Ich bau dir ein Schloss

Berliner Berg

Die Ber­li­ner Berg Braue­rei eröff­net ihren Aus­schank in Neukölln

Richard Hodges

Braumeister Richard Hodges

Seit eini­ger Zeit sieht man in Ber­lin ein Gesicht bei fast allen Ver­an­stal­tun­gen, die mit Bier zu tun haben: Richard Hod­ges, der als Brau­meis­ter von der Münch­ner Crew Repu­blic zur neu­en Ber­li­ner Berg Braue­rei gewech­selt ist. Auch sei­ne Bie­re wie der Stadt­af­fe oder Schwarz­fah­rer sind seit Wochen in vie­len Bars unter dem Label Ber­li­ner Berg präsent.

Bis­her war das nur eine wei­te­re vir­tu­el­le Braue­rei – die Bie­re wur­den bei ande­ren Craft-​Brauern wie Schoppe-​Bräu oder einer klei­nen, hand­werk­lich arbei­ten­den baye­ri­schen Braue­rei ein­ge­braut. Das soll sich jetzt ändern, denn die vir­tu­el­le Braue­rei mate­ria­li­siert sich in der Neu­köll­ner Kopf­stra­ße 59.

Das Grün­der­zeit­haus mit Remi­se hat eine beweg­te Geschich­te hin­ter sich: gebaut Ende des 19. Jahr­hun­derts beher­berg­te es zunächst eine Schmalz­fa­brik, spä­ter eine Flei­sche­rei und eine Kneipe.

Theke

Die Bergschloss-Theke

Nach lan­gen Jah­ren des Leer­stands leg­ten die Braue­rei­grün­der im Laden des Vor­der­hau­ses unter Schich­ten von Holz­tä­fe­lung und Schaumstoff-​Deko behut­sam die Pati­na der Original-​Bemalung wie­der frei. Hier zog das Berg­schloss, der zukünf­ti­ge Braue­rei­aus­schank, ein. Zur Eröff­nung fehlt nur noch eine letz­te Geneh­mi­gung, die aber ob der momen­ta­nen Über­las­tung der Ber­li­ner Ämter wohl noch etwas auf sich war­ten las­sen wird, so dass noch nie­mand wagt, einen offi­zi­el­len Eröff­nungs­ter­min zu nen­nen. Ansons­ten sind die Grün­der aber voll des Lobes über die bis­he­ri­ge Zusam­men­ar­beit mit den Behörden.

Remise

Remise mit der zukünftigen Brauerei im Souterrain

Die eigent­li­che Braue­rei fin­det im Sou­ter­rain der Remi­se Platz. Hier sind Flie­sen­le­ger gera­de dabei, Boden und Wän­de in lebens­mit­tel­taug­li­che Pro­duk­ti­ons­flä­chen zu ver­wan­deln. Auf knapp 100 Qua­drat­me­tern wird ein 5‑Hektoliter-​Sudwerk, Gär- und Lager­tanks sowie eine klei­ne Abfüll­an­la­ge Platz fin­den. Wei­te­re Lager­flä­chen gibt es in den anschlie­ßen­den Kel­ler­räu­men, die auch Platz für Erwei­te­run­gen bieten.

Der durch­aus ehr­gei­zi­ge Plan sieht vor, noch in die­sem Jahr den ers­ten Sud auf der neu­en Anla­ge zu fah­ren, die dann die Bie­re mit klei­ne­ren Auf­la­gen pro­du­zie­ren wird. Grö­ße­re Sude für die Sor­ten, die auch über­re­gio­nal vetrie­ben wer­den sol­len, wer­den nach wie vor auf ande­ren, grö­ße­ren Anla­gen gefah­ren werden.

Gründer

Braumeister Hodges und Gründer Robin Weber, Uli Erxleben, Finn Age Hänsel

Ein ganz spe­zi­el­les Anlie­gen der Berliner-​Berg-​Gründer ist die Wie­der­be­le­bung eines Stils, der nach wie vor nur ein Schat­ten­da­sein in der aktu­el­len Ber­li­ner Bier­welt fris­tet: die Ber­li­ner Wei­ße. Bis zum Ende des 19. Jahr­hun­derts war sie der domi­nie­ren­de Bier­stil in Ber­lin, wur­de dann aber von den Lager­bie­ren ver­drängt. Von den hun­der­ten Braue­rei­en, die zur Hoch­zeit die­ses Biers Ber­li­ner Wei­ße pro­du­zier­ten, ist heu­te kei­ne ein­zi­ge mehr übrig, die die Wei­ße in grö­ße­rem Umfang in der tra­di­tio­nel­len Brau­art herstellt.

Beson­dert­heit der Ber­li­ner Wei­ßen ist die Ver­gä­rung mit drei ver­schie­de­nen Mikro­or­ga­nis­men. Neben der übli­chen Bier­he­fe (Sac­ch­aro­my­ces Cere­vi­siae) kom­men auch Milch­säu­re­bak­te­ri­en (Lac­to­ba­cil­lus) und Brettanomyces-​Hefen zum Ein­satz. Die Bier­he­fe setzt ver­schie­de­ne rela­tiv kur­ze Koh­le­hy­dra­te in Alko­hol und Koh­len­di­oxid um, die Milch­säu­re­bak­te­ri­en sor­gen für die mehr oder weni­ger deut­lich wahr­nehm­ba­re Säu­re, wäh­rend die Brett­anomy­ces oder kurz Brett-​Hefen in der Lage sind, auch vie­le sonst unver­gär­ba­re Koh­len­hy­dra­te lang­sam umzu­set­zen und dabei eine Viel­zahl von zusätz­li­chen Aro­men zu produzieren.

Fassade

Letzte Arbeiten an der Fassade

Milch­säu­re und Brett-​Aromen zäh­len in einem „nor­ma­len” Bier zu den Fehl­ge­schmä­ckern und wer­den daher von Brau­ern gefürch­tet, auch weil ins­be­son­de­re die Brett­anomy­ces oft rela­tiv schwie­rig zu besei­ti­gen sind, wenn Tei­le der Anla­ge erst damit kon­ta­mi­niert wurden.

Nen­nens­wer­te Men­gen Ber­li­ner Wei­ße braut nur noch die Radeberger-​Gruppe in der Ber­li­ner Kindl-​Schultheiß-​Brauerei. Aber die rie­si­ge Bier­fa­brik im Nord­os­ten Ber­lins traut sich nicht zu, in ihren Anla­gen eine Gärung mit Brett­anomy­ces zu fah­ren. So ist die Kindl-​Weiße mit ihrem ein­di­men­sio­nal sau­ren Geschmack nur ein blas­ses Abbild der his­to­ri­schen Wei­ßen. Auch die Wei­ße der Brauma­nu­fak­tur Temp­lin kann nicht über­zeu­gen, weil ihr das nuan­cen­rei­che Spiel der von der Brett-​Hefe erzeug­ten Aro­men fehlt.

In klei­nem Umfang wird die Wei­ße heu­te noch regel­mä­ßig in tra­di­tio­nel­ler Brau­wei­se bei Brew­bak­er und der Pots­da­mer Meie­rei her­ge­stellt. Von Bogk-​Bier, einem Crowd-​Funding-​finanzierten Pro­jekt zur Wie­der­be­le­bung der Ber­li­ner Wei­ßen, wo eben­falls die tra­dio­nel­le Misch­gä­rung zum Ein­satz kam, hört man lei­der seit dem Umzug von der Kreuz­ber­ger Hinterhof-​Mikrobrauerei in die ehe­ma­li­ge Willner-​Brauerei an der Schön­hau­ser Allee nichts mehr.

Die­se Lücke will jetzt also Ber­li­ner Berg fül­len. Eine eige­ne Gär‑, Lager- und Abfül­l­i­nie soll dafür sor­gen, dass sich Lac­to­ba­cil­lus und Brett­anomy­ces nicht auf die nor­ma­le Pro­duk­ti­on über­tra­gen kön­nen. Den zusätz­li­chen Kapi­tal­be­darf will man per Crowd-​Funding decken; die Kam­pa­gne dazu star­te­te am 23. Sep­tem­ber bei StartNext.

Brauraum

Noch Baustelle: das zukünftige Sudhaus

Eine Grup­pe von Jour­na­lis­ten und Blog­gern konn­te sich zu die­sem Anlass schon einen Ein­druck vom Stand der Bau­ar­bei­ten machen und die bis­her gebrau­ten Bie­re ver­kos­ten. Mit­grün­der Robin Weber führ­te uns in die noch mit­ten im Bau befind­li­chen Braue­rei­räu­me. Vor­sicht war nicht nur an der denk­mal­ge­schüt­zen und nur schul­ter­ho­hen Ein­gangs­tür gebo­ten, son­dern auch am Ran­de der geflies­ten Boden­be­rei­che, die noch nicht tritt­fest waren. Trotz­dem konn­te man sich schon einen guten Ein­druck der künf­ti­gen Braue­rei verschaffen.

Am Hahn des Berg­schlos­ses waren an die­sem Abend 4 Berliner-​Berg-​Biere, die alle­samt in Zusam­men­ar­beit mit ande­ren Braue­rei­en ent­stan­den sind. Das Sum­mer Pale Ale ist ein leich­tes, gut trink­ba­res ame­ri­ka­ni­sches Ses­si­on Pale Ale mit nur 4% Alko­hol. Der Stadt­af­fe, ein Sai­son mit 5,5% Alko­hol, ist ein fri­sches, gut zwi­schen Säu­re der Sai­son­he­fe und Süße des Mal­zes aus­ba­lan­cier­tes Bier, das auch sehr gut zur hei­ßen Jah­res­zeit passt.

Sortiment

Das Start-Sortiment: Lager, Pale Ale, Weiße

Der Schwarz­fah­rer, ein leich­tes Dry Stout mit 4,4%, wur­de schon in ver­schie­de­nen Bars aus­ge­schänkt. Es ist sehr har­mo­nisch und eig­net sich her­vor­ra­gend als Session-​Bier und zu def­ti­gen Spei­sen. Das Dou­ble IPA R‑A-​zacca ent­springt einer Koope­ra­ti­on mit dem Brau­kunst­kel­ler und ver­wen­det unter ande­rem die brand­neue Hop­fen­sor­te Zac­ca. Kräf­ti­ge Bit­te­re paart sich mit deut­li­cher Malz­sü­ße und gereif­ten exotisch-​fruchtigen Hopfenaromen.

Ber­li­ner Berg macht Neu­gier auf mehr.

Nach­trag: Am 31. Okto­ber ging die Crowdfunding-​Kampagne der Ber­li­ner Berg Braue­rei zu Ende. Nach dem über­aus erfolg­rei­chen Start am 23. Sep­tem­ber erhöh­te das Brauerei-​Team das Crowdfunding-​Ziel noch ein­mal von 50.000 auf 65.000 EUR. Die Grün­der der Neu­köll­ner Craft Beer Braue­rei freu­ten sich am Ende über eine ein­ge­sam­mel­te Sum­me von ins­ge­samt 65.866 EUR und über die erfolg­reichs­te Bier­kam­pa­gne, die im Crowd­fun­ding bis­lang in Deutsch­land gestar­tet wurde.

LagerBerliner-Berg-Pale-Ale-LabelBerliner-Berg-Berliner-Weisse-Label

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