Kongresswürze – was vielleicht auf den ersten Blick nach einem besonders interessanten Programmpunkt einer Tagung anhört, ist tatsächlich eines der zentralen Verfahren der Brauerei-Messtechnik. Viele Analysemethoden, wie die Bestimmung der Bierfarbe oder des Extraktgehalts eines Malzes beruhen auf einer nach diesem Verfahren hergestellten Würze.
MEBAK
Genau definiert ist die Kongresswürze in der Bibel der Brauereilaboranten, der Methodensammlung der Mitteleuropäischen Brautechnischen Analysenkommission oder kurz MEBAK. Dieses erstmals 1978 erschienene, ursprünglich dreibändige, insgesamt rund 850 Seiten zählende Werk beschreibt in allen Einzelheiten die von einer internationalen Kommission von Brauwissenschaftlern anerkannten Messmethoden der Brauereianalytik.
Inzwischen sind mehrere Auflagen erschienen. Der erste Band wurde auf jeweils ein Buch zum Thema Wasser, Rohstoffe und Würze aufgeteilt und zwei weitere über Gebinde und Sensorik hinzugefügt. Mit Preisen zwischen etwa 60 und 180 Euro pro Band (!) ist der MEBAK allerdings eine ordentliche Investition, die dem Hobbybrauer kaum möglich sein wird. In Bezug auf die grundlegenden Methoden (wie die Herstellung der Kongresswürze) sind die älteren Ausgaben aber unverändert gültig, lediglich die Messtechnik hat sich seit der ersten Auflage doch „etwas” verändert..
Mir liegt Band 1 der Ausgabe von 1984 vor . Auf den Seiten 184 bis 197 wird das Kongressmaischverfahren ausführlich beschrieben. Das beginnt schon bei der Auswahl der Malzmühle, denn der Mahlgrad des Malzes ist ein ausschlaggebender Faktor für die Ausbeute beim Maischen.
Präzisions-Schroten
Also muss die genau nach Hersteller und Modell vorgeschriebene Scheibenmühle zunächst mit Fühllehren auf ein Spaltmaß von 1,0 mm für die Grob-Vermahlung und 0,2 mm für die Fein-Vermahlung eingestellt werden.
Vor dem Mahlgang muss die Mühle gründlich gereinigt werden, damit keine Reste vom vorherigen Einsatz die Messungen verfälschen können. Ebenso muss nach dem Mahlen auch das letzte Malz-Stäubchen in den Schrotbecher gepinselt werden, denn auch fehlendes Material sabotiert die exakte Analyse.
Die Anleitung zur Reinigung und Feineinstellung der Mühle füllt allein fast drei Druckseiten. Da bei der Analyse nur mit der relativ geringen Menge von 50 Gramm Malz gearbeitet wird, muss penibel auch auf kleinste Abweichungen geachtet werden.
Mit der Kongressmaische wird nicht nur ein, sondern eine Vielzahl von Parametern eines Malzes überprüft:
- Extraktgehalt Feinschrot
- Extraktgehalt Grobschrot
- Extraktdifferenz
- Geruch der Maische
- Dauer bis Jodnormalität
- Dauer der Filtration
- Klarheit der Würze
- pH-Wert der Würze
- Würzefarbe
- Kochfarbe
Das Maischverfahren
Das Maischverfahren wird zwei mal durchlaufen, und zwar jeweils einmal mit Grob- und Feinschrot. Die Differenz der Ausbeuten der beiden Ergebnisse gehört ebenso wie die absoluten Extraktgehalte zu den Standardwerte einer Malzanalyse.
In beiden Fällen werden 50 Gramm Malzschrot in 150 Milliliter Wasser von 45–46°C klumpenfrei eingerührt und der Rührstab mit weiteren 50ml Wasser abgespült. Dann wird bei exakt 45°C unter ständigem Rühren 30 Minuten gerastet.
Mit eine Heizrate von 1 K/min wird die Maische dann innerhalb von 25 Minuten auf 70°C erhitzt. Der Rührer und der Rand des Gefäßes werden danach mit 100 ml Wasser von 70°C abgespült. Die Temperatur wird für eine Stunde konstant gehalten.
In der Feinschrotwürze wird alle 5 Minuten mittels Jodprobe kontrolliert, ob die vollständige Verzuckerung erreicht ist. Die Zeit bis zur Jodnormalität wird notiert und später in der Analyse im 5‑Minuten-Raster angegeben, also z.B. „10–15min”.
Schließlich wird die Maische im Wasserbad unter Rühren innerhalb von 10–15 Minuten auf Zimmertemperatur abgekühlt. Der Rührer wird mit Wasser abgespült und der Inhalt des Maischbechers mit Wasser auf 450 Gramm aufgefüllt.
Jetzt ist auch der richtige Zeipunkt, um den Geruch der Maische zu beurteilen. Entspricht er dem verwendeten Malztyp, wird er mit „normal” notiert. Fehlen die typischen Aromen, bekommt er ein „nicht aromatisch”. Sollten Fremdaromen enthalten sein, werden sie ebenfalls aufgeführt.
Mini-Läuterung
Das „Läutern” geschieht über einen Faltenfilter. Die ersten 100 Milliliter des Filtrats werden wieder zurückgegeben – so wie wir das als Hobbybrauer auch mit den ersten Litern aus der Läuterhexe tun. Das Läutern wird abgebrochen, wenn der Filterkuchen trocken läuft, spätestens aber nach 2 Stunden.
Bei bis zu einer Stunde wird die Läuterzeit als „normal”, eine längere Läuterzeit mit „langsam” bezeichnet. Das Aussehen der geläuterten Würze wird in der Analyse als „klar”, „opalisierend” oder „trüb” aufgeführt.
Der pH-Wert wird ebenfalls jetzt in der Läuterwürze durch Messung mit einem pH-Meter mit Glaselektroden festgestellt und mit zwei Dezimalstellen angegeben.
Extraktgehalt
Der Extraktgehalt wird in in der 1984er Ausgabe noch mit einem Pyknometer als Standardverfahren festgestellt. Das ist ein Glaskolben mit einem speziellen Schliffstopfen, der einen dünnen vertikalen Durchlass, die Kapillare enthält. Der Kolben wird so weit gefüllt, dass beim Einsetzen des Stopfens ein Teil der Flüssigkeit aus der Kapillare entweicht und damit der Füllstand immer exakt gleich ist. Dieses Füllvolumen und das Leergewicht des Pyknometers sind genau bekannt, so dass durch Wägung die Dichte der Flüssigkeit genau bestimmt werden kann.
Als gleichwertige Verfahren zur Extraktbestimmung werden Spezialspindeln, Refraktometer und Präzisions-Dichtemesseinrichtungen der Firma Anton Paar genannt. Letzteres dürfte in der Brauindustrie heute der Standard sein – selbst viele Hobbybrauer setzen das EasyDens mit einem hoch genauen Biegeschwinger ein.
Aus dem Extraktgehalt der Würze kann der Extraktgehalt des Malzes berechnet werden:
E – Extraktgehalt des Malzes lftr (lufttrocken) in %
E’ – Extraktgehalt des Malzes in TrS (Trockensubstanz) in %
P – Extraktgehalt der Würze in %w/w (Gewichtsprozent, °P)
W – Wassergehalt des Malzes in %
Das Ergebnis wird jeweils auf eine Dezimalstelle gerundet. Die Differenz zwischen dem Extraktgehalt der Fein- und Grobschrotwürze in Trockensubstanz wird mit einer Dezimalstelle in Prozent angegeben. Differenzen unter 1,8% werden als „gut”, über 1,8% als „mäßig” bezeichnet.
Würze- und Kochfarbe
Die Würzefarbe der Feinschrotwürze wurde 1984 noch ausschließlich mit einem Komparator durch Vergleich mit Farbscheiben festgestellt. Heute sind auch andere Messverfahren möglich, siehe dazu auch den Artikel über Bierfarben in dieser Ausgabe.
Bessere Korrelation mit der Bierfarbe, besonders bei hellen Würzen, liefert die Kochfarbe. Dafür wird die Feinschrotwürze zwei Stunden an einem Rückflusskühler gekocht, der dafür sorgt, dass der Wasserdampf in einem mit kalten Wasser durchflossenen Kühler kondensiert und wieder in die Lösung zurückfließt.
Die Messung erfolgt wie bei der Würzefarbe. Unter 10 EBC wird die Farbe in der Analyse mit einer Dezimalstelle angegeben, darüber als ganze Zahl.
Wichtig ist, die Farbe unmittelbar nach dem Kochen zu messen, um Verfälschungen durch Oxidation auszuschließen. Trübe Würze sollte vor der Messung feinfiltriert werden, vorzugsweise durch Memranfilter unter Überdruck.
Fazit
Die im Kongressmaischverfahren gewonnene Kongresswürze ist Grundlage für viele Parameter einer Malzanalyse. Extraktgehalte, Farben und andere Eigenschaften werden noch immer auf Grundlage dieses standardisierten Verfahrens gemessen, auch wenn sich die Messtechnik in den letzten 30 Jahren geändert und viele Messungen stark vereinfacht hat.
Quellen:
Abbildungen:
- Buchcover: MEBAK Methodensammlungen
- pH-Meter: Datamax, PH Meter, als gemeinfrei gekennzeichnet
- Pyknometer: Gmhofmann in der Deutschen Wikipedia, als gemeinfrei gekennzeichnet
- Rückflusskühler: GYassineMrabetTalk, Reflux apparatus numbered, CC BY-SA 3.0