3 Hektoliter summieren können. Daher sind Losgrößen von 20 Hektolitern unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten zwar machbar, aber nicht optimal.
Die Abfüllanlage steht komplett mit Rinser, Füller und Etikettierer auf fast einem Viertel der Hallenfläche. Sie füllt bis zu 4.000 Flaschen pro Stunde, sodass selbst der momentan größte Tank von 80hl in weniger als einer Schicht abgefüllt werden kann. Zur Verbesserung der Auslastung der Anlage soll in Zukunft auch die Abfüllung von alkoholfreien Getränken (AFG) beitragen.
Im Moment wird komplett in Flaschen gefüllt, aber speziell für den Steamworks-Deal wird in Kürze auch ein Dosenfüller angeschafft werden. Darauf warten sicher auch schon viele der jetzigen Gipsy-Brauer. Noch dieses Jahr soll das Realität werden.
Ein kleiner Wermutstropfen bleibt allerdings: Der Ausschank am Kopf der Halle, in dem sich auch schon die Braufreunde Berlin getroffen hatten, ist im Moment geschlossen und zum Lagerraum umfunktioniert. Michael und Mario haben aber versprochen, dass sie sich dieses Themas annehmen werdern, sobald die Wogen der Übernahme sich etwas gelegt haben. Die Wiedereröffnung steht wahrscheinlich für das nächste Jahr an.
Vom Craft Zentrum werden wir in Zukunft wohl noch öfter hören. Nicht ganz uneigennützig (denn viele Berliner Craftbiere werden in Zukunft aus Spandau kommen) wünsche ich BRLO und allen Kunden viel Erfolg!
Craft Zentrum Berlin
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