Fragen über Fragen und zehn Schritte zum Ziel
Wer das Hobbybrauen für sich entdeckt hat, wird – der eine früher, der andere später – irgendwann den Wunsch verspüren, nicht mehr nur Rezepte anderer nachzubrauen, sondern ein ganz subjektives eigenes Bier zu kreieren. Natürlich mit dem Anspruch oder zumindest der Hoffnung, dann auch etwas ganz Besonderes und von Hobbybrauerkollegen oder anderen Bierkennern Hochgelobtes zu schaffen. Aber wie macht man das? Was muss man beachten? Gibt es einen Fahrplan für die (erste) Rezeptentwicklung als Hobbybrauer?
Ich fürchte nicht. Aber es gibt viel Grund zur Hoffnung. Ich bin mir sicher, dass ganz viele verschiedene Wege zu einem gelungenen eigenen Rezept führen können. Ich selbst würde mich nach etwa 50 Hobbysuden als fortgeschrittenen Anfänger bezeichnen. Der Drang zu etwas ganz Individuellem war von Anfang an groß.
Als einen möglichen Weg zu einem gelungenen eigenen Bierrezept möchte ich hier meinen Weg zu einem Imperial Stout beschreiben, mit dem ich das Glück hatte, als Anfänger den Hobbybrauerwettbewerb der Störtebeker Braumanufaktur 2015 zu gewinnen. Ich erspare mir hier die Aufzählung, welche Prozesse beim Brauen man in welcher Tiefe verstanden haben sollte, um erfolgreich Bierrezepte zu entwickeln. Auch das ist vermutlich individuell so verschieden wie die Biere von Hobbybrauern. Aber es sollte klar sein, dass es ohne gewisse Grundlagen nicht funktionieren kann. Als ich Anfang 2015 von dem Wettbewerb bei Störtebeker zum Bierstil Imperial Stout erfuhr, hatte ich nicht nur noch nie ein solches Bier gebraut, ich hatte auch noch nie ein Imperial Stout getrunken. Es war aber sofort klar, da muss ich teilnehmen. Wie also an die Aufgabe herangehen?
Schritt 1
Im einschlägigen Internethandel verschiedene Imperial Stouts bestellen, um herauszufinden, wie so etwas eigentlich schmeckt. Vergleichbares sollte auch für die meisten anderen Stilrichtungen ein guter Anfang sein.
Schritt 2
Während des Wartens auf das Eintreffen der Lieferung ein paar theoretische Grundlagen schaffen. Für einen gut strukturierten Überblick über die Charakteristika von Bierstilen eignen sich die BJCP Style Guidelines (http://www.bjcp.org/stylecenter.php oder auch die deutsche Version https://brauerei.mueggelland.de/biertypen.html). Damit wird schon mal klar, was ist für ein solches Bier typisch und was untypisch ist, welche Eigenschaften und Zutaten sein müssen, welche sein können und welche gar nicht gehen.
Schritt 3
Mit den erworbenen theoretischen Grundlagen die endlich eingetroffenen Imperial Stouts sehr bewusst verkosten. Finde ich die Eigenschaften wieder, die die Style Guidelines beschreiben? Gibt es Dinge, die nicht zu passen scheinen? Lassen sich bestimmte Zutaten herausschmecken, und wenn ja, in welcher Intensität? Im Idealfall entsteht jetzt schon eine erste Vorstellung davon, wie das eigene Imperial Stout aussehen, riechen und schmecken soll und welche Nuancen ich lieber vermeiden möchte.
Schritt 4
Möglichst viele Rezepte anderer zu Imperial Stouts (etwa hier https://brauerei.mueggelland.de/rezepte.html oder hier http://www.maischemalzundmehr.de/index.php) heraussuchen und wiederum kritisch durchsehen. Was haben die Rezepte gemeinsam, was unterscheidet sie? Was passt an diesen Rezepten zu der in den Style Guidelines beschriebenen Typik des Imperial Stouts? Und vor allem, was an diesen Rezepten scheint zu der ersten Vorstellung von einem eigenen Imperial Stout zu passen und was eher nicht? An dieser Stelle sollten sich die Vorstellungen zu einem eigenen Rezept langsam verfestigen. Es sollte klar werden, welche Zutaten und/oder Verfahren auf jeden Fall zu verwenden sind.
Konkret für ein Imperial Stout hieß das für mich damals:
- englischer Biertyp, also Kombirast,
- schwerer, komplexer und malziger Körper, also Kombirast eher im oberen Temperaturbereich bei etwa 68 °C, weil dort mehr unvergärbare Zucker entstehen,
- als Grundlage Pale-Ale-Malz und dazu Röstmalz oder Röstgerste; nahezu alle anderen Malze können zusätzlich sein,
- Hopfenbittere von mindestens 50 IBU und Hopfenaroma eher in Richtung dunkle Früchte, Waldbeeren,
- englische oder amerikanische obergärige Hefe, die bei geringen Hopfenaromen eher deutliche Fruchtester beitragen und bei starken Hopfenaromen eher neutral sein sollte.
Schritt 5
Nachdem sich nun schon entscheidende Eckpunkte des Rezepts herauskristallisiert haben, sind noch mal Kontrollüberlegungen angesagt. Haben die Zutaten tatsächlich die Eigenschaften, die angestrebt sind? Wer – so wie ich damals noch – nicht über hinreichend eigene Erfahrungen verfügt, um das sicher beurteilen zu können, kann sich zum Beispiel hier https://brauerei.mueggelland.de/malz.html oder für Hopfen auch hier https://www.hopfen-der-welt.de/ wunderbar darüber informieren, welche Ergebnisse von welchen Zutaten zu erwarten sind.
Schritt 6
Mit all diesen Informationen ein zunächst nicht zu komplexes und eher simples Rezept entwickeln (dazu kann man entsprechende Programme nutzen, etwa das hier: https://brauerei.mueggelland.de/rezeptkalkulator.html). Simpel in diesem Stadium deshalb, weil es zunächst um das Verstehen und Beherrschen der Grundlagen des Bierstils geht. Wer jetzt schon zu komplex aufs Ganze geht, kann zwar Glück haben und ein exzellentes Bier schaffen. Er wird dann aber hinterher kaum genau wissen, welche Faktoren für welche Eigenschaften seines Bieres verantwortlich sind.
Schritt 7
Das Rezept aus Schritt 6 brauen.
Schritt 8
Das Ergebnis von Schritt 7 kritisch mit den Imperial Stouts der Profis aus Schritt 1 vergleichen. Was ist ähnlich, was verschieden? In welche Richtung will ich mein Imperial Stout ausbauen?
Schritt 9
… und vielleicht auch noch ein paar mehr:
Das Rezept aus Schritt 6 optimieren und erneut brauen. Eine komplexere Schüttung, eine zusätzliche Hopfengabe, eine andere Hefe oder Gärführung, vieles ist möglich. Es sollte aber möglichst immer nur ein Faktor geändert werden, damit sich der Einfluss gerade dieser Änderung auf das Ergebnis auch wirklich beurteilen lässt. Bis zum großen Wurf kann das einige Versuche dauern. Aber es lohnt sich.
Schritt 10
Genießen!
PS: Mein Rezept findet sich hier:
http://www.maischemalzundmehr.de/index.php?id=593&inhaltmitte=recipe&suche_sorte=Stout
Danke für den schönen Artikel, sehr hilfreicher Ansatz, auch wenn ich mir nicht vorstellen kann dass man um jeden Faktor zu optimieren einen oder mehrere 20L Ansätze macht 🙂
Auch die Referenzen sind überaus nützlich
Gruss BA
Sehr toller Bericht. Zufällig habe ich gerade das Video vom NDR dazu entdeckt 😉
https://www.youtube.com/watch?v=qQpEmFeexTk
MK