Hobbybrauer in der Hansestadt
Die Stralsunder Störtebeker-Brauerei verantaltete Ende August zwar schon ihr viertes jährliches Bierfestival, aber das erste mit dem Fokus auf Hobbybrauer und einem Brauwettbewerb. Die Vorbereitungen dazu starteten schon im Oktober 2014 mit einem Anruf bei Stefan, dem Mitorganisator des Hobbybrauertreffens bei Camba Bavaria. Da er das norddeutsche Treffen nicht aus der schwäbischen Provinz managen wollte, lief die weitere Organisation dann über Rene und Hagen.
Nach mehreren Kontakten, bei denen auch immer wieder Missverständnisse ausgeräumt wurden, hat uns dann Störtebeker im Februar doch etwas mit einer Terminverschiebung auf das letzte Ferienwochenende und der Ausschreibung überrascht: statt des zunächst angedachten IPA sollte nun ein Imperial Stout mit einer Stammwürze jenseits der 20°P und 8–10% Alkohol eingereicht werden – das war für viele Hobbybrauer Neuland und beides reduzierte die ursprüngliche Teilnehmerliste etwas.
Ein so starkes Bier braucht auch eine lange Reifezeit – 3 bis 6 Monate – und so war spätestens im zeitigen Frühjahr das Brauen angesagt. Insgesamt 15 Hobbybrauer meldeten sich schließlich mit ihrem Bier für den Wettbewerb an.
Am 28. August wurden die Teilnehmer – nachdem es auf dem Brauereihof schon mal eine spontane Verkostung der mitgebrachten Biere gab – sehr freundlich begrüßt und in zwei Gruppen eingeteilt, die dann abwechselnd eine Brauereiführung und ein Verkostungsseminar absolvierten.
Brauereiführung
Bei der Führung lernten wir die zwei für Produktion und Produktentwicklung zuständigen Braumeister Christoph Puttnies und Frank Lucas kennen. Ganz wie schon die Etiketten der Störtebeker-Biere hielten sie keine Informationen zurück, und wir nahmen die Gelegenheit wahr, sie mit unseren Fragen zu löchern.
Das moderne Sudhaus wurde 2005 mit einer Kapazität von 120 Hektolitern gebaut – inzwischen stößt es an seine Grenzen und wird in rollender Schicht fast ohne Pause betrieben, um die ständig steigende Nachfrage zu bedienen. Eine Erweiterung steht in nächster Zukunft an.
Ständig erweitert wurden die Lagerkapazitäten. Erst in diesem Jahr wurden zwölf neue, fast 14 Meter hohe Tanks aufgestellt. Sie sind den Bieren mit dem größten Absatzzahlen vorbehalten. Gleichzeitig schafft das aber Platz in den kleineren Tanks, um neue Spezialitäten zu entwickeln und speziellere Biere zu brauen, die nur in kleineren Mengen absetzbar sind.
Höhepunkt im Gärkeller war die Verkostung eines Whiskybiers, dass 18 Monate in einem zuvor mehrere Jahre mit dem Störtebeker Single Malt Whisky belegten Fass lagerte. Unterhalb der riesigen ZKGs zapfte Frank Lucas mit einem Weinheber Probierschlückchen des kostbaren Tröpfchens für jeden Teilnehmer aus dem 200-Liter Holzfass. Das Bier war unheimlich weich und vielschichtig – wirklich ein besonderer Tropfen.
Die Abfüllanlage ist im Logistikzentrum aufgebaut, in dem sich auch an der Straßenseite der Brauereimarkt mit einem ordentlichen Angebot an guten Bieren nicht nur der Störtebeker Brauerei befindet. Die Abfüllung läuft zur Zeit in zwei Schichten. Sie füllt neben Bier auch alkoholfreie Getränke und Mineralwasser ab.
Verkostungsseminar
Für unsere Gruppe zweiter Punkt der Tagesodnung war ein Verkostungsseminar mit Silvia Kopp, international renommierte Biersommeliere, Inhaberin der Berlin Beer Academy und seit kurzem auch Botschafter des amerikanischen Craft-Biers für Europa. Anhand einer Blindvekostung mit je drei hellen und dunklen Bieren galt es, Aromen herauszuarbeiten und typische Eigenschaften von Bierstilen zu erkennen. Erstaunlich, wie weit wir oft daneben lagen, obwohl wir und als Hobbybrauer doch in der Mehrzahl für Bierkenner halten. Größtes Gelächter löste bei der Auflösung das Becks Pale Ale aus, das fast einstimmig als fränkisches Landbier erkannt worden war – fragt sich nur, für wen das peinlicher war, für uns oder Becks?
Der Ausklang des Abends fand bei Hausgebrautem und Störtebeker-Bier sowie Gegrilltem im Saal und Garten der alten Brauerei statt, wo sich viele weitere Gelegenheiten zum Fachsimpeln mit den Braumeistern und Biersommeliers ergaben.
Stadtführung
Der Morgen des zweiten Tages begann mit einer launigen Führung durch die Stralsunder Altstadt. Vom Hafen über den Alten Markt mit Rathaus und das Johanniskloster endeten wir beim Fischhandel Rasmus, wo 1871 der Bismarckhering erfunden wurde, und kauften ihn bis auf das letzte Fischbrötchen leer.
Nach Besichtigung der Marienkirche ging es dann mit dem eigens angemieteten Shuttlebus zurück zur Brauerei.
Wettbewerb
Die Wettbewerbsbiere wurden schon in der Vorwoche per Post angeliefert, damit sie gut gekühlt und beruhigt in die Verkostung gehen konnten, die am späten Vormittag in der Brauerei begann. Erst nach mehreren Runden standen dann am Nachmittag die Sieger fest, die aber erst am Abend verkündet wurden.
Zwischenzeitlich bauten wir unsere Stände auf – die Fassfraktion mit Durchlaufkühlern im Foyer, und die Flaschenbiere direkt im Festsaal.
Ausschank
Ab 15 Uhr sollten dann die Gäste strömen, was sie leider nicht ganz so zahlreich wie erhofft taten. Der etwas unglückliche Termin am letzten Ferienwochenende und Einschulungstag trug sicher zum gebremsten Interesse bei. Trotzdem ergaben sich viele Gespräche mit den Besuchern, von denen manche das erste Mal mit Bieren abseits von Pils, Schwarzbier und Weizen zu tun hatten.
Silvia Kopp ließ es sich nicht nehmen, alle Hobbybrauer-Stände zu besuchen und mindestens ein Bier am Stand zu verkosten – eine nicht ganz einfache Aufgabe nach der Wettbewerbs-Verkostung am Vormittag. Am späteren Abend gab es dann auch Live-Musik.
Prämierung
Zur Prämierung der Sieger fanden sich dann alle Juroren, darunter Frank Lucas, Biersommelier-Vizeweltmeister, sowie Silvia Kopp und Silke van Ackeren, beide Biersommeliere mit Erfahrungen in großen Wettbewerben, ein. Frank Lucas lobte das hohe Niveau der eingereichten Biere und die Hohe Qualität der eingesetzten Rohstoffe, insbesondere der Hopfen.
Die Braugruppe Mecklenburg lag mit zwei Bieren beim Wettbewerb vorn. Das Siegerbier wird demnächst auf der großen Störtebeker-Anlage nachgebraut und in den Handel gebracht; der Sieger darf 50 Kästen selbst vermarkten. Der dritte Platz ging an die Müggelland-Brauerei.
Analyse
Als zusätzlichen Service erhielten alle Teilnehmer zur Nachlese den Gesamtbewertungsbogen mit Kommentaren und eine Analyse über Alkoholgehalt, Restextrakt, Farbe und pH-Wert ihres Bieres. Bei den meisten Brauern stimmte die Analyse recht gut mit den berechneten Werten überein.
Das Festival war eine große Bereicherung der Hobbybrauszene. Erstmals konnten die norddeutschen Hobbybrauer ihre Biere bei einem Heimspiel von einer professionellen Jury testen und vergleichen lassen. Das Störtebeker-Team hat uns sehr freundlich aufgenommen und mit einem umfangreichen Rahmenprogramm verwöhnt. Ich werde es mir nicht nehmen lassen, auch beim nächsten Störtebeker-Festival dabeizusein.
Fotos von Daniel/Dast, Silke van Ackeren (2), Autor (3 und Titel)
Hallo Jörg
Vielen Dank für den schönen Bericht. Ich habe die Störtebekerbrauerei und ‑biere im vergangenen Jahr kennen und lieben gelernt. Es ist absolut stimmig, das dieses Brauerei die Hobbybrauer mit ins Boot nimmt, um für eine bessere Bierlandsschaft in Deutschland zu sorgen. Es gibt nicht viele (industrielle) Brauereien, denen man dieses glaubhaft abnehmen würde.
Hoffentlich bleibt die Störtebeker noch lange so wie sie ist – gut!
Grüsse Ole