Lem­kes Ber­li­ner Kirsch-Weiße

Die Brauerei Lemke ist ein Urgestein der Berliner Hausbrauer. Mit ihren inzwischen 4 Brauerei-Gaststätten ist sie bereits seit 1999 fest in der Haus- und Craft-Brauer-Szene verankert. Schon in den letzten Jahren hat ihre Berliner Weiße viel Anerkennung gesammelt. Beim Meiningers Craft Beer Award und dem European Beer Star gab es 2018 und 2019 mehrere Auszeichnungen für die pure Budike Weiße und die Versionen mit Waldmeister und Himbeere. Auch die "Berliner Eiche", eine auf getoastetem Eichenholz gelagerten Variante, hat unter Kennern viel Lob geerntet.

Allen gemeinsam ist, dass die Vergärung im traditionellen Verfahren mit Milchsäurekulturen und einem speziellen Hefemix, der auch Brettanomyces enthält, abläuft. Gerade letztere verleiht der Berliner Weißen die typischen feinen "funky"Aromen und den trockenen Abgang. Während einer langen Lagerung ändern sich diese komplexen Noten ständig und werden immer raffinierter.

Bei den Fruchtvarianten wird nicht etwa Sirup beigemixt. Kurz vor Ende der Gärung wandern bis zu 200g echte Früchte pro Liter in das Jungbier, um dort weiter zu gären und reifen.

Wer regelmäßiger Gast bei Lemke ist, weiß, dass es in den Brauhäusern schon im letzten Jahr eine Kirsch-Weiße gab. Dieses Jahr nun kommt sie generell in den Verkauf. Mich hat interessiert, was sich zum Prototyp vom letzten Jahr geändert hat. Pressesprecherin Anika Stockmann sagte mir dazu:

"Tatsächlich haben wir noch viele kleine Dinge im Gärprozess verändert und an vielen Stellschrauben gedreht, so dass diese Kirsch Weisse gegenüber der limitierten Edition des letzten Jahres viel runder und ausgewogener schmeckt.
Zudem hat sie nun als ganzjährig verfügbare Sorte einen festen Platz in unserem Biersortiment: mit einem hochwertig gestaltetem Etikett und nationalem Vertrieb in Einzelhandel, Großhandel und online. Die limitierte Edition vom letzten Jahr war nur in unseren Brauhäusern vor Ort erhältlich und wurde dort ausgeschenkt."


Nicht nur der spezielle Hefemix, der bei Lemke von Manfred Staruß, dem letzten Braumeister der VLB-Hochschulbrauerei, gehegt und gepflegt wird [Foto bei facebook], sondern auch die Mischung aus Süß- und Sauerkirschen und die lange und komplizierte Gärführung macht die Berliner Weiße zu einer aufwändig herzustellenden Spezialität. Brauer Oli Lemke erklärt dazu:

"Im Unterschied zur industriell produzierten Weißen durchläuft unsere einen mehrstufigen Gärprozess mit verschiedenen Mikroorganismen. Dieser muss sehr genau gesteuert werden, um am Ende ein ausgewogenes, komplexes Geschmackserlebnis zu erreichen und keine Fehlaromen zu produzieren. Für Großbrauereien ist das alles zu aufwändig, und die Gärung wird dort stark vereinfacht. Das Ergebnis ist dann ein eindimensionales Sauerbier, das ohne Sirup nicht wirklich genießbar wäre. Aber diese Industrie-Weiße hat nichts mit dem komplexen Getränk zu tun, das die Berliner Weiße zu ihren Glanzzeiten einmal war. Wir haben es uns zur Aufgabe gemacht, diese echte Weiße in ihren schönsten Facetten wiederzubeleben."

Oliver Lemke

Für den Hobbybrauer ist die Berliner Weiße nicht ganz unkompliziert. Zu den Herausforderungen gehören die komplexe Gärung mit mehreren Kulturen, die Fruchtzugabe und die lange Lagerung. Braumeister Bastian Oberwalder hat ein paar Tipps dazu:

"Es empfiehlt sich, eine ausgewogene Mischung aus Süß- und Sauerkirschen zu verwenden, weil nur mit beiden Sorten ein so schön rundes und komplexes Aroma entsteht. Mit einer Sorte allein ist das nicht zu schaffen. Je nach Geschmack kann man über einen leicht höheren Anteil der einen Sorte gegenüber der anderen das Geschmacksprofil etwas steuern (Richtung etwas süßer oder etwas knackiger). Trotzdem immer mit beiden arbeiten.
Zudem ist die Wahl des richtigen Lacto entscheidend. Hier sollte man einen Stamm verwenden, der einen nicht zu tiefen pH-Wert erreicht."

Zum Zeitpunkt der Entstehung dieses Artikels war die Kirsch-Weiße noch nicht in den Bierläden angekommen; ich musste sie direkt in der Brauerei beschaffen. Zuhause habe ich den meinen einzigen unbedruckten Weiße-Pokal herausgesucht, damit die Lemke-Weiße sich nicht in einem Kindl-Glas graulen muss.

Beim Einschenken entsteht eine schöne rötliche Schaumdecke auf dem kräftig roten Bier, die aber recht großporig ist und schnell wieder zusammenfällt - nicht ungewöhnlich für ein so leichtes, schwach gehopftes Bier. Schon der Geruch ist komplex: neben dem typischen Aroma der Milchsäure und etwas Kirsch- und Bittermandelduft kann man auch schon den Twist der Brettanomyces-Hefe erahnen. Der Geschmack ist wunderbar ausgewogen: eine mittlere Säure, die nicht nur aus der Milchsäure, sondern auch aus der Fruchtzugabe stammt, ein deutlicher, aber nicht zu übermächtiger Kirschgeschmack und im Hintergrund die kaum definierbare Vielzahl an "Nebengeräuschen" aus dem Brett. Hopfen und Malz bleiben hinter den Kulissen. Insgesamt ein leichtes, frisches, fruchtiges, aber auch durch seine vielfältigen Aromen interessantes Bier, das nicht nur im Sommer schmeckt. Ich bin gespannt, wie es sich während der Lagerung verändert.

Wer jetzt neugierig geworden ist, kann die Lemke Kirsch-Weiße in Berlin bei ausgewählten Edeka- und Rewe-Märkten, in Berliner Bars und Restaurants, im Lemke-Online-Shop (shop.lemke.berlin) und beim Direktverkauf der Brauerei in Mitte beziehen. Am besten schmeckt sie aber wohl in einem der Lemke-Brauhäuser, stilecht im Weiße-Pokal serviert.

 

Die Brauerei Lemke ist natürlich nicht die einzige, die sich diesem Stil verschrieben hat; auch andere kleine Brauereien brauen hervorragende Berliner Weiße. Zuallererst sei hier Ulrike Genz' Schneeule genannt, die aus der Kooperation mit Andreas Bogks Kleinstbrauerei hervorgegangen ist. Sie kümmerte sich in den 2010ern als erste um die Wiederbelebung der Berliner Weißen. Aber auch Brewbaker, BRLO, die Meierei Potsdam und einige andere nationale und internationale Brauereien brauen hervorragende Beispiele.

Wer mehr über die Berliner Weiße erfahren will, dem sei das Buch der VLB "Die Berliner Weiße: ein Stück Berliner Geschichte" von 2008 und der brau!magazin-Artikel "Berliner Weiße - Reinkarnation als Dauerzustand" vom Herbst 2015 (als es mit der Berliner Weißen noch schlechter stand) empfohlen.


Brauhaus Lemke Hackescher Markt
Dircksenstr., S-Bahnbogen 143
10178 Berlin-Mitte
Tel. +49 (0)30 247 287 27
HackescherMarkt@Lemke.Berlin
www.lemke.berlin/hackscher_markt

Brauhaus Lemke am Alex
Karl-Liebknecht-Str. 13
10178 Berlin-Mitte
Tel. +49 (0)30 30 87 89 89
Am.Alex@Lemke.Berlin
www.lemke.berlin/am_alex

Brauhaus Lemke am Schloss
Luisenplatz 1
10585 Berlin-Charlottenburg
Tel. +49 (0)30 308 789 79
Schloss@Lemke.Berlin
www.lemke.berlin/schloss_charlottenburg

Kontakt Vertrieb / B2B
Milena Milde (Vertrieb Brauerei Lemke Berlin)
Tel: +49 (0)30 30 87 89 60
brauerei@lemke.berlin
www.lemke.berlin


Weiterführende Literatur:

Annemüller, Gerolf: Die Berliner Weiße: ein Stück Berliner Geschichte
VLB, Berlin, 1. Ausgabe, 2008
332 Seiten
Sprache: ger
ISBN 978-3-921690-58-1

Jörg Krüger:
Berliner Weiße - Reinkarnation als Dauerzustand

brau!magazin Herbst 2015
braumagazin.de/article/berliner-weisse

Schreibe einen Kommentar