Im Ulmer Verlag ist ein drittes Buch vom selben Autor erschienen, das deutlich das Label “Craft-Bier” auf dem Deckel zeigt. Es ist allerdings mehr als eine reine Rezeptsammlung, wie der Titel suggerieren will. Auf den 122 Seiten sind nämlich neben den 50 Rezepten (mit dem Standardrezept für ein Pale Ale sogar 51) auch eine grundlegende Brauanleitung plus Praxistipps untergebracht worden, sowie eine Vorstellung der Personen, die Rezepte zu dieser Sammlung beigesteuert haben.
Die Beschreibung des Brauprozesses folgt bewusst einem einfachen Schema, das für die verschiedenen Biere immer wieder variiert wird. Vertiefungen von bereits erworbenen Brautechniken darf der Leser deshalb nur in engen Grenzen erwarten, wie überhaupt Komplexität in jeder Hinsicht vermieden wird. Das zeigt sich unter anderem daran, dass andere Kulturtechniken als das Lesen beim Heim-Craft-Bier-Brauer in spe nicht abgerufen werden: Der gesamte Text kommt ohne Mathematik aus. Selbst um Hopfen mit abweichenden Alphasäuregehalten zu verwenden, wird eine Tabelle abgedruckt, statt dem Brauer die Anwendung der Verhältnisgleichung nahezulegen. Dass bestimmte Themen wie Wasseraufbereitung ausgeklammert werden, ist unter dieser Vorgabe ebenso verständlich. Trotz der konsequent durchgehaltenen Einfachheit bleibt der Autor fast durchgehend trittfest im Fach.
Dazu wurde der Text leicht lesbar und gefällig gehalten. Leider geht das oft zu Lasten der Qualität des Inhalts. Durch ein robusteres Lektorat oder Peer Reviews könnte hier das Schlimmste verhindert werden. Stilblüten wie “stark alkoholisierte Bierwürze” (S. 53) könnten vielleicht auch bei nicht alkoholisierten Lesern noch ein Schmunzeln auslösen, ein falscher Imperativ wie “Gebe dann das Malz hinzu!” (S. 19) lassen den Leser jedoch in einer Vogel-fresse-oder-sterbe-Situation zurück.
Sprachlich verzeihlich sind auch noch die “Hefepartikel” beim Abfüllen (S. 25). “Möglichst heißes Wasser” (S. 21) beim Nachguss könnte hingegen doch schon mal zu dem einen oder anderen Blausud führen. Gemeint war dort sicher „wenn möglich, mit heißem Wasser” und nicht „Wasser, das möglichst heiß ist”. Auch sollte man nicht die Sudhausausbeute über Stammwürze und Alkoholgehalt des Bieres entscheiden lassen, sondern den Brauer. Die Auswahl der Malzsorten obliegt dann aber dem Brauer, ohne aber zu sagen, nach welchen Kriterien er dies tun sollte. Denn ohne die nachvollziehbare Angabe der Bierfarbe in den Rezepten ist auch ein Fortgeschrittener überfordert zu entscheiden, ob nun ein Münchner mit 15 oder 25 EBC zum Ziel führen wird. Hier wird die Vereinfachung zur Hürde auf dem Weg zum Erfolg. Zur Hälfte aufgelegte Deckel beim Würzekochen (S. 22) neigen entweder zum Rauf- oder Runterrutschen und verhindern im schlimmsten Falle die ausreichende Ausdampfung des Dimethylsulfids. Warum den Deckel nicht ganz abnehmen?
Dass vor allem bei untergärigen Rezepten die Gärführung vernachlässigt wird, entspricht heute nicht mehr dem Anspruch selbst von Hobbybrauernovizen. Kaum einer würde sich mehr auf die interne Temperatursteuerung des Kühlschranks für die Gärführung verlassen. Auch die durchaus sinnvolle und gar nicht komplizierte Ausführung eines Hefestartes ist letztlich ungenügend erklärt und wird ohne zusätzlich Hilfe nicht zu Wege zu bringen sein.
Nicht ganz aktuell sind auch die angegebenen Preise für den Hobbybrauerbedarf. Auf der Suche nach einer Packung Nottingham Ale Hefe für 2,50 EUR werden die meisten Leser scheitern. Ebenso finden sich in der Struktur der Brauanleitung noch Verbesserungsmöglichkeiten. Dem ersten Erfolg beim Brauen wird das in den allermeisten Fällen keinen Abbruch tun.
Bevor es an die Rezepte geht, werden noch wichtige Ratschläge (z.B. für die untergärige Brauweise) und Verweise auf Online-Rechner gegeben, ohne die wohl kein Brauer, der sie einmal benutzt hat, mehr auskommen möchte.
Die Rezeptsammlung selbst ist breit gefächert, jeder sollte hier mehrere Rezepte finden, die auch bei schmalem Vorliebenspektrum eine Bereicherung des Horizonts bringen. Dass der Rezeptreigen nun ausgerechnet mit drei Pilsener Rezepten und fünf untergärigen Bieren eröffnet wird, kann kaum der Didaktik und der zu erwartenden Lernkurve beim Hobbybrauen, sondern allenfalls dem ungebrochenen populären Interesse an diesen Bierstilen bei Biertrinkern geschuldet sein. Von lagerwürdigen Schwergewichten bis zu schnell trinkbaren, von Hefe- über Malz- bis Hopfenbetonten sowie Hellen wie Dunklen geht es durch die gesamte Bandbreite. Es gibt Rezepte mit eher klassischen bis hin zu extravaganten Zutaten.
Das Buch richtet sich an Brauanfänger. Sie werden den meisten Gewinn aus der Lektüre ziehen. Die Rezepte werden aber auch erfahrenen Hausbrauern noch Impulse geben können. Und der eingefleischte Repertoirebrauer wird angeregt, seine Komfortzone zu verlassen. Für den Fortgeschrittenen wird sich der Gewinn außerhalb der Rezepte in engen Grenzen halten.
Zu loben ist noch die praxistaugliche Ausführung in Ringbindung: Buch muß nicht beschwert werden, damit es an derselben Stelle offen bleibt. Es kann somit beim Brautag ohne weiteres einen Platz im Sudhaus einnehmen. Das starke, abwischbare Papier verzeiht auch mal einen Tropfen, Spritzer oder Schwall aus dem Braukessel.
Die anderen Titel der Reihe:
Der Ulmer Verlag und Ferdinand Laudage haben uns 3 Exemplare des Buches für die Verlosung zur Verfügung gestellt. Wir ziehen die Gewinner unter den Einsendern einer e‑Mail mit dem Betreff „50 Rezepte” an Verlosung@braumagazin.de. Einsendeschluss ist der 30. April 2020.
Nachtrag vom 9. Mai 2020: Die Bücher sind inzwischen verlost und die Gewinner per Mail informiert. Falls ihr noch keine Post habt:
Viel Glück bei der nächsten Verlosung!