Hefe ernten und aufbewahren
Warum?
Der Hauptjob der Hefe ist es, den Zucker der Würze in Alkohol und CO2 umzusetzen. Das machen alle Hefen etwa gleich gut, obwohl sie sich in Geschwindigkeit, Alkoholtoleranz und erzielbarem Endvergärungsgrad leicht unterscheiden. Also egal, welche Hefe ich benutze? Mitnichten.
Neben Alkohol und Gas produzieren alle Hefen mehr oder weniger viele Nebenprodukte wie höhere Alkohole, Ester und Phenole. Genau diese Nebenprodukte machen viele klassische Biertypen aus. Ein Weizenbier ohne Bananen- und/oder Nelkenaromen, ein Ale ohne fruchtige Ester oder ein Saison ohne die pfeffrigen, säuerlichen Noten, die jeweils die spezielle Hefe produziert, sind kaum denkbar. Ebenso das Gegenteil: ein Lager benötigt den reinen Geschmack einer untergärigen Hefe, die bei geeigneter Temperatur kaum Nebenprodukte erzeugt.
Als Brauer steht man also vor dem Problem, dass man eigentlich viele verschiedene Hefen am Lager haben muss, wenn man abwechlungsreiche Biere in typischer Art brauen will. Das kann aber dann schnell in’s Geld gehen. Sind Trockenhefen mit Preisen von etwa 2 bis 5 Euro für einen 20-Liter-Sud noch finanzierbar, tragen Flüssighefen mit Kosten von um die 8 Euro, bei speziellen Sorten bis zu 15 Euro pro 20l-Sud schon erheblich zu den Braukosten bei. Bei untergärigen Hefen kann man die Kosten sogar verdoppeln, will man wirklich in ausreichender Menge anstellen.
Um die einmaligen Beschaffungskosten wird man nicht herumkommen, aber muss man das Geld wirklich in jeden Folgesud wieder in voller Höhe investieren? Nein, denn Hefe lässt sich durchaus in gewissen Grenzen wiederverwenden. Je nachdem, wieviel Zeit zwischen den Suden liegt, muss man aber verschiedenen Methoden anwenden, um möglichst viele möglichst lebendige Zellen ohne Verunreinigungen und Infektionen in die nächste Würze zu bekommen.
Wie lange?
Die maximale Aufbewahrungsdauer für Erntehefe hängt entscheidend von der Art der Lagerung ab. Die Zeiträume reichen dabei von vielleicht einem Tag bei direkter Wiederverwendung bis zu etwa einem Jahr oder mehr bei Lagerung auf Schrägagar oder anderen Arten der Langzeitkonservierung. Dabei gilt: je länger die Hefe gelagert wird, um so größer der Aufwand nicht nur bei der Einlagerung, sondern auch bei der Vorbereitung zur Wiederverwendung. Es lohnt also, den Hefeeinsatz genau zu planen, damit die Nutzung der gelagerten Hefe nicht unnötig aufwändig wird.
Direkt wiederverwenden
Die einfachste Art, Hefe wiederzuverwenden ist die direkte Nutzung des Bodensatzes eines Suds für einen folgenden. Man erntet hier also nicht wirklich, sondern schlaucht die neue Würze einfach in den gerade geleerten Gärbottich auf die komplette Hefe des Vorsuds. Großer Vorteil dieser Methode ist, dass man garantiert eine ausreichende Hefezellenzahl für den Folgesud hat und das Angären innerhalb sehr kurzer Zeit, meist in wenigen Stunden, erfolgen wird.
Stan Hieronymus verwendet in „Brew like a monk” das Bild, die Hefe eines Starkbieres „has already been through a war”.
Spinnen wir diesen martialischen Vergleich mal etwas weiter: Nach der Hauptgärung eines Starkbieres schaut es aus wie auf dem Schlachtfeld von Solferino (Anm.: das Anlass zur Gründung des Roten Kreuzes gab): Alles zerstört und abgefressen, fäkalienverseucht, keinerlei Nahrung, keine Versorgung, überall riesige Leichenberge, und dazwischen liegen ein paar wenige, wimmernde, schwerverletzte Überlebende. Das alles kann man jetzt etweder einfach so und ohne Versorgung liegen lassen, ein paar Monate später zusammenkratzen und versuchen, in eine neue Schlacht zu schicken. Viel Erfolg!
Das wäre die Variante, den Inhalt monatealter Weckgläser einfach in den nächsten Sud zu kippen.
Oder aber man sammelt die wenigen, schwer traumatisierten Überlebenden ein und päppelt sie zunächst in einem Genesungsheim gesund. Und dann schickt man sie in ein All-Inclusive-Ferienresort, wo sie beste Bedingungen finden, sich fortzupflanzen. Und ihre Kinder schickt man dann auf ein schweizer Internat, von wo sie topfit, gebildet und vor Kraft strotzend zurückkehren. Mit denen kann man dann etwas anfangen!
Das wäre die Variante mit dem neu aufgezogenen Starter.
<Moritz Gretzschel>
Die Methode hat natürlich auch Einschränkungen. Zunächst sollte man nur relativ ähnliche Biere nacheinander ansetzen. Insbesondere sehr dunkle oder sehr hopfenreiche Sude erfordern einen ähnlichen Sud im Nachgang, ansonsten wird der Folgesud möglicherweise farblich und/oder geschmacklich beeinträchtigt.
Andererseits wird die Hefe in sehr starken Bieren zum Ende hin mehr oder weniger stark vom gebildeten Alkohol beeinträchtigt. Es empfiehlt sich allgemein nicht, Erntehefe eines Starkbiers wiederzuverwenden, da hier die Anzahl toter oder geschädigter Hefezellen besonders hoch ist.
Es hat sich daher bewährt, Sude in aufsteigender Stärke zu brauen. So wird die Hefe nicht zu sehr vom Vorsud geschädigt und, da leichte Biere meist auch geringer gehopft sind, auch der geschmackliche Einfluss des vorherigen Bier begrenzt sein.
Ein weiterer Nachteil der direkten Nachnutzung des Hefesatzes ist, dass man den Kühltrub des Vorsudes komplett in den neuen Sud mitschleppt und sogar mit jeder Weiterführung vermehrt. Das kann die Arbeit der Hefe beeinträchtigen, weil sie durch die Trubstoffe verschleimt. Zudem können Hopfenharze zu einer verschlechterten Qualität der Bittere führen. Diese Methode darf man also nicht zu oft wiederholen. Je nach Belastung des Hefesatzes sollten aber zwei- bis dreimaliges direktes Wiederverwenden kein Problem sein.
Die Zeit zwischen zwei Suden sollte möglichst kurz sein. Je nach Temperatur empfehle ich maximal einige Stunden bis zu einem Tag zu warten.
Ernten
Will man die Hefe länger aufbewahren, muss sie geerntet werden. Dazu löst man den Bodensatz direkt nach Leeren des Gärbottichs durch aufschwenken mit dem letzten Rest Jungbier. Diese Suspension gießt man in ein geeignetes Gefäß, zum Beispiel ein mit kochendem Wasser gereinigtes Konservenglas, dessen Größe von knapp einem Liter meist für den Bodensatz eines 20-Liter-Suds aureicht.
Das Glas wird verschlossen und möglichst kühl, aber frostfrei glagert. Nach einigen Stunden bis Tagen sollte man eventuellen Druck durch kurzes Aufdrehen des Verschlussus ablassen.
Waschen?
Ob das Waschen der Hefe nötig ist, wird in Hobbybrauerkreisen heiß diskutiert. Eine eindeutige Empfehlung zu geben ist daher schwierig.
Beim Waschen soll die Hefe von Verunreinigungen des Bodensatzes wie Kühltrub und Hopfenteilen getrennt werden. Oft wird auch davon gesprochen, dass tote Hefezellen abgetrennt werden können, was aber von anderen Experten ebenso heftig angezweifelt wird.
Zum Waschen wird die Hefe in ein Sieb gegeben und mit etwas Wasser durch das Geflecht gespült. Dabei bleiben grobe Bestandteile wie Hopfenteile oder Klumpen von Hopfenharzen im Sieb zurück.
Danach lässt man die Hefe absetzen, gießt den flüssigen Überstand ab, verwirft die obere Schicht der Suspension und erntet den Mittelteil. Die untere Schicht wird ebenso verworfen. Diese Prozedur kann mehrmals wiederholt werden.
Große Gefahr dieser Methode ist die Kontamination und/oder Schädigung der Hefe beim Waschen. Kontamination kann durch Veschmutzung oder Verkeimung der Hefe beim Waschen erfolgen, wenn Geräte, Material und Umgebung nicht höchsten Reinheitsansprüchen gerecht werden. Keimarmut ist wohl in Laboren der Brauereien oder Hefeproduzenten gegeben, kann aber für Hobbybrauer sehr aufwendig werden.
Eine Schädigung der Hefe kann durch ständige Änderung der osmotischen Verhältnisse der Hefeumgebung während des Waschens passieren, wenn man nicht auf die Konzentration von Salzen und Zuckern im Medium achtet. Die Hefe wird dadurch gestresst und im Extremfall so geschädigt, dass viele Zellen absterben.
Das Gurkenglas im Kühlschrank
Bei mir hat sich folgendes Vorgehen für Lagerzeiten von bis zu einigen Wochen bewährt:
Die Hefe wird wie oben beschrieben geerntet und in einem verschlossenen Konservenglas im Kühlschrank aufbewahrt. Die Hefe setzt sich ab und es bildet sich ein Überstand aus Jungbier. Der osmotische Stress ist dabei sehr gering, denn die Konzentration des umgebenden Mediums ändert sich nicht.
Ob die gelagerte Hefe noch verwendbar ist, erkennt man sehr einfach und relativ zuverlässig am Geruch. Sie sollte möglichst neutral-hefig, höchstens ganz leicht nach faulen Eiern (Schwefelwasserstoff als Zeichen der Hefe-Zersetzung) riechen. Riecht sie sehr unangenehm oder gar stechend faulig, medizinisch oder sonstig ekelerregend, sollte sie nicht mehr benutzt werden.
Als Vorbereitung für das Anstellen der Hefe gießt man zunächst den Überstand ab. Die oberste Schicht, die sich oft farblich etwas von der restlichen Hefe unterscheidet, nimmt man großzügig mit einem Löffel ab. Von der mittleren Schicht entnimmt man etwa einen Esslöffel und setzt damit einen Starter an (siehe weiter unten). Bei sehr kurzen Aufbewahrungszeiten (wenige Tage) kann man auch die komplette nötige Menge entnehmen und nur kurz vor dem Anstellen mit etwas gekühlter, verdünnter Würze „anfüttern”.
Diese Methode funktioniert für eine Aufbewahrung von einigen Wochen. Bis zu vier Wochen sollten kein Problem darstellen; bis zu acht Wochen sind wohl möglich, in Ausnahmefällen auch etwas länger.
Langfristig: Agar-Agar
Will man die Hefe mehr als ein bis zwei Monate konservieren, bietet sich die Schrägagar-Methode an. Dabei wird eine geringe Menge Hefe auf einem sterilen Nährmedium ausgestrichen. Die Hefe vermehrt sich in diesem Medium und geht dann bei allmählichen Aufbrauchen der Nährstoffe in einen Schlafzustand über. So kann die Hefe über viele Monate kühl gelagert werden.
Als Träger des Nährmediums können kleine Konservengläser oder Reagenzgläser mit Schraubverschluss dienen, die vor der Benutzung sterilisiert werden. Dazu stellt man sie inklusive Deckel in einen wenige Zentimeter hoch mit Wasser gefüllten Topf und lässt sie etwa 30 Minuten dämpfen. Diese Prozedur wiederholt man nach jeweils etwa einem Tag noch zwei mal. Dadurch werden auch hitzeresistente Keime weitgehend abgetötet.
Herstellung der Nährböden
Der Agar-Agar wird nach Herstelleranleitung, aber mit Würze oder Extraktlösung anstelle des Wassers zubereitet. Die Würze sollte einen Extraktgehalt von etwa 8–10°P haben. Etwa 2g Agar-Agar pro 100ml Würze werden kalt eingerührt, für einige Minuten aufgekocht und mit einer (ebenfalls sterilisierten) Spritze heiß in die Gefäße eingefüllt. Bei Gläsern wird der Boden einige Millimeter mit der Agar-Lösung bedeckt. Reagenzgläser werden schräg gelegt und bis kurz unter die Öffnung befüllt, so dass sich beim Erkalten eine schräge Fläche im Reagenzglas bildet, siehe Foto. Die Gefäße werden noch in heißem Zustand verschlossen und können dann langsam abkühlen. So kann man sich auch einen Vorrat für einige Wochen oder Monate anlegen.
Die Hefe sollte in möglichst reinem Zustand auf die Agar-Träger aufgebracht werden, damit später möglichst wenige Fremdhefen oder ‑Keime zur Vermehrung kommen. Es ist also ratsam, nicht die Erntehefe zur Langzeitaufbewahrung zu nutzen, sondern die Reinzuchthefe im Lieferzustand, also direkt nach dem Öffnen der gestarteten Aktivator-Packs oder der Phiolen. Man benötigt nur wenige Tropfen.
Zum Aufstreichen der Hefe kann man eine aus Kupferdraht gebogene Öse benutzen oder ein entsprechendes Werkzeug im Brau- oder Laborshop beziehen. Die Öse wird in einer Flamme ausgeglüht und wieder abgekühlt. Dann taucht man sie in die Hefesuspension und streicht damit mehrmals über die Agar-Oberfläche.
Das Gefäß wird sofort verschlossen und einige Tage bei Raumtemperatur gelagert. Die Hefe sollte in dieser Zeit sichtbar in den Nährboden wachsen und etwas Druck aufbauen, den man durch kurzes Öffnen ablassen kann.
Nach etwa ein bis zwei Wochen hat die Hefe alle erreichbaren Nährstoffe verarbeitet. Dann können die Gefäße in den Kühlschrank überführt werden, wo sie bei etwa 5–6°C mindestens einige Monate bis zu einem Jahr lagerfähig sind.
Starter!
Will man die so gelagerten Hefen wiederbeleben, ist ein Starter unerlässlich. Dazu benötigt man wieder circa 0,5 Liter etwa 8%iger Würze oder Extraktlösung, die man am besten direkt im Startergefäß, etwa einem Erlenmeyerkolben mit einem Volumen von 1–2 Liter, aufkocht. Mit einigen Millilitern der abgekühlten Würze löst man die Hefe durch schütteln aus dem Lagergefäß ab und gießt den Inhalt in das Startergefäß mit der restlichen Würze. Durch Schütteln und/oder Rühren mit einem Magnetrührer wird die Starter-Würze belüftet.
Nach 1–2 Tagen hat die Hefe die Nährstoffe weitgehend aufgebraucht und sollte dann möglichst rasch angestellt oder durch Verdopplung der Würzemenge weiter vermehrt werden.
Ausführliche Informationen liefert der Artikel „Der ideale Starter” in dieser Ausgabe.
Andere Kulturformen zur Dauerlagerung
[1] Empfiehlt zur Langzeitlagerung Kulturen in destilliertem Wasser, isotonischer Kochsalzlösung oder Kaliumdihydrogenphosphatlösung. Hier wird die Hefe ohne Nährstoffe gelagert, was verhindern soll, dass sie sich durch ihre eigenen Stoffwechselprodukte schädigt. Dadurch sollen Lagerzeiten über ein Jahr ohne Kühlung erreichbar sein.
Eine weitere Möglichkeit ist das Einfrieren von Hefe in Glycerin, womit bei Temperaturen unter ‑18°C Lagerzeiten von mehreren Jahren möglich sein sollen.
Fazit
Durch Lagerung und Wiederverwendung von Hefen kann der Heimbrauer erhebliche Kosten sparen. Je nach Lagerdauer ist der Aufwand für die Einlagerung und Wiederbelebung unterschiedlich. Abhängig von der Methode lässt sich die Hefe von einigen Tagen bis zu mehreren Jahren aufbewahren.
Quellen:
- Hubert Hanghofer: „Reinzucht und Kultivierung von Hefestämmen”, http://netbeer.org/content/view/17/lang,de
- Artikel „Hefe Konservieren” bei brauherr.de, http://www.besser-bier-brauen.de/selber-bier-brauen/zutaten/hefe/konservieren/
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