Als praktische Übung zum Artikel „Vom Korn zum Malz” hatte ich mir vorgenommen, einige Kilogramm Roggen zu vermälzen. Ein Roggenbier wollte ich schon lange mal brauen, warum also nicht gleich mit selbst hergestelltem Roggenmalz.
Als erstes wollte ich feststellen, ob mein Roggen überhaupt noch ausreichend keimfähig ist. Dazu legte ich 20 Roggenkörner auf ein Papiertuch, benetzte es mit etwas Wasser und deckte die Körner mit dem feuchten Tuch ab. In den nächsten 2–3 Tagen muss man darauf achten, dass die Körner immer feucht, aber nicht zu nass gehalten werden. Sie sollen zwar Wasser aufnehmen, aber auch atmen können.
Die Keimfähigkeit sollte für das Mälzen mindestens 95% betragen, also sollten von den 20 Körnern mindestens 19 auskeimen. Ich war gespannt.
Links also die Ausgangslage: 20 Körner (abgezählt!) im Papiertaschentuch auf dem Frühstücksteller. Das Papiertaschentuch wurde dann zugeklappt und mit etwas Wasser übergossen. Theoretisch sollten dann nach etwa zwei Tagen die ersten Spitzen der Wurzelkeime an der Kornbasis sichtbar werden.
Das Ergebnis: Null. Keine Keimung. Nicht ein Korn konnte wieder zum Leben erweckt werden. Der Roggen war zwar schon zwei oder drei Jahre alt, aber dass die Keimfähigkeit so radikal abnimmt, hatte ich nicht erwartet.
Dann also die sichere Variante: Im Reformhaus gibt es sogenannte Sprießkorngetreide, die eigentlich zur Produktion von Sprossengemüse gedacht sind. Der Vorteil: der Hersteller garantiert eine Keinmfähigkeit von mindestens 90%, wie man auf der Rückseite der Packung lesen kann. Obwohl eine solche Sicherheit mit Apothekerpreisen bezahlt werden muss, sparte ich mir jetzt wenigstens den nochmaligen Keimfähigkeitstest. Wie sich später herausstellte, war die Garantie ihr Geld wert.
Will man mit herkömmlichem Gereide mälzen, sollte man möglichst frisches Getreide mit guter Keimfähigkeit verwenden, keinesfalls aber Saatgut, weil das oft zur Abwehr von Vogelfraß gebeizt wird.
Anfang November startete dann also der eigentliche Versuch. Zum Weichen sollte ein Nudelsieb mit einer passenden Schüssel dienen. Das Sieb nimmt die 2kg Roggen auf und wird zur Nassweiche in die Schüssel getaucht. Zur Luftweiche kann es ganz einfach wieder herausgehoben werden. Das Leitungswasser hatte eine ideale Temperatur von etwa 12°C.
Auf zur ersten Weiche. Ich wollte mich an das Nassweichverfahren nach Narziß halten, dass 3 Nassweichen von jeweils 3 bis 4 Stunden vorsieht. Dazwischen erfolgt jeweils eine Luftweiche von 20 Stunden.
Bei der ersten Weiche passte der Roggen noch locker in das Sieb, bei der zweiten Nassweiche wurde es schon knapp. Bei der dritten mussten die Körner dann direkt in die Schüssel gegeben werden. Das ist auch nicht weiter verwunderlich, steigt doch der Wassergehalt beim Weichen im Korn auf etwa das zehnfache an, und um mindestens dieses Volumen vergrößert sich der Raum, den das Getreide einnimmt.
Zur Luftweiche wurde das Sieb angehoben und zum Abtropfen auf zwei Leisten (bei mir zwei Braulöffelstiele) über der Schüssel abgestellt. Das Wasser der ersten Weiche war noch recht schmutzig, bei den anderen Weichen aber fast klar.
Um die Versorgung mit Luft zu verbessern, habe ich die Körner dann in ein halbkugelförmiges Fliegengitter umgefüllt. Schütteln sollte man das Getreide darin aber nicht, weil die weichen Körner von dem scharfen Gitter verletzt werden – insbesondere die wertvollen Keimanlagen liegen danach unter dem Sieb – besser nur vorsichtig umfüllen und stehen lassen.
Also 4 Stunden Nassweiche, 20 Stunden Luftweiche, 4 Stunden Nassweiche, 20 Stunden Luftweiche und schließlich nochmals 4 Stunden Nassweiche.
Nach der dritten Nassweiche waren schon deutlich die Keimansätze zu sehen, und die Temperatur stieg im „Haufen” beim Abtropfen auf über 18°C. Höchste Zeit, damit auf die „Tenne” zu gehen, um die Temperatur durch Ausbreiten des Haufens zu begrenzen.
Als Tennenboden musste bei mir ein Küchentisch mit Resopalplatte herhalten. Ich habe den Haufen auf etwa 30×40 cm ausgebreitet, was eine Haufenhöhe von gut 5 cm ergab. Bei einer Raumtemperatur von 15–16°C herrscht dann im Haufen eine Temperatur von um die 17°C.
Das geweichte Getreide verströmte einen ganz typischen Duft, der irgendwo zwischen grüner Gurke und frischem Gras liegt.
Zieht man den Haufen nicht auseinander, kann die Temperatur leicht weit über 20°C erreichen. Ich habe am Ende des dritten Keimtags für einige Stunden diese erhöhte Temperatur gehalten, um die zusätzliche Lösung für dunkles Malz zu erreichen.
Durch die geringen Mengen kann man aber in diesem Maßstab nur recht schlecht genaue Temperaturen einhalten. Die Raumtemperatur lag auch etwas zu hoch – in der Literatur werden nur 10–12°C als Optimum genannt. Dadurch verlief die Keimung schneller als empfohlen.
Hier Fotos der Körner nach 1/2, 1, 1 1/2, 2, 3 und 4 Tagen. Den größten Fortschritt erkennt man zu Beginn der Keimung. Nach dem 2. Tag tut sich nur noch relativ wenig.
Ich habe dann mich entschlossen, die Keimung nach 4 1/2 Tagen abzubrechen, obwohl in den Quellen die Rede von 8 Tagen Keimungszeit ist. Zu dieser Zeit tat sich am Korn nicht mehr viel, und der Haufen begann, leicht unangenehm zu duften. Ich schreibe das vor allem der höheren Temperatur zu. Möglicherweise verhält sich Roggen auch etwas anders als Gerste, die in der Literatur ausschließlich beschrieben wird.
Die Darre erfolgte im Umluft-Backofen, der für eine gleichmäßige Temperaturverteilung sorgt und bis auf 50°C heruntergeregelt werden kann. Das Malz (so darf man es jetzt wohl schon nennen) wurde auf zwei flachen Blechen verteilt. Die unterschiedliche Farbe auf dem Foto links entstand durch die Backofenbeleuchtung, die nur das obere Blech trifft. Die Backofentür blieb während der Trocknungsphase einen Spalt offen, um die Feuchtigkeit entweichen zu lassen.
Die Temperatur der Darre wurde für etwa 8 Stunden bei 50°C gehalten. Die Körner wurden mindestens stündlich gewendet. Danach sollte das Malz schon recht trocken sein. Anschließend habe ich für zwei Stunden auf 100°C erhöht, und zum Ende etwa eine Stunde bei 130°C leicht angeröstet. Die Backofentür war in dieser Phase geschlossen und wurde nur etwa alle 15–30 Minuten zum Wenden des Malzen geöffnet. Ziel war ein rehbraunes Malz, das den typisch brotigen Roggengeschmack einbringen kann. Ich denke, das ich das gut getroffen habe – den Beweis muss aber der Brauversuch erbringen.
Nach der Darre konnte das Malz einen Tag im Ofen abkühlen, bevor es an’s Putzen ging. Den Körnern hafteten noch die Wurzel- und Sprosskeime an, die entfernt werden müssen, weil sie keinen Brauwert besitzen. Das geschah wieder im Fliegengitter, indem die Körner aneinander und am Gitter gerieben werden. Das ist nicht so einfach wie es sich anhört: die Wurzelkeime zerbröseln zwar relativ schnell, aber die Sprosskeime sind sehr hartnäckig und ließen sich schließlich auch nicht 100%ig entfernen.
Beim Putzen fielen etwa 75g an Keimen an. Am Ende blieben als Ergebnis knapp 1,6 kg Roggenmalz. Das Ergebnis wird sich noch etwas verbessern, denn der Wassergehalt wird während der jetzt noch nötigen Lagerung von mindestens 4 Wochen noch etwas ansteigen. Ich habe jetzt also einige Wochen Zeit, ein Rezept zu entwerfen. Im Januar werden dann die Braukessel für ein Roggenbier angeworfen.
Die fertigen Malzkörner sind im inneren Mittelbraun und sehr knusprig, aber auch mürbe – sie lassen sich sehr einfach zerkauen. Der Geschmack erinnert an frisch gebackene Brotkruste. Ich vermute allerdings, dass die Enzymaktivität durch die relativ hohe Darr- bzw. Rösttemperatur sehr gering sein wird. Aber wenn man die Erfahrungsberichte liest, ist es ohnehin nicht angebracht, mehr als 20–30% Roggenmalz einzusetzen.
Der Selbstversuch zeigt, dass man mit Hausmitteln durchaus erfolgreich mälzen kann, aber auch, welch enormer Arbeitsaufwand in den unscheinbaren Körnern steckt. Nach solch einer Aktion wird man in jedem Fall den Job des Mälzers viel besser zu schätzen wissen.