Die Brauerei Schönbuch aus Böblingen hatte ich bis vor kurzem nicht auf dem Schirm, wenn ich auf der Suche nach außergewöhnlichen Bieren war. Ich hatte sie irgendwo zwischen Braugasthaus und Konzernbier à la Dinkelacker abgeheftet. Aber da lag ich in beiden Fällen falsch.
Zwar hat die Familie Dinkelacker sehr wohl mit der Brauerei Schönbuch zu tun, denn sie wurde 1823 noch als Dinkelacker Brauerei gegründet, und bekam erst 1906 ihren jetzigen Namen, als der zweite der zerstrittenen Brüder längst die heute als Dinkelacker bekannte Brauerei in Stuttgart gegründet hatte. Aber im Gegensatz zu der bewegten Geschichte des Stuttgarter Hauses, das Wulle und Sanwald aufkaufte, später mit Schwabenbräu fusionierte, von Spaten-Franziskaner übernommen und mit ihnen von InBev gekauft wurde, um letztendlich seit 2007 wieder im Familienbesitz zu sein, blickt Schönbuch auf 6 Generationen ununterbrochener Brauereigeschichte in Familienhand zurück.
Der heutige Geschäftsführer und Braumeister, der seit 1997 die Brauerei führt, hat keine Berührungsängste mit ungewöhnlichen Bierstilen. Schon sein Vorgänger braute seit 1991 Weizenbiere, und auf der Liste der ständig gebrauten Sorten stehen nicht nur wiedererweckte historische Biere wie das „Jäger Spezial”, sondern auch ein Pale und ein Amber Ale. Zusätzlich gibt es immer mal wieder Spezialsude. Seit einigen Jahren beteiligt sich die Brauerei auch am European Beer Star und holte Goldmedaillen für das dunkle Hefeweizen (2014) und den hellen Doppelbock (2015). Seit 2013 schreibt Werner sogar seinen eigenen Blog [2], in dem er über seine Bierreisen und Besuche bei Braukollegen, meist, aber nicht ausschließlich in Süddeutschland, berichtet.
Auch international hat Werner Dinkelaker viele Kontakte, und einer von ihnen führte zu dem Bier, das heute verkostet werden soll:
Vor 5 Jahren wurde ich von meinem Freund und geschätzten Braukollegen Frank Boon von der Boon Brauerei in Lembek, Belgien dazu inspiriert, Bier in Holzfässern auszubauen.
Das Ergebnis hat selbst mich, als erfahrener Brauer umgehauen.
(Werner Dinkelaker)
Also schaffte die Brauerei Bourbon-Fässer an und richtete einen speziellen Keller für die Fassreifung ein. Zum 25. Jahrestag des ersten Schönbuch-Weizenbiers wurde dann ein Weizen-Doppelbock eingebraut und für 8 Monate in den Weißeichenfässern gelagert. Als Ergebnis wurden 800 Flaschen abgefüllt, die man seit November 2016 ausschließlich in den Brauhäusern in Böblingen, Stuttgart und Calw kaufen konnte. Inzwischen ist der Sud wahrscheinlich schon ausverkauft, aber der Blick auf die Anzahl der Fässer im Keller macht Hoffnung, dass da noch die eine oder andere Spezialität nachfolgen wird.
Hat man die Folienversiegelung entfernt und den Korken aus der fast schwarzen Flasche gezogen, läuft das altgoldene, fast klare Bier ölig ins Glas. Nach der langen Fasslagerung hat es kaum noch Kohlensäure, erzeugt aber bei forciertem Einschenken trotzdem eine sehr haltbare, feinporige weiße Schaumkrone. Die erste Nase spürt Vanille, Dörrobst und würzige Holz- und Phenolnoten, aber auch schon einen Hauch der immerhin 10,1% Alkohol.
Im Antrunk dominieren süßliche Vanille und Eichenholznoten, später spürt man auch deutlich den wärmenden Alkohol. Am Gaumen ist das Bier sehr voll, fast dickflüssig. Die weizentypischen Nelken- und Bananenaromen sind kaum vorhanden, die Whiskeynoten aber deutlich spürbar. Insgesamt ist der Eindruck sehr weich und harmonisch, fast wie ein süßes, alkoholisches Dessert.
Die Presseinformation verrät auch einige Einzelheiten zu den Zutaten: es wurden Pilsener, Wiener und Weizenmalz verwendet, die Stammwürze dürfte weit über 20°P gelegen haben. Gehopft wurde mit Hallertauer Tettnanger und Perle, wobei im fertigen Bier kaum Hopfen zu spüren ist.
Der Oak Aged Weizenbock ist ein Bier für besondere Momente, wenn der Durst vorüber ist. Es lässt mich gespannt sein auf seine Nachfolger, die dann gern auch mehr Hopfen mitbringen dürfen.
Quellen:
- Schönbuch Braumanufaktur http://www.braumanufaktur.com/
- Werners Bierblog http://www.bierblog.eu/
Abbildungen:
- Titelbild: Autor
- Braumanufaktur und Fasskeller: Schönbuch Braumanufaktur
- Porträt Werner Dinkelacker: www.bierblog.eu