Kann man das heu­te schon trinken?

Schaubild

Ein Leit­fa­den für gelun­ge­ne Hobbybraukurse

Was ist die Zielgruppe?

Brau­kur­se gibt es sol­che und sol­che. Ich sel­ber bekam ein­mal eine Teil­nah­me in Form eines Erleb­nis­gut­scheins einer nam­haf­ten Event­agen­tur geschenkt. In der aus­rich­ten­den Braue­rei fand sich mor­gens ein Rudel von Frei­bier­ge­sich­tern ein, denen es ähn­lich ergan­gen war. Zur Begrü­ßung gab es ein Bier, nach ca. 10 Minu­ten Gerä­te­kun­de ein wei­te­res, nach 15 Minu­ten Roh­stoff­kun­de ein wei­te­res, und zur Brot­zeit sowie­so. In die­ser Schlag­zahl ging es wei­ter, wäh­rend irgend­wo im Hin­ter­grund wohl auch ein Sud gebraut wur­de. So genau hat das aber nie­mand mehr mit­be­kom­men. Und brau­en hat man dadurch schon gar nicht gelernt. Soweit als abschre­cken­des Beispiel.

Man­che Hob­by­brau­er füh­len sich mit fort­schrei­ten­der Erfah­rung beru­fen, ihr Wis­sen in Form eines Kur­ses an Inter­es­sier­te wei­ter­zu­ge­ben. Damit dies gelingt, soll­te man sich früh­zei­tig Gedan­ken über Inhal­te und Form machen, damit dies sowohl für Teil­neh­mer als auch Dozent zu einem erfolg­rei­chen Erleb­nis führt. Ich sel­ber hat­te schon mehr­fach Gele­gen­heit, Brau­se­mi­na­re zu hal­ten, von klas­si­schen Volks­hoch­schul­kur­sen über das Stu­di­um Gene­ra­le bis hin zu Image­ver­an­stal­tun­gen kom­mer­zi­el­ler Braue­rei­en. Ein Zitat des Brau­meis­ters einer sehr bekann­ten Weiß­bier­braue­rei ist mir dabei ganz beson­ders in Erin­ne­rung geblieben:

Wenn ich das bei mir im Sud­haus mache, steht man einen Tag lang vor der geschlos­se­nen Ver­roh­rung, und ich sage bloß, hier drin pas­siert Schritt A, dort drin Schritt B, und so wei­ter. Wenn das aber ein Hob­by­brau­er auf sei­ner Anla­ge macht, dann kann man die Mai­sche sehen, schme­cken, rie­chen, füh­len… Das ist Brau­en mit allen Sinnen!“

Das lei­di­ge The­ma Alkohol

Das soll jetzt nicht hei­ßen, dass solch ein Brau­kurs eine kno­chen­tro­cke­ne Ange­le­gen­heit sein muss. Den­noch tut man gut dar­an dar­auf zu ach­ten, dass das Event nicht früh­zei­tig, wie ein­gangs geschil­dert, zur rei­nen Trin­ker­ver­an­stal­tung mutiert. Natür­lich gibt es auch bei mir Bier zu trin­ken, aller­dings erst zur Brot­zeit wäh­rend der Mit­tags­pau­se: Meist ein mit­ge­brach­tes eige­nes Bier, um ein Bei­spiel für daheim erziel­ba­re Ergeb­nis­se zu brin­gen. Aber selbst da ist es manch­mal schwie­rig, nach der Brot­zeit den Faden wie­der auf­zu­neh­men. Und dann wie­der ganz am Ende, ger­ne auch ein paar extre­me­re Bie­re um die Band­brei­te von Bier zu zei­gen, gewis­ser­ma­ßen als Beloh­nung für die­je­ni­gen, die bis zum Schluss aus­ge­harrt und beim Auf­räu­men mit­ge­hol­fen haben.

BrotzeitDer Ver­such, einen Brau­kurs von Anfang an mit aus­ge­dehn­ten Ver­kos­tun­gen zu kom­bi­nie­ren, birgt aber nicht nur die Gefahr, dass die Teil­neh­mer abdrif­ten und kaum noch fürs Brau­en zu moti­vie­ren sind, son­dern auch für den Dozen­ten, sich sowohl zeit­lich als auch the­ma­tisch zu ver­zet­teln. Es emp­fiehlt sich daher, den eigent­li­chen Brau­kurs und gege­be­nen­falls eine Ver­kos­tung auf unter­schied­li­che Tage zu split­ten. Mehr dazu wei­ter unter zum The­ma Nachtreffen.

Gedan­ken zu Anla­ge, Loca­ti­on und Setting

Mein erklär­tes Ziel ist zu zei­gen, dass man mit nur wenig mehr als haus­halts­üb­li­chen Mit­teln Bier in unta­de­li­ger Qua­li­tät sel­ber brau­en kann. Um die Teil­neh­mer zur Nach­ah­mung zu moti­vie­ren anstatt sie durch einen Hardware-​Overkill zu ver­schre­cken, soll­te man sich bei der Brau­an­la­ge bewusst beschei­den. Gut bewährt hat sich bei mir ent­we­der ein Ein­ko­cher oder eine Hockerkocher-​Pfanne ohne Rühr­werk, und zum Läu­tern ein Ther­mo­port oder auch nur ein Eimer mit Pan­zer­schlauch. Das war es fast schon. Anla­gen mit hoher Auto­ma­ti­sie­rung, wie etwa der Spei­del Brau­meis­ter, so reiz­voll die­se auch sein mögen, degra­die­ren die Teil­neh­mer eher zu rei­nen Zuschau­ern. Je mehr es sel­ber manu­ell zu tun gibt, des­to besser!

Damit jeder mal sel­ber Hand anle­gen kann, pfle­ge ich spon­tan wech­seln­de Auf­ga­ben zu dele­gie­ren. Bei­spie­le dafür sind schro­ten, ein­mai­schen, rüh­ren, Tem­pe­ra­tu­ren mes­sen und Ras­ten über­wa­chen, umschöp­fen, anschwän­zen, Hop­fen geben und vie­les mehr. Und natür­lich spü­len, sobald etwas nicht mehr gebraucht wird. Damit es für jeden mal etwas zu tun gibt, hat sich bei mir eine Gren­ze von 15 Teil­neh­mern bewährt. Jeden Teil­neh­mer auf einer eige­nen Anla­ge brau­en zu las­sen – was didak­tisch ide­al wäre – wird man kaum leis­ten kön­nen. Statt­des­sen kann man aber dar­über nach­den­ken, bei grö­ße­ren Grup­pen auf zwei Anla­gen syn­chron zu brau­en. Das kann zusätz­lich ent­we­der ein Spei­del sein, der auto­nom im Hin­ter­grund läuft. Oder, bes­ser noch, ein paar enga­gier­te Teil­neh­mer, die auf einer klei­ne­ren Minimal-​Anlage (z.B. Ein­ko­cher und Pan­zer­schlauch) alle Schrit­te selb­stän­dig nach­ah­men, die wir auf der grö­ße­ren Anla­ge vormachen.

Die Anfor­de­run­gen an die Räum­lich­keit hän­gen zwar auch von der ver­wen­de­ten Anla­ge ab, las­sen sich aber idea­ler­wei­se wie folgt zusammenfassen:

  • Raum mit guter Lüf­tung (v.a. bei Flüssiggas-​befeuerten Anla­gen) und unemp­find­li­chem Boden
  • Sta­bi­ler, stand­fes­ter Tisch für die Brau­an­la­ge (Stand­fes­tig­keit unbe­dingt prüfen!)
  • Was­ser­hahn (idea­ler­wei­se mit Schlauch­an­schluss) und Strom­an­schluss (bei elek­tri­scher Hei­zung oder Nachgussbereitung)
  • Spül­ge­le­gen­heit in der Nähe. Boden­ab­lauf wäre ide­al, wird aber sel­ten vor­han­den sein.
  • Flip­chart oder Wandtafel
  • Sitz­ge­le­gen­hei­ten (z.B. Bier­bän­ke), um nicht die gan­ze Zeit ste­hen zu müs­sen, und ein Tisch für die Brotzeit

Das kann jetzt ent­we­der eine Volkshochschul-​Versuchsküche sein, der Neben­raum einer Gast­stät­te, das Sud­haus einer Braue­rei oder sogar ein Zelt auf dem Hof. Nur einer Ver­su­chung soll­te man wider­ste­hen: Sich als schmü­cken­des Bei­werk einer grö­ße­ren Publi­kums­ver­an­stal­tung mit Lauf­kund­schaft enga­gie­ren zu las­sen: Das Publi­kum guckt dann im Vor­bei­ge­hen kurz in den Topf, sieht, dass womög­lich gera­de nichts Span­nen­des pas­siert, macht gege­be­nen­falls noch dum­me Kom­men­ta­re wie „wird das die Sup­pe zum Abend­essen?“ und zieht wei­ter. Ich habe dar­aus mei­nen Teil gelernt und mache nur noch geschlos­se­ne Ver­an­stal­tun­gen mit Teil­neh­mern, die von Anfang bis Ende dabei sind.

Die Cho­reo­gra­fie

Jeder Hob­by­brau­er kennt das: Es gibt sowohl Pha­sen, in denen viel Action ist und viel pas­siert (z.B. Schro­ten und Ein­mai­schen, Abmai­schen und Läu­tern, Whirl­pool und Aus­schla­gen), aber auch län­ge­re Pha­sen, in denen ver­gleichs­wei­se wenig los ist (län­ge­re Ras­ten und v.a. das Wür­ze­ko­chen). Hier ist das Geschick des Dozen­ten gefragt, Theo­rie­blö­cke wie Erklä­rung der ein­zel­nen Roh­stof­fe auf die ver­gleichs­wei­se ruhi­gen Pha­sen zu legen, um dann wie­der für die prak­ti­schen Tätig­kei­ten frei zu sein.

In der fol­gen­den Tabel­le habe ich bei­spiel­haft einen Ablauf der ein­zel­nen The­men dar­ge­stellt, wie er sich bei mir bes­tens bewährt hat. Das muss natür­lich nicht immer skla­visch genau so ablau­fen, vor allem wenn sich die Dis­kus­si­on auf unge­ahn­te The­men hin­be­wegt. Gene­rell ist aber ein häu­fi­ger Wech­sel zwi­schen Theorie- und Pra­xis­blö­cken, viel­leicht ver­bun­den auch mit einem räum­li­chen Wech­sel zwi­schen Brau­an­la­ge und Tafel von einer Sei­te des Raums auf die ande­re, für die Teil­neh­mer abwechs­lungs­rei­cher und beugt auch früh­zei­ti­ger geis­ti­ger Ermü­dung vor.

Ablauf SeminarWas man zei­gen (und brau­en) sollte

Das mag sich jetzt spie­ßig anhö­ren, aber irgend­wie trägt man ja auch die Ver­ant­wor­tung für eine erfolg­rei­che zukünf­ti­ge Hobbybrauer-​Karriere der Teil­neh­mer. Daher soll­te man bewusst ein­fach, aber fun­diert arbei­ten und ganz bewusst auf unnö­tig kom­pli­zier­te, vor allem aber auch auf zwei­fel­haf­te und nicht all­ge­mein aner­kann­te Tech­ni­ken ver­zich­ten, selbst wenn sich die­se daheim bewährt haben mögen. Bei­spie­le für eher kom­pli­zier­te und damit zunächst abschre­cken­de Ver­fah­ren wären etwa Dekok­ti­ons­mai­schen oder zunächst auch Hop­fen­stop­fen, für zwei­fel­haf­te Tech­ni­ken das Auf­streu­en von Hefe; vom Fla­schen­ba­cken, Grün­schlau­chen nach Gefühl und dem viel­ge­schol­te­nen Gar­ten­schlauch ganz zu schweigen.

Jeder Dozent wird natür­lich sei­nen ganz eige­nen Stil haben und pfle­gen. Der eine legt mehr Wert auf fun­dier­te Theo­rie, der ande­re auf erleb­te Pra­xis, der drit­te auf schmü­cken­de Anek­do­ten. Dage­gen ist auch gar nichts ein­zu­wen­den, solan­ge der Stil zum Publi­kum passt. Am wich­tigs­ten ist es in mei­nen Augen, dass man mit sei­ner eige­nen Begeis­te­rung für das The­ma Bier (denn sonst hiel­te man ein sol­ches Semi­nar nicht) authen­tisch her­über­kommt und damit die Begeis­te­rung der Teil­neh­mer ent­facht. Und auch wenn jeder Dozent sei­ne ganz eige­nen, für ihn bewähr­ten Hand­grif­fe und Ver­fah­ren ent­wi­ckelt hat, die abzu­schau­en wert­voll sein kann, so soll­te man nicht die eige­ne Per­son in den Mit­tel­punkt stel­len. Das indi­vi­du­el­le Vor­ge­hen, das man zeigt, ist immer nur ein mög­li­cher Weg zum Ziel und kei­nes­falls der ein­zig rich­ti­ge Weg!

Damit stellt sich auch die Fra­ge nach einem geeig­ne­ten Demo-​Rezept. Im Sin­ne der pro­blem­lo­sen Repro­du­zier­bar­keit durch die Teil­neh­mer daheim soll­te es ein ein­fa­ches Rezept sein, ober­gä­rig mit Tro­cken­he­fe und Fla­schen­gä­rung. Eigent­lich wäre dafür Weiß­bier ide­al, wenn es denn eine brauch­ba­re Weißbier-​Trockenhefe gäbe, und wenn es nicht hygie­nisch so anfäl­lig wäre. Lie­ber braue ich ein Pale Ale im wei­tes­ten Sin­ne. Als per­fekt für Brau­kur­se hat sich bei mir Micha­el Plums „ober­gä­ri­ger Mai­bock“ her­vor­ra­gend bewährt, sie­he Link http://www.maischemalzundmehr.de . Das ist ein­fach genug, gelingt ziem­lich sicher, und hat viel Cha­rak­ter und eine hohe Drinkability.

Anschau­ungs­ma­te­ria­li­en und Requisiten

Ohne dass der Kurs in eine Mate­ri­al­schlacht aus­ar­ten soll­te, ist es gut, wenn man sowohl zur Rohstoff- als auch Gerä­te­kun­de ein paar zusätz­li­che Anschau­ungs­ob­jek­te dabei hat. Zum The­ma Malz kann das etwa das bekann­te Malz-​Schaubild aus Bam­berg sein, aber auch ein paar Schüs­sel­chen oder Tüt­chen mit Pils­ner, Münch­ner und Wei­zen­malz sowie ein paar unter­schied­li­che Car­a­mal­ze zum Knab­bern und Erken­nen der Unter­schie­de (regel­mä­ßig wird dabei das Münch­ner Malz als am schmack­haf­tes­ten bewer­tet und ist am ehes­ten leer­ge­ges­sen!). Dann ein euro­päi­scher Nobel­hop­fen und ein ame­ri­ka­ni­scher C‑Hopfen zum Schnup­pern. Ein Tüt­chen Trocken- und Flüssighefe.

Damit man nicht nur einen Weg dog­ma­tisch vor­gibt, kann man an pas­sen­der Stel­le alter­na­ti­ve Gerä­te zumin­dest „tro­cken“ zei­gen, um auch auf ande­re Mög­lich­kei­ten hin­zu­wei­sen. Etwa einen Pan­zer­schlauch, wenn man mit dem Senk­bo­den arbei­tet, ein Refrak­to­me­ter statt Spin­del, ein Plat­ten­wär­me­tau­scher anstatt Ein­tauch­küh­ler und der­glei­chen mehr.
Pas­send zur oben gezeig­ten Cho­reo­gra­fie habe ich ein paar Pla­ka­te oder Foli­en vor­be­rei­tet, an denen ich die wesent­li­chen Theo­rie­blö­cke erklä­re, und die die Teil­neh­mer anschlie­ßend als aus­ge­druck­tes Skript mit­be­kom­men. Im Ein­zel­nen sind dies:

  • Roh­stoff­kun­de Malz (Mäl­zen, Basis- und Spe­zi­al­mal­ze, davon beein­fluss­te Aromen)
  • Gerä­te­kun­de (Pfan­nen und Bottiche)
  • Der indus­tri­el­le Brau­pro­zess (Schau­bild des Brau­er­bun­des)
  • Maisch­ar­beit und Ver­zu­cke­rung (Amy­la­sen, Opti­mal­tem­pe­ra­tu­ren, unter­schied­li­che Maisch­ver­fah­ren wie Dekok­ti­on, Infu­si­on, Kombirast)
  • Die Stoff­um­wand­lung vom Malz über den Extrakt bis zum Alko­hol und CO2
  • Roh­stoff­kun­de Hop­fen (Bitter- und Aro­ma­hop­fen, Hop­fen­ga­ben, davon beein­fluss­te Aromen)
  • Wür­ze­ko­chung und Hop­fung (Auf­ga­ben, Berech­nung der Bittere)
  • Roh­stoff­kun­de Was­ser (Här­te und Restal­ka­li­tät, davon beein­fluss­te Bierstile)
  • Roh­stoff­kun­de Hefe (Ober- und unter­gä­rig, davon beein­fluss­te Bierstile)
  • Hygie­ne, Abküh­len, Anstel­len (Reinigungs- und Desinfektionsmöglichkeiten)
  • Kar­bo­ni­sie­rung bei Fla­schen­gä­rung (Vor­ge­hen, Berech­nung der Karbonisierung)

Ganz ohne Rech­nen geht es nicht!

Auch wenn man die Teil­neh­mer, abhän­gig von deren Vor­bil­dung, nicht mit einem Über­maß an Che­mie und Mathe­ma­tik ver­schre­cken möch­te, so ist es mir doch ein zen­tra­les Anlie­gen, dass jeder Hob­by­brau­er zumin­dest drei ein­fa­che Berech­nun­gen zwin­gend beherr­schen sollte:

  • Bit­ter­ein­hei­ten abhän­gig von Alpha­säu­re­ge­halt des Hopfens
  • Restal­ka­li­tät aus Gesamt und Kar­bo­nat­här­te, ggf. Milchsäuredosierung
  • Zucker­men­ge als Spei­se zur Karbonisierung

Auch wenn ich auf die gän­gi­gen Online­rech­ner hin­wei­se (auch im Hand­out), füh­re ich die­se drei Rech­nun­gen (nebst der Sud­haus­aus­beu­te) von Hand am Flip­chart oder der Tafel vor, um zu zei­gen, dass das alles kei­ne gro­ße Hexe­rei ist. Auf einem wei­te­ren Flipchart-​Blatt ent­steht von Anfang an ein groß­for­ma­ti­ges Sud­pro­to­koll mit allen Schrit­ten und Wer­ten, um die Teil­neh­mer gleich ans Pro­to­kol­lie­ren zu gewöh­nen. Am Ende unter­schrei­ben das dann alle „Bier­sie­der“, und die meis­ten foto­gra­fie­ren es dann sogar stolz!

Neben all der schnö­den Theo­rie ist aber die wich­tigs­te Erkennt­nis eines Brau­kur­ses, zu erle­ben, wie sich die anfäng­li­che unan­sehn­li­che „Hafer­flo­cken­sup­pe“ durch die wie­der­hol­ten Schrit­te der Läu­te­rung und Klä­rung in kla­re Wür­ze und spä­ter Bier ver­wan­delt. Auch zu sehen, zu füh­len und zu schme­cken, wie sich die Mai­sche immer mehr ver­flüs­sigt und zucker­süß wird, sorgt regel­mä­ßig für Erstau­nen. Auch wenn man die Teil­neh­mer manch­mal zum Kos­ten erst müh­sam über­re­den muss.

Man soll­te sich als Dozent aber dar­über klar sein, dass man eine gewis­se Grat­wan­de­rung zu bewäl­ti­gen hat: Einer­seits ein Bewusst­sein für den Auf­wand beim Brau­en und die Kom­ple­xi­tät der Mate­rie zu wecken: Man­che Teil­neh­mer sagen einem anschlie­ßend, dass sie das zuvor ver­meint­lich pri­mi­ti­ve und ple­be­ji­sche Getränk Bier nun mit völ­lig ande­ren Augen und viel höhe­rer Wert­schät­zung sehen. Ande­rer­seits nicht durch zu hohe Kom­ple­xi­tät zu ver­schre­cken und zu demo­ti­vie­ren, das gan­ze ein­mal sel­ber auszuprobieren.

Lite­ra­tur und Handouts

Als Skript zum Mit­neh­men bekom­men die Teil­neh­mer in mei­nen Seminaren:

Dane­ben lege ich immer eine Rei­he emp­foh­le­ner Bücher zur Ansicht aus, wie bei­spiels­wei­se den Hang­ho­fer (als eta­blier­tes und umfas­sen­des Ein­stei­ger­buch) und den Nar­ziß (um die Band­brei­te zu zei­gen…) sowie den Ran­dy Mos­her (für die­je­ni­gen, die sich nicht von eng­li­scher Spra­che abschre­cken las­sen). Und dann kann man natür­lich auch den Akten­ord­ner mit der gesam­mel­ten Zoll-​Korrespondenz zeigen:

Die lie­be Biersteuer

Natür­lich soll­te man die Teil­neh­mer dar­auf hin­wei­sen, dass sie, wenn sie es daheim aus­pro­bie­ren, das Haupt­zoll­amt zuvor davon unter­rich­ten soll­ten. Aber auch beim Brau­kurs sel­ber ist Bier­steu­er ein The­ma. Die Home­page des Zoll sagt dazu:

Brau­en zu Demonstrationszwecken
Im Gegen­satz zum Haus- und Hob­by­brau­en ist die Her­stel­lung von Bier zu Demons­tra­ti­ons­zwe­cken (z.B. bei Mes­se­auf­trit­ten, Dorf­fes­ten, zu Unter­richts­zwe­cken in Schu­len etc.) nicht steu­er­frei. Sie müs­sen als Her­stel­ler dem zustän­di­gen Haupt­zoll­amt Zeit­punkt, Ort und vor­aus­sicht­li­che Men­ge vor der Bier­her­stel­lung form­los anzei­gen. Nach Abschluss der Ver­an­stal­tung müs­sen Sie eine Bier­steu­er­an­mel­dung (For­mu­lar 2075) über die Men­ge und den Stamm­wür­ze­ge­halt des erzeug­ten Bie­res abge­ben und die Steu­er sofort ent­rich­ten. Das zustän­di­ge Haupt­zoll­amt kann bei klei­nen Bier­men­gen und hohem Auf­wand für die Ermitt­lung des Stamm­wür­ze­ge­hal­tes eine Anmel­dung mit einem pau­scha­len Stamm­wür­ze­ge­halt von 12 Grad Pla­to zulassen.

Damit soll­te eigent­lich alles schon gesagt sein! Auch wenn ich Dozen­ten ken­ne, die die im Kurs erzeug­te Wür­ze anschlie­ßend, auch aus hygie­ni­schen Grün­den, ver­wer­fen und damit gar nicht erst steu­er­pflich­tig wer­den. Oder die Wür­ze erst daheim mit Hefe anstel­len (was spitz­fin­der­wei­se als eigent­li­che Bier­her­stel­lung gilt) und die­se so der hei­mi­schen Frei­men­ge zurech­nen. In die­sem Fall dürf­te das Bier aber genau genom­men auch nicht anschlie­ßend an die Teil­neh­mer ver­teilt wer­den, weil es dann nicht mehr für den eige­nen Bedarf ist…

Ich sel­ber hal­te das Ver­wer­fen der Wür­ze für demo­ti­vie­rend den Teil­neh­mern gegen­über, die ja ihr Pro­dukt spä­ter auch ver­kos­ten und nicht nur für den Aus­guss gebraut haben wol­len! Und wenn der Dozent erst daheim im stil­len Käm­mer­chen anstellt, fehlt im eigent­li­chen Kurs ein ganz wich­ti­ger Schritt. Also mel­de ich ganz brav mein Schau­brau­en vor­her beim Zoll an, über­wei­se direkt im Anschluss die paar Euro Bier­steu­er, und bin so auf der siche­ren Sei­te, ohne mich auf irgend­wel­che Spitz­fin­dig­kei­ten ein­las­sen zu müssen.

Wie geht es weiter?
Vom Zer­le­gen der Beu­te und Wei­ter­tra­gen der Flamme

Damit wäre auch schon ein nur schwer lös­ba­res Pro­blem ein­tä­gi­ger Brau­kur­se ange­spro­chen: Aus Zeit­grün­den kann man eigent­lich nur den Sud zei­gen, vom Schro­ten bzw. Ein­mai­schen bis zum Aus­schla­gen bzw. Anstel­len. Das Brau­en aber nur auf den Sud zu redu­zie­ren wäre aber ein gro­ßer Feh­ler und wür­de zu fal­schen Schlüs­sen füh­ren. Eine ver­gär­ba­re Wür­ze zu pro­du­zie­ren haben die meis­ten noch geschafft, aber vie­le Pro­ble­me stel­len sich erst bei der Gärung und Abfül­lung im Anschluss. Dies nur theo­re­tisch erklä­ren zu kön­nen ist irgend­wie unbefriedigend.

Für das, was anschlie­ßend mit der Wür­ze pas­siert, ken­ne ich unter­schied­lichs­te Ansät­ze. Vom unbe­frie­di­gen­den Weg­schüt­ten war im vor­he­ri­gen Absatz bereits die Rede. Man­che Dozen­ten hin­ge­gen geben den Teil­neh­mern die Wür­ze etwa in Mine­ral­was­ser­fla­schen mit heim, um die­se sel­ber zu ver­gä­ren, was ich aber aus ver­schie­de­nen Grün­den für etwas bedenk­lich hal­te. Ande­re Dozen­ten ver­tei­len ca. eine Woche spä­ter nach der Haupt­gä­rung das abge­füll­te Jung­bier, damit die Teil­neh­mer sel­ber die Fla­schen­gä­rung durch­füh­ren und abwarten.

Mir sel­ber ist hin­ge­gen fol­gen­des Vor­ge­hen am liebs­ten: Der eigent­li­che Kurs geht bis zum Küh­len und Anstel­len mit Hefe. Anschlie­ßend ver­gä­re ich das Bier bei mir daheim, fül­le es ab, mache die Nach­gä­rung und Rei­fung. Wäh­rend des­sen schi­cke ich aber alle paar Tage den Teil­neh­mern eine Rund­mail oder Whats­app mit Updates: Was ich jeweils getan habe, wo der Rest­ex­trakt gera­de ist, bei wel­cher Tem­pe­ra­tur das Bier steht, Fotos von den Kräu­sen, vom Umschlau­chen und vom Abfül­len. Und dann tref­fen wir uns etwa 4 bis 8 Wochen spä­ter für einen Abend zu einem zwang­lo­sen Nachtreffen.

Beim Nach­tref­fen gibt es dann wie­der eine Brot­zeit oder ein Gril­len, und dazu wird ein Teil des gemein­sa­men Pro­dukts ver­kos­tet und natür­lich gleich getrun­ken. Die übri­gen Fla­schen wer­den zum Mit­neh­men ver­teilt. Die­ses Nach­tref­fen wird immer sehr gut ange­nom­men und ist stets ein sehr fröh­li­cher und net­ter Abend mit Dis­kus­sio­nen rund ums Bier, die sich oft bis weit in die Nacht zie­hen. Vor allem kann dabei end­lich auch der Dozent, der wäh­rend des Kur­ses die gan­ze Zeit „unter Feu­er stand“, nun auch sel­ber etwas ent­span­nen, zwang­los plau­dern und etwas dabei trinken.

Ein ganz beson­de­res Erfolgs­er­leb­nis ist es aber, wenn zum Nach­tref­fen man­che Teil­neh­mer sel­ber schon ihr ers­tes daheim selbst­ge­brau­tes Bier mit­brin­gen! Oft sind ganz her­vor­ra­gen­de Bie­re dabei. Und was könn­te es für einen bes­se­ren Beweis dafür geben, dass es beim Semi­nar gelun­gen ist, von der eige­nen Begeis­te­rung etwas abfär­ben zu las­sen und den Hobbybrauer-​Virus weiterzugeben!


Alle Fotos: Joa­chim Bull
Erwähn­te Literatur:
Hubert Hang­ho­fer: Gutes Bier selbst brau­en, Schritt für Schritt – mit Rezepten
BLV Buch­ver­lag Mün­chen, 2016
Taschen­buch, 144 Seiten
Lud­wig Nar­ziß: Abriss der Bierbrauerei
Wiley-​VCH Ver­lag Weinheim/​Berlin, 8. Auf­la­ge 2017
Taschen­buch, 486 Seiten
Ran­dy Mos­her: Mas­te­ring Home­brew, The Com­ple­te Gui­de to Bre­wing Deli­cious Beer
Chro­nic­le Books San Fran­cis­co, USA, 1. Auf­la­ge 2015
Taschen­buch, 384 Seiten

3 Kommentare zu “Kann man das heu­te schon trinken?

  1. olem_de

    Hal­lo Moritz.
    Sehr schön Dein Erfah­rungs­be­richt. Vie­les habe ich als Dozent eben­so emp­fun­den und den­noch konn­te ich auch eini­ges in mein Reper­toire auf­neh­men. Mir gefällt an die­sem Maga­zin auch das eben sol­che The­men ein­mal ange­spro­chen wer­den. Im Sin­ne von : „Den Hobbybrauer-​Virus wei­ter zu verteilen!”

  2. Sura

    Groß­ar­ti­ger Bei­trag, der jedem Dozen­ten vor­ge­legt wer­den soll­te. Ich hat­te am Anfang einen eher mit­tel­präch­ti­gen Brau­kurs, der eini­ges wich­ti­ges (Was­ser!) gar­nicht behan­del­te, und ein eher unge­eig­ne­tes Rezept prä­sen­tiert hat. Eine loka­le Braue­rei war omni­prä­sent in Form von auf- und Vor­dru­cken und bei der Ver­kös­ti­gung. Wer­bung für die Webseite/​den Shop des Dozen­ten wur­de auch noch gemacht. Der Schritt der Ver­gä­rung wur­de in jeder Hin­sicht kom­plett gespart, dafür Rein­heits­ge­botbas­hing vom Feinsten. 

    Falls ich mich irgend­wann mal soweit füh­le selbst eien Kurs anzu­ge­hen, wer­de ich mit Freu­de die­sen Arti­kel noch ein­mal stu­die­ren. Letzt­end­lich erhält er wirk­lich das, was ich mir bei mei­nem ers­ten Brau­kurs erhofft hät­te und was ich mir vor­stel­le, was dar­in vor­kom­men soll­te. Vie­len Dank dafür.

  3. EigeBier

    Herz­li­ches Dan­ke­schön für dei­nen gross­ar­ti­gen Bei­trag zum Bier­brau­en und wie man Kur­se orga­ni­sie­ren soll.
    Zusam­men mit einem Kol­le­gen haben wir vor Jah­ren als Auto­di­dak­ten mit Bier­brau­en begon­nen und machen heu­te ganz anstän­di­ge Bie­re für den Eigen­ge­brauch :-). Die Lust am Brau­en ist gross, aber der „Schluck” mag dem nicht Schritt­hal­ten. Dar­um haben wir vor etwa 3 Jah­ren begon­nen, den Virus in Form von Kur­sen wei­ter zu geben, so kom­men auch wir wie­der ver­mehrt zum Brauen.
    Unse­re Kur­se haben wir von Beginn weg wie von dir beschrie­ben auf­ge­baut, dazu eine eige­ne Doku­men­ta­ti­on geschrie­ben, die wir abge­ben. Gebraut wird ab dem Ein­mai­schen bis zum Küh­len am sel­ben Tag. Ver­gä­ren und Abfül­len geschieht durch uns und man trifft sich nach 6–7 Wochen zum gemein­sa­men Grill­abend und ver­tei­len dann die eige­nen Biere.
    Gestar­tet wird mit Kaf­fee und Gip­feli „Crois­sants” und bis Mit­tags gibt es nur Mine­ral­was­ser. Weil Bier­brau­en ein lan­ges Pro­ze­de­re ist und War­te­zei­ten ent­ste­hen, wird par­al­lel dazu in 2er Teams gewurs­tet, die­se wer­den zu Mit­tag geges­sen und am Schluss kann jeder etwa 1 kg Brat­würs­te mit nach Hau­se neh­men. Nach dem Mit­tag­essen ver­an­stal­ten wir eine Bier­de­gus­ta­ti­on mit 6–7 Bie­ren (ca 0,5 dl pro TN). Nach X Kur­sen hat­ten wir bis­her nie das Pro­blem von „Kampf­trin­kern” und Lust­lo­sen Nachmittagen.…

Schreibe einen Kommentar