Neuschwanstein aus Nesselwang
Die Braumanufaktur Allgäu startet mit der neuen Biermarke „Neuschwanstein” und braut als erste Vertreterin ein Export und einen gut gehopften Bock.
Als König Ludwig II ab 1869 seine infantilen Phantasien in Form der Nachbildung einer mittelalterlichen Burg auf die Allgäuer Felsen setzen ließ, hätte er sich wohl nicht träumen lassen, welche Folgen das auch fast 150 Jahre später noch nach sich ziehen würde. Für amerikanische oder asiatische Touristen gehört die Schwangauer Märchenfilmkulisse schließlich zu der Handvoll urdeutscher Orte, die man neben Rothenburg, Heidelberg und Checkpoint Charlie in Deutschland besucht haben muss.
Das zieht nicht nur über 1,5 Millionen Besucher jährlich auf den Hügel bei Füssen, sondern macht die Marke Neuschwanstein zu einer lukrativen Verkaufsförderung für Produkte aller Art. Eine Recherche im deutschen Markenregister fördert nicht weniger als 45 eingetragene, beantragte, gelöschte oder mit Widersprüchen belegte Marken zu Tage, die „Neuschwanstein” im Namen tragen.
Um das Recht zur Nutzung des werbeträchtigen Namens wird nicht selten lange vor Gericht gestritten. Ein aktuelles Beispiel: Christian Seitz, ein etwas zwielichtiger Unternehmer aus dem Allgäu, darf sein Bier nach einem aktuellen Urteil weiterhin für fast 40 Euro pro Flasche unter dem Namen „Neuschwansteiner” an Leute, die mehr Geld als Bierverstand besitzen, verkaufen. Und das, obwohl es nicht im Schloss Neuschwanstein, sondern in der etwa 3 Kilometer entfernten Schlossbrauerei Schwangau gebraut wird. Er darf aber nicht mehr behaupten, dass es mit der sogenannten „Methode Royale” produziert würde, die nichts als eine sinnleere Marketing-Phrase ist [2].
Zu den aktuellen Markeninhabern zählen unter anderem ein Golfclub, eine Molkerei, eine Holding im Besitz der Wittelsbacher-Nachfahren und der Freistaat Bayern, vertreten durch die Bayerische Verwaltung der staatlichen Schlösser, Gärten und Seen.
Letztere hat im letzten Jahr der Braumanufaktur Allgäu [1] die Lizenz vergeben, das Konterfei des Schlosses und den Namen „Neuschwanstein” auf ihre Flaschen drucken zu dürfen. Das auch unter Post-Brauerei bekannte, seit dem 17. Jahrhundert in Nesselwang ansässige Brauhaus wird seit 1968 vom Inhaber Karl Meyer geführt. Für die Innovationen der letzen Jahre sind aber vor allem seine Töchter Stephanie und Kathrin Meyer verantwortlich. Neben der Traditionsmarke „Nesselwanger“ schufen sie Biere mit so pompösen Namen wie „Hopfen Royal“ oder „Liberalitas Bavariae“. Sympathischer klingt dagegen der Titel ihres Craftbier-Sortiments: „Braukatz“.
Neuester Wurf der „Bier-Schwestern” sind also zwei Biere unter dem Namen Neuschwanstein. Das erste, das „Neuschwanstein Export” ist vermutlich eine etwas stärker eingebraute Version des „Nesselwanger Gold”. Das helle, elegante Bier (12°P Stammwürze, 5,3%vol Alkohol) hat die typische leichte, getreidige Süße eines süddeutschen Hellen. Die Hopfenaromen sind zurückhaltend, aber edel, die Bittere kaum spürbar.
Das zweite Bier ist eigentlich das interessantere. Man erfährt auf dem Etikett leider nicht viel außer dem Namen „Neuschwanstein” und technischen Daten (16,7°P, 6,9%vol). Es handelt ich um ein dunkel-kupferfarbenes Bockbier, das großzügig und aromatisch gehopft ist. Die deutliche, malzige Restsüße wird von einer ordentlichen Bittere gekontert und ergibt ein gut ausbalanciertes Bier.
Erstaunlich ist, dass das satte, vielschichtige, sowohl im Geruch als auch im Geschmack deutlich und angenehm wahrnehmbare Hopfenaroma ausschließlich mit Hallertauer und Tettnanger Hopfen produziert wird. Außer der abgebildeten 0,33er Flasche wird das Bier auch in einer edlen 0,75er Flasche mit Sektkorken abgefüllt.
Die beiden Biere, insbesondere der Bock, sind eigenständig und individuell genug, um für sich zu sprechen. Der Verkauf unter der Marke Neuschwanstein wird Bierkenner eher vom Kauf abschrecken, weil sie den üblichen Etikettenschwindel fürchten. Das haben sie eigentlich nicht verdient.
Die verkosteten Biere wurden freundlicherweise von der Braumanufaktur Allgäu zur Verfügung gestellt.
Alle Abbildungen: Autor
Quellen:
[1] Homepage der Braumanufaktur Allgäu: www.brau-manufactur-allgaeu.de
[2] Artikel zum Prozess um Neuschwansteiner: www.sueddeutsche.de