Bier­feh­ler des Quar­tals: Biertrübung

Wer kennt es nicht: Brautag und Gärung nach bewährtem Rezept liefen planmäßig, das Jungbier riecht auch super, steht aber Woche um Woche beinahe milchtrüb im Glas. Das sieht nicht nur wenig einladend aus, es schmeckt meist auch breit, und die Aromen bauen sich zunehmend ab. Der „Bierfehler des Quartals“ fahndet nach Ursachen und Lösungen.

1. Biertrübung

Je kleiner unlösliche Partikel im fertigen Bier sind, desto länger bleiben sie in der Schwebe. Durch diese Partikel wird einfallendes Licht gestreut, das Bier erscheint trüb. Eine Trübung wird nur in wenigen Bierstilen akzeptiert und sollte ansonsten aus optischen und sensorischen Gründen auf ein Minimum reduziert werden. Der Weg zu einem klaren Bier verläuft daher zunächst über die Klärung, worunter die möglichst vollständige Abtrennung vorgenannter Partikel verstanden wird. Begleitend achtet der Brauer auf die Stabilisierung des Biers, damit keine erneute Trübung durch neue Rahmenbedingungen auftritt. Dieser Artikel gibt zunächst einen Überblick über die verschiedenen Ursachen für Biertrübung und deren Kontrolle. Danach werden Methoden und Hilfsmittel zur Klärung und Stabilisierung des Biers besprochen.

2. Trübungsverursacher

Es kann zunächst unterschieden werden zwischen der biologischen Trübung in der Würze und der chemisch-physikalischen Trübung.

Die biologische Trübung wird durch Mikroorganismen verursacht. Diese Trübung sollte sich daher auf die gewünschten Hefen und gegebenenfalls zugesetzten Bakterien beschränken. Taucht überraschend und anhaltend eine Biertrübung auf, die trotz gleicher Rohstoffe und Rezepturen bis dato nicht vorkam, kann eine Kontamination mit unerwünschten Mikroorganismen vorliegen. Nicht alle Kontaminationen äußern sich durch Fehlaromen, die meisten Wildhefen und Bakterien weisen jedoch schlechte Sedimentationseigenschaften auf und äußern sich daher häufig durch eine Trübung.

Die größere und praxisrelevantere Gruppe der Trübungsbildner findet sich in der chemisch-physikalischen Trübung, die durch meist organische Inhaltsstoffe der Würze entsteht. Die nachfolgende Tabelle gibt einen Überblick:

Eiweiß-TrübungEiweiß-Gerbstoff-TrübungGlucantrübung (-> Stärketrübung)
Beschreibung
Mit 40 - 75 % der wichtigste Trübungsbildner [Ste10].
Eiweiß-Gerbstoff-Komplexe. Limitierender Faktor ist meist die Menge an Gerbstoffen, daher Fokus auf Reduzierung der Gerbstoffe. beta-Glucane oder unverzuckerte Stärkepartikel gelangen in fertiges Bier und bilden dort sehr stabile, gelartige Trübungen.
Stufenkontrolle:
1.Rohstoffe
Eiweissreiche Malze meiden (Weizen), weniger Rohfrucht.
Geringe Verletzung der Spelzen beim Schroten -> Konditionierung.
Ausreichende Schrotung des Malzes ohne Verletzung Spelzen -> Konditionierung. Ganzglasigkeit / Friabilimeterwert < 2,5 %. Rohprotein Gerste < 11 %, Weizen < 12,5 %
2. Maischen/Läutern
Eiweißrast bei unterlösten Malzen und Rohfrucht.Auslaugung von Polyphenolen durch Nachgüsse. Nachgüsse aufbereiten, < 80 °C aufbringen, Nachgussmenge beschränken (-> höherer Hauptguss) [Abb. …]
Vollständige Verzuckerung der Maische -> Jodprobe. Abmaischtemperatur < 80 °C um Freisetzung von Stärke zu vermeiden. Ziel: Klare Läuterwürze.

3. Würzekochen
Koagulation des wasserunlöslichen Eiweißes: Wallende Kochung, Würze pH <= 5,4. Ziel: Klare Würze mit groben Flocken direkt bei Kochende.
Auslaugung von Polyphenolen aus Hopfen durch: Zu lange Kochzeiten (Kaum noch Ausnutzung von Alphasäuren > 60 min, jedoch weitere Polyphenole!), Hopfen mit niedrigen Alphawerten (insbesondere bei sehr hopfenlastigen Bieren), Kochung bei zu hohem pH (Ziel: < 5,4 pH)
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4. GärkellerSorgfältige Abtrennung von Heißtrub und Kühltrub. Weitere Ausfällung der Proteine durch pH-Sturz bei der Gärung: Vitale, ausreichende Hefemenge. pH-Wert kontrollieren!
Weniger Stopfhopfen, kürzere Kontaktzeit.
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Zu erwähnen ist außerdem die Möglichkeit einer Oxalattrübung, die durch Bildung von Calciumoxalat im fertigen Bier entsteht. Calciumoxalat entsteht aus Oxalsäure des Malzes und Calcium, das aus Malz und dem Brauwasser eingetragen wird. Ausreichend hohe Calciumwerte > 50 mg/l im Brauwasser bewirken  die Bildung von Calciumoxalat schon während des Brauprozesses, sodass es aufgrund seiner geringen Löslichkeit in Würze schon vor der Abfüllung kristallin ausfällt und abgetrennt werden kann.

3. Bierklärung und Stabilisierung

Klärung bezeichnet die Entfernung von bereits unlöslichen Trubpartikeln und Kolloiden durch Sedimentation, Zentrifugation oder Filtration und richtet sich daher immer auf den „Status quo“ des Biers. Während gröbere Trubpartikel > 0,1 µm (biologische Trübung, Eiweißflocken) gut sedimentieren, bleiben kleinere Trübungsbildner von 0,001 bis 0,1 µm (Eiweiß-Gerbstoff-Komplexe, Stärketrübung) sehr lang in Schwebe. Die Sedimentation richtet sich nach Stokes Gleichung [Abb. 1]. Das bedeutet anschaulich, dass die Sedimentationsgeschwindigkeit mit dem Radius des Partikels quadratisch zunimmt. Der Vergröberung der Trubpartikel kommt daher in allen Prozessschritten eine besondere Bedeutung zu.

Abb. 1: Stokes Gleichung (Quelle: Wikimedia Commons)

  • v = Sedimentationsgeschwindigkeit Trubpartikel
  • r = Radius des sinkenden Partikels
  • g = Erdbeschleunigung
  • pq = Dichte des Partikels
  • pf = Dichte des Biers
  • n = Viskosität des Biers

Die Stabilisierung geht einen Schritt weiter und soll verhindern, dass im Bier durch Änderung der Rahmenbedingungen aus Temperatur und pH-Wert oder durch Mechanismen der Bieralterung erneut eine Trübung entsteht, die im finalen Gebinde nicht mehr entfernt werden kann.

Zur ausreichenden Klärung und Stabilisierung eines Sudes sind grundsätzlich keine Hilfsstoffe notwendig, sondern vor allem Kälte und Zeit. Viele problematische Trübungsursachen finden sich bereits in der Rohstoffauswahl und deren Behandlung im Sudhaus und können auf Grundlage der Tabelle unter Abschnitt 2 behoben werden. Werden Trübungsursachen bewusst in Kauf genommen oder soll die Trübung schneller/einfacher entfernt werden, kann der Brauer zu verschiedenen Hilfsstoffen greifen.

Hilfsmittel zur Schönung können sich sowohl auf die Klärung beziehen – hier geht es um eine Beschleunigung der Sedimentation – als auch auf die Stabilisierung. Hilfsstoffe zur Stabilisierung nehmen potenzielle Trübungsbildner vorab aus dem Spiel und ermöglichen uns die Klärung auch dieser Trübungsbildner, bevor das Bier auf die Flasche kommt.

3.1. Die natürliche Klärung und Stabilisierung des Jungbiers

Unter Tabelle 1 wurden in der Zeile „Gärkeller“ bereits begünstigende Faktoren für eine Reduzierung von (potenziellen) Trübungsbildnern im Sudhaus vorgestellt. Ziel bis zu diesem Punkt ist es, eine blitzblanke Würze mit geringem Trübungspotenzial in den Gärbottich zu bekommen. Wendet man sich nun der Praxis zu, lassen sich manche Faktoren wie schlecht sedimentierende Hefen oder große Mengen Stopfhopfen je nach Bierstil nicht vermeiden. Darauf kann jedoch im Kaltbereich reagiert werden.

Wir erinnern uns: Große Partikel sedimentieren schneller als kleine Partikel. Um ein gut geklärtes Bier ohne Hilfsstoffe möglichst schnell – und damit auch möglichst frisch – ins Glas zu bekommen, sollten die Partikel vergröbert werden. Das lässt sich vor allem an zwei Stellen bewirken: der Flokkulation der Hefe und der Ausfällung von Kühltrub.

Kühltrub

Ob Kühltrub aus der Würze möglichst vollständig entfernt werden soll, ist nach wie vor strittig [Nar10]. Da aber in der handwerklichen Praxis eine zu weitgehende Entfernung ziemliche Handstände erfordern würde, soll auf diese Fragestellung nicht weiter eingegangen werden.

Die Bildung von Kühltrub beginnt unmittelbar nach dem Kochende und der Unterschreitung der Kochtemperatur. Hierbei reagieren Gerbstoffe und Proteine, die beim Würzekochen nicht koaguliert werden konnten, zu Eiweiß-Gerbstoff-Komplexen. Im Gegensatz zum Heißtrub, dem beim Würzekochen irreversibel ausgeflockten Eiweiß, ist die Bildung von Kühltrub temperaturabhängig reversibel. Mit erneutem Temperaturanstieg können trübende Komplexe daher wieder in Lösung gehen, und die Trübung verschwindet. Dieses Phänomen wird besonders dann interessant, wenn nach der Gärung geklärtes Bier bei der Kühlung auf Trinktemperatur trüb wird. Es fällt erneut Kühltrub an, der nicht abgetrennt wurde. Man spricht hierbei von einer Kältetrübung.

Je schneller die Würze abkühlt und je intensiver sie bewegt wird, desto grobflockiger fallen diese Komplexe aus und können entsprechend leichter durch Sedimentation oder Filtration abgetrennt werden. Die Menge des Kühltrubs steigt dabei, je weiter die Würze heruntergekühlt wird.

Besonders effizient ist die unmittelbare Abkühlung nach Kochende bis nahe dem Gefrierpunkt, ohne dass zuvor der Heißtrub abgeschieden wurde. Dadurch kann der Heißtrub entstehenden Kühltrub teilweise adsorbieren und reißt ihn zu Boden [Narziß].

Wird die Abtrennung des Kühltrubs erst nach der Gärung beim Jungbier durchgeführt, spricht man vom „Cold Crashing“, wobei hier zusätzlich die Hefe sedimentiert.

Die Abtrennung des Kühltrubs sollte aufgrund der Reversibilität der Entstehung sorgfältig durchgeführt werden. Während die eigentliche Entstehung zügig verläuft (wenige Minuten), muss die Sedimentation abgewartet werden. In der Praxis rechnet man mit 50 cm Sedimentation pro Tag [Ric14]. Bei Temperaturen um den Gefrierpunkt durchgeführt, sorgt die Abtrennung des Kühltrubs schließlich auch für die Stabilisierung des Biers, da potenzielle Trübungsbildner entfernt werden.

4.2. Hilfsstoffe

Die natürliche Klärung des Biers kann beginnend im Sudhaus bis zum Jungbier hin durch Hilfsstoffe verbessert und beschleunigt werden. Während sich im Profibereich der Fokus auf die Filtrierbarkeit des Jungbiers richtet, soll die nachfolgende Tabelle einen auf den Hobbybereich zugeschnittenen Überblick über zur Verfügung stehende Stoffe und ihre Einsatzmöglichkeiten geben.

Irish MossGelatineHausenblaseKieselsolPVPP
ZielProteineHefe, Gerbstoffe und Polyphenole, (Proteine)Hefe, Gerbstoffe und Polyphenole, (Proteine)ProteinePolyphenole
Funktionsweise
Carrageene mit negativer Ladung. Binden an positiv geladene Proteine und Partikel der heißen Würze und bilden Komplexe. Die entstandenen Komplexe werden im Zuge der weiteren Abkühlung unlöslich und sedimentieren.Kollagen tierischen Ursprungs mit positiver Ladung. Bindet daher zunächst an negativ geladene Substanzen wie Hefen und Polyphenole/Gerbstoffe. Gelatine zeigt darüber hinaus komplexere, noch nicht vollständig bekannte Reaktionen, die auch zu einer Reduzierung von Proteinen führen. Diskutiert wird hierbei vor allem der physikalische Einschluss von unlöslichen Partikeln, die anschließend mitgerissen werden. Daher entfaltet Gelatine bei niedrigen Temperaturen die höchste Wirkung. Die Wirkung von Gelatine kann durch den gleichzeitigen Einsatz negativer Hilfsmittel wie Kieselsol weiter verbessert werden. Hausenblase weist die gleiche Funktion wie Gelatine auf, wirkt beim jungbiertypischen pH jedoch stärker.Absorption von Proteinen. Durch die große Struktur des Kieselsols erfolgt zwar eine zügigere Sedimentation, für die Hobbypraxis sollte Kieselsol jedoch im Interesse einer vollständigen Abtrennung vom Bier nur als (vorsichtige) Alternative für Irish Moss im Heißbereich oder in Kombination mit Gelatine/Hausenblase verwendet werden, die Kieselsol binden.Adsorption: Anlagerung von Polyphenolen an der Oberfläche des PVPP. Diese stehen anschließend nicht mehr für die besprochene Eiweiß-Gerbstoff-Trübung zur Verfügung. Durch die Reduzierung der Polyphenole ergibt sich in der Regel auch eine höhere Geschmacksstabilität. PVPP bindet außerdem Schwermetalle.
Einsatz im Sudhaus

Dosierung 15 - 25 g/hl ca. 5-10 min vor Kochende. Ziel der Gabe im Heißbereich ist die vollständige Lösung der Carrageene, für die mindestens 60°C nötig sind ohne sie zu denaturieren, was bei längeren Kochzeiten > 10 min auftreten kann. Die Dosierung soll so erfolgen, dass Irish Moss den entstehende Kühltrub vollständig ausfällen kann, jedoch damit abgetrennt und nicht in die Gärung verschleppt wird. Daher muss die Abtrennung möglichst kalt, mindestens jedoch unter 60°C erfolgen, bevor die Würze angestellt wird. Sonst kann Carrageen in die Gärung verschleppt werden und sie beeinträchtigen.Nicht möglich.Nicht möglich.Da in unterschiedlichen Formulierungen und Konzentrationen vorliegend, ist auf die Herstellergabe zu achten.-
Einsatz im JungbierNicht möglich.Dosierung 5 - 15 g/hl je nach Trübung in das möglichst kalte Jungbier. Kombination mit Kieselsol ca. 4 : 1 Kieselsol zu Gelatine.Dosierung 5 - 15 g/hl je nach Trübung in das möglichst kalte Jungbier. Kombination mit Kieselsol ca. 4 : 1 Kieselsol zu Hausenblase.ditoDosierung 10 g/hl zu dem Jungbier

Quellen:

  • [Ric14] Richartz, Untersuchungen zur Bierklärung/-stabilisierung mittels Klärseparator unter Einsatz von Flockungsmitteln, Masterarbeit an der HS Neubrandenburg
  • [Nar10] Narziß, L.: Die Bier­braue­rei. Band 2. Wiley-VCH, 2010
  • [Ste10] Steiner et al.: Turbidity and Haze Formation in Beer. Insights and Overview, Journal of the Institute of Brewing, Volume 116, Issue 4

Ein Kommentar zu “Bier­feh­ler des Quar­tals: Biertrübung

  1. Johnny H

    Super Arti­kel, der für mich gera­de zum rich­ti­gen Zeit­punkt kommt. So habe ich seit ein paar Char­gen mit ver­stärk­ter Trü­bung und brei­tem Geschmack zu kämp­fen. Da das zeit­lich mehr oder weni­ger mit dem Beginn des Schro­tens bei mir zuhau­se zusam­men­fällt, habe ich bereits mit Malz­kon­di­tio­nie­rung zur Scho­nung der Spel­zen begon­nen, aber es ist sehr vor­teil­haft, das Pro­blem in den grö­ße­ren Kon­text ein­ord­nen zu kön­nen um ggf. noch ande­re Stell­schrau­ben zu bedie­nen. Da hilft der vor­lie­gen­de Arti­kel ungemein.

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