Bei Zywiec scheiden sich oft die Geister. Einerseits hat die Brauerei ein für deutsche Großbrauerei-Verhältnisse erstaunliches Portfolio ungewöhnlicher Bierstile im Programm: neben dem Standard-Lager pur oder gemixt gibt es zum Beispiel auch Pale Ale, mehrere IPAs, Porter und Wit. Andererseits hat sich das Angebot an Spezialbieren seit der Einführung 2014 nicht mehr erweitert. Und vor allem: die im schlesischen Saybusch beheimatete Brauerei gehört seit 1998 über die Zywiec-Gruppe zum Heineken-Konzern und damit zu „Big Beer”, was für viele Craftbier-Enthusiasten ein Grund zum Meiden dieser Marke ist.
Nach meiner Erfahrung sind Pale Ale und IPA gut trinkbar, wenn man sie frisch erwischt. Im Sonderangebot des Discounters können sie aber auch schon mal überlagert sein – auch wenn das MHD etwas anderes sagt – dann ist weder von Hopfenaroma noch von Bittere viel spürbar.
Ein besonderer Fall ist das Białe („Weiß”), ein Bier im Wit-Stil. Bei diesem speziellen belgischen Weizenbier gibt es eigentlich traditionell gleich mehrere Besonderheiten: Weizen wird in Form von unvermälztem Getreide eingesetzt, die spezielle Wit-Hefe produziert ganz typische frische Fruchtnoten, und zum Aroma tragen Koriander und Zesten von Bitterorangen bei.
Das wie die anderen Spezialbiere in der Reihe „Brauschule” (Szkola Piwowarska) erschienene Zywiec Białe ist zwar in der Flasche glasklar, hat aber am Boden ein wenig Hefesediment, dass dem Bier nach dem Aufschütteln eine ganz leichte Trübung verleiht. Es fehlt allerdings die weißliche, sehr helle Färbung und starke Trübung, die das belgische Original durch die Weizenrohfrucht erhält, während beim Zywiec Białe Weizenmalz eingesetzt wird. Auch die Bitterorange ist für die Großproduktion scheinbar zu aufwändig und wurde durch Aroma ersetzt. Lediglich Koriander steht als Gewürz auf der Zutatenliste.
Die Brauerei bewirbt das Bier als leicht und erfrischend, was anhand der Daten (11,6 °P, 4,9 %vol) auch nachvollziehbar ist. Beim Einschenken entsteht ein wenig stabiler, recht großporiger weißer Schaum. Im Geruch spürt man schon eine gewisse Fruchtigkeit, aber auch einen merkwürdigen, süßlich-muffigen, mit Koriander parfümierten Ton. Es fehlt fehlt die frische und leichte Fruchtigkeit, die das Vorbild (etwa Hoegaarden) so erfrischend macht.
Noch enttäuschender ist der Antrunk: wässrig-leer, etwas süßlich, nur noch wenig fruchtig, und immer spielt sich die etwas unnatürlich übertriebene Koriandernote in den Vordergrund. Die Bittere von (wenig) Hopfen und Pomeranze, die das Aromenspiel beim Vorbild so interessant macht, fehlt fast völlig.
Für mich ist das eines der schlechteren Beispiele des Biertyps. Die Balance zwischen Bittere, Süße und frischer Fruchtigkeit neigt sich für mich zu sehr in Richtung Süße und Koriander-Aroma.
Zywiec Białe
Weizenbier
Weizen- und Gerstenmalz
Hopfen und Hopfenextrakt
Koriander, natürliches Aroma
Stammwürze 11,6 °P
Alkohol 4,9 %vol
Abbildungen:
- Flasche und Logo: Grupa Zywiec
- Titelbild und eingeschenktes Glas: Autor