Der Barnim ist eine sanft hügelige Landschaft im Nordosten Berlins, die uns die letzte Eiszeit vor etwa 10.000 Jahren als Hochfläche hinterlassen hat. Der wohl bekannteste Ort dieses Landstrichs, das am Rande des Plateaus liegende Schiffshebewerk Niederfinow, ist nur einen Steinwurf entfernt vom Ziel meines Ausflugs, dem Brauhaus Barnim in Hohenfinow.
Seine Adresse „Am Bahnhof 4” ist in keiner Weise übertrieben, denn man fällt vom Bahnsteig des Haltepunkts Niederfinow quasi direkt in den Vorgarten des Brauhauses. Stündlich halten hier die Züge der RB60 auf dem Wege von Eberswalde nach Wriezen oder Frankfurt an der Oder.
Nora und Sören von Billerbeck wohnen schon seit 17 Jahren in dem Backsteinhaus, das wohl noch aus der Zeit des Baus der Bahnstrecke in den 1860er Jahren stammt. Bevor sie hier endgültig heimisch wurden, waren sie jahrelang als klassische Sänger auf der ganzen Welt unterwegs.
Die Liebe zum Bier muss wohl bei Sören schon damals erwacht sein. Zu Hause fing er dann bald mit dem Brauen für den Hausgebrauch an und arbeitete sich auch durch die Vielfalt der Bierstile, die er auf seinen Reisen kennengelernt hatte. Die Erfahrung wuchs mit der Anlage, die zuletzt 100 Liter pro Sud aus einem holzbefeuerten Waschkessel ergab.
Gegenüber dem Wohnhaus steht auf dem Hof ein altes Wirtschaftsgebäude, in dem die Bewohner früher mangels Keller ihre Vorräte und mancherlei Gerümpel unterbrachten. Hier machten die Billerbecks ihren Traum wahr und bauten das Häuschen in eine komplette kleine Brauerei um.
Im vorderen Teil steht auf nicht mehr als etwa 25 Quadratmetern die Brauanlage und die mantelgekühlten ZKGs. Das Sudhaus schlägt 500 Liter Würze pro Braugang aus, die dann einer der sechs Edelstahltanks mit dem gleichen Volumen für Gärung und Lagerung fasst.
An der Anlage wurde wirklich nirgends gespart. Neben dem professionellen Dreigerätesudwerk steht eine Siemens-Industriesteuerung für Brauanlage und Gärtanks. Sogar eine CIP-Anlage ist vorhanden und erleichtert die Reinigung der Anlage. Ein deckenhoch gefliester Raum mit rutschfestem Fliesenboden und Bodenablauf ist ebenso selbstverständlich wie die peinliche Sauberkeit, die im engen Sudhaus herrscht.
Der hintere Teil des Gebäudes nimmt die Kühlzelle für die Lagerung des fertig in Flaschen abgefüllten Bieres auf. Die zwei 800-Liter-Puffertanks der Kühlanlage temperieren nicht nur den Lagerraum, sondern sorgen auch dafür, dass selbst im Hochsommer immer genug Kühlkapazität für die Tanks zur Verfügung steht.
Im Vorraum stehen der Fassreiniger, eine Jemi-Flaschenwaschmaschine, ein sechstellliger Flaschenfüller von Werk II und eine wohl schon historisch wertvolle, aber unübertroffen zuverlässige Etikettiermaschine.
Am 23. Juni 2018 eröffnete der Bierverkauf mit einem kleinen Hoffest. Seitdem gibt es neben den Stammsorten Landbier, Märzen und IPA immer wieder wechselnde saisonale Biere wie zur Zeit ein Pale Ale, einen Rauchbock und ein Stout.
Verkauft wird das Bier nicht nur ab Hof, sondern auch in vielen regionalen Läden und Gaststätten. In Berlin ist es im Flaschbiershop in der Fehrbelliner Straße und in der Brandenburgerie in der Sredzkistraße 36 zu bekommen.
Inzwischen ist Sören, der in Österreich auch eine Ausbildung zum Biersommelier absolviert hat, mit seiner Brauerei Mitglied beim Verein der Deutschen Kreativbrauer, die sich mit ihrem Natürlichkeitsgebot zum kreative Brauen mit natürlichen Zutaten ohne die sinnfreien Einschränkungen durch das konzernorientierte Reinheitsgebot bekennen.
Etwas Potential bietet das kleine Brauhaus noch: Das Obergeschoss wird gerade zu Gastroküche und Seminarraum für Tastings, Bierseminare, Koch- und Braukurse ausgebaut. Dann hat man auch eine Regenvariante für die Braukurse, die im Moment immer im Freien an Sörens alter Waschkesselanlage stattfinden.
Der nächste Braukurs läuft am 7. April. Wer noch einen der knappen Plätze ergattern will, meldet sich am besten direkt im Brauhaus; Adressen siehe unten.
Der Hof-Ausschank ist nur zu besonderen Gelegenheiten geöffnet. Die nächste Chance, das leckere Barnimer Bier direkt an der Brauerei zu kosten, gibt es zu Himmelfahrt am 30. Mai.
Brauhaus Barnim
Am Bahnhof 4
16248 Hohenfinow
+49 33362 619 000
info@barnimer-brauhaus.de
www.barnimer-brauhaus.de
PS: Ich konnte inzwischen die meisten der aktuellen Barnimer Biere aus der Flasche verkosten. Alle waren handwerklich hervorragend und stilsicher eingebraut. Besonders haben es mir das Landbier, ein einfaches, süffiges Helles mit einem kleinen Kick vom Aromahopfen Cascade, und das Citra Pale Ale, in dem der kräfrige Citra mit dem sonst recht zurückhaltenden Mandarina Bavaria hervorragend harmoniert und sie zusammen ein wunderschön ausgewogenes Hopfenaroma erzeugen. Ich bin schon gespannt, welche Sorten es beim nächsten Besuch geben wird.