This Text is a translation of the original article in english.
Dieser Text ist eine Übersetzung des Originalartikels in Englisch.
Ziemlich unerwartet ist in den letzten Jahren eine Familie von Norwegischen Farmhouse-Hefen in die Brau-Szene geplatzt. Kveik ist zwar bis jetzt noch nicht zur extrem gefeierten Mode geworden, scheint aber auf dem besten Wege dahin. Was also ist Kveik? Und woher stammt es?
Bis vor etwa 150 Jahren brauten die meisten nordeuropäischen Bauern ihr eigenes Bier – aus ihrem eigenen Getreide für den eigenen Gebrauch. Und all diese Brauer hatten ihre eigene Hefe, weil es keine Alternative gab. Die Modernisierung hat diese Brautradition fast überall sterben lassen, aber an einigen, über Nordeuropa verteilten abgelegenen Gebieten hat sie bis heute überlebt. Und an manchen Orten hat auch die Hefe überlebt.
Die Hefen, die die Bauern benutzten, wurden anders behandelt als in kommerziellen Brauereien üblich. Die Gärung war wärmer und kürzer, und die Hefe wurde oft getrocknet. Deswegen hatten die Bauern Hefen, die sich anders verhielten als die modernen kommerziellen Brauereihefen, mit denen die heutigen Brauer vertraut sind. Ich nenne diese Hefen „Farmhouse-Hefen” um sie zu unterscheiden.
In den letzten fünf Jahren wurden fast fünfzig Kulturen von Farmhouse-Hefen bei bäuerlichen Brauern in Norwegen, Litauen, Lettland und Russland gesammelt. Sehr wahrscheinlich existieren noch mehr Kulturen, sie wurden nur noch nicht gefunden.
Man hat versucht, den Ursprung jeder dieser Kulturen zu verfolgen, und jedes mal endete die Spur nach einigen Schritten bei jemandem, der schon verstorben ist. Niemand scheint über mehr als ein paar Dekaden zu wissen, wo die Hefen herkamen. Es ist aber sicher, dass sie in diesen Brauer-Kreisen lange Zeit zirkulierten. Wahrscheinlich sogar über eine wirklich sehr lange Zeit.
Die Analyse der Farmhouse-Hefen zeigt, dass die meisten, wenn auch nicht alle, zu den Saccharomyces cerevisiae gehören. Alle Kulturen bestehen aus mehreren Stämmen, wobei es nicht einfach ist, festzustellen, aus wie vielen. Zum Beispiel wurde die Farmhouse-Hefe #5 aus Terje Raftevold in West-Norwegen von einem kommerziellen Hefe-Labor analysiert. Sie fanden zwei Stämme. Die National Collection of Yeast Cultures in Norwich, England, analysierte sie gründlicher und fand acht Stämme. De Proefbrouwerij, eine Brauerei aus der Nähe von Gent, Belgien, fand 17 Stämme. Das Carlsberg Lab fand wohl 40.
Viele Farmhouse-Hefe-Kulturen wurden in West-Norwegen gesammelt, von Hardanger im Süden bis Sunnmøre im Norden. Es sind alles Saccharomyces cerevisiae, und alle Hefen sind untereinander enger verwandt als mit irgendeiner anderen Hefe. Anders gesagt: sie bilden eine eigene Hefe-Familie. Die Mitglieder dieser Familie nennen wir „Kveik”.
Keine der Farmhouse-Hefen aus Litauen, Lettland oder Russland gehört zur Kveik Familie. Überraschenderweise gehört Kveik zur Hefe-Familie „Bier 1” – so wie die meisten deutschen, englischen und amerikanischen (und einige belgische) Bierhefen. Die Kveik-Familie scheint jedoch aus einer Kreuzung zwischen der „Bier 1” Hefe und einer Hefe ohne bekannte Verwandtschaft entstanden zu sein. Diese unbekannte Hefe kann eine Wildhefe gewesen sein, wobei das bisher nicht bekannt ist.
Kveik hat einige außergewöhnliche Eigenschaften. Die bekannteste ist die Fähigkeit, sehr warm vergären zu können, ohne Fehlaromen zu produzieren. Die Voss Kveik kann ohne Probleme bei bis zu 42–43°C gären. Andere Kveiks bevorzugen niedrigere Temperaturen, aber meist 30°C und höher.
Kveiks sind auch berühmt für ihre Gärgeschwindigkeit. Sie zeigen oft schon innerhalb von ein bis zwei Stunden sichtbare Aktivität, und eine komplett vergorene Würze von 6–9% innerhalb von 36 Stunden ist nicht außergewöhnlich. Und weil Kveiks nur sehr wenig Fehlaromen produzieren, ist das Bier mehr oder weniger sofort perfekt trinkbar.
Alle bekannten Kveik-Stämme können getrocknet werden, weil das in Norwegen die traditionelle Art der Konservierung war. Die Kveiks sind im Gegensatz zu den Saison-Hefen, die zur „Bier 2” Familie gehören, alle nicht-phenolisch und nicht-diastatisch*. Norwegisches Farmhouse-Ale war historisch sehr stark – wahrscheinlich dadurch haben die Kveiks eine so hohe Alkoholtoleranz von 13–16%.
Die Kveik-Familie ist recht vielfältig. So reichen die von bestimmten Kveiks produzierten Aromen von Orange (Voss Kveik) über Banane/Melone (Stranda) und Mango/Ananas (Ebbegarden) bis zu Milchkaramell, Pilz und Ananas (Hornindal). Es gibt noch viel mehr Varianten, und die meisten Kveiks sind aromatischer als normale Brauereihefen und produzieren tropische Fruchtaromen.
Die Stärke der Aromaproduktion lässt sich am besten über die Anstellmenge steuern. Underpitching erzeugt stärkere Aromen und keine Fehlaromen. Die Gärtemperatur beeinflusst ebenso das Aroma, aber nicht so stark wie die Anstellmenge. Eine gute Anstellmenge für ein Bier mit 6–10% ist eine Milliarde Zellen pro Liter.
Kveiks können sowohl für englische Bierstile als auch für viele moderne Craft-Stile benutzt werden. Sie sind insbesondere für IPA und NEIPA geeignet, weil die tropischen Aromen der Hefe gut zu denen der modernen Craft-Hopfen passen und die schnelle Gärung und Reifung ermöglichen, das Bier sehr frisch zu trinken. Natürlich kann Kveik auch für traditionelle Stile wie Heimabrygg and Kornøl benutzt werden. Etwas entgegen der Erwartung erzeugen Kveiks keine Saison-Biere, weil sie weder Übervergärer sind noch Phenole produzieren.
Kveik wiederzuverwenden ist einfach: gekühlte Erntehefe hält ohne Probleme 6 Monate. Sie kann sogar mindestens zwei Jahre gelagert werden, muss dann aber vor der Nutzung wieder propagiert werden, um sicherzustellen, dass sie frisch ist. Die Farmhouse-Brauer trocknen sie üblicherweise im Ofen oder mit etwas Wärme wie in einem Schuhtrockner oder Dörrgerät. In getrockneter Form kann sie gefroren werden und hält dann mindestens zwei Jahrzehnte, möglicherweise auch länger.
Wenn man die aus mehreren Stämmen bestehenden Original-Kveiks wiederverwenden will, muss man sich darum kümmern, dass die Mischung der Stämme bestehen bleibt, sonst kann die Kultur ihr Verhalten ändern. Der sicherste Weg dafür ist die Hefe auf die gleiche Art zu ernten wie der ursprüngliche Eigentümer. Die Hefetabelle (3) zeigt wie.
Es wird auch empfohlen, sich zu notieren, welche Kulturen von welchen Suden geerntet wurden, und nur die Hefen der besten Sude wiederzuverwenden. Das ist das, was die Farmhouse-Brauer selbst tun, und es hat den Effekt Infektionen zu verhindern und die Hefekulturen in die gewünschten Richtungen zu entwickeln.
Viele Brauer machen sich Sorgen um das Risiko einer Infektion ihrer Brauerei, wenn sie Kveik benutzen. Aber rufen wir uns in Erinnerung, dass ein Kveik eine „Bier 1” Hefe ist. Sie ist weder diastatisch noch phenolisch. Wenn also eine „Infektion” stattfände, und einige Kveik-Zellen in ein Bier gelangen, in das sie nicht gehören, wären die Folgen wohl kaum überhaupt feststellbar.
Das Wort „Kveik” ist eines von mehreren Worten für Hefe in norwegischen Dialekten, und es ist das gebräuchlichste Wort für Hefe in den Festlands-Distrikten Süd- und West-Norwegens. Etymologisch hat es die selben Wurzeln wie das englische Wort „quick” im Sinne von lebendig sein. In norwegischen Dialekten kann es sowohl im Sinne von „etwas Leben einhauchen” (so wie „ein Feuer entzünden”) als auch für Hefe verwendet werden. In Voss in Westnorwegen ist es üblich, die im Handel erhältliche Hefe „gjær” zu nennen, während die Farmhouse-Hefe „Kveik” genannt wird.
Die Braukultur zu erleben, der diese Hefen entstammen, ist sehr schwierig. Sogar die traditionellen Biere auch nur zu verkosten ist schwer, weil sie nicht kommerziell vertrieben werden. Es gibt aber eine Lösung: Norsk Kornølfestival, ein den traditionellen Bieren gewidmetes Festival, das im Oktober in Horndal in Westnorwegen stattfindet. Hier schenken die Farmhouse-Brauer ihr Bier aus und reden darüber, und manche geben sogar Proben ihres Familien-Kveiks heraus.
Die Nutzung von Kveik in West-Norwegen ließ im letzten Jahrhundert stark nach. Viele der aktuellen Kulturen wurden bei Brauern gesammelt, die sie schon nicht mehr nutzten, aber sie noch immer in ihren Kühlschränken aufbewahrt hatten. Jüngere Leute in diesen Distrikten scheinen meist das moderne Heimbrauen zu bevorzugen, obwohl sich das mit dem aktuell aufkommenden Interesse an traditionellem Bier möglicherweise ändern könnte.
Außerhalb der traditionellen Brau-Regionen ist die Nutzung von Kveik dagegen in den letzen fünf Jahren rapide angewachsen, sowohl unter Heimbrauern als auch kommerziellen Brauereien. Aktuell listet Ratebeer 423 kommerzielle Biere, die mit Kveik gebraut wurden, wobei die Liste nicht vollständig ist. Eine Vielzahl kommerzieller Hefe-Labore verkauft jetzt Kveik, unter anderem White Labs, Imperial Yeast, Omega Yeast, The Yeast Bay, Fermentum Mobile und Escarpment Labs. Zusätzlich tauschen viele Enthusiasten über online-Foren verschiedene Kveik- und andere Farmhouse-Kulturen untereinander.
Die Forschung über Kveik und andere Farmhouse-Hefen dauert noch an. Es wird daran gearbeitet, mehr über den Ursprung und das Verhalten von nicht-Kveik Farmhouse-Hefen herauszufinden. Außerdem arbeitet man an der detaillierteren Erforschung der Brau-Eigenschaften der Kveik-Hefen.
Zwei Farmhouse-Hefen wurden in Ost-Norwegen eingesammelt, das geografisch von West-Norwegen getrennt ist und deshalb eine andere Brautradition hatte. Es ist nichts darüber bekannt, welche Art von Hefen die Farmhouse-Brauer in Ost-Norwegen benutzt haben, aber man hofft, dass uns diese beiden Kulturen eine Antwort darauf geben können, weil sie aus verschiedenen Regionen stammen: Hallingdal und Telemark.
Wie die Zukunft für Kveik aussieht, ist im Moment schwer zu entscheiden. Die gesammelten Kulturen werden in der National Collection of Yeast Cultures in England und zusätzlich in verschiedenen Laboren gelagert, so dass das Überleben der Hefe selbst gesichert ist. Die Brautraditionen in West-Norwegen waren auf dem Abstieg, aber es ist möglich, dass das verstärkte Interesse sowohl in Norwegen als auch darüber hinaus diese Tendenz umkehren.
In der kommerziellen Brauerei scheint Kveik auf einen Gipfel des Interesses zuzulaufen und die Frage ist, was auf der anderen Seite des Gipfels liegt. Viele übertriebene Trends steigen und fallen, aber meine Prognose ist, dass in diesem Falle die Hefe selbst ein so nützliches Werkzeug für Brauer ist, dass sie auch nach Ende der großen Aufregung von kommerziellen Brauern weiterbenutzt werden wird, weil sie auf sehr kostengünstige Weise einfach gute und einzigartige Biere produziert.
* nicht diastatisch: keine Übervergärer; das heißt, dass die Hefen keine Enzyme zur Aufspaltung nicht vergärbarer Zuckerarten besitzt (Anm.d.Red.)
Quellen:
- Preiss et al, 2018. „Traditional Norwegian Kveik are a Genetically Distinct Group of Domesticated Saccharomyces cerevisiae Brewing Yeasts.” In Frontiers in Microbiology, Evolutionary and Genomic Microbiology, 12 September 2018. doi.org/10.3389/fmicb.2018.02137
- Garshol & Preiss. 2018. „How to Brew with Kveik.” MBAA TQ vol. 55, no. 4, p 76–83.
- Yeast registry: http://www.garshol.priv.no/download/farmhouse/kveik.html
Alle Fotos von Lars Garhol. Die Produktseiten der Kveik-Hefen sind den Webseiten der Hersteller entnommen.
Übersetzung aus dem Englischen: Jörg Krüger