Mein steiniger Weg zu klarerem Flaschenbier
Als wohl häufigstes Argument, von Flaschengärung auf Kegs umzusteigen, wird genannt, des Flaschenspülens überdrüssig zu sein. Die Charaktere sind aber unterschiedlich. Mich persönlich hat das Flaschenspülen noch nie übermäßig gestört, und seit ich mir ergänzend Kegs zugelegt habe, empfinde ich deren Reinigung (und die des ganzen Zubehörs) nicht unbedingt als Verbesserung: Ein paar Kästen Flaschen spüle ich mit der „Blast“-Spritzdüse ohne viel Aufhebens gewissermaßen im Vorübergehen. Ein paar Kegs, deren Ventile und all die Schläuche zu reinigen und zu spülen ist für mich eine umständliche und verhasste Staatsaktion, die ich zu vermeiden suche und vor mir herzuschieben pflege. Aber jeder, wie er es mag …
Motivation
Nein, nicht die nur vermeintliche Erleichterung beim Spülen war für mich der Grund, mir ergänzend Soda-Kegs zuzulegen, sondern auch, sie bei manchen Bieren als Reifungstank nutzen zu können, um nicht in jeder Flasche einen Hefesatz zu haben. Bei untergärigen Lagerbieren etwa ist Flaschengärung und das damit einhergehende Geläger nur sehr bedingt stiltypisch. Bei den meisten obergärigen Bieren (und beim Hefeweizen sowieso) bleibe ich aber gerne bei der unkomplizierteren und mit deutlich weniger Materialaufwand verbundenen Flaschengärung.
Vielmehr war der Plan, Lagerbiere nach der Reifung und Klärung im Keg per Gegendruckabfüller auf Flaschen zu füllen. Damit hat man dann zwar keinen vereinfachten, sondern insgesamt sogar deutlich vermehrten Spülaufwand, aber am heimischen Tisch möchte ich die Flexibilität nicht missen, mir als „Feierabendbier“ spontan eine Flasche meiner Wahl aus dem Kühlschrank holen zu können. Bei nur sporadischer Nutzung dauerhaft eine CO2-Zapfanlage pflegen und noch dazu ständig auf wechselnde Biersorten umstecken zu müssen kam für mich nie ernsthaft infrage. Dass für Partys hingegen Fässer unübertroffen sind, steht außer Frage. Aber dafür täten es klassische Bauchfässer mit bayerischem Anstich eigentlich genauso.
So weit die Vorüberlegungen. In der Praxis gingen allerdings vor allem mit dem Gegendruckabfüller einige Probleme einher, sodass ich die ganze Sache beinahe wieder frustriert aufgegeben hätte. Es bedurfte einiger Sude Übung, um nach unzähligen mit schalem Bier nur halb gefüllten Flaschen die Sache einigermaßen in den Griff zu bekommen. Daher möchte ich aus dieser Erfahrung im Folgenden ein paar Ideen zu einer Minimalausstattung für Keg-Einsteiger sowie zum Umgang mit Gegendruckfüllern wiedergeben.
Warum eigentlich Soda-Kegs?
Soda-Kegs (ich verwende diesen generischen Namen für CC- und NC-Kegs), die bis vor kurzem in der Gastronomie für vorgemischte Softdrinks benutzten Behälter, haben sich aufgrund einer Reihe von Vorteilen fast weltweit als Quasi-Standard in der Hobbybrauerszene durchgesetzt:
- Die Größe von circa 19 Litern (5 US-Gallonen) ist für viele Hobbysude ideal. Zum Einfädeln des ovalen Deckels, und damit der kurze Gasdegen (ohne ihn kürzen zu müssen) noch frei bleibt, ist eine Füllmenge von 17 bis 17,5 Litern praktikabel: ein Keg für einen „20-Liter-Sud“ (und ein paar Kotrollflaschen), drei Kegs für einen „50-Liter-Sud“.
- Getrennte Ventilköpfe für Gas und Getränk erleichtern das selektive Umstecken einzelner Schläuche, etwa zum Spunden, Druckmessen oder Karbonisieren.
- Verfügbarkeit und Ersatzteilversorgung sind (noch) gut.
- Wichtigster Vorteil: Man kann sie öffnen. Der unter Druck von innen dichtende ovale Mannlochdeckel (oder eher Armlochdeckel) ermöglicht im Gegensatz zu „richtigen” Bierkegs sowohl die optische Kontrolle als auch die mechanische Reinigung mittels Bürsten. Oder sogar das Hopfenstopfen im Keg!
Es gibt zwei eng verwandte, aber nicht frei kombinierbare Systeme, die sich hinsichtlich ihrer Ventilanschlüsse und ihrer Abmessungen unterscheiden:
CC-Kegs, ein proprietäres System von Coca-Cola®, dessen Anschlüsse mittels Bajonettverschlüssen auf den Ventilen verriegeln: Gas zwei Stifte, Getränk drei Stifte. Ein versehentliches Verwechseln ist damit ausgeschlossen.
Abmessungen: Höhe 564 mm, Durchmesser 232 mm.
NC-Kegs, das von Wettbewerbern (zum Beispiel Pepsi®) benutzte System, dessen Anschlüsse mittels federbelasteter Kugeln auf den Anschlüssen arretieren. Gas- und Getränkeanschluss haben geringfügig unterschiedliche Durchmesser, was aber wohl kein eindeutiger Schutz vor Grobmotorikern ist.
Abmessungen: Höhe 633 mm, Durchmesser 219 mm.
Zwar sagt man dem CC-System eine geringfügig höhere Robustheit nach, doch ist letztlich egal, für welches System man sich entscheidet. Leiten lassen sollte man sich bei der Wahl eines Systems vor allem einerseits von der Verfügbarkeit, zum anderen von der Frage, welche Kegs zu mehreren besser in einen vorhandenen Kühlschrank oder eine Kühltruhe passen: CC-Kegs sind niedriger, haben aber einen größeren Durchmesser. Hat man sich einmal für ein System entschieden, empfiehlt es sich, ihm die Treue zu halten, um nicht alle Anschlüsse doppelt beschaffen zu müssen.
Für die Beschaffung der Kegs gibt es unterschiedliche Quellen:
- Solange diese Kegs zur Belieferung der Gastronomie verwendet wurden, konnte man sie einfach entweder voll (mit Limonade) oder auch leer (gegen Pfand) im Getränkegroßhandel bekommen. Rechtlich ist das dauerhafte Behalten natürlich fragwürdig, vergleichbar mit dem Einkaufswagen, den man ja auch nicht für den Pfandeuro erwirbt. Denn bei den Kegs übersteigt allein der Edelstahl-Materialwert den Pfandbetrag um ein Vielfaches. (Außerdem sollte das Modifikationen an den Kegs ausschließen, doch dazu unten mehr.)
- Coca-Cola® hat sich spätestens im vergangenen Jahr von diesem System zugunsten neuer, geschlossener Kegs verabschiedet. Auch wenn damit leider nicht der Wunsch vieler Hobbybrauer in Erfüllung ging, dass abertausende nicht mehr genutzte Kegs zum Schrottpreis den Markt überschwemmen, gibt es doch nach wie vor einige auf Hobbybrauerbedarf oder auf Schanktechnik spezialisierte Händler, die gebrauchte Soda-Kegs in gutem Zustand (teilweise sogar mit erneuertem Dichtungssatz) zum Kauf anbieten.
- Und schließlich ist vermutlich allein aufgrund der vielen Hobbybrauer der Bedarf nach wie vor so groß, dass in Italien und China offenbar weiterhin neue Soda-Kegs gefertigt werden.
Eine sinnvolle Minimalausstattung
Der zweite große Kostenpunkt neben den Kegs selber wird eine CO2-Flasche nebst Druckminderer sein. Als noch halbwegs handliche Variante hat sich bei vielen Hobbybrauern eine 2‑kg-Flasche bewährt. Sie hält bei gelegentlichem Zapfen oft länger als ein Jahr. Soll allerdings regelmäßig umgedrückt oder gar zwangskarbonisiert werden, wird man wohl mit einer 10-kg-Flasche glücklicher, die aber deutlich unhandlicher ist. Oder man holt sich gleich eine 10-kg-Steigrohrflasche nebst Fülladapter, um die kleinere Flasche selber nachfüllen zu können. Das detailliert zu beschreiben würde aber (allein aufgrund der notwendigen Sicherheitshinweise) den Rahmen dieses Artikels sprengen.
In jedem Fall sollte man sich nach der günstigsten Möglichkeit in der Umgebung erkundigen, die CO2-Flasche entweder tauschen oder nachfüllen zu lassen. Oft sind zum Beispiel Fachbetriebe für Schweißtechnik oder Feuerlöschtechnik deutlich günstiger als Baumärkte oder gar Zoogeschäfte.
Bild 2 zeigt eine Zusammenstellung von sinnvollem Zubehör und Schläuchen für den Einsteiger:
- Kompensator-Zapfhahn mit Keg-Getränkekupplung
- Manometer und Überdruck-/Entlüftungsventil mit Keg-Gaskupplung. Wird zwar euphemistisch als „Spundapparat” gehandelt, eignet sich aber eher zum manuellen Druckprüfen und ‑ablassen.
- CO2-Anschlussschlauch mit 3/4″-Druckmindereranschluss und Keg-Gaskupplung mit Rückschlagventil.
Universeller verwendbar sowohl zum Spülen und Vorspannen der Kegs als auch zum Zwangskarboniseren und zur Verwendung mit einem Gegendruckabfüller hat sich stattdessen erwiesen:
- CO2-Anschlussschlauch mit 3/4″-Druckmindereranschluss und mittels 1/2″-BSF-Gewinde auswechselbarer Keg-Gaskupplung ohne Rückschlagventil (a) und Keg-Getränkekupplung (b)
- Getränkeschlauch zum Umdrücken mit 2 Keg-Getränkekupplungen
- CO2-Schlauch zum Umdrücken im Gaspendelverfahren (siehe weiter unten) mit 2 Keg-Gaskupplungen
Eines der wichtigsten und praktischsten Zubehörteile ist jedoch der Reinigungsadapter zum Spülen der Kegs und ihrer Ventile (siehe Bild 3): An einem Ende ein Gardena®-Wasseranschluss (a), am anderen Ende ein Y‑Stück mit je einem selbstdichtenden Gas- (b) und Getränke-Stiftventil ©. Mit dem kurzen Joker-Schlauch mit je einer Gas- (d) und Getränkekupplung (e) kann so durch Umstecken wahlweise das Gas- oder Getränkeventil des Kegs gespült werden. Natürlich kann man stattdessen auch zwei separate Reinigungsadapter für Gas- und Getränkeseite verwenden, doch gerade der kurze Joker hat sich als sehr praktisch erwiesen, etwa um mehrere Kegs durch Umdrücken von Lauge in Kaskade zu reinigen.
Vorgehen beim Umdrücken
Solange man per Nachgärung mit Speise oder Zucker karbonisiert, unterscheidet sich das Vorgehen nicht von der gewohnten Flaschengärung: Das Jungbier wird mit der Speise ins offene Keg gefüllt und dieses verschlossen. Damit der Deckel auch tatsächlich dichtet (denn der Spannbügel hält ihn nur in Position, dichtet aber nicht verlässlich!), sollte man mit dem Anschlussschlauch (Nr. 3 oder 4a in Bild 2) etwas CO2-Druck (z. B. 0,5 bis 1 Bar) aufs Fass geben. Danach den Gasanschluss natürlich wieder trennen.
Nach Abschluss der Nachgärung, was man mit dem Manometer (Nr. 2 in Bild 2) wie bei einem Flaschenmanometer überwachen kann, und Absetzen der Hefe, was man durch cold crash, also Kaltstellen des Fasses, forcieren kann, wird nun das Bier von der Hefe geholt und in ein sauberes Fass umgedrückt:
Vorspannen des Kegs
Dazu muss das Zielfass zunächst auf den gleichen Druck des Spenderfasses vorgespannt werden. Mit dem auch zum Zapfen verwendeten CO2-Schlauch (Nr. 3 in Bild 2) hat das den Nachteil, dass die über den Gasanschluss von oben einfallende Kohlensäure sich mit der Luft im Fass vermischt, sodass auch nach dem Umdrücken ein Teil Luft im Kopfraum verbleibt und Oxidation des Biers fördert.
Wer ganz sichergehen will, kann das Zielfass zuvor randvoll mit Leitungswasser füllen und dieses mit CO2 wieder ausdrücken.
Sparsamer im Gasverbrauch und fast genauso gut ist folgende Methode: Das Fass wird mit einem entsprechenden Schlauch (Nr. 4b in Bild 2) über den Getränkeanschluss, also von unten her, vorgespannt. Wird unmittelbar danach mit dem Umdrücken begonnen, bleibt ein CO2-Kissen unten im Keg, das vom einströmenden Bier nach oben geschoben und die Luft damit ausgedrückt wird.
Degen kürzen – ja oder nein?
Ziel der ganzen Aktion ist ja ein möglichst klares Bier, also die Hefe so weit wie möglich in dem Fass, in dem die Nachgärung stattgefunden hat, als Bodensatz zurückzulassen. Viele Hobbybrauer haben zu diesem Zweck den Degen (das lange, fast bis zum Boden reichende Steigrohr im Keg) um 1 oder 2 cm gekürzt. Ich persönlich empfinde diese Modifikation als nachteilig, ist doch das Fass danach nicht mehr universell verwendbar, weil nicht mehr vollständig entleerbar.
Bei gut sedimentierter Hefe kann man bei unmodifiziertem Degen stattdessen die Hefe kurz vorher abschießen: Mit dem Zapfhahn (Nr. 1 in Bild 2) wird bei vollständig geöffnetem Kompensator (oder mit einem Gegendruckabfüller ohne Gegendruck!) einfach ein Schluck Bier gezapft, weniger als ein viertel Glas genügt! Die schnelle Strömung fegt im nahen Umkreis der Steigrohröffnung die Hefe vom Boden (hinterher ist bei der Reinigung ein kreisrundes, etwa fünfmarkstückgroßes Loch im Hefesediment sichtbar): Wird danach mit niedriger Geschwindigkeit umgedrückt (oder z. B. bei Partys einfach weitergezapft, ohne am Fass herumzuruckeln), bleibt die Hefe so liegen, und man erhält vollständig klares Bier!
Umdrücken
Beim konventionellen Umdrücken werden nun die Getränkeanschlüsse beider unter gleichem Druck stehender Kegs mit dem Schlauch (Nr. 5 in Bild 2) verbunden, das Spenderfass mit dem auf denselben Druck eingestellten Druckminderer mit CO2 beaufschlagt und das Gas aus dem Zielfass langsam abgelassen, wodurch das Bier überströmt. Zum Ablassen eignet sich entweder der „Spundapparat“ (Nr. 2 in Bild 2), bei NC-Kegs das in vielen Deckeln eingebaute Entlüftungsventil oder behelfsweise einfach das vorsichtige Niederdrücken des Ventilstifts im Gasanschluss zum Beispiel mit einem kleinen Schraubendreher. Ein gewisser Nachteil dieser Methode ist, dass auch das Spenderfass anschließend vollständig mit frischem CO2 gefüllt ist, das aber spätestens beim anschließenden Reinigen verloren ist.
Etwas sparsamer im Gasverbrauch ist daher das Umdrücken per Schwerkraft im Gaspendelverfahren: Das Zielfass wird (wie oben beschrieben über den Getränkeanschluss!) mit circa 0,1 Bar weniger als der Spundungsdruck des auf einem Tisch oder Kühlschrank stehenden Spenderfasses vorgespannt. Sobald nach dem Verbinden der Getränkeanschlüsse das Bier zu fließen beginnt, werden mit dem Schlauch (Nr. 6 in Bild 2) auch die Gasanschlüsse beider Kegs verbunden. Das Bier läuft nun nach dem Saugheberprinzip rein durch die Schwerkraft ins untere Fass. Das dauert unter Umständen etwas länger, stellt aber durch die geringe Fließgeschwindigkeit auch sicher, dass keine Hefe aufgewirbelt wird.
Das anschließend mit fast hefefreiem Bier gefüllte Keg kann nun ohne Autolysegefahr weiter gelagert oder auch problemlos außer Haus transportiert werden, ohne das Bier erneut einzutrüben.
Abfüllen unter Gegendruck
Um das fertig karbonisierte Bier aus dem Lagerkeg in Flaschen zu bekommen, braucht man einen Gegendruckabfüller. Das Funktionsprinzip ist dabei genau dasselbe wie beim Umdrücken in ein anderes Keg: Die Flasche wird mit CO2 vorgespannt und anschließend durch langsames Ablassen des Gases mit Bier gefüllt. Spannend wird dann noch einmal der Moment, in dem der Abfüller von der unter Druck stehenden Flasche zum Verkorken entfernt werden muss. So weit die Theorie.
Es gibt unzählige Varianten von Gegendruckabfüllern, von manuellen, ganz einfach in der Hand gehaltenen Ausführungen über Modelle, die einer Standbohrmaschine ähneln, bis hin zu teil- oder vollautomatisierten High-End-Geräten mit Magnetventilen. Bild 8 zeigt die wohl denkbar einfachste Ausführung: Das fast bis zum Flaschenboden reichende Langfüllrohr © kann mit je einem Kugelhahn wahlweise mit der Kohlensäure- (a) oder mit der Bierleitung (b) verbunden werden. Zunächst wird die Flasche mit CO2 vorgespannt, dann das Gas abgesperrt und auf die Bierleitung umgeschaltet. Mit dem Drosselventil (e) wird nun aus dem Kopfraum (d) der Flasche langsam Gas abgelassen, wodurch sich die Flasche mit Bier füllt. Dann wird das Bier abgesperrt, der Füller entfernt und die Flasche verkorkt.
Freilich bedarf es einer gewissen Übung, diese komplexe Choreografie fehlerfrei auszuführen und währenddessen den Füller auch noch fest auf der Flasche zu halten, damit es nicht zur legendären Bierdusche kommt. In meinem Fall war aber weniger das das Problem, sondern eine Reihe anderer Fehlerquellen, die dazu führten, dass das Bier schon während des Füllens so stark aufschäumte, dass die Flaschen nur halbvoll wurden, ich es mit den wie ein Geysir spuckenden Flaschen kaum bis zum Verkorker schaffte und sich bis dahin so viel CO2 wieder entbunden hatte, dass nur schales Bier in den Flaschen war. Aber der Reihe nach:
Kampf mit Hardware-Fehlern
Der Abfüller in Bild 8 war ursprünglich mit einem Dreiwegehahn (f) geliefert, der je nach Stellung den Gas- oder Bierschlauch mit dem Füllrohr verbindet und in den 90-Grad-Stellungen beide absperrt. Eigentlich eine sehr gute Idee, denn so muss man für jede Flasche den Hebel einfach viermal um 90 Grad weiterdrehen. In der Praxis scheiterte das allerdings daran, dass der Hahn nie dicht zu bekommen war und auch in „Bier“- oder „Geschlossen“- Stellung weiter Kohlensäure ins Füllrohr blubberte. Ein Fertigungsfehler, der auch bei anderen Verwendern dieses Modells auftrat. Dass damit ein schaumfreies Abfüllen komplett unmöglich ist, liegt auf der Hand. Ich habe daher zwei separate einfache Kugelhähne (a) und (b) verbaut, was zwar die Bedienung weiter kompliziert, aber wenigstens dicht ist.
Ein Druckminderer mit zwei Gasabgängen bietet die Möglichkeit, wie in Bild 9 sowohl das Keg als auch den Gegendruckabfüller ohne Verwendung zusätzlicher T‑Stücke direkt anzuschließen. Mein Fehler bestand jedoch darin, für das Keg einen handelsüblichen Zapfschlauch mit Rückschlagventil (Nr. 3 in Bild 2) zu verwenden. Grundsätzlich ist solch ein Ventil zwar eine gute Idee, um auch bei groben Bedienungsfehlern ein Rückströmen von Bier in den Druckminderer und eine Beschädigung desselben zu vermeiden. Allerdings führt das federbelastete Rückschlagventil zu einem Druckverlust von ein paar Zehntel Bar, sodass in der vorgespannten Flasche ein höherer Druck als auf der Bierleitung war. Nach dem Umschalten auf „Bier“ strömte daher zunächst Gas von der Bierflasche in Richtung Keg, was wiederum zu Blasen im Schlauch und exzessiver Schaumentwicklung führte.
Welche Biere überhaupt?
Je geringer der Spundungsdruck des Bieres ist, desto leichter tut man sich beim Abfüllen und desto geringer sind die Probleme beim Entspannen der Flasche zum Verkorken. Ein Beispiel: Ein mit 7 Gramm CO2 pro Liter hoch karbonisiertes Weizenbier, noch dazu bei Raumtemperatur, hat einen CO2-Sättigungsdruck von 3,3 Bar; hier wird der Versuch einer Gegendruckabfüllung im Schaumdesaster enden. Ein Lager hingegen mit 5 Gramm CO2 pro Liter, vor der Abfüllung (und zur Klärung!) auf 0 °C heruntergekühlt, hat nur noch 0,6 Bar Druck, die sich gut beherrschen lassen.
Eine Spundungstabelle oder ein Sättigungsdiagramm (siehe etwa http://hobbybrauer.de/forum/wiki/doku.php/spundungstabelle oder http://www.bierbrauerei.net/bierbrauerei-net_co2-saettigungsisotherme.pdf) zeigt das und ist zur Vorbereitung unverzichtbar. Es hat schon seinen Grund, dass bei Weizenbieren die Flaschengärung das traditionelle Verfahren ist!
Blasenfrei zapfen!
Die meisten werden diesen Hinweis noch von älteren Tankstellen kennen. Für eine erfolgreiche Gegendruckabfüllung ist das wohl die wichtigste Voraussetzung. Wenn sich bereits während des Abfüllens CO2 im Bier ausperlt und Blasen im Schlauch sichtbar werden, hat man eigentlich schon verloren. Ein glasklar transparenter Bierschlauch ist zur Kontrolle hilfreich.
Ein ganz klein wenig Physik: Damit eine Flüssigkeit überhaupt fließt, bedarf es eines Druckunterschieds. Je höher dieser ist, desto schneller fließt sie. Und längs des Weges kommt es insbesondere an Engstellen zum Druckabfall. Während des gesamten Abfüllens sollte also der Druck im Bier an keiner Stelle unter den CO2-Sättigungsdruck abfallen, damit es nicht zur Entbindung und Blasenbildung führt.
Ein paar Erfolgsfaktoren in Form einer Checkliste:
- Möglichst geringer Sättigungsdruck des Bieres, das heißt, das Bier bis zum Gefrierpunkt, besser noch bis auf –2 °C herunterkühlen
- Den Druckminderer einige Zehntel Bar über Sättigungsdruck einstellen, damit es auch an Drosselstellen (z. B. dem Keg-Ventil) noch zu keinem Ausperlen kommt. Also das geschilderte 0 °C kalte Bier (0,6 Bar Sättigungsdruck) zum Beispiel mit 0,8 bis 1,0 Bar abfüllen.
- Möglichst keine verwinkelte Konstruktion des Füllers oder der Bierleitung
- Peinlich gereinigte Bierleitung ohne Verunreinigungen oder Kalkablagerungen, wo CO2 bereits ausperlen könnte
- Den Bierfluss nicht über den Bierhahn (b), sondern ausschließlich über das Entlüftungsventil (e) kontrollieren. Der Bierhahn sollte dabei ganz geöffnet sein, um keinen Druckabfall zu bewirken!
- Möglichst langsames Füllen der Flasche: das Gas aus dem Kopfraum nur ganz gefühlvoll ablassen, damit der Duck in der Flasche noch nicht unter Sättigungsdruck fällt.
Analog zum Umdrücken per Schwerkraft kann auch ein Gegendruckfüller im Gaspendelverfahren betrieben werden. Bild 10 zeigt eine Variante mit einem Rückschlagventil in der Entlüftungsleitung: Die Bedienung ist einfacher, da zur Entlüftung kein Drosselventil mehr manuell bedient werden muss. Außerdem fließt das Bier nur anhand des natürlichen Gefälles vergleichsweise ruhig und langsam. Nachteilig ist allenfalls, dass Restluft aus der Bierflasche ins Keg strömen kann, sodass man das komplette Keg in einer Sitzung abfüllen sollte. Voraussetzung für diese Variante ist ein sicher arbeitendes, gegen geringste Druckunterschiede öffnendes und daher nicht federbelastetes Rückschlagventil, was auch der Grund dafür ist, dass ich selber bislang keine Erfahrung mit dieser Anordnung sammeln konnte.
Ist alles gutgegangen und hat man es geschafft, die Flasche schaumfrei zu befüllen, passiert beim Abheben des Füllers (und der unvermeidlichen Entspannung auf Umgebungsdruck) auch nichts anderes als beim gewöhnlichen Öffnen einer Bierflasche, sodass man relativ problemlos verkorken kann. Dennoch habe ich mir angewöhnt, in einer Mörtelwanne als Spritzschutz abzufüllen und den Weg bis zum Verkorken möglichst kurz zu halten, also den Verkorker mit in die Wanne zu stellen (siehe Bild 11).
Hat das Bier beim Abfüllen aber schon zu perlen begonnen, kommt es beim Entspannen zur Kettenreaktion und zur schlagartigen Entbindung großer Mengen Kohlensäure, zum Schaumvulkan und letztlich zu einer halbvollen Flasche mit schalem Bier.
Hallo Moritz
Besten Dank für diese detaillierte Anleitung.
Zu Beginn habe ich die KEG auch umgedrückt, mit der konventionellen Methode. Als ich dazu, besonders für die Reinigung, zu faul war, habe ich auch gemerkt, dass das Abzapfen des Trubs zu sehr klaren Bieren führt. Die Schwerkraft-Methode finde ich im Bezug zum CO2 sparen sehr interessant. Doch stellt sich mir die Frage wo das Gas dann effektiv gespart wird. Nach dem Umdrücken habe ich dann ja ein KEG mit CO2 und Bodensatz. Oder habe ich da etwas falsch verstanden? Was machst du mit diesem KEG zur CO2-sparenden Weiterverwendung?
Danke fürs auf die Sprünge helfen.
Herzliche Grüsse aus Zürich
Matthias der Biervampir
Hallo Biervampir,
Der Unterschied ist einfach der, dass Du in der klass. Variante ZWEImal ein Fass mit CO2 befüllen musst: Das Zielfass zum Vorspannen, und das andere zum Ausschieben des Biers.
Beim Schwerkraftverfahren ist beides das selbe Gas, so dass Du nur EINmal Vorspannen musst.
Ob die paar Gramm CO2 es einem allerdings wert sind, sich darüber den Kopf zu zerbrechen, mag jeder selber entscheiden…
Moritz
Hallo Moritz, sehr schöner Artikel, mit vielen praktischen Hinweisen und sehr gut erklärenden Grafiken! Das Ganze zeigt mir allerdings jetzt sehr deutlich, dass ich mit dem bayrischen Anstich von 10 Liter Fässern sehr, sehr gut und einfach lebe…
Gruß Heiner
Hallo,
Sehr informativer Artikel! Hast du den Bierschlauch direkt am Gewinde der CC Kupplung befestigt, ganz ohne Schlauchtülle? Welchen Schlauchdurchmesser hast du verwendet?
lg, Michael
Es gibt die CC-Kupplungen in zwei Ausführungen: Entweder mit einem Schlauchnippel statt Gewinde: Da wird der Schlauch direktaufgesteckt und mit einer Schlauchschelle gesichert. In meinem Bild Nr. 2 sind das z.B. die Schäuche 5 und 6.
Oder aber mit einem 1/2″-BSF-Gewinde. Dann wird der Schlauch mit einer enstpr. Kupplung und Überwurfmutter dort angeschraubt. Bei mir die Schläuche 3 und 4. Mit letzterer Variante ist man deutlich flexibler; würde ich es nochmal machen, würde ich nur noch die nehmen.
Getränkeschläuche haben üblicherweise 7mm; Gasschläuche 4mm. Wobei Du freilich auch 7mm für Gas nehmen kannst (in meinem Bild z.B. der Schlauch Nr. 6), wenn Dich das Starre nicht stört.
Ist aber alles nur ein Beispiel, keinerlei Muss.…
Toller Bericht. Motiert mich, das Thema doch irgendwann anzugehen…
Hast Du eine Stückliste und Bezugsquellen für die vielen Zubehörteile? Ich möchte vermeiden, falsche Teile zu bestellen.
Gruß Aki
Hi!
Ich hab die meisten Teile vergleichsweise günstig bei
http://schankanlagen-fachbetrieb.de/ gefunden.
Aaaaber, woher kriegt man dieses Teile?
- Reinigungsadapter zum Spülen der Kegs und ihrer Ventile (siehe Bild 3): An einem Ende ein Gardena®-Wasseranschluss (a), am anderen Ende ein Y‑Stück mit je einem selbstdichtenden Gas- (b) und Getränke-Stiftventil ©???
-> bei diesem Teil habe ich überhaupt keine Ahnung…
und woher ein
– T bzw Y‑Stück mit 2x 1/4″ Innengewinde und 1x 1/2″ Innengewinde für den „Spunapparat”?
Im Heizungs- oder Druckluft Fachhandel?
Beste Grüße, und guten Rutsch,
Martin
Das Y‑Stück würde ich auch gerne haben, leider kann ich es nirgends bei den gängigen Anbietern finden. Hast du da eine Bezugsquelle? Vielen Dank für den tollen Artikel!
Grüße
Markus
@Martin. Schau mal hier https://www.candirect.eu/Reinigung_1
… da gibt es übrigens auch eine sehr kundige Beratung, die genauso wie hier im Artikel, von einer Kupplung mit Rückschlagventil abrät. Ich habe mich anhand des Artikels hier dort beraten lassen, und heraus kam eine Spundanlage, die einige der hier aufgeführten Einzelgerätschaften unnötig macht – und schlussendlich sogar billiger ist.
Was machen beim Hopfenstopfen? Dann ist ein direktes Umfüllen ins Lager-KEG kaum möglich. Ich habe, weil nicht zur Hand, ohne Hopfenbeutel gearbeitet… und dann auch noch mit Doldenhopfen
Danke, danke, DANKE!!!!! Ich habe schon an mir gezweifelt… aber, dass am Adapter für die CO2-Leitung ein Rückschlagventil verbaut ist, auf die Idee bin ich tatsächlich nicht gekommen. Ich bin echt halb verzweifelt. Druck im Keg = 0,7 bar, Vorspannen der Flasche mit 0,7 bar und wenn ich dann den Bierszulauf aufgemacht habe, hat das CO2 aus der vorgespannten Flasche das Bier über die Bierleitung ins Keg gedrückt und die ganze Arbeit vom Brautag über Gärung, Lagerung und Flaschen reinigen war dahin.
CO2 Adapter aufgemcht, alles an Federn und Kugel in hohem Bogen rausgeworfen. Nächstes Bier abgefüllt UND ES FUNKTIONIERT!
Vielen Dank für diesen Artikel!
Für seine Kleinbrauerei hat ein Kollege von mir sich diesen Abfüller zugelegt und ist gemäss seiner Aussage sehr zufrieden mit dem Teil https://blattmannbier.ch/wordpress/konstruktionen/ . Es gibt ganz unten auf dieser Webseite auch die Möglichkeit, die Abfüllköpfe einzeln zu kaufen. Vielleicht interessant für alle, die nicht so tief in den Geldbeutel greifen möchten oder nur Kleinmengen abfüllen möchten.
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