Im ersten Teil (Herbstausgabe 2014) wurden die konstruktiven Voraussetzungen für Läutereinrichtungen besprochen, um möglichst unempfindlich gegenüber problematischen Schüttungen zu sein. In diesem zweiten und letzten Teil geht es nun um das konkrete Arbeiten damit, um es gar nicht erst zur gefürchteten Läuterkatastrophe kommen zu lassen.
Abmaischen und Läuterruhe
Sofern nicht bereits im Läuterbottich gemaischt worden ist (wie etwa bei Bottichinfusion, Einstufenrast oder Dekoktionsverfahren), beginnen wir mit dem Umlagern der verzuckerten Maische in den Läuterbottich. Im Hobbymaßstab geschieht dies meist durch Einspringen von oben (wobei man aus Oxidationsgründen ein Plätschern möglichst vermeiden sollte) oder durch Umschöpfen.
Vorher sollte man allerdings unbedingt heißes Wasser, das man den bis dahin vorbereiteten Nachgüssen entnehmen kann, im Bottich vorlegen, so dass der Senkboden vollständig bedeckt ist. Der Grund dafür liegt einerseits im Vorwärmen des Bottichs, um die Maische möglichst wenig abzukühlen. Vor allem aber darin, alle Luft aus dem Raum unterhalb des Bodens zu verdrängen, die sonst später das Läutern zum Drama machen würde. Beim geknickten Mattmill-Läuterblech kann man zwar u.U. darauf verzichten, weil die Luft zu Beginn noch über den First entweichen kann. Bild 1 zeigt aber, wie so etwas bei einer hochviskosen Weizenmaische aussieht: Hier liegt die Maische seitlich auf dem Blech, und der Raum darunter macht überhaupt keine Anstalten, sich mit Würze zu füllen!
Ist die Maische vollständig im Bottich, hält man üblicherweise zunächst eine Läuterruhe von etwa einer Viertelstunde, damit die festen Treberbestandteile sedimentieren und so das zum Läutern benötigte Filterbett ausbilden können.
Läuterhilfen
In amerikanischen Rezepten werden oft Reisspelzen (rice hulls) geradezu als Wundermittel gegen Läuterprobleme gepriesen. Leider ist es zumindest mir bislang noch nicht gelungen, eine Bezugsquelle dafür in Deutschland zu finden, um das auszuprobieren. Stattdessen habe ich ein wenig mit Dinkelspelzen herumexperimentiert, die als Bio-Kissenfüllung erhältlich sind. Allerdings bilden die Spelzen so etwas wie geschlossene Schwimmkörper, so dass sie an der Oberfläche schwimmen bleiben (Bild 2 links). Aber auch geschrotet (rechts) bleibt die Mehrzahl selbst nach einer Stunde noch oben. Ähnlich verhält es sich dann auch in der Maische, selbst wenn man die Spelzen von Anfang an mit der Schüttung mitgeschrotet und ‑gemaischt hatte. Ich konnte bislang keine Verbesserung dadurch erkennen.
Noch nicht getestet habe ich Hopfendolden als Läuterhilfe. Allerdings ist in auffallend vielen historischen weizenbasierten Rezepten von einer Maischehopfung die Rede.
Vorschießen lassen
Vor dem eigentlichen Läutervorgang wird der Hahn ein paarmal kurz ganz aufgerissen. Dadurch sollen die Treberbestandteile, die durch den Senkboden gefallen sind, bevor sich das Filterbett setzen konnte, aufgewirbelt und herausgespült werden. Ansonsten könnten sie später sogar den Läuterhahn verstopfen. Bei klassischen industriellen Bottichen mit mehreren Quellgebieten kann man sogar die Würze unter dem Boden zum Kreisen bringen, indem man die einzelnen Läuterhähne zyklisch nacheinander betätigt. Bei unseren Hobbybottichen geht das freilich nicht, hier genügt es meistens, den Hahn vielleicht 4 oder 5 mal für jeweils eine Sekunde aufzureißen. Übertreiben sollte man es damit allerdings nicht, um nicht das Treberbett vorzeitig zu kompaktieren.
Trübwürze zirkulieren
Dann wird auf die spätere Läutergeschwindigkeit gestellt. Das heißt: Gerade am Anfang nicht zu schnell! Die zu Beginn ablaufende Würze stammt noch von unterhalb des Senkbodens und wird trüb von Malzmehl sein. Sie wird gesondert aufgefangen, z.B. ein einem Messbecher, und vorsichtig wieder oben auf die Maische zurückgegeben. Ein durchsichtiger Messbecher erleichtert die Beurteilung, wie lange dies erforderlich ist. Beim Panzerschlauch mit seinem kleinen Totvolumen genügt oft weniger als ein Messbecher, bei Schlitzböden, je nach deren Totraum, etwas mehr. Bei 40 Litern Ausschlag mit dem geknickten Mattmill-Blech sind es bei mir vielleicht 4 Liter Trübwürze. Im Kommerziellen gibt es dafür beleuchtete Schaugläser, wie in Bild 3, oder mittlerweile Trübungssensoren. Sobald die Würze klar genug läuft, wird der Ablauf auf die Würzepfanne umgestellt (bzw. einfach der Schlauch umgehängt).
Läutergeschwindigkeit
Die kritischste Phase ist die ganz zu Beginn, das Trübwürze-Zirkulieren und das Abläutern der Vorderwürze. Wenn sich eine Läuterkatastrophe anbahnt, dann meistens schon hier! Später, wenn die Filterschicht sich als funktionsfähig erwiesen hat und durch die Nachgüsse zunehmend ausgespült worden ist, passiert kaum mehr etwas. Dann kann man auch die Geschwindigkeit steigern. Aber gerade zu Beginn gibt es eigentlich nur eine Regel: Gaaanz laaangsam! Weniger ist hier eindeutig mehr, wenn man ein vorzeitiges Kompaktieren der Treber verhindern will. Ein dünner Würzefaden, der gerade nicht abreißt, ist anfangs meist schon genug.
Aber wie schnell soll man nun konkret abläutern? Es gibt Faustwerte, wie z.B. 1 cm Flüssigkeitsabfall pro Minute, oder dass im Hobbymaßstab das Läutern 45 bis 90 min dauern sollte.
Narziß schreibt hingegen im Großmaßstab von einer Läutergeschwindigkeit von 0,35 bis 0,4 hl pro Minute und Tonne Schüttung. Wer die Möglichkeit zur Messung des Volumenstroms hat (siehe Teil I), kann sich daran orientieren. Ein Beispiel:
Bei 10 kg Schüttung wären das gerade einmal 0,4 l/min, oder bei meinem 38 l‑Thermoport mit 0,1 qm Grundfläche eine Absinkgeschwindigkeit von 0,4 cm/min. 50 Liter Würze wären damit in gut 2 Stunden abgeläutert. Die meisten Hobbybrauer läutern deutlich schneller!
Solange das funktioniert, gerade bei unseren im Vergleich zum industriellen Vorbild deutlich geringeren Treberschichthöhen, spricht da auch überhaupt nichts dagegen, ganz im Gegenteil! So schnell wie möglich, so langsam wie nötig. Aber gerade bei problematischen Maischen mag es angeraten sein, sich von unten an die optimale Läutergeschwindigkeit heranzutasten. So wird die in Teil I geschilderte fatale Umverteilung der Druckdifferenz auf die Treberschicht vermieden. Das dort beschriebene Läutermanometer ist eine große Hilfe darin, erkennen zu können, wie weit man den Läuterhahn öffnen darf, oder wann man wieder aufhacken sollte.
Anschwänzen
Sobald die Vorderwürze und damit der wertvollste und edelste Teil abgeläutert ist, haben wir den kritischsten Teil hinter uns. Jetzt lauert eigentlich nur noch eine Gefahr: Den Zeitpunkt zum Anschwänzen, zum Aufbringen der Nachgüsse zu verpassen und die Trebern trocken fallen zu lassen. Da dann das Gewicht der Trebern nicht mehr von einer Flüssigkeit getragen wird, ziehen sie sich durch ihr Eigengewicht zusammen und machen dicht.
Die Literatur rät, erst anzuschwänzen, wenn der Oberteig (die mehlige, glänzende Schicht oben auf den Trebern) ganz eingezogen ist. Auf der sicheren Seite ist man aber, wenn man bereits anschwänzt, sobald sich erste trockene Inselchen zeigen. Für das Aufbringen der Nachgüsse gibt es nun verschiedenste Lösungen, vom einfachen Schöpfen mittels Messbecher bis hin zu Brauseköpfen, Sprühkugeln oder geradezu verspielten Anlagen mit rotierenden Düsenkreuzen nach dem Prinzip des Heronsballs. Auch gibt es unterschiedlichste Philosophien, in wieviel Portionen die Nachgüsse aufgebracht werden sollten. Das reicht von wenigen großen Güssen bis hin zu sehr vielen kleinen Portionen, die fast schon einem kontinuierlichen Anschwänzen gleichen, das sich wiederum mit schwimmergesteuerten, automatisierten Anschwänzeinrichtungen erreichen lässt.
Ich selber mag es einfach und schöpfe, wenn trockene Inseln sichtbar werden, immer 2 oder 3 Messbecher, so dass wieder 4 oder 5 cm Wasser über den Trebern stehen. Dabei sollte man die Treberschichten nicht allzu stark aufwirbeln, am einfachsten, indem man über eine Schaumkelle gießt. Die Nachgüsse sollten möglichst 75°C warm sein, um die Trebern nicht auskühlen zu lassen, aber keinesfalls wärmer als 78°C, weil sonst wieder unverzuckerte Stärke herausgelöst würde.
Aufhacken
Bei einem industriellen Läuterbottich ist eine Schneid- und Aufhackmaschine, wie in Bild 4 dargestellt, unverzichtbarer Bestandteil. Im kleinen Hobbymaßstab sind mir aber nur wenige wirklich funktionierende Hackwerke bekannt. Das Beispiel aus Bild 5 ist zwar höchst dekorativ, ist aber, vor allem mit seinem völlig unterdimensionierten direkten Handkurbelantrieb, als unpraktikabel und daher als reine Verzierung anzusehen. Dann schon lieber mit einem Werkzeug wie in Bild 6 freihand aufschneiden.
- Bild 4: Hackwerk eines traditionellen Läuterbottichs
- Bild 5: Dieses Hackwerk einer Kleinanlage taugt höchstens als dekoratives Spielzeug
- Bild 6: In der Bildmitte lehnt ein aus zwei Original-Hackwerksmessern geschweißtes Schneid-Werkzeug
Zwar schaffen es viele sogar, zumindest bei unproblematischen Schüttungen ganz ohne Aufhacken abzuläutern. Zur Vermeidung von Läuterkatastrophen und für eine gleichmäßige Auswaschung des Extrakts ist es aber sehr hilfreich, die Trebern ab und zu aufzulockern und den Nachgüssen neue Wege zu schaffen.
Das kann entweder durch vorsichtiges Umgraben der Trebern mit der Schaumkelle geschehen (nicht bis auf den Senkboden herunter!), wobei allerdings die natürliche Schichtenbildung gestört wird. Ich selber verwende dafür lieber ein großes Fleischmesser, mit dem ich wie in Bild 7 den Treberkuchen langsam rautenförmig einschneide, ungefähr so wie die Schwarte eines Krustenbratens. Vorher sollte man markiert oder sich zumindest gemerkt haben, wie man das Messer halten muss, damit die Spitze dem Senkboden nicht näher als 2 oder 3 cm kommt.
Es bietet sich an, immer kurz vor dem erneuten Anschwänzen aufzuschneiden. Sollten sich aber schon während des Abläuterns der Vorderwürze Schwierigkeiten ankündigen, kann man bereits dann durch Aufhacken versuchen, es gar nicht erst zum Drama kommen zu lassen.
Wann aufhören?
Irgendwann sollte das Läutern natürlich wieder vorbei sein. Aber wann genau? Hier werden oft verschiedenste, z.T. konkurrierende Kriterien genannt:
- Das im Rezept vorgesehene Nachgusswasser ist verbraucht
- Die Pfanne ist voll, bzw. die Ausschlagmenge laut Rezept ist erreicht
- Die Konzentration des Glattwassers fällt unter 2 oder 3 Grad Plato
- Die Pfannenwürze erreicht die vorgesehene Stammwürzekonzentration
Da der Autor des Rezepts (sofern man das nicht selber war…) unmöglich unsere eigene Brauanlage und unsere Ausbeute kennen konnte, kann es je nach Anlage oder Rezept vorkommen, dass all diese genannten Kriterien gleichzeitig oder auch höchst unterschiedlich eintreffen. Wonach sollte man sich dann richten? Meine eigene, höchst subjektive Meinung dazu:
Eine im Rezept angegebene Nachgussmenge kann immer nur ein grober Anhaltswert sein, den der Autor auf seiner eigenen Anlage ermittelt hat. Die Glattwasserkonzentration von 2 Grad Plato (oder sogar noch weniger) hingegen stammt aus der Industrie im Sinne einer größtmöglichen Ausbeute. Ich denke, wir Hobbybrauer sollten uns hier den Luxus gönnen, schon bei höheren Konzentrationen aufzuhören, um nicht unnötig viel Gerbstoffe aus den Trebern auszuwaschen. Das wichtigste Kriterium für uns ist das Erreichen der Ziel-Stammwürze. Hier sollte jeder genug Erfahrungswerte besitzen, wieviel Wasser beim Kochen noch verdampfen wird (z.B. 10%), so dass dann z.B. für ein Bier von 12 Grad Plato eine Pfannevollwürze von 10,8 Grad Plato richtig wäre. Habe ich dann noch eine Glattwasserkonzentration von z.B. 5 Grad Plato, ärgere ich mich nicht über den verschenkten Extrakt, sondern freue ich mich, alles richtig gemacht zu haben. Ist sie aber schon vorher beispielsweise unter 3 Grad Plato gefallen, breche ich das Läutern ab und verdünne lieber mit Wasser auf Zielstärke.
Dann stellt sich auch gar nicht erst die Frage, was man mit der u.U. wieder trüben Restflüssigkeit macht, die man bei Bottichen mit seitlichem Ablauf am Ende noch durch Kippen des Bottichs gewinnen könnte.
Und wenn es doch zur Läuterkatastrophe kommt?
Was können wir tun, wenn es aber doch zur Läuterkatastrophe kommt, wenn die Trebern dichtmachen? Hier ist so etwas wie ein Eskalationsschema:
- Als erstes kann man versuchen, den Treberkuchen durch Aufschneiden bzw. Aufhacken zu lockern und so wieder durchlässig zu machen. Sollte aber der Senkboden selber verstopft oder durch darunter eingedrungene Luft verlegt sein, hilft auch das nicht mehr viel.
- Hier kann es helfen, wenn man einen Heißwasserschlauch außen am Läuterhahn anschließt und von unten Wasser unter den Senkboden drückt. Dadurch wird die Luft verdrängt bzw. der Filterkuchen etwas angehoben. Danach wird man aber in aller Regel wieder Trübwürze zirkulieren müssen.
- Da ist es nicht mehr weit zum nächsten Schritt: Den Kompletten Treberkuchen aufgraben und durch Umrühren lockern, in einer kurzen Läuterruhe neu sedimentieren lassen, und wieder mit Vorschießen und Trübwürze zirkulieren neu anzufangen. Das ist eigentlich auch nichts anderes, als das im angloamerikanischen Raum oft gepflegte „batch sparging”: Hier lässt man die Vorderwürze ohne anzuschwänzen komplett ablaufen, rührt anschließend die Trebern mit dem Nachguss in ein oder zwei Portionen neu auf und beginnt jeweils wieder von vorn. Eher eine Frage von Vorliebe, zumal sich Ausbeuteunterschiede angeblich im Rahmen halten. Aber das sollte im Hobbymaßstab eh keine große Rolle spielen.
- In der allergrößten Verzweiflung habe ich schon bei Ganzweizensuden, bei denen gar nichts mehr ging, die komplette Maische wieder aus dem Läuterbottich herausgeschöpft (Oxidation ist in solch einer Situation dann noch die geringste Sorge), den Senkboden gereinigt bzw. gegen den verzeihenderen Panzerschlauch getauscht, und wieder ganz von vorne begonnen.
- Und wenn es auch dann sofort wieder dicht ist, und man nicht alles wegschütten möchte, kann man zumindest versuchen, ein wenig Würze durch vorsichtiges Abschöpfen mit einer Kelle von oben zu gewinnen. Das ist dann allerdings schon slapstick-hafte Schadensbegrenzung, obwohl es selbst dafür eine historische Entsprechung gibt: Bei dicken, rohfruchtreichen, kleisterigen Maischen, wie sie etwa für Lambic-Biere typisch sind, und die sich nicht konventionell läutern ließen, drückte man Weidenkörbe oder gelochte Kästen von oben in die Maische, aus denen dann die Vorderwürze herausgeschöpft wurde: Also Läutern von oben her, gewissermaßen.
Wenn man sich aber nicht an absolute Extremschüttungen wie etwa einen 100%-Roggen-Triplebock herantraut, seine Anlage ein wenig optimiert und sich vor allem zu Beginn des Abläuterns in Geduld übt, dann wird solches Notfallmanagement hoffentlich nur in den seltensten Fällen notwendig zu sein. In diesem Sinne bleibt mir nur noch, allen Lesern immer ein Fingerbreit Wasser über den Trebern zu wünschen!
Autor Moritz Gretzschel kam, obwohl gebürtiger Münchner, erst durch seinen Schwiegervater ausgerechnet in einer badischen Weinregion mit dem Hobbybrauen in Berührung. Ein dreijähriger beruflicher Aufenthalt in Michigan tat das Übrige, ihn für die Craft-Brew-Bewegung zu begeistern. Seither braut er regelmäßig daheim, bevorzugt per Dekoktion. Er arbeitet als Hochschulprofessor für Maschinenbau und Elektromobilität in Aalen in Württemberg.
Quellen:
Ludwig Narziß, Abriss der Bierbrauerei, 7. Auflage, Wiley-Vch, 1999
Johann Carl Leuchs, Vollständige Braukunde, C. Leuchs u. Comp., Nürnberg, 1831 Abbildungsnachweis:
Bild 6: Hartmut Laube,
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